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Staufenberg in der Ortenau

Der Fuß an der Wand

Sie war eine Schwester der Loreley, die holde Rheinnixe, die vor altersgrauer Zeit den schönen Grafen von Staufenberg in ihren Zauberbann verstrickte. Er war ein stattlicher Ritter, ausgezeichnet durch männlichen Mut und körperliche Schönheit. Als er eines Tages am Rheinufer jagend herumstreifte, erblickte er das wunderbare Weib, und da war's um ihn geschehen. Nun ließ er Jagd und Turnier und verbrachte fortan seine Zeit in der Nähe der verführerischen Nymphe. Sie duldete seine Minne und breitete willig die Schätze ihrer Liebe vor dem Glücklichen aus; nur den Schwur ewiger Treue mußte er ihr schwören als Sold ihrer Huld. Das that der Graf und gelobte, lieber zu sterben als ihrem Besitz zu entsagen.

Das schöne Weib aber lächelte wehmütig und sprach voll Ernst:

»Bedenke, daß wir, die Töchter dieses Stromes, nur einmal lieben können und nimmer wieder. Daher würde ich vom Tage deiner Untreue an in Trauer mein Leben zubringen und mit meinen Thränen nicht nachlassen. Dir aber würden meine Klagen in den Ohren gellen, wo immer Du auch seiest, und wenngleich Du mich selber nicht schautest, mein Fuß hier würde dir erscheinen als ein Zeichen, daß Dir zur Strafe Deines gebrochenen Schwures der Tod bevorstehe, ehe drei Tage verflossen.«

Der Ritter aber stürzte nieder und küßte liebestrunken den weißen Fuß der Geliebten, die am blumigen Ufer ruhte und wiederholte ihr mit heißem Schwur, wie er ihr gehöre bis an sein Lebensende.

Und er hat den Schwur gehalten, wochen- und mondenlang. Der Zauber des holden Wasserweibes belohnte dafür all sein Thun, im fröhlichen Turnier und ernstem Kampf, mit wunderbarem Erfolg. Der Ruhm des Staufenbergers ging durchs Land, und manches anmutige Edelfräulein hätte dem kühnen Ritter freudig ihre Gunst gewährt. Er aber blieb seiner Nixe treu. Da unternahm der Kaiser eine Reise an den Rhein, und ein glänzendes Turnier ward ihm zu Ehren veranstaltet. Dazu war die Blüte der rheinischen Ritterschaft geladen. Auch der Staufenberger erschien, und zog Aller Augen aus sich durch seine Tapferkeit, Haltung und Gestalt. In dem Kranz der lieblichen Frauen war besonders eine, die wandte nicht den Blick ab von dem jugendlichen Ritter, und das war die Tochter des Kaisers selber. Ihr junges Herz war urplötzlich vom Strahl der Liebe getroffen worden, und des Kaisers Vaterauge bemerkte gar bald, wer es sei, dem seiner Tochter Herz entgegenschlage. War aber gar nicht gesinnt, die Hand der königlichen Maid einem einfachen Rittersmann zu geben. Doch die Liebe der Jungfrau war stärker als eines strengen Vaters Machtspruch. Als des Mägdleins Wangen anfingen, vor ungestilltem Liebeskummer zu erbleichen und als sie gar dem stolzen Vater den Wunsch äußerte, in ein Kloster zu gehen, da packte jenen ein menschliches Rühren. Er fand, daß sein holdseliges, liebeglühendes Töchterchen als eheliches Gemahl des tapfern Staufenbergers noch besser aufgehoben sei, denn als künftige Äbtissin im Kloster.

Groß war sein Erstaunen, als er den Staufenberger wissen ließ, er gehe mit der Absicht um, ihn zu seinem königlichen Eidam zu machen, und jener ihn flehentlich bat, ihn von der ihm zugedachten Würde zu entbinden. Sein Herz sei schon auf ewig einer andern angelobt.

Das hat den König baß verwundert, und er hat den Staufenberger gefragt nach Namen und Stand jener Braut. Da hat ihm der Ritter gestanden, daß ihn ein heiliger Treuschwur an eine Rheinnymphe binde, daß von seiner Treue, die er jener Undine gelobt, sein Wohl und Wehe abhänge.

Der Kaiser aber entgegnete, daß des Bischofs Machtspruch ihn von solchem unheiligen Liebesbann wohl lösen könne. Der Ritter nahm des Kaisers Worte zu Herzen, und nur kurze Zeit verging, da hielt er in seinen Armen eine andere Braut, die trug kein Schilfgeflecht, sondern ein Königsdiadem in dem üppigen Haar.

Eine prächtige Hochzeit ist dann begangen worden mit Sang und Klang in der Ortenau. Da erschien, wie sie alle feiernd beim Mahle saßen, dem Staufenberger gegenüber an des Saales Wand, ein schmaler, schneeiger Frauenfuß, und ein Wehruf drang erschütternd durch den Festsaal. Augenblicklich sind die Hochzeitsfanfaren verstummt. Mit bleichem Antlitz starrt der Staufenberger auf den Fuß an der Wand, dann stürmt er, von Entsetzen gepackt, hinaus in die Nacht.

Man hat ihn nach drei Tagen tot im Walde gefunden. Die Kaiserstochter nahm gebrochen den Schleier.


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