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Der Landregen

Ein Landregen, der nicht weichen wollte, der tagelang seine grauen Eimer trug vom Ozean bis fern zum sommerdürren Steppenland, legte sich über Stadt und Land. In unendlich eintönigem Getröpfel fiel es von den Dächern und goß aus den Rinnen, tagelang.

In einem Regenmantel, den regenschweren Hut tief in der Stirn, war Erich hinausgewandert. Jetzt saß er mit Loo und dem alten Herrn im Schloß, in einem Zimmer, dessen Fenster auf den Hof und die zum Teil niedergebrannten Scheunen blickten. Sie quälten sich nicht zu einem Gespräch, sie sahen wortlos hinaus in den gießenden Regen.

Aber trotzdem, – unterbrach der Graf die Stille – Sie werden es wohl glauben, junger Freund, ich liebe solchen Regen. Hören Sie, wie das von den Dächern tropft, so selbstverständlich und eintönig, ein Tag wie der andere. Dazwischen die alte undichte Regenrinne mit ihren klatschenden Güssen, unregelmäßig und ungleich stark, das sind so die Episoden, die hohen Tage des Lebens – und alle gehen zu Wasser, alle. Aber hören Sie das Tröpfeln, das Tröpfeln, so müde und eintönig-geschäftig, das bleibt – wird ja auch zu Wasser – aber es bleibt – tripp – trapp. Sehen Sie, das erfüllt mich mit so eigener Freude – – Und er ging in sein Turmzimmer hinüber.

Du hättest nicht kommen sollen, Geliebter – sagte Loo, die mit verschränkten Händen am Fenster stand – der Regen ist nichts für uns. Was soll unsere Liebe, was soll das? Weshalb haben wir uns so lieb? – Und das nennt sich Glück – – ! –

Hör einmal zu, Loo:

Es war ein Tag wie heute, so zwischen Nachmittag und Abend, als ein junger Scholast durch die Straßen Jenas ging. Winkelige, enge Gassen waren das, langnasige Giebel mit großen, unheimlich schwarzen Augen und einem breiten gefräßigen Maul, aus dem die schwarze Zunge wie eine Rolle geformt heraushängt. – Es wird später und später und wird eine stürmische Nacht. Da begegnet dem einsamen Scholasten ein Mensch, dessen Beruf es war, durch seine Dummheit und seinen Reichtum alles um sich unglücklich zu machen, ohne daß er selbst dabei Glück genoß – den packt sich der Scholast, schüttelt ihn und schreit ihm ins Ohr:

Sieh diese stürmische Nacht! Weiße, zerrissene Wolken jagt der Wind von der Rudelsburg her, und blickst du lange hinauf, wie der Mond sie verzinnt und versilbert, dann wird's dir, als flöge der Mond dahin, der Fenriswolf hinterher, und Turmspitzen, Turmhähne mit flatternden Flügeln, die langnasigen Giebel in wilder Flucht mit, die Häuser, die Gassen, die Stadt, du selbst – hui! in die Unendlichkeit! Packt's dich, du Jammermann? Siehst du das Haus dort mit der grotesken Doppelnase am Giebel? Und das Fenster darunter, im windigen dritten Stock, Licht ist drin? Da geht's hinauf, drei Treppen hoch – komm mit! Hoppla, du Jammermann. –

Was? Du siehst nichts? Tränen dir die Augen? Beißt dir der scharfe Tobak sie aus?

Und draußen heult der Sturm, die langen Giebelnasen knarren und wackeln und schütteln den Kopf über das schlechte Wetter und rufen in gespenstischer Zwiesprache bei jedem Nieser Gesundheit! Gesundheit! Euer Gnaden – sich zu. Und der Kessel singt, der Grog glüht und wir sechzehn sitzen tabakrauchumhüllt am runden Tisch, und unter uns ist einer, der hat eine harte böse Stimme:

Ich habe zehn Tage keinen Wein getrunken, ihr Füchse, keinen Schläger und kein Weib berührt, ich habe mich hier vergraben und habe die Rettung gefunden. Nicht für die Menschheit – was heißt Menschheit? Für mich, für euch, ihr Füchse.

Und ich habe gefunden: So viel Individuen, so viele Welten. Unser sind ihre Erscheinungen, unser ist ihre Zeit, unser ihr Raum, unser ihre Ursächlichkeit: wir sind die Welt.

Seht, jetzt nehme ich die Zeit – er streckte die geöffnete Hand hoch – presse zusammen, was zwischen ihrem Anfang und ihrem Ende liegt – er krallte langsam die Hand zu – und werfe es unter mich – er schmetterte die Faust nieder.

Füchse, Sophistik! heißa Sophistik! Jetzt lösen wir ein Geheimnis! Habt ihr schon über die Möglichkeit nachgedacht? – Wähntet ihr nicht damals in der Zeit, eine Handlung als Ausführung eines Gedankens sei möglich, und die andere nicht? Und weswegen war sie unmöglich: weil sie eurer Erfahrung und Logik widersprach. Und was ist denn Erfahrung? – Die, kausal gedachte, zeitliche und räumliche Verbindung zweier oder mehrerer Erscheinungen. Was erfahrt ihr so? – Euch. Wie könnt ihr denn euch durch euch widerlegen? Füchse, Sophistik! heißa Sophistik! Und was ist eure Logik? Die angenommene Gleichheit gewisser zeitlicher und räumlicher Erscheinungen, und was daraus im Zwange eurer Kausalität folgt. Wie könnt ihr denn abermals euch durch euch widerlegen? – Und wenn ihr die Ausführbarkeit eines Gedankens von einer fernen Zukunft erhofft: haben wir die Zeit nicht niedergerissen und unter unsere Füße getreten? Gedanke und Ausführung sind nicht mehr getrennt, sie sind eins geworden.

So gibt es keine Möglichkeit oder Unmöglichkeit; was ich auch denke, ist nicht nur ausführbar, sondern schon da, ist schon dadurch geschaffen, verwirklicht und da. Ruhig, du Jammermann!

Und nun gebt Acht, wir bauen ein Schiff, ein glückhaft Schiff. –

Da holte er unter einem abgeschabten roten Plüschsofa einen zweiunddreißigeckigen Kasten hervor, in dessen Mitte eine Geige befestigt war, – und sang ein Lied: die Geige gab einen leisen Klang. Und jetzt sang er hart und sporenklirrend: schrillend klangen die Saiten.

Mittönende Schwingungen. –

Nun legte er sein Gesicht in stille Falten, und seine Augen wurden traurig: da klang die Geige auch leise und traurig – Dann reckte er sich hoch: zornig schrie eine Saite auf.

Ich nenne es übertragende Schwingungen der ersten Kategorie – wovon? worauf? Äther, Luft – was tun Worte! –

Dann nahm er die Geige wieder und entriß ihr einen Ton: ein Nordlicht hing draußen in der Luft und warf Flammenspeere und Feuerglorien über den Himmel.

Ich nenne es übertragende Schwingungen der zweiten Kategorie – wovon? worauf? Luft, Äther – was tun Worte! –

Und nun schlug er das Fenster zurück und strich einen Klang, der sich wie roter Sammet anfühlte: da ward es stille draußen, der Sturm ward zum Hauch, eine weiße Wolke fiel vom Mond und schwebte wie von einer Sehnsucht durchwogt vor dem Fenster, und die Giebel machten Bücklinge, graziös steife Rokokoverbeugungen, und schnitten ein verliebtes Gesicht.

Doch als er dann den Bogen führte, rasselten die Schiefer zu Boden wie Hagelschlag, die rostigen Turmglocken fuhren aus ihrem Schlaf und schrien dröhnend und schmerzlich auf, und eine Windsbraut lachte durch die Gassen.

Luft – Äther – Luft – ich nenne es kurz die dynamischen Schwingungen. – Seht ihr, wir bauen ein Schiff, ein glückhaft Arche-Howald-Schiff! Seht ihr's nicht schwimmen droben an der Steilküste Samlands, brandungumrauscht, bernsteingeschmückt – rund, zweiunddreißigeckig und eine Geige klafterhoch die Bordwand überragend? –

Ja Loo, denke dir eine ungefähre Halbkugel, neunzig Meter breit, dreißig Meter tief, zweiunddreißigeckig, ohne Mast und Segel, ohne Schornstein und Schraube, ohne Anker und Steuer, statt dessen in der Mitte eine Riesengeige tragend: das war Musarion und unser glückhaftes Schiff.

Und seine Besatzung bildeten sechzehn ganze Männer und ein halber, der war Geheimrat und Berliner, und diente uns als Koch.

Unsere Gehirnwindungen, graue und weiße, und damit unsere Welt, stehen in Beziehung zu einem ganz bestimmten Ton, wie er aus Grundton und Nebentönen sich zusammensetzt: erklingt dieser, so geraten sie und ihr Weltbild in frohe, treibende Erregung. Und wie jeder Mensch eine Tagesstunde hat, in der er sich am zärtlichsten liebt, so ist jene Erregung am intensivsten in dieser Stunde. Und was ist denn die Stunde weiter, als der Stand der Sonne über oder unter einer bestimmten Himmelsrichtung?

So entsprach unser Wesen einem Strich der Himmelsrose. Verstärkten wir nun unsere Erregung, indem wir mit dem Grotesken Riesenbogen unseren Leibton über der Stirne strichen, von wo aus wir unsere Gehirnwindungen am eindringlichsten miterklingen hießen, so pflanzten sich deren Schwingungen auf die Saiten der Riesengeige fort und wurden dort aus den übertragenden Schwingungen erster Kategorie in dynamische umgesetzt: Das Schiff bewegte sich in der dem Ton eigenen Himmelsrichtung. Strich Howald e, so fuhr es gen Ost, geigte er cis, so wandte es sich der Abendröte zu.

Wie der Wechsel der Schnelligkeit mit Hilfe einer Flöte, das Anlegen mit Hilfe einer Pauke bewirkt wurde, wirst du dir selber ausmalen können.

Das war die fremdartige, wie ein Hünengrab oder Brontosaurosknochen in unsere Zeit hinaufragende Besatzung Musarions. –

An einem waldmeisterduftenden Maiabend verließen wir die Bernsteinküste mit dem Kurs zwischen Bornholm und Rügen auf Trelleborg. Dort raubten wir ein schwedisches Mädchen Marga und geigten sodann durch den Sund, Kattegat und Skager Rak, am südlichen Abhang der Doggerbank entlang und durch den Kanal, um am nächsten Abend vor Lizard vor Anker zu gehen.

Ein Paukenschlag! und Wind und Wellen treiben an uns vorbei, die massigen Wogen des Ozeans werfen sich dröhnend gegen unser Schiff, und in den Saiten der Geige pfeift der Westwind, der ozeangeborene, seine klagende Melodie. Ich war abgelöst worden, und der Fuchs Torring übernahm den Dirigentenplatz; so ging ich an Deck, lehnte mich an die Geige und ließ meine Gedanken schweifen – –

Da höre ich ein Toben und Schreien und sehe sie herstürmen, lachend und mit fliegendem Haar –

Eine Riesengeige streicht man mit einem Riesenbogen! – und unter dem jubelnden Zuruf der Gefährten reißt sie den tönenden Bogen über die Saiten:

Als hätte ein Wetterschmied alle Taifune und Orkane und all ihr wildes Geschwistervolk zusammengehämmert, um sie in einem Guß auf uns loszulassen – so flog unser Schiff. Die Wasser bäumten sich wie Berge vor uns hoch, standen als grollende brausende, donnernd in sich einstürzende Mauern zu unseren Seiten, und ihr Wutschrei, wenn sie meilenweit hinter uns zusammenschlugen, warf den Erdball zitternd und pendelnd aus seiner Bahn. Und gleich einer ungeheuren Geschützkugel tönte unser hoch aus den Wassern sich hebendes Schiff dahin, eine Meute bellender, kläffender, heulender Sturmhunde hinterher. Wir lagen am Boden wie vom Beilschlag hingestreckt – aber Marga, die geduckt auf ihren Knien neben mir kauerte, lachte mit funkelnden Augen in die erbosten Wasser – Planken und Menschenleiber tanzten und quirlten vorbei – wie ein Blitz kam's, wie ein Blitz verschwand's – helljauchzend bäumte sie sich hoch und starrte ihnen nach in die grüne gischtende Finsternis.

Als ich das sah, die Trümmer eines überrannten Schiffes und das jauchzende zerstörungstrunkene Weib, kroch ich in meine Kajüte, um in mir das Mitleid und das Grausen zu töten. –

Und dort erhitzte ich drei Tage lang meine Phantasie, mir die grausenerregendsten und bemitleidenswertesten Bilder vorzujagen, und hatte meine prickelnde Lust, die letzten Fäden, die mich in den Bannkreis des Phantoms Gott und »Gut und Böse« ziehen wollten, langsam zu durchschneiden.

Dann eilte ich an Deck, um die Schriftstücke, auf die meine Phantasie ihre Teufelsbilder gemalt hatte, über Bord zu werfen, und warf sie – in den Amazonenstrom, jawohl – in den Amazonenstrom.

Amazonien! Wie lange hat es gedauert, bis die Pororoca wasserwolkenlärmend in deinen Strom sich wälzt! Einmal Meer, das gegen granitene Küsten eines Urlands im Osten brandet, Inseln aus sich hebt, sumpfig und üppig wie nur im tropischen Sumpf, und Insel sich an Insel schließend, dein Meer versinkend und vertrocknend: Land! Dann die Küste wieder eines gewaltigen Meers, auch das zerfällt, versandet und verdünnt und verfrachtet seine Wasser in mächtige westliche Ströme, bis die aufbäumende Cordillera ihnen den Weg vertritt und mit ihren eigenen Wassern vereint sie einen See bilden heißt, mächtig und breit, überströmend und seine Fluten in gewaltigen Rinnen in den Ozean werfend: da ward dein Amazonas! da rollte der Wasserwolkenlärm rauschend und brausend deinen Strom hinan – Amazonas!

Hochwassergeschwollen, gelb und trüb, verfilzte Pflanzenbarren und umgestürzte Bertholletien tragend, wälzte er sich unabsehbar zwischen seinen Inseln ins Meer. Wo der Tapajos sein flaschengrünes Wasser in ihn wirft, wo am Ufer Mumbakapalmen, langarmige Heveen und Bambusse eine schwermütige Linie ziehen und die Victoria regia ihre grünen Blatteller wiegt – lag still und stumm unser Musarion und ließ die schlaffen Saiten seiner Riesengeige im Morgenwind summen.

Aber ich fand mich allein, die Boote waren fort – so lehnte ich mich an die Riesengeige und spielte ihr auf meiner Fiedel ein Lied.

Das ist nun deine Welt, einzigartig und nie oder immer wiederkehrend, auch wohl schön und wild – aber eine Welt der absoluten Einsamkeit, das ist deine Welt. – –

Am Mittag kam Howald mit den Gefährten zurück, mit Pflanzen und erbeuteten Tieren beladen; in Kiepen, Körben, Gläsern und Netzen brachten sie die Fauna und Flora Amazoniens an Bord. Sie grüßten mich zerstreut, redeten mit unendlichem Stimmengewirr durcheinander und zogen sich, immer disputierend, in die gemeinsamen Arbeitszimmer zurück.

Marga, an der Geige lehnend und sich aufrichtend und leise dehnend, lächelte mich an – da überließ ich meine Freunde ihrem Treiben und folgte ihr. Nach tagelangem Arbeiten unter Deck tauchten meine Gefährten wieder ans Licht, ruderten sich an Land, kehrten mit den mannigfaltigsten Dingen zurück und verschwanden wieder, immer redend und mit nachdenklichen Gesichtern. Und ich – blieb bei ihr.

Doch eines Tages berief Howald einen Convent und hielt folgende Rede:

Füchse! Zwiefacher Art waren die Ziele unserer Arbeit: einmal, zu erklären die Fähigkeit unseres Wesens, sich bei einem gewissen Ton zu konzentrieren und nach einer bestimmten Richtung hin übertragende Schwingungen zu erregen – ein andermal, dieses erklärte Phänomen mit unserer Philosophie in Verbindung zu setzen.

Was den ersten Fall betrifft, so waren wir bescheiden und haben uns begnügt mit der Beschreibung des geschichtlichen Werdens dieser Fähigkeit, und nebenbei mit einer detaillierten Beschreibung.

Worin bestand also unsere Erklärung? Sie bestand darin, nachzuweisen, daß bei den verschiedensten, einfachsten und differenziertesten, Wesen ein gewisses höchstes, Kräfte auslösendes Wohlbehagen auf Schwingungszuständen beruht – und (wenn auch nicht in der lückenlosen Reihe einer bestimmten Steigerung) festzustellen, daß dieses durch die Wellen eines spezifischen Tones erhöht und sogar in übertragende Schwingungen umgesetzt werden kann.

Diesen Nachweis haben wir geführt, haben den Vorgang selbst bis ins dritte, vierte Glied der Ursachenreihen trefflich beschrieben – und so unser vorliegendes Phänomen erklärt. –

Nun, meine Freunde, was haben wir mit dieser Erklärung eigentlich ausgesagt: wir haben eine Eigenschaft verfolgt, wie sie sich bei verschiedenen Lebewesen in verschiedener Stärke zeigt, so daß wir in der Lage waren, nach den verschiedenen Graden dieser Stärke ihre, in anderen Eigenschaften sich ähnlich verhaltenden Träger in eine Rangordnung einzusetzen; diese betrachteten wir dann in ihrer zahlenmäßig aufsteigenden Linie unter dem Bilde der Zeit – und stellten so die Hypothese des geschichtlichen Werdens, der Entwicklung unseres Phänomens auf.

Nun konnten wir diese Betrachtungsart bei allen Dingen anwenden und durchführen, so daß wir eine Welt erhielten, die sich entwickelt, die aus sich wird – und diese galt es nun, laut des philosophischen Zieles unserer Arbeit, in Beziehung zu setzen zu der, die nach unserer Formel in uns und durch uns ist.

Ihr fühlt alle, daß ein gegebener Verknüpfungspunkt in der Apriorität der Zeit liegt. Und so würde leicht einer sagen: nur im Banne der Zeit sehen wir das als ein Nacheinander und Werdendes, was in Wirklichkeit ein Nebeneinander und Seiendes ist. Dem würde ich entgegnen: wir haben als Menschen die Zeit niedergerissen und nehmen als solche das Nebeneinander an – obwohl in dem »Nebeneinander« noch der Begriff der Zeit steckt –, aber wie stand's mit diesem Nebeneinander, als noch die haarige Bestie, dieses Gürteltier, dieser Amöbenklumpen, das höchstdifferenzierte Wesen des Planeten war? Denn nichts hindert uns, dieses für einen Teil der Welt anzunehmen; nichts hindert uns, ihr Füchse, die Zeit räumlich zu setzen, sie als vierte Dimension zu postulieren.

Es bleibt also die Frage: in welchem Verhältnis steht die gewonnene (wissenschaftliche) Formel einer werdenden, oder räumlich nebeneinander geordneten Welt zu unserer alten unerschütterlichen (philosophischen) einer konzentrierten Welt, die sich manifestiert in unserem Schlachtruf: Ich bin das All, ich bin die Welt? Oder offener: wie ordnen wir die erste der zweiten unter?

Du, und jetzt wandte Howald sich an mich, jüngster aller Füchse, wirst die Schwere dieser Frage würdigen – ist doch mit ihr im tiefsten Grunde die Existenz Musarions verknüpft –; aber die Lösung verlangt, insbesondere für dich, einen Ort und ein Klima ohne die fordernden und lockenden Schönheiten dieses tropischen Stroms:

Berghohes Eis und frostblauer Himmel, Schnee und sturmgejagte Wolken, blaue Gletscher und Feuerberge in nordischer Nacht –! Folg uns zum Vatna Jökull! Auf nach Island! –

Auf nach Island! rief ich– Auf nach Island! donnerte es über den Strom. –

Ein Leierkastenmann hatte sich unter dem Fenster aufgestellt und dudelte ihnen seine Freitagsnachmittagsmelancholie herauf.

Ach Loo, der Regen regnet jeglichen Tag, such dir einen lustigeren Galan. – Sieh den Gärtnerjungen drüben, er stützt den Kopf in die traurige Hand und blickt zu dir. Weißt du, was er denkt? Er denkt – ach erlaß mir den Kitsch! – Hoff nur, du armer Fratz – wer weiß, sie sucht sich einen anderen Kavalier. – So ist's. Nur nicht feige, liebe Loo –. Ich werde in die Heide gehn – 's ist just das rechte Wetter. –

Er reichte ihr flüchtig die Hand und ging. –


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