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Der Assessor zeigt seine Macht

Die Familie aß um 5 Uhr zu Mittag, wenn Gäste da waren, und es war gegen 2 Uhr geworden, als Thomas mit Willumsen fertig war. Er war diesen ausgezeichneten Gentleman eben losgeworden, als Tine mit Klemmesen, den sie hinterm Stall in Konferenz mit Niels gefunden hatte, ankam.

Klemmesen wußte nicht, was der Assessor wollte und war infolge dessen beklommen und unsicher.

Tine war bescheiden und wollte sich entfernen, aber ihr Liebhaber gebot ihr, zu bleiben und so blieb sie.

Mit erhobenem Haupt und festen Schritten ging der Kriminalassessor auf sein Opfer los. Er reichte ihm eine Zigarre, die viel zu gut für den Verwalter war, weil dieser gute Zigarren nicht zu schätzen wußte. Hätte er es gewußt, so wäre sie nicht zu gut gewesen – eine zur Vermeidung von Mißverständnissen notwendige Bemerkung. Klemmesen nahm die Zigarre und der Assessor sprach.

»Nehmen Sie die Zigarre, Verehrtester, beißen Sie sie ab, Sie haben augenscheinlich starke Zähne. Stecken Sie sie sich ins Gesicht und am richtigen Ende an, genießen Sie sie mit Andacht und halten Sie Ihre Klappe und – setzen Sie sich.«

Dies tat Klemmesen, ungeachtet dessen, daß die Anrede kaum ganz ziemlich war.

Aber Thomas fuhr fort: »Ich bin Kriminalassessor; meine Lebenstätigkeit besteht in der Aufdeckung von Verbrechen. Das geschieht dadurch, daß ich einen dazu geeigneten Täter herausgreife, ihn ins Loch sperre und dort festhalte, bis er mürbe geworden ist.«

»Ja, so geht es zu,« sagte Klemmesen und starrte den mächtigen Mann mit einem religiösen Schauer an, der schlecht mit den Bestimmungen der Verfassung über allgemeines Wahlrecht und Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz harmonierte.

Thomas konstatierte die Wirkung, die seine Rede hatte; Tine dagegen lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und bewunderte ihren Bräutigam gar nicht. Dies ging ihr wider den Strich.

Thomas fuhr fort.

»Ja, so geht es zu! Hier sind 2500 Kronen aus meines Onkels Sekretär gestohlen worden. Er ist aufgebrochen worden. Wir haben den Nagel, den der Dieb vergessen hat. Wir haben den obern Teil eines Manschettenknopfes, eines Aarhusausstellungknopfes, der im Fach verloren worden ist. Wir kennen einen Mann, der wußte, daß das Geld im Sekretär verwahrt lag, und wir haben sein eigenes Geständnis, daß er den Aufbewahrungsort kannte. Dieser selbe Mann hat bekannt, daß er, kurz nachdem der Diebstahl begangen worden ist, 2200 Kronen auf die Bank gebracht hat, und man hat allen Grund zu glauben, daß er zu diesem Geld auf unehrliche Weise gekommen ist. Das einzige, was wir zu tun haben ist, diesen Mann festzusetzen und sitzen zu lassen, bis er mürbe geworden ist. Der Mann sind Sie, Hans Klemmesen

Klemmesen fuhr in die Höhe.

»Setzen Sie sich!« kommandierte Thomas streng.

Jetzt konnte Tine nicht länger an sich halten; diese Probe der Verhörstätigkeit war ihr zu stark.

»Aber Thomas!« rief sie.

Thomas wandte sich zu ihr und sagte streng: »Du schweigst still! – Haben Sie die Folgen bedacht, mein guter Klemmesen?« fuhr er zum Verwalter gewendet fort.

Klemmesen stand auf: »So wahr ein Gott im Himmel ist, ich bin unschuldig.«

Thomas blickte ihn scharf an. »Es kann sein, aber das ist nicht genug. Wo so ernste Momente gegen Sie sprechen, müssen Sie Ihre Unschuld beweisen.«

»Das kann ich,« erwiderte Klemmesen eifrig.

»Wo ist der andere Knopf?« fragte der Assessor.

»Der ist mir fortgekommen,« lautete die Antwort immer noch in zuversichtlichem Ton.

»Da haben wir's! – Und Sie haben eingestanden, daß Sie wußten, wo das Geld verwahrt war?«

»Ja, denn es ist wahr –« es klang ein bißchen weniger zuversichtlich.

»Also auch das,« triumphierte der Richter, »Sie haben am Montag Geld auf die Bank gebracht.«

Klemmesen fiel ihm ins Wort: »Ja, aber das war mein eigenes Geld.«

»Beweisen Sie es!« lautete die kurze Antwort.

Klemmesen stotterte: »Wie soll ich das können? Es war ja Geld, das ich mir so in aller Stille zusammengespart hatte.«

»Beweisen Sie es!« ertönte es wieder.

Klemmesen jammerte: »Das kann ich nicht.«

Der Richter verschränkte die Arme: »Das heißt also, Sie sind fertig.«

Tine war dem Weinen nahe. »Aber das alles ist doch Ehrlichkeit, die volle, reine Ehrlichkeit.«

Thomas wandte sich an sie. »Die vollkommene Ehrlichkeit und die abgefeimteste Unehrlichkeit liegen in der Seele des Menschen dicht beieinander. Klemmesens Erklärung kann von bedeutender verbrecherischer Intelligenz diktiert sein, der Manschettenknopf spricht gegen ihn. Es gibt keinen Richter, der Klemmesen nicht augenblicklich festsetzen würde.«

»So gibt es weder Recht noch Gerechtigkeit!« ächzte der Unglückliche.

Thomas sah ihn fest an, aber Tine griff wieder ein:

»Dann seid Ihr schlimmer als die Verbrecher!«

Thomas lachte kalt und herzlos.

»Das habe ich schon oft gelesen, Tine. Was die Frage angeht, so laß Dir sagen, daß das Publikum von uns verlangt, daß wir die Missetäter finden. Das Publikum verhöhnt uns, wenn wir langsam und besonnen vorgehen. Das Publikum überschüttet uns in seinen als Wahrheitszeugen auftretenden Zeitungen mit billigen Scheltworten, wenn wir eingreifen.

Aber merke Dir meine Worte Tine, nichts von alledem rückt einen Richter einen Zoll breit von seinem Wege, und der Richter, der auf so etwas hört, ist seines Berufes nicht wert und seinem Amt nicht gewachsen. Nun, Klemmesen, was sagen Sie nun?«

Klemmesen ging gefaßt und entschlossen auf die Tür zu.

»Lebendig kriegen Sie mich nicht,« sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, aber Thomas trat zwischen ihn und die Tür.

»Es nützt nichts gegen den Stachel zu löcken. – Draußen wartet Polizeidiener Hansen mit einem Paar solider Handschellen – es ist vorbei, Klemmesen, also tragen Sie Ihr Schicksal wie ein Mann.«

Der Verwalter sank zusammen, hilflos und besiegt. Tine trat zu ihm und tröstete ihn.

Thomas ergriff wieder das Wort: » Einen Richter gibt es indessen, der Sie nicht festsetzen wird. Das ist Kriminalassessor Klem, und das ist sehr günstig für Sie.

Sehen Sie das Mädchen dort – das ist mein Mädchen, vergessen Sie das nie! Und nun gehen Sie in Frieden.«

Klemmesen griff nach der Hand des Assessors. »Tausend Dank, Herr Assessor, tausend Dank!«

Thomas blickte ihn mit Würde an: »Danken Sie mir nicht, ich tue nur meine Pflicht. Wohl waren meine Motive heilig, aber ich will nicht verlangen, daß man meine Handlungen edel nennt, und es ist ja nur die rücksichtsvolle und wahrhaftige Darstellung der Tätigkeit des Richters in der Gegenwart, der ich meinen Sieg verdanke.

Gib mir einen Kuß, Tine, das ist mir Lohn genug!«

Und so mußte Klemmesen dastehen und zusehen, wie seine Hoffnung auf künftiges Glück vor seinen Augen zerschmettert wurde.

Nenne es Mißbrauch der richterlichen Gewalt, Leser, und füge es in die Liste über die zahllosen im Lauf der Zeit öffentlich beklagten Fälle gleicher Art! So ging es zu.

Klemmesen wollte sich drücken, aber der Assessor bat ihn, zu bleiben. Es fiel ihm ein, daß er in den letzten Minuten doch vielleicht ein bißchen sehr als Privatmann gewirkt hatte; hoffen wir, daß er ein wenig Scham darüber empfand! Die Hoffnung ist gewiß nur schwach. Er küßte Tine zärtlich auf die Stirn und schob sie nach der Tür.

Sie ging hinaus.

Klemmesen blieb stehen wie ein Wasserhund, der eine Viertelstunde zu lange draußen im Röhricht nach Enten gejagt hat. Jetzt hatte er doch geglaubt, er dürfte fort. Der Richter war der stärkere, es nützte nichts zu versuchen, mit ihm zu ringen.

Aber Thomas lächelte freundlich und gab ihm Feuer für seine Zigarre, die eine beunruhigende Ähnlichkeit mit einem Strohwisch angenommen hatte. Eine neue Zigarre wollte er seinem Opfer doch nicht spendieren.

»Kommen Sie her und setzen Sie sich friedlich hin, Klemmesen,« sagte er, »und lassen Sie uns sprechen wie zwei vernünftige Menschen.«

Assessor Klein sagte diesmal nicht Gentlemen, das würde Klemmesen geniert haben, und es paßte auch nicht in diesem Zusammenhang. Klemmesen hatte nicht einmal das Realexamen, und seine Hemdenbrust war aus gestreiftem Wollzeug.

Aber Thomas verstand, gleich den Engländern, deren Auffassung des Wortes Gentleman er teilte, daß der Sieger klug daran tue, sich auf freundschaftlichen Fuß mit dem Bezwungenen zu stellen. Und da er jetzt jeden Verdacht gegen den Verwalter aufgegeben hatte, wollte er das gewonnene Verständnis und den übriggebliebenen Respekt benutzen, um sich ein paar nützliche Aufklärungen über verschiedene Punkte der Angelegenheit zu verschaffen.

Zu allererst mußte aufgeklärt werden, auf welche Weise Klemmesens Manschettenknöpfe getrennt worden waren. Dies wäre jedenfalls ein Moment im Verhör gewesen, und falls Thomas nicht private Gründe gehabt hätte, den Verwalter einzuschüchtern, würde er sicher zunächst zu einer Entscheidung dieser unleugbar wichtigen Frage geschritten sein.

Das tat er nun.

»Sagen Sie mir, Klemmesen.« fragte er, als beide ihre Sitze am Tisch eingenommen hatten, »können Sie sich denken, wie Ihnen der Manschettenknopf, der Ihnen fehlt, weggekommen ist.«

Klemmesen dachte nach.

Thomas wollte ihm nicht erzählen, daß ein Bruchstück des Knopfes sich in dem Fach gefunden hatte, und er berechnete richtig, daß die Erwähnung dieser Tatsache in dem allgemeinen Schreckgefühl, das eine Folge seines harten Auftretens von vorhin war, untergegangen sei. Er wollte das einzige Indizium, das er hatte, nicht ausliefern, aber er wollte hören, was Klemmesen über die Manschetten erzählen könnte.

Klemmesen rieb sich die Stirn. »Laß sehen,« sagte er. »Donnerstag sollte ich mit einer Fuhre für den Kaufmann zur Stadt und ich fuhr den Wagen selber. – Nein, es ist wahr, ich fuhr auf dem Rad. – Ich hatte an dem Tage Manschetten angelegt – für gewöhnlich gehe ich nicht mit Manschetten, wenn keine Fremden da sind. Aber für die Stadt hatte ich sie angelegt – und da waren beide Knöpfe da.

Dann erinnere ich mich, ging ich in die Harmonie, um etwas abzuholen. Dort ist ein Billard in der Gaststube, und ich bin ein ganz geschickter Billardspieler. Ich spielte mit einem Markeur, und bei so einer Gelegenheit muß man sich ja in acht nehmen, ich warf also Rock und Manschetten ab.

Es ist also möglich, daß die Manschetten auf dem Billard vertauscht worden sind, das ist die einzige Erklärung, die ich habe.«

»Hm,« sagte Thomas, »Sie sagen, es war am Donnerstag? – Wann zogen Sie wieder Manschetten an, denn Sie haben die Verwechselung offenbar an jenem Tage nicht bemerkt, als sie nach Hause kamen.«

»Nein,« meinte der Verwalter, »das habe ich nicht. – Freitag und Sonnabend habe ich keine Manschetten gebraucht, und jetzt, wo ich daran denke, fällt es mir ein, daß ich sie Sonntags, als ich zu Tisch ging, nicht finden konnte. Ich hatte mich verspätet und kam Hals über Kopf in die Kleider. – Ich hatte keine Zeit zu suchen.«

»Aber Montags, als Sie mit dem Geld in der Stadt waren?« fragte Thomas.

»Da war ich im Sportshemd – es war Montags, wo ich mit dem Rad fuhr; Donnerstag fuhr ich mit dem Wagen, weil der Ingenieur mein Rad geliehen hatte.«

»War Willumsen an jenem Donnerstag in der Stadt?« fragte Thomas so nebenbei. Es war ihm von Interesse, möglichst viel zu erfahren.

»Das glaube ich,« antwortete Klemmesen; »aber ich sah ihn nicht. Wir hatten ausgemacht, uns in der Harmonie zu treffen, aber der Ingenieur kam nicht, und ich habe ihn nicht gefragt warum. Ich war übrigens nur auf einen Augenblick dort, nachdem ich die Abrechnung mit dem Kaufmann besorgt hatte; ich spielte Billard, während der Kaufmann abrechnete. Aber der Ingenieur war nicht da, nur ein junger Kopenhagener, der mit dem Markeur spielte.«

»Kannten Sie ihn?« fragte Thomas – er dachte sofort an die Manschetten.

»Nein, ich kannte ihn nicht,« sagte Klemmesen. »Damals nicht, aber jetzt, wo der Herr Assessor mich fragen, sollte ich nach der Beschreibung beinahe glauben, daß es der junge Mensch war, den Willumsen ...«

Der Verwalter schwieg.

Thomas klopfte ihm freundlich auf die Schulter: »Sie brauchen mir nichts zu verbergen. Sie meinen, der junge Mann, den Sie im Billardzimmer sahen, war derselbe, den Willumsen hier draußen getroffen hat. Willumsen hat mir alles erzählt. Sie meinen also jetzt, daß der junge Mann Ihre Manschettenknöpfe, oder den einen erwischt hat, die Manschette vertauscht hat, meine ich, und er es war, der ihn bei dem Einbruch hier im Zimmer in der Schublade verloren hat. Nicht wahr?«

Klemmesen dachte nicht so rasch wie der Assessor, aber er mußte zugeben, daß etwas ähnliches sich wohl hätte zugetragen haben können, ja daß es sogar mehr als wahrscheinlich war. Und bei diesen Betrachtungen kam er ganz natürlich auf genau dasselbe, was Willumsen und Niels gesagt hatten.

Thomas hörte ihn geduldig an. Es ließ sich nicht leugnen, daß sich hier ein Weg zu öffnen schien. Es verdroß ihn jetzt, daß er Willumsen die Sache hatte in Hand nehmen lassen, er konnte ja Klemmesen den Plan, den Willumsen entworfen hatte, nicht gut erklären; das hieß den Respekt vor der Obrigkeit bei einem Mann herabsetzen, in dessen Augen sie eben ganz gewaltig gestiegen war.

Es war jetzt nur ganz notwendig, daß er Gelegenheit fand mit Monny zu sprechen. Aber Willumsen war schon längst an der Arbeit, und es war nicht ausgeschlossen, daß der viel besprochene und unleugbar auch sehr interessante junge Mann, über den Thomas noch nichts wußte, als Gefangener auf dem Hofe erscheinen würde, noch ehe Thomas erfahren hätte, wer es war und wie sein Verhältnis zu Monny war.

Freilich hatte Willumsen es übernommen, die Sache in Güte zu ordnen; aber bei einer solchen Ordnung durfte und konnte der Kreisrichter nicht umgangen werden, und Thomas kannte den vortrefflichen Vertreter der Obrigkeit bereits gut genug, um zu wissen, daß es keine großen Schwierigkeiten machen würde, ihn zu veranlassen, sich den Wünschen, die eine gütliche Ordnung bezweckten, zu fügen.

Es gab aber noch einen Punkt. Thomas traute dem Ingenieur nicht ganz. Des Diebstahls verdächtigen konnte er ihn nicht. Dazu lag nicht der geringste Grund vor, und das, was der Verwalter von den Manschetten erzählt hatte, lenkte den Verdacht in hohem Grade auf den Unbekannten.

Aber es war nicht Thomas' Gewohnheit, seine Sachen von Laien ausführen zu lassen, und er war immer sehr vorsichtig mit den Mitteilungen, die er gab. Er war aus diesem Grund wenig gut bei den Polizeireportern angeschrieben, die ganz natürlich die Tüchtigkeit eines Richters nach dem Entgegenkommen beurteilen, womit er die näheren Umstände einer Sache den Blättern zur Disposition stellt.

Thomas Klem gehörte entschieden nicht zu der neumodischen Kategorie von Untersuchungsrichtern, die bei einem berühmten Fall die Referenten im Vorzimmer des Gerichts um sich versammeln und ihre eigene Vortrefflichkeit dadurch demonstrieren, daß sie gewürzte Anekdoten über den berühmten Arrestanten lancieren.

Er liebte es, seine Arbeit in Ruhe auszuführen. Er verstand wohl, daß die Journalisten gern Neuigkeiten haben wollten, aber sie sollten sich nur die Mühe nehmen, sie sich selber zu verschaffen.

Und jetzt war er in der unerwünschten Lage, daß er Willumsen carte blanche hinsichtlich einer Person gegeben hatte, die er sich selber sichern mußte. Er beschloß daher seine Taktik zu ändern.

»Klemmesen,« sagte er, »wollen Sie so freundlich sein und sehen, ob Sie Niels auftreiben können, und wollen Sie dann dem Ingenieur, wenn Sie ihn finden können, sagen, er möchte mit dem, was er mit mir besprochen hätte, noch warten. – Sagen Sie ihm nichts von der Order, die ich ihnen gebe; Sie sollen nämlich mit Niels zum Waldhüter hinaus und zusehen, daß Sie sich des jungen Menschen, von dem wir gesprochen haben, bemächtigen. Verstehen Sie?«

Der Verwalter nickte.

Thomas fuhr fort: »Sie sollen auch Polizeidiener Hansen nichts davon sagen! Er soll nichts von Verhaftung oder von etwas derartigem hören. Sie sollen keine Gewalt anwenden, aber Sie sollen dafür sorgen, daß der junge Mensch zu mir gebracht wird. Ich verlasse mich auf Sie, Klemmesen.«

Klemmesen erhob sich geschäftig. Das war gerade etwas für ihn. Er war dem Assessor riesig dankbar, und all die ausgestandene Qual und Angst war vergessen. Es ist seltsam, aber gerade darin besteht die Überlegenheit der geordneten Staatsmacht, daß sie den Bürgern drohen und sie beherrschen kann, so daß sie Haß und Widerstandslust bei ihnen weckt, um sie im nächsten Augenblick dazu zu bringen, ihr die eifrigsten Dienste zu leisten.

Das kann man aus dem Eifer lernen, womit Klemmesen aus der Stube stürzte, um dem Befehl des Assessors nachzukommen. Er war nahe daran Busgaard und den Kreisrichter, die die Treppe vom Hof heraufkamen, über den Haufen zu rennen.

Der Kreisrichter glaubte anfangs der Verwalter wollte entfliehen und sah sich nach seinem Polizeidiener um; aber Thomas, der Bedürfnis nach frischer Luft fühlte und einen Augenblick später aus der Tür trat, beruhigte ihn.

»Was hast Du mit Klemmesen gemacht?« fragte Busgaard mit großen Augen.

Thomas lachte. »Ich habe die jütländische Bewegung besiegt, Onkel,« sagte er heiter. »Glaub mir, ich habe damit dem alten Dänemark einen großen Dienst erwiesen und mir selber einen noch größeren.«

Busgaard starrte ihn erstaunt an.

Der Kreisrichter, der ihn ebenfalls nicht verstand, sagte freundlich: »Das müssen Sie näher erklären, Assessor Klem! Das ist eine Frage, die mich immer interessiert hat.«

»Jetzt habe ich keine Zeit, Herr Kreisrichter,« erwiderte Thomas. »Nur soviel will ich sagen, Du kannst ruhig sein, Onkel! Klemmesen ist unschuldig.«

»Und das Geld, das er auf die Bank gebracht hat?« fragte Busgaard finster.

»Dazu muß er ehrlich gekommen sein,« antwortete Thomas und zuckte die Achseln.

»Ehrlich,« brauste Busgaard auf, »ein Verwalter ehrlich zu 2500 Kronen? Nein, hat er sie nicht gestohlen, so hat er mich auf andere Weise betrogen. Und er soll mir für jeden Heller Rechenschaft ablegen.«

»Der Mann kann ja doch ehrlich sein,« wendete der Kreisrichter ein.

»Er ist Jütländer,« erwiderte Thomas. »Das ist nach modernem dänischen Sprachgebrauch ein Ehrenname und es bedeutet, auf Klemmesen angewandt, nur Geschäftstüchtigkeit.«

»Das mag der Teufel wissen,« zischte Busgaard.

»Er weiß es sicher,« lachte Thomas. »Frag ihn, er wird Dir wohl antworten.«


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