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In der Silvesternacht

Es surrt das Rädchen. –
Der Herr ist zu Bette; die Frau, sie schwätzt
Und hat sich neben die Magd gesetzt,
Das blühende Mädchen.
Sie flüstert: »In Sankt Silvesternacht
Da spinnen verborgene Mächte sacht
An künftigen Fädchen.

Mußt rasch dich entschließen,
Und willst du ihn kennen, der heuer dich freit,
Silvester um zwölfe, da ist die Zeit,
Da wird er dich grüßen.
Auf dem Hofe die Kutsche, da siehst du sie stehn,
Und schlägt die Uhr, dann mußt du gehn
Auf nackenden Füßen.

Faß Deichsel und Kette,
Und kannst du's allein nicht, so können es zwei,
Da ruft dir dein Wunsch den Liebsten herbei,
Und ihr zieht um die Wette.
So hab' ich es selber als Mädchen gemacht,
Mein Künftiger kam in der Neujahrsnacht –
Und lag doch im Bette.«

»Nein, Frau, das ist Sünde,
Und tu ich's, wird es mir nimmer verziehn.«
»Ei sieh doch, Närrin, ist's mir nicht gediehn?
Nun auf, und geschwinde
Den Strumpf vom Fuß! Ich öffne die Tür.«
So treibt und so drängt sie und zürnt noch schier
Dem zaudernden Kinde.

Nun ist sie gegangen.
Die Herrin, sie lächelt und freut sich und lacht:
»Sie holt sich den Bräutigam aus der Nacht« –
Und harrt doch mit Bangen.
Da kommt sie mit fliegendem Atem zurück,
Mit Wangen so weiß, doch Glut im Blick –
»Wie ist's dir ergangen?«

»O laßt das Gespötte!
Jetzt tragt Ihr erstaunte Mienen zur Schau
Und habt es doch angestiftet, Frau,
Und lacht nun der Jette.«
»Ich angestiftet?« – »Gesteht es nur frei,
Und Euer Mann, der half Euch dabei.« –
»Der liegt ja im Bette.«

»O wär' ich geblieben!
Nur zaudernd betrat ich den kalten Stein,
Da wollt ich zurück, schon strebt ich hinein
Und ward doch getrieben.
Da faßt ich den Wagen mit zitternder Hand,
Und plötzlich wie Schatten es neben mir stand
Und half mir ihn schieben.

Wie Schlangen, so krochen
Mir Angst und Entsetzen den Nacken hinab,
Ich ging mit den Füßen wie über ein Grab.
Kein Wort ward gesprochen,
Doch als er die Augen mir zugewandt,
Da hab' ich – Euern Mann erkannt
Und floh wie gestochen.«

»Das hast du gelogen,
Mein Mann –« »Gelogen? Was sie nicht weiß!
Und hat mich doch selber geschickt und mit Fleiß
genarrt und betrogen!« –
Die Magd geht mit Grollen. Die Frau so schwer
Wankt hin zur Kammer – »Im Bett liegt er
Und ward doch gezogen!« – –

Ein Baum stand in Höhen,
Umbuhlt von Winden, mit Blüten so rot;
Ein Wurm an der Wurzel stach ihn zu Tod,
Da mußt er vergehen.
Ein Sarg im Haus und ein Hochzeitpaar,
Tränen und Jubel in einem Jahr,
So ist es geschehen.

 

*

 


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