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Schwalbach im Taunus

Adolfseck

Nicht weit von dem lieblichen Schwalbach, das jährlich Zahlreichen Kraft und Genesung zurückbringt, liegen auf steilem Fels die spärlichen Trümmer einer Ritterburg. Adolfseck hat sie geheißen und bereits sechshundert Jahre sind vergangen, seit Kaiser Adolf von Nassau sie bewohnte. Das weltferne Schloß, in wunderherrlicher Waldeinsamkeit gelegen, barg des Kaisers Liebstes: oft sah man ihn auf verschwiegenen Waldwegen der Veste zureiten; auf dem Söller aber stand ein schönes Weib und begrüßte den Kommenden mit seliger Freude, und das weiße Hündchen an ihrer Seite bellte froherregt und sprang dem stolzen Reiter wedelnd entgegen.

Auf seltsame Weise hatten sich der Kaiser und die schöne Frau gefunden. Seine Pflegerin war sie zuerst gewesen, als er in heißem Kampf getroffen, in dem Kloster am Rheine lag. Damals hatte der Nonnenschleier ihr Haupt bedeckt – dann aber, wie sie den stolzen, ritterlichen Mann pflegte, war in der barmherzigen Schwester das Weib erwacht, und die bewundernden Blicke des Genesenden hatten in ihrer Seele ein Feuer entfacht, dessen Glut sie nicht mehr zu dämpfen vermochte. Wohl rang ihr keusches Frauenherz mit den Geistern, die der schöne Mann in ihr heraufbeschworen und mit heißen Thränen und Gebeten tilgte sie die Bilder in ihrer Seele. Vergebens war ihr Ringen gewesen; als der heimlich geliebte Ritter um ihre Liebe warb, da wurde sie schwach. Unter dem Schutz der Nacht entführte Adolf das geliebte Weib den Klostermauern. In der entlegenen Veste Adolfseck barg er seine Liebe.

* * *

Fluchwürdig war jene That, und des Kaisers süßes, sündiges Lieb wußte, daß des Himmels Strafe sie und den Andern treffen werde. Schneller noch als sie befürchtet, nahte das Verhängnis. Die schmachvolle Entführung konnte kein Geheimnis bleiben. Der Erzbischof von Mainz, der sittenstrenge Gerhard von Eppstein erfuhr davon und voll heiligen Zornes schleuderte er den Bannfluch auf seinen vermessenen Neffen. Und als jener stumm blieb in seiner Leidenschaft für das angebetete Weib, da berief der erzürnte Kirchenfürst die Kurfürsten nach Mainz und verlangte in gerechter Entrüstung die Absetzung des kaiserlichen Frevlers. Die Kurfürsten thaten nach dem Geheiß des Kanzlers und Primas und wählten den bei Adolfs Wahl übergangenen Sohn Rudolfs von Habsburg, den ritterlichen Albrecht.

Adolf aber war nicht gewillt, sich freiwillig seiner Rechte zu begeben und sammelte seine Kräfte zum Kampf wider den Gegenkaiser. Spärlich war die Zahl seiner Getreuen; außer dem Pfalzgrafen bei Rhein und einigen treuergebenen Rheinstädten hielt niemand zu dem Gebannten. Im Gebiet des Pfalzgrafen sollte es zur Entscheidung kommen zwischen den gekrönten Gegnern. Zum letztenmal war Adolf am Tage vorher hinaufgeritten nach Adolfseck, hatte die weinende Geliebte getröstet und Abschied von ihr genommen.

In der Frühe des kommenden Tages wollte er selber die Schlacht herbeiführen, bis zum Abend komme er zurück als Sieger oder Entthronter. Ist dann schweren Herzens hinausgeritten in die Julinacht. Die aber, so auf der Burg zurückgeblieben, hat in der Nacht kein Auge geschlossen und nur verstört hinaufgestarrt zum nächtlichen Himmel. Sie vermochte nicht zu weinen noch zu beten, ihr war es aber, als komme er nah und näher, der graue Schatten Fluch, der sich mit grinsender Fratze an jede unselige That heftet, früh oder spät. Mit kralligen Fingern schien er das schöne, sündige Weib erfassen zu wollen, das den Nonnenschleier abgestreift und das Kleid der Buhlerin über die nackten Schultern geworfen, sich selbst zur Schande, dem andern zum Verderben.

Aufseufzend sah sie das Frühlicht kommen, aber noch schlimmer ward ihr der Tag denn die Nacht. Sie wußte, daß er nun draußen in heißer Schlacht um seine Krone stritt, daß er sein Leben für seine Krone in die Schranke schlug. Wie, wenn er Beides verlor? Mit Flammenschrift bohrte sich der Gedanke in ihr gequältes Herz und in qualvoller Bedrängnis verbrachte sie die Stunden.

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Zu Göllheim in der Pfalz haben sie eine heiße Schlacht geschlagen: zwei Träger der deutschen Kaiserkrone – ein Schauspiel, wie es unsere Geschichte nur selten sah – rangen mit eigener Hand um den Besitz des Reiches. Mit wahrem Heldenmut kämpften die Getreuen des Nassauers für ihres Herrn Sache. Wie ein Löwe stritt er selber, allen voran. Aber das Schlachtenglück war gegen ihn. Immer lichter wurden Adolfs Scharen, immer siegreicher das Vordringen Albrechts. Da stürzt sich endlich der ritterliche Adolf verzweifelt in die Reihen der Feinde und durch die Gasse der scheu sich lichtenden Krieger gelangt er bis zu seinem Todfeind Albrecht: ein Zweikampf wie ihn grimmiger kein anderes Paar an jenem Tage ausgefochten! Die Verzweiflung giebt Adolf Riesenkraft, doch sie blendet sein Auge, und von Albrechts sicherer Hand getroffen, sinkt er sterbend neben der Linde zu Boden. Über den Gefallenen hinweg rast mit erneuerter Wut die Schlacht.

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Als der Abend sich trauernd über die Wahlstatt senkte, ist ein junges Weib mit verstörten Zügen zwischen den Toten und Sterbenden umhergeirrt. Ein weißes Hündchen ist ihr gefolgt, das hat allorts herumgeschnuppert an erkaltenden und erstarrten Leibern. Dann hat das Tier ein klägliches Gewinsel ausgestoßen und auf des erschlagenen Kaisers Leichnam hat sich mit gellendem Aufschrei das unglückliche Weib geworfen.

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Kaiser Adolfs Leiche hat man nach dem Kloster Rosenthal gebracht und dort bestattet. Erst später gewährte man dem unglücklichen Herrscher eine Stätte unter den Kaisergräbern zu Speier. Sein unseliges Lieb aber hat herber Harm schon nach wenigen Monden getötet. Mit heißer Reue hat sie ihre Schuld abgebüßt und voll heiliger Buße schloß sie ihr verlorenes Leben.


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