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Meine Garderobiere

Ich spielte nun wieder am Deutschen Volkstheater, und zwar gleich zu Anfang der Saison eine Premiere, »Rosmersholm«. Die beiden Hauptrollen, Rebekka West und Rosmer, waren mit Robert Nhil und mir besetzt. Wir hatten alles sehr sorgfältig probiert und uns, wie man so sagt, in unsere Rollen hineingekniet, um alles aus ihnen herauszuholen, was nur irgend möglich war, aber wir hatten beide die Befürchtung, das Stück könnte nicht gefallen. Es kamen nämlich einige Stellen darin vor, die sehr heikel waren, und diese Stellen flößten mir Angst und Schrecken ein. Ich erkrankte vor Aufregung und konnte nicht zur Generalprobe erscheinen. Meine Garderobiere Anna Schönfeld hatte schon alles hergerichtet, aber es ging einfach nicht. Zuerst kam der Theaterdiener im Auftrage der Direktion, um nachzusehen, was mir fehlte. Auf seine Meldung, daß ich erkrankt sei, erschien der Sekretär. Auch er machte sich mit der gleichen Meldung auf den Rückweg. Ich sei krank, weil ich fürchte, das Stück könnte durchfallen. Als Direktor von Bukowics, der die Probe nicht verlassen konnte, schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, meinte der Theaterdiener: »Darf ich etwas sagen, Herr Direktor?« – »Heraus damit!« – »Schicken Sie doch Frau Schönfeld hin. Fräulein Sandrock hat sie sehr gern. Vielleicht bringt sie es fertig.«

Anna Schönfeld kam also im Wagen des Direktors angefahren. Ich lag noch im Bett, als sie eintrat, und sagte: »Anna, ich kann nicht, ich kann nicht.« – »Aber gnädiges Fräulein«, erwiderte sie, »Sie werden sich doch nicht die schöne Rolle von einer anderen wegspielen lassen, damit die sich ins Fäustchen lacht.« – »Schöne Rolle? Was wissen Sie denn von einer schönen Rolle?« – »O ja, ich weiß schon, wie großartig gnädiges Fräulein wieder spielen. Ich habe mir doch zwei Proben angesehen, weil ich bei der Generalprobe niemals Zeit habe. Ich finde die Rolle ganz herrlich!« – »Sooo, meinen Sie?« Und schon sprang ich aus dem Bett, sie zog mir schnell meinen Schlafrock über, und ich sagte: »Aber das eine merken Sie sich. Wenn es ein Mißerfolg wird, betreten Sie meine Garderobe nicht wieder.« – »Gut«, sagte meine Anna, »ich nehme alles auf mich.« So waren Generalprobe und Premiere in letzter Minute gerettet. »Bravo, Frau Schönfeld«, sagte der Direktor zu meiner Anna. »Was keiner erreichte, haben Sie zuwege gebracht.«

Unser Stück hatte einen grandiosen Erfolg. Robert Nhil und ich wurden hervorgejubelt, aber auch die anderen, der Kroll, der Ulrik Brendl und der Peter Mortensgard, waren ganz herrlich. Vor lauter Freude über unseren Sieg knieten wir beide, Nhil und ich, auf der Bühne nieder und küßten den Fußboden, so glücklich waren wir, weil wir ursprünglich ganz anders über den Fall gedacht hatten. Wir falteten sogar vor lauter Seligkeit die Hände zum Gebet, denn wir hatten eine Zeitlang wirklich Blut geschwitzt. Aber so kann man sich über die Möglichkeiten einer Rolle täuschen. Wenn meine Anna nicht gewesen wäre, wer weiß, ob die Premiere stattgefunden hätte.

Robert Nhil, um noch einmal auf ihn zurückzukommen, war überhaupt ein feiner Kollege. Ich mochte ihn sehr gern, hatte aber kein Gschpusi mit ihm. Leider ging er zu Baron Berger an das Hamburger Schauspielhaus, wo er heute noch engagiert ist.


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