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Geroldseck

Die Gräfin von Geroldseck

Ueber die Gräfin von Geroldseck, eine Geistesverwandte der unsterblichen Weiber von Weinsberg, berichtet die Edelsasser Chronik des ehrenfesten, hochachtbaren Herrn Bernhart Herzog vom Jahre 1592 Folgendes:

Es hat ein Herr von Geroldseck und Schwanau, genannt Herr Walter, einen trefflichen, langwierigen Krieg mit den Reichsstädten gehabt. Anno 1333 sind die von Straßburg am Grünen Donnerstag vor Ostern vor Schwanau gelegen, aber wieder abgezogen. Aber hernach auf St. Markustag sind sie mit Hilfe der Städte Bern, Luzern, Basel und Freiburg und Herrn Rulmann Schwäbern, dem Hauptmann, lange davor gelegen und haben es nicht gewinnen können. Hat der Herr von Geroldseck und andere, so in dem Schloß gewesen, vermeint, die Städte wüßten, daß sie in dem Schloß mit Proviant und anderer Notdurft wohl versehen wären, darum würden sie abziehen.

Darob haben sie mit den Städten Sprache gehalten, und damit jene fänden, daß sie im Schloß keine Sorge oder Mangel hätten, so wollten sie bewilligen und etliche begleiten, das Schloß inwendig ihres Gefallens zu besichtigen.

Solches nahmen die Städte mit großem Begehren und Gefallen an, erhoffend, ihren Vorteil dadurch zu erholen; verordneten darauf zween, darunter der eine ein Büchsenmeister war. Als nun jene zween das Schloß, wie es gestaltet und versehen, genugsam und ihres Gefallens besichtigt hatten, hat der Herr von Geroldseck sie befragt, ob sie vermeinten, das Schloß zu erobern. Worauf der Städte Verordnete nicht viel Antwort gaben. Doch sprach der eine von ihnen:

»Herr! Was die Hand kann machen, das kann sie auch wieder zerbrechen.«

Und sind damit aus dem Schloß in das Lager gezogen und haben den Städten angezeigt, daß besagtes Schloß nicht wohl, sondern schwerlich zu gewinnen sei, es wäre denn, daß denen im Schloß der Proviant verderbt werden möchte. Haben auch die zween so viel Bericht gegeben, daß die Städte aufbrachen und sich auf die andere Seite lagerten, und die Gemächer und Behältnisse, darinnen der Proviant verwahrt lag, zuerst beschossen, damit der Proviant zum Teil verfalle und gegen den Himmel bloß liege.

Es hat auch in drei Monaten nicht geregnet, weshalb sich die Städte viel näher haben lagern können. Doch hat solches dem Schloß keinen Schaden bringen können. Endlich haben sie sich doch nicht länger halten mögen und sich mit den Städten in Sprache begeben. Nach vieler Rede und Handlung ist bethätigt, daß den Städten das Schloß Schwanau und alle, die darinnen waren, sich auf Gnade und Ungnade ergeben sollten, ausgenommen, was die Frau von Geroldseck, so derzeit in dem Schloß war, über die Fallbrücke tragen möchte, was zu ihrem Leib gehöre: das sollte ihr zustehen und sie gesichert sein.

Da nahm sie ihren Gemahl, den alten Herrn, auf den Rücken, und einen jungen Sohn auf den Arm und trug sie über die Fallbrücke; das gehörte zu ihrem Leib. Des beschwerten sich die Städte und vermeinten, die Frau sollte Kleinodien, Geld oder andern Schmuck nehmen und nicht ihren Herrn oder Sohn und wollten, was sie hoch versprochen, nicht halten.

Ist aber dennoch mit ihrem Gemahl und Sohn über den Rhein in die Herrschaft Geroldseck geführt und begleitet worden, und sind noch vier Herren von Geroldseck und fünfzig vom Adel in dem Schloß Schwanau ergriffen und enthauptet worden – also schließt die Chronik.


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