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Aus der Eisenhämmerzeit

Die vierziger Jahre hatten strenge Winter. Im März aber kam stets plötzlich der Föhn und schmolz den Schnee in wenigen Tagen. Wir freuten uns des wieder enthüllten Rasens, der alsbald zu grünen begann; aber damit war die leichtlebige, heitere Winterrast dahin, und die wachsenden Tage brachten arbeitsschwere Zeit des Pfluges und der Egge, der Sichel und der Sense. Diese Zeit der blinkenden Werkzeuge hatte einst ein kleines Vorspiel.

Noch tief in der Nacht weckte mich an einem Frühlingsmorgen mein Vater und sagte, er gehe heute in das Mürztal. Wenn ich mitgehen wolle, so möge ich mich eilig zusammentun, aber die scharfbenagelten Winterschuhe anziehen, es sei der Weg noch eisig.

Sonst, wenn ich in früher Stunde zur Alltäglichkeit geweckt wurde, bedurfte es allerlei Anstrengungen außer und in mir, bis ich die Augen zur Not aufbrachte, um sie doch wieder auf etliche Minuten zufallen zu lassen, denn meine alte Ahne war der Meinung, ein allzu rasches Aus-dem-Schlaf-Springen mache Kopfweh. Heute war ich mit einem Ruck munter, denn ins Mürztal mitgehen, das war in meiner Kindheit das Herrlichste, was mir passieren konnte. Wir waren bald reisefertig, der Vater nahm seinen großen Stock, ich meinen kleinen; die Laterne nahmen wir nicht, weil es sternhell war – und so gingen wir davon. Die erste halbe Stunde war es wie allemal, wenn ich frühmorgens mit dem Vater ging, wir schwiegen still und beteten während des Gehens jeder für sich das Morgengebet. Wir hatten wohl so ziemlich das gleiche, aber ich wurde immer ein gut Teil früher fertig als er und mußte mich dann still gedulden, bis er den Hut aufsetzte und sich räusperte. Das war das Zeichen, daß ich ein Gespräch beginnen durfte, denn ich war fortwährend voll von Fragen und Phantastereien, auf die der Vater bisweilen derart einging, daß alles noch rätselhafter und phantastischer wurde. Gewöhnlich aber unterrichtete er mich in seiner gütigen und klaren Weise, daß ich alles wohl verstand.

Nachdem wir an diesem Frühmorgen etwa zwei Stunden gegangen und hinausgekommen waren über die entwaldete Berghöhe, lag vor uns das weite Tal der Mürz. Von Mürzzuschlag bis Kapfenberg dehnte es sich stundenlang, und wenn ich es sonst im Morgengrauen sah, lag im Tal der Nebel wie ein grauer See, aus welchem einzelne Höhen und die jenseitigen Berge blauduftig emporragten. Heute war es anders, und heiß erschrak ich vor dem, was ich sah. War denn der Franzose wieder im Land? Oder gar der Türk? In Kindberg, das tief unter uns lag, lohte an vielen Stellen glührotes Feuer auf. Auch im oberen Tal, über Mitterdorf, Krieglach und Feistritz und gegen Mürzzuschlag hin waren rote Feuersäulen; im nahen Kindtal sprühten mächtige Garben von Funken empor.

»Närrlein, du kleines!« sagte mein Vater, als ich mich mit beiden Fäusten krampfhaft an seinen Rock hielt, »da ist ja nichts. Das sind ja nur die Eisenhämmer. Lauter Schmiederauchfänge, aus denen Funken springen. Hörst du denn nicht das Pochen und das Klappern der Hämmer?«

»Ich höre es wohl, aber ich habe gedacht, das wären die Kanonen und Kugelstutzen«, versetzte ich aufatmend.

»Kind, wo käme denn jetzt der Feind her? Der liebe Herrgott hüte unser Steierland!«

»Aber wie ist es denn«, fragte ich, »daß die Dächer nicht brennend werden, wenn so viel Feuer herumfliegt?«

»Die Dächer sind voller Staub und Asche, das brennt nicht. Und dieses Feuer, das so schreckbar wild aussieht, es ist nicht so arg, es ist auch nur glühende Asche, Ruß und Geschlack, wie es aus der Esse aufsprüht, wenn der Blasebalg die Luft dreinbläst.«

»Und warum sprüht es denn just in der Nacht so?« fragte ich.

»Es sprüht auch beim Tag so«, antwortete der Vater lächelnd, »aber gegen das Sonnenlicht kommt dieser Schein nicht auf, und was jetzt so blutrot leuchtet, das ist bei Tag nur der rußige Rauch, der aus dem Schornstein aufsteigt.«

»Tun sie denn in den Schmieden nicht schlafen?«

»Das wohl, aber sie stehen sehr früh auf oder lassen in den größeren Essen gar das Feuer nicht ausgehen, weil es sonst schwer ist und viel Kohlen braucht, bis die Hitze wieder erzeugt wird. Da wachen und arbeiten die einen Schmiede, während die anderen schlafen.«

»Gibt's denn so viel Ochsen zu behufen im Mürztal?« war meine Frage, denn ich hatte einmal dem Hufschmied zu Hauenstein zugeschaut, wie er einem Zugochsen Hufeisen an die Klauen nagelte.

»O Knäblein, Knäblein!« rief mein Vater, »die Schmiede haben noch ein wenig mehr zu tun, als wie zu hufen. Du bist ein Steirer; wenn wir auf unserem Gebirge auch nichts haben als Feld und Alm und Wald, solltest du doch schon wissen, wozu die vielen hundert Krippen von Holzkohlen verwendet werden, die unsere Nachbarn Jahr für Jahr ins Tal hinausführen. Solltest auch wissen, daß dein Heimatland Steiermark das Land der Hammerschmiede ist. Wenn du jetzt, bevor der Tag aufgeht, vom hohen Himmel mit sehr guten Augen herabschauen könntest auf unsere Steiermark, so würdest du, besonders im Oberland, auch die anderen Täler so sprühen und leuchten sehen wie hier das Mürztal. Es sprüht in Neuberg und bei Mariazell und in der Veitsch, es sprüht im Ennstal und im Murtal, an der Feistritz, an der Kainach, an der Sulm und an der Sann, wo die Leut schon gar nicht mehr Deutsch sprechen, aber sprühen tut's doch. In Vordernberg, in Eisenerz, in Hieflau sollst es erst sehen, und überall, wo Hochöfen sind. In den Hochöfen wird das Erz, das sie aus dem Gebirg graben, geschmolzen, daß das Eisen herausrinnt wie ein hellglühender Mühlbach. Da sprüht's auch, mein Bübel! Da sind, wenn ihrer zwei, drei Hochöfen nebeneinander stehen, in der Nacht schier die Felsberge rot vor lauter Schein. Und schaust in den Ofen, so siehst ein schneeweißes Licht, blendend wie die Sonne. Das ist ein anderes Feuer als daheim bei unserem Hufschmied. Das Erz graben sie aus dem Erzberg, der weit drinnen im Gebirg steht und mehr wert ist als alles Gold und Silber von Österreich. Das Eisen, das im Hochofen aus dem Erz rinnt, erstarrt in der freien Luft sogleich, wird nachher mit Hämmern zerschlagen und in schweren Stollen durch das ganze Land verführt, zu jedem Eisenhammer hin, wo sie aus diesem Roheisen immer feineres Eisen, das Schmiedeeisen, den Stahl und daraus allerhand Geräte und Werkzeuge machen.«

»Auch Schuhnägel vielleicht?« fragte ich, weil mich einer davon durch die Schuhsohle in die Ferse stach.

»Schuhnägel, Messer, Stifte und Eisendrähte, das machen sie draußen bei Stadt Steyr herum. Bei uns im Land machen sie in den Eisenhämmern Pflugscharen, Eggenzähne, Strohschneidemesser, Hacken, Äxte, Drähte, Nägel, Schlösser, Ketten, Pfannen und allerlei, was du aus Eisen an den Häusern und Werkstätten nur sehen und denken magst. Die kleineren Schmiede, die fahren damit auf die Jahrmärkte. Größere Hämmer gibt's, die machen auch Zeug zum Leutumbringen, mußt du wissen. Das Wichtigste aber, was in den steirischen Hammerwerken gemacht und auch weit in fremde Länder verführt wird, sind Sensen und Sicheln. Millionen Stück werden dir verschickt alle Jahr, und darum können die Hammerherren mit ihren Frauen so vornehm herumfahren mit flinken Rößlein. Und mit dem Geld prahlen sie, daß es nur so prasselt im Land, und wo ein übermütig Stückel aufgeführt wird, da ist gewiß ein Hammerherr dabei. Ist allerweil so gewesen im Land: Wo der Hammerschmied, dort gilt der Bauer nit. – Wird auch einmal besser werden, verhoff ich. Jetzt müssen wir noch froh sein, daß wir unsere Kohlen zu Geld machen können. Gar zu Gescheite sind gewesen, haben es mit Steinkohlen probiert, die tun's aber nicht; das rechte Eisen muß mit Holzkohlenfeuer gearbeitet werden, sonst ist's nichts nutz. Die Holzkohlen, die wir Bauern liefern, die machen es ja, daß steirisch Eisen in der Welt so gut estimiert wird. Kommen halt die polnischen und russischen Juden und türkischen Händler, auch aus Ungarn und Böhmen, werden von den Hammerherren brav bewirtet und kaufen ihnen die Eisenwaren ab, oft zu tausend Gulden auf einmal. Sollen da draußen in einer großen Stadt die Schmiede von der ganzen Welt einmal zusammengekommen sein um einen eisernen Tisch, und jeder wollt die schärfsten Sensen haben, den feinsten Stahl drin. Der steirische Schmied hat nicht mitgestritten, sondern soll zuletzt mit seiner Sense den eisernen Tisch mitten auseinandergehauen haben.«

»Wird sie wohl schartig geworden sein, die Sense des Schmiedes. Nicht?«

Ohne auf diese mäßige Frage Antwort zu geben, fuhr der Vater, indem wir im Morgengrauen sachte talab stiegen, fort zu sprechen:

»Wie die Anzeichen sind, wird's nicht immer so dauern mit den Eisenhämmern. Man hört allerlei Sachen. Merkwürdige Sachen, mein Bübel, wie sie unsere Vorfahren nicht gehört haben. Da draußen auf dem flachen Land irgendwo – sie sagen im Mährischen oder wo –, da bauen sie eine Eisenbahn.«

»Eine Eisenbahn? Was ist das?«

»Da legen sie auf der Straße hin und hin zwei eiserne Leisten, daß draußen die Wagenräder recht glatt und eben gehen können. Auf diese Weise sollen ein Paar Rösser schwere Wagen fünf und sechs auf einmal ziehen können. Es wird auch gelogen über die Sach, daß sie eine Maschine erfunden hätten, die das Feuer treibt anstatt der Fuhrmann und die vor die Wagen gespannt wird und wie ein Roß ziehen kann. Sind dumme Sachen, ich sag dir's nur, daß du's nicht glauben sollst, wenn du davon hörst.«

Dreiundvierzig Jahre ist es her, seit von einem zwar einfachen, aber vernünftigen Manne diese Worte gesprochen worden sind, in Steiermark, wenige Stunden vom Semmering.

»Nein, Vater«, antwortete ich, »das werde ich gewiß nicht glauben.«

»Aber das ist wahr«, fuhr er fort, »daß sie jetzt viel mehr Eisen brauchen in der Welt als vor Zeiten. Es werden da und dort auch schon große Eisenhämmer gebaut, wo mehr als hundert Schmiede beschäftigt sind und wo sie extra noch mit Wasserdampf arbeiten sollen, was weiß ich, wie! In diesen großen Werken machen sie alles und weit wohlfeiler als in den kleinen, und desweg wird's ein rechter Schaden sein für unsere Eisenhämmer, und hört man, etliche sollen schon keine Arbeit mehr haben, zugesperrt oder an die großen Werke verkauft werden. Nachher ist's traurig um uns. Weiß Gott, wie's noch wird mit der Welt!«

Mittlerweile war es licht geworden, und wo früher die feurigen Springbrunnen aus den Schornsteinen gestiegen waren, da flog jetzt dünner, brauner Rauch auf. Wir waren in das Tal gekommen, gingen an einem überquellenden Hammerbachfloß entlang und auf glattem, kohlschwarzem Wege einer der Hammerhütten zu, aus deren offenem Tor uns greller Glutschein entgegenleuchtete.

Über dem Tor war das Bergmannszeichen, die gekreuzten Hämmer und Schlegel, über dem schwarzen Dache ragten die weißgetünchten Schornsteine auf, die an ihrer Mündung mit lenkbaren Klappen versehen waren, womit man, wie der Vater belehrte, den Luftzug regeln könne.

So waren wir der Schmiede ganz nahe gekommen.

Ich sagte nichts, denn ich wollte in die Schmiede gehen und hatte doch Angst vor dem Lärm, der drinnen war, und vor den Funken, die durch die finsteren Räume flogen.

Mein Vater sagte auch nichts, sondern führte mich hinein.

Vor dem Tor stand eine Tafel: »Fremden ist der Eintritt nicht gestattet!« Aber ein Mann, den mein Vater fragend angeblickt, sagte: »Nur zu!«

Was ich zuerst sah, war ein sprühendes Stück Sonne, das von der brüllenden Esse mit Schwung herbeigeholt und auf den Amboß geworfen wurde, tonlos, als wäre es von Teig. Jetzt hob sich auf massigem Hebelbaum der Hammer und fiel nieder in die weiche Masse, daß ein Meer von Funken durch die Hütte schoß. Ich barg mich vor Schreck und Angst hinter den Rücken meines Vaters, aber die Funken waren bereits angeflogen an mein Leiblein, und ich war nur höchlich überrascht, daß ich nicht lichterloh brannte, ja nicht einmal einen Schmerz wahrnahm an den Händen, an welche die feurigen Mücken gesaust waren. Auch der zweite und dritte Hammerschlag jagte ein Heer von Schlacken und Funken hinaus, aber je platter das Eisenstück geschlagen wurde, je rascher der Hammer darauf niederfiel, desto weniger sprühte es. Ein Schmied stand da, der wandte mit langer Zange das Eisenstück hin und her, bis das Geschlacke von allen Seiten herausgehämmert war. Das weiße Glühen war immer roter und matter geworden, und endlich hatte das Stück nur mehr die graue Farbe des Eisens. Es wurde hingeschleudert, der Hammer stand still.

Ich war ein wenig dreister geworden und besah mir jetzt die Dinge, obwohl es ganz dunkel war, wenn das Feuer nicht leuchtete. Vor allem fiel mir ein großer Lederkasten auf, der Atem schöpfte. Der Blasebalg war's, welcher, von Wasserkraft aufgezogen, durch Röhren in die Esse blies. Auf der Erde lag allerlei altes Eisen umher. An den Wänden lehnten und hingen in ganzen Reihen Zangen, Hämmer, Schlegel, Feilen, Hacken, Beile und allerlei, was ich gar nicht kannte. Jetzt erst fielen mir auch die Schmiede auf, über deren rußige Gesichter und entblößte Brust die Schweißtropfen rannen. Wir gingen weiter und kamen zu anderen Essen, wo die Schmiede mit Eisenschaufeln Kohlen in die Glut warfen, die sofort mit glanzloser, blauer Flamme grollend zu brennen begann. In einer Esse glühte man Eisenstücke, die hernach unter kleinere, rascher pochende Hämmer kamen. Hier wurden sie – wie sie der Schmied wendete und drehte – in längliche Formen gehämmert, an denen ich nach und nach die Gestalt der Sense erkannte. Weil das Eisen bald kühlte und noch unrein war, so mußte es immer wieder in die Esse, aus der es glühend und sprühend hervorkam. So wiederholte sich's, bis der Hammer und das kleine Handgehämmer der Schmiede endlich eine vollkommene Sense zuwege gebracht hatten, die dann schrillend auf einen Haufen von Sensen hinfiel.

War der Lärm in der Schmiede auf einen Augenblick verstummt, so hörte man draußen das Rauschen des Wassers, das von hohem Floß auf die Räder niederstürzte. Aber der Lärm ging immer von neuem los, und es geschah an den Essen und Hämmern immer dasselbe. Auch meine Sense, die ich werden sah, war lange noch nicht fertig. Sie wurde neuerdings geglüht und kam unter die Handhämmer der Schmiede, die sie feiner formend in gleichem Takte bearbeiteten, bis der Henkel und der Rückenrand und die Schneide und die Spitze fertig waren. Sie hatte nun eine Reihe von kleinen Narben bis zur Spitze hinaus und war überlaufen mit einem schönen, violetten Blau.

Mir fielen aber die Schmiede auf. »Warum sie allemal noch einen leeren Schlag auf den Amboß machen, wenn die Sense schon weggezogen ist?« so fragte ich. Mein Vater antwortete: »Das tun die Schmiede überall; mit dem Schlag auf den Amboß schmieden sie die Kette fester, mit welcher der höllische Drach gefesselt ist; sonst tät sie endlich brechen, und der böse Feind wär los und ledig.«

Nun kam die Sense noch auf einen Schleifstein; der ging so scharf, daß die Stahlschneide, die fest auf ihn gedrückt lag, unter ohrenzerreißendem Geschrille beständig einen Blitzschein von sich gab, was noch das Allerschönste war in der ganzen Schmiede.

Wollte ich's genau nehmen, so müßte ich auch das Personal aufzählen, durch dessen Hände ein Stück Eisen geht, bis es Sense ist, ich müßte den Kohlenbuben, Strecker, Breitenheizer, Abschinner und Kramrichter nennen und vor allem den Obersten, den Essenmeister. Ich müßte auch den Streckhammer, den Breithammer und den Kleinhammer genauer beschreiben, endlich das Abschinnern (Abschaben) der fertigen Sensen und das Stempeln mit dem Firmazeichen und das Kramrichten (das in den Kram-, ins Magazinbringen der Ware).

Ich bin aber kein gelernter Schmiedegeselle und werde wohl manche Handgriffe und Vorgänge übersehen haben, bis das Werkzeug des Mähers fertig war. – Ähnlich, sagte mein Vater, würden auch die Sicheln gemacht, aber ganz anders die Messer und alle Schneidewerkzeuge, die einen federigen Stahl haben.

»Glück auf!« rief mein Vater den Schmieden zu. Diese hörten nichts. Wir gingen, stets angefochten von sprühenden Funken, ins Freie. Dort war es freilich noch schöner; wir gingen unter Pappeln hin und hörten noch lange das dumpfe Hammerpochen und das Wasserrauschen hinter uns.

Ich hatte ein blauschimmerndes Stück Schlacke mit mir genommen und betrachtete es jetzt wie einen wertvollen errungenen Schatz.

»Das ist nichts«, sagte mein Vater und zog ein Schöllchen Roheisen aus dem Sack. Das war rostfarbig und durchlöchert wie ein Schweizerkäse.

»Wenn's auch nicht so glänzt wie das deinige, es ist doch mehr. Aus diesem Ding – heb einmal, wie schwer es ist! – kann man seine Werkzeuge machen, die wie Spiegel funkeln. Du sollst mir auch noch das Tüchtige vom Schimmernden unterscheiden lernen.« Nun gingen wir in den Marktflecken Kindberg hinein.

Wir hörten an allen Ecken die Hämmer pochen, und auf der Straße fuhren schwarze Kohlen- und Roheisenwagen, aber auch fertige Eisenwaren in Kisten, Fässern und Strohgewinden sahen wir schleppen die weiße Reichsstraße entlang gegen Graz und gegen Wien.

Im Brauhaus bekränzten sie das bogenförmige Einfahrtstor mit Tannenreisig und schmückten es mit Fahnen, mit Hämmern, Hacken und Zangen. Mein Vater fragte, was das bedeutete. Ja, morgen hätten die Schmiede hier einen Ball, sagte der Brauknecht.

»Den eigentlichen Ehrentag des Schmiedehandwerks, den feiern sie doch erst zu Jakob!« meinte mein Vater.

Das sei schon richtig – doch zur selben Zeit sei etwas anderes, da hätten die Schmiede einen zwei Wochen langen Feiertag, da täten sie nichts als gut essen und trinken, tanzen und scheibenschießen, und da kämen die Hammerherren von weit und breit, um Schmiede zu werben für das nächste Jahr. Die Geworbenen kriegen den Leihkauf (Handgeld) auf die Hand und werden zum nächsten Silvester durch aufgeputzte Wagen oder Boten an ihren neuen Werksort gebracht. Vom Werksherrn kriegen sie nebst dem vereinbarten Jahrlohn auch die Kost; der Essenmeister speist gar mit der Herrschaft. »Ich weiß das alles«, versetzte mein Vater dem gesprächigen Brauknecht, »aber meines Buben wegen ist's mir lieb, daß du's erzählst, der ist schon alt genug, und wenn er gleich Bauer bleiben wird, so schadet es ihm nicht, daß er auch anderer Stände Arbeit und Brauch kennenlernt. Ich hab ihn darum vom Berge herabgeführt.«

»Und bei solchem Schmiedefest«, erzählte der Mann weiter, »da kommen sie halt zusammen, jeder, der's hat, im Steirergewand, jeder eine kecke Feder oder einen Gamsbart am Hut, jeder eine schwersilberne Uhrkette mit Talerbehängseln an der Brust, jeder eine volle Geldtasche im Sack, jeder sein Mädel am Arm. Schmetternde und trommelnde Spielleute voran, so ziehen sie ins Wirtshaus zum Trunk, zum Tanz und zu anderer Lustbarkeit. Da darf sich kein Bürgerssohn, kein Bauernbursch, kein Holzknecht blicken lassen; denn diese Eindringlinge spotten die Schmiede ob ihrer Schwerhörigkeit, ob ihrer Kröpfe und dergleichen, und ihr Trachten geht dahin, den Hammerschmieden die Dirndlein wegzunehmen. Den Schmieden gehört der Tag und der Marktflecken, und die Leute lassen' sich's gefallen – es springt Geld um. So kohlrabenschwarz sie am Werktag sind, die Schmiede«, schloß der Brauknecht, »am Sonntag gibt's keine hochmütigeren Menschen als diese Rußteufel. Und sind doch so viel Gaggen (Halbkretins) dabei!« War aber nicht so arg.

Schon jetzt, als wir dastanden und das geschmückte Haustor bewunderten, kamen sie herbei von den unteren und oberen Hämmern, um nachzusehen, wie weit die Vorbereitungen gediehen seien, und um gleichzeitig ein Glas Bier durch die Gurgel zu sprengen.

Da kam plötzlich ein Bote gelaufen, rußig im Gesicht, aber weiß vor Straßenstaub an den Beinen. Einen Sturmhut hatte er auf wie Landwehrmänner zu Kriegszeiten. Ein langes Messer hatte er an der Seite baumeln, und schier atemlos war er, als er rief: »Kameraden! Kameraden!«

»Was gibt's?« fragten sie ihm entgegen.

»Keinen Schmiedeball gibt's! Kein Flanieren und Karessieren gibt's! Jetzt heißt's Messer, Spieß und Säbel schmieden, Kanonen, Kugeln gießen!«

»Ja«, sagten sie, »wer gibt uns dazu das Privileg?«

»Ich!« rief der Bote. »Denn der Kaiser Ferdinand ist fort. In Wien ist Revolution!«


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