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Balladen

*

Der Tanz der Irrlichter

Die Nacht ist mild, der Nebel spinnt;
Die Fessel bricht, der Tanz beginnt;
Flirr, Wirr und Irr, aufsteigen sie sacht
Und heben die Fackeln wiegend empor,
Hat jedes sein Flämmchen angefacht. – –
Wer kommt so leise durch Nacht und Moor? –
Die Königin, schöne Frau Königin.

»Du schöne Frau Königin, wunderbar
Mit leichtem Sinn und weichem Haar,
Herab, komm her von dem Hünenstein!« –
»Behüte, dem Irrwisch trau ich nicht!« –
»Herab, tritt ein in den blinkenden Reihn!« –
»Ei nein, mich lockt ein ander Licht!« –
O Königin, schöne Frau Königin!

Spricht Flirr: »Im Nebel die süße Gestalt!«
Spricht Wirr: »Der König ist grau und alt« –
Und Irr: »Doch lauft sie dem Irrlicht nach,
Das blinkt vom Wald aus dem Jägerhaus;
Sie sah es am lichten Sommertag.
Nun breitet Jung Ruthard die Arme aus.
O Königin, schöne Frau Königin!« –

Auf den Nebeln leiser Mondenglanz;
Flirr, Wirr und Irr, sie flackern im Tanz.
Da braust es über die Heide daher –
Von fern ein heiserer Eulenschrei –
Und wuchtet auf Rosseshufen schwer
Am Hünenstein, am Pfuhl vorbei.
O Königin, schöne Frau Königin!

Was war es nur? – Wacholder lauscht,
Ganz leise die weiße Birke rauscht. –
Spricht Flirr: »Der König auf seinem Roß,
Hei, wie zur Jagd er waldwärts fliegt!«
Spricht[*] Wirr: »Da sprengen sie Tür und Schloß,«
Und Irr: »Im Blute Jung Ruthard liegt.«
O Königin, schöne Frau Königin!

Nun naht es vom Walde, von Fackeln umloht;
Dem Zuge vorauf der beinerne Tod. –
Der Mond hat scheu sich eingehüllt,
Da machen sie Halt am Hünenmal
Und fesseln die stumme Frau Gunhild
Mit dem Weidenstrick an den Eichenpfahl.
O Königin, schöne Frau Königin! – – –

Auf dem Nebel wieder der Mondenglanz;
Überm Sumpf die Lichtlein flüstern im Tanz:
»König Harald sitzt mit dumpfem Sinn
Zu Haus allein in dem goldenen Stuhl.
Bei uns, bei uns die Frau Königin,
Nun ruht sie tief, tief unten im Pfuhl!«
O Königin, schöne Frau Königin!

 

*

 


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