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Der Fronleichnamsaltar

Wenn der siegreiche Heiland in Brotgestalt durch das Dorf zieht, da winken sie ihm mit Palmen zu. Die Palme der Alpen ist die Birke. So wie zu Weihnachten die Tannenbäumchen ihr Leben lassen müssen, so zu Fronleichnam die Birken. Zu Hunderten werden sie auf großen Karren hereingeschleppt in das Dorf und werden an den Gassen, durch welche die Prozession ziehen wird, der Reihe nach in den Boden gebohrt zu beiden Seiten. Und wie sie so auf dem frischen Erdboden stehen und der laue Wind in ihren leichten Zweigen rieselt, da ist's, als führten sie das junge, fröhliche Leben wie jene Stammesgenossinnen dort drüben am Rain. Und man merkte es nicht, daß der Stamm in der Erde wurzellos ist, abgehauen durch das Beil, daß die Säfte in ihren Adern nicht mehr treiben, daß in wenigen Tagen die schönen, gezackten Herzblättlein gilben werden; und die Raupe auf einem schwachen Ästlein, die ein künftiges Schmetterlingsleben träumt, sie ahnt nicht, daß sie auf einem Leichnam sich schaukelt. – Das Leben ist erfüllt, es kommet der Herr. – Bei der Fronleichnamsprozession werden im Freien an vier verschiedenen Stellen die Evangelien gelesen. Dazu errichten die Leute vier Altäre, damit »der Herrgott abrasten kann auf seiner Wanderschaft«. Auf wessen Grund der Altar zu stehen kommt, und das ist seit alten Zeiten bestimmt, der hat diesen Altar zu errichten. Die hübschen geschnitzten und bemalten Bestandteile dazu sind das Jahr über auf dunklem Dachboden gelegen, nun werden sie hervorgeholt, von Staub und Spinnweben gereinigt und im Freien zusammengestellt, oft zu einem stattlichen, kapellenartigen Aufbau mit dem Altartisch, dem Tabernakel, den anbetenden Engeln und den Kerzenleuchtern. Knechte, die gestern noch Dung gegraben, zeigen sich heute als geschickte Architekten, errichten den Altar noch vor Sonnenaufgang und umgeben ihn mit einem Birken- oder Lärchenwäldchen. Der Hausvater stellt alle Heiligenbilder, die im Haus vorhanden sind, auf den Altar oder heftet sie an, hoch oben an den Säulen. Die Bäuerin bringt bunte Töpfe mit glutroten Pfingstrosen, um damit den Altar zu schmücken, und die Dirndlein streuen Blumen und Rosenblätter als einen Teppich vor die Stufen.

Die Glocken heben an zu läuten, die Böller krachen, über die Dächer her klingt Musik, in allen Fenstern brennen Lichter, und so zündet nun auch der Bauer die Kerzen an auf seinem Altar. Bald wehen die ersten Fahnen heran, summen die Gebete der Männer, schallen die Gesänge der Weiber, es kommen die langen Reihen der Kinder, die weißgekleideten Mädchen, über ihren Häuptern bunte Bildnisse tragend. Endlich die Musikkapelle mit hellen Trompeten und dröhnenden Trommeln, und dann der »Himmel«. Der rote, von vier Männern getragene Baldachin, unter demselben, von Ministranten und lichtertragenden Knaben umgeben, der Priester, der hoch vor seinem Angesicht her die funkelnde Monstranz trägt.

Die Monstranz, das wissen wir alle, ist das Haus für die Hostie. Die ist von einem goldenen Strahlenkreuz umgeben, ruht auf einem mondkipfelförmigen Behälter und ist durch Kristall geschützt. Das wichtigste Zubehör zu solchem Umzug ist der Glaube, und der ist in Fülle vorhanden. Sie beten ja nicht das Brot an, sondern das versinnbildlichte Geheimnis, in dessen Schoß unsere ewigen Geschicke ruhen. Es ist eigentlich unrichtig, wenn man von Bilderanbetung spricht oder vom Götzendienste der Heiden, sie alle meinen dasselbe, das versinnbildlichte göttliche Geheimnis, das sich jeder in seiner Weise vorstellt, jeder nach seiner Natur fühlt. Und die Kraft, das unfaßbare, unendliche Geheimnis auf eine den Sinnen faßbare Wesenheit zu übertragen und so zu ihm in ein trauteres Verhältnis zu treten, diese Kraft gibt der Glaube.

Die Menschenreihen kommen zum Altar im Freien, die vorderen müssen weit voran, bis der Priester an die Stelle gelangt. Ist er da, so stellt er das Sakrament in den Tabernakel und liest Verse aus einem der vier Evangelien. Dann hebt er unter dem Dröhnen der Böller die Monstranz, wendet sich mit ihr nach allen vier Himmelsgegenden hin und segnet die Auen, die Fluren, die Lüfte, auf daß der Sommer fruchtbar sei und kein Ungewitter den Fleiß des Landmannes vernichte. – Und die Prozession zieht weiter.

So ist es in größeren Dörfern. In kleinen Gebirgsortschaften wird das Fest einfacher abgehalten, doch nicht minder feierlich. Weil dort alle Gassen und Straßen bestanden sind von lebenden Bäumen und Sträuchern, so braucht keine Birke aufgesteckt zu werden, außer an Kreuzsäulen, wo sie dann gleichsam wie zur heiligen Wache stehen, eine zur Rechten und eine zur Linken. Weil die Leute kleiner Ortschaften nicht vier Altäre haben, um sie aufzustellen, so ist ein tragbares Altärlein vorhanden, ein vierfüßiges Tischchen mit weißem Decktuch und der Tabernakelnische, an welche auf blauem Grunde Engel gemalt sind, die vor dem »Süßen Namen« knien. Darüber ein Dächlein mit Goldquasten. An der Rückseite sind die Tragbänder angebracht, mittels welcher ein Bursche das Altärlein auf den Rücken nimmt und währen der Prozession von einer Evangeliumsstelle bis zur anderen trägt.

So ein Altartischlein haben sie auch zu Kathrein am Hauenstein. Wer es sehen will, zur Sommerszeit steht es dort in der Kirche vor dem großen Bilde der Vierzehn Nothelfer.

Schon in meiner Jugendzeit stand es daselbst, und der Kaunigl, der mit der Hasenscharte, hatte die Obliegenheit, am Fronleichnamstag das Tischlein hinauszutragen und von einem Evangeliumsplatz zum anderen. War das eine Evangelium zu Ende und die Prozession zog auf ihrem Wege weiter, alsogleich faßte er das Altärlein bei den Tragbändern, hob es sich auf den Rücken, nahm die Kerzenleuchter und den Knieschemel in die Hände und hastete über den Bühel hin durch den abkürzenden Waldsteig, um den Vorsprung zu gewinnen und am nächsten Platze den Altar aufzustellen. An den Füßen des Tischchens wurden etwa ein paar Steinchen unterlegt, daß nichts wackeln konnte, der Schemel zurechtgestellt und die Kerzen angezündet, dann war die erste Fahne aber auch schon in Sicht.

Und da ist's einmal geschehen, daß ich aus solchem Anlaß in eine seelenmordende Geschichte verwickelt worden bin. Ich war damals in den Jahren, da noch niemand weiß, wo es mit einem solchen Lecker hinaus will. Es kann ein halbwegs braver Kerl draus werden, aber auch ein Lumperl, wer weiß es? Nur der liebe Gott, und selbst der läßt dem schlanken, blassen Bürschel die Wahl. Ich war an jenem Tag in meinem Waldbauernhause drüben etwas zu spät aufgestanden, oder ich hatte mit den bockigen Bundschuhen meine Plage, bis ich hineinkam, oder es war die Frühsuppe nicht zur rechten Zeit fertig, kurz, als ich der Kathreiner Kirche in die Nähe kam, ging es dort schon über und über los, und zwischen den Bäumen her leuchteten die roten Fahnen, funkelten die Lichter. Ich schlich mich hinterwärts hinüber, denn das einfach Richtige zu tun, nämlich geradewegs auf die Prozession loszugehen und mich unter die Leute zu mischen, dafür hätte ich mich zu Tode geschämt. Da war's ja wieder, wo mir der liebe Gott die Wahl ließ: Geselle dich zu den Andächtigen oder schlüpfe wie ein Strick durch die Büsche hin. – Ich schlüpfte wie ein Strick durch die Büsche hin, und da begegnete ich dem Kaunigl mit dem Altarl. Sogleich forderte er mich auf, ihm tragen zu helfen. Das war mir auch recht, so kam mein abseitiger Weg zu einer Rechtfertigung. Ich nahm dem Kaunigl Schemel und Leuchter aus der Hand, und wir hasteten zwischen Jungwald hinauf zum Föhrenriegel, der hinter der Kirche steht und wo das letzte Evangelium abgehalten werden sollte. Wir wirkten getreulich zusammen, und bald stand neben der Felswand das Altärlein fest, und bald brannten darauf die Kerzen. Die Prozession erschien noch nicht, sie hatte einen weiteren Weg zwischen die grünenden Felder hin genommen, der Kaunigl-Bub war aber nicht der Mensch, der eine Zeit unnütz verstreichen lassen wollte. Mit einem flinken Griff zog er aus seiner Hosentasche ein Kartenspiel und warf es auf das Altärlein hin, daß die Lichter zwinkerten vor den flatternden Blättern. Schweigend, als wäre es so selbstverständlich, warf er zwischen mir und ihm ein Spiel aus, ein »Brandel«. Es war nicht das erstemal, daß wir zusammen »taten«, so hob ich die Karten auf, und wir machten ein regelrechtes Spiel auf dem Fronleichnamsaltar bei weihevoll brennenden Wachskerzen. Für ein zweites »Bot« war auch noch Zeit; während der Kaunigl ein drittes ausgab, kamen um die Biegung die ersten Männer mit entblößten Häuptern laut betend heran. Keine Katze kann die behendige Maus hastiger packen, als der Kaunigl jetzt die Karten zusammenscharrte und in den Sack schob. Gar harmlos stellten wir uns auf die Seite und zogen unsere Kappen ab.

Bald kamen die Musikanten heran, der Eggbauer mit dem Flügelhorn, sein Sohn mit der ersten Trompete, der Schneider-Naz (der später mein Meister geworden ist) mit der zweiten, der Erhard-Bub mit der Klarinette, der Schmied-Zenz mit der kleinen Trommel; der Rüssel-Franz schleppte auf dem Rücken die große Trommel, auf welche der Hauensteiner Wirt mit Macht und Kunst dreinhieb. Der Jäger-Ferdl handhabte die »Tschinellen«. Hinter dieser heftigen Musik kam der Himmel. Der alte Herr Pfarrer mit dem weißen Haar trug das Allerheiligste hoch vor sich her und hielt das Haupt tief geneigt, erstens aus Ehrfurcht und zweitens, weil ihm das Alter den Nacken schon stark gebogen hatte. Er schritt dem Altärlein zu, um die Monstranz auf dasselbe hinzustellen. Schon wollte das geschehen, da hielt er plötzlich ein und stand einen Augenblick mit starrer Miene da. Hatte er nicht zwischen der Falte des weißen Decktüchleins den Grünzehner gesehen? War nicht dieses verhöllte Kartenblatt dort unversehens liegengeblieben? – Mit solchem Grün den Fronleichnamstisch zu schmücken, das wollte dem Herrn Pfarrer doch nicht ganz schicklich scheinen. Ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Gebärde des Unwillens zu zeigen, wendete er sich gegen den Felsen und stellte die Monstranz auf einen vorspringenden Stein.

Die wenigsten Leute hatten es wahrgenommen, warum dieses geschehen; das Evangelium, der Segen wurden ohne weiteren Zwischenfall abgehalten, ich aber lugte zwischen den Haselstauden her und sah, daß der Pfarrer blaß war bis an die Lippen. – Wäre er zornig geworden über seine Entdeckung auf dem Altärlein, hätte er gewettert und die Täter bei den Ohren nehmen lassen, ich würde das ganz stilgerecht gefunden haben, aber sein demütiges Schweigen, sein trauriger Blick und wie er den durch das frevle Kartenspiel heimatlos gewordenen Heiland auf den wilden Felsen hinstellen mußte, das hat mir einen Riß gegeben. Gewußt kann er's nicht haben, wer der Mitschuldige war, aber merken hätte er es leicht können an meinem Armensündergesicht, sosehr dieses sich auch zu bergen suchte hinter den Haselstauden. Nachher, als in der Kirche das Hochamt anhub, zupfte mich der Kaunigl am Rockschößling und lud mich ein, mit ihm auf den Turm zu steigen, wo wir zum Sanktus und zur Wandlung die Glocken läuten und Karten spielen könnten. Den Grünzehner hätte er schon wieder. Das ist nun zwar nicht geschehen, aber verloren bin ich doch geblieben. Ich getraute mich von diesem Tag an nicht mehr zum Beichtstuhl. Der Kaunigl getraute sich, es ist jedoch nicht so einfach gewesen, als er es sich vorgestellt, er hat mir's später erzählt. »Ich habe einmal Karten gespielt«, hat er gebeichtet. »So«, antwortete der Pfarrer, »das Kartenspielen ist ja an und für sich nicht so schlimm, wenn nicht um Geld gespielt wird.« – »Ja, um Geld ist nicht gespielt worden.« – »Wo war es denn?« – »Ja, auf einem Tisch.« – »Auf welchem Tisch?« – »Ja, auf einem hölzernen.« – »War es etwa auf dem Fronleichnamstischlein?« fragte der Pfarrer. »O nein«, sagte der Kaunigl. Dann ist er losgesprochen worden.

»So hast du ja bei der Beichte gelogen!« hielt ich dem Jungen vor.

»Das macht nichts«, antwortete er rasch, »die Lug bring ich das nächste Mal leicht wieder an, die nimmt mir jeder hinein beim Fensterl. Weil ich nur das Kartenspiel vom Hals hab. Teuxel noch einmal, das hat mich schon selber gefuchst, da kunnt einen auf die schönste Manier der Ganggerl holen.«

Ich habe aus dieser Erfahrung meine Schlüsse gezogen. Wenn das Kartenspiel an und für sich nicht so schlimm ist, um Geld wurde nicht gespielt, so braucht man die Geschichte ja nicht zu beichten. Es steht auch weder im kleinen noch im großen Katechismus, daß der Mensch auf Altären nicht Karten spielen dürfe. Diese feine Auslegung half mir aber nichts. Wenn ich an jenen Fronleichnamsfrevel dachte, bei welchem ich so dumm mitgetan, da ward mir manchmal ganz übel. In den Nächten träumte ich davon, und zwar sehr ungemütlich, und sonntags in der Kirche sitzend, durfte ich gar nicht hinblicken auf jenes Altartischchen, es stand so sonderbar da, als wollte es jeden Augenblick laut zu sprechen anheben und mich verraten. Zum Überfluß las ich um diese Zeit auch noch in einem alten Erbauungsbuch die Geschichte, wo ein frevlerischer Schustergeselle im Wirtshaus das Aufwandeln der Hostie nachahmte, und wie ihm dabei die gehobenen Arme erstarrten, so daß er sie nicht mehr zurückbiegen konnte, daß er mit hoch in die Luft gestrecktem Arm herumgehen mußte, bis er durch die Lossprechung eines frommen Paters erlöst worden. Das wäre so was, wenn ich mit gehobenem Arm, das Trumpf-As in der Hand, umhergehen müßte, und die Leute täten spotten: »Na, stich, Peterl, stich!« Und ich steche endlich zu und steche meine arme Seele tot! Das wäre so was!

Ich allein konnte mit mir nicht fertig werden, das war nun klar. Also ging ich eines Tages in der Feierabendstunde nach Sankt Kathrein zum Pfarrer. Der stand gerade vor dem Haus an seinem Brunnentrog, in welchem ein stattlicher Quell sprudelte und der mit einem rostigen Drahtgitter übersponnen war. Der Pfarrer mochte glauben, daß ich nur so zufällig vorübergehe, er winkte mit seinem schwarzen Strohhut, ich möchte zu ihm kommen. »Was sagst du dazu, Peterl?« rief er mir mit seiner weichen Stimme entgegen, »neun und fünf und sieben, macht das nicht einundzwanzig?«

Ich war nie ein besonderer Kopfrechner, diesmal sagte ich auf gut Glück: »Ja, das wird schon beiläufig so sein, einundzwanzig.«

»Nun also«, sagte er, »und jetzt schau einmal her«, er deutete in den Brunnentrog, »da hat mir der Blasler-Bub vor vierzehn Tagen neun lebendige Forellen verkauft, die habe ich in den Trog getan. Vor acht Tagen hat er mir wieder fünf Stück verkauft, habe sie auch hineingetan, und heute hat er mir noch einmal sieben Forellen verkauft, die habe ich auch hineingetan, und jetzt, wieviel sind drinnen im ganzen? Neun Stück, und nicht um ein Schwanzel mehr! Und ich kenn's, es sind dieselben, die er mir vor vierzehn Tagen gebracht hat, und es kann gar nicht anders sein, der Lump, hätt ich bald gesagt, hat mir die Fische immer wieder aus dem Trog gestohlen und neuerdings verkauft! Das ist doch ein – ein –« Er ballte die Faust in die Luft.

Der Blasler-Bub wird die Forellen wohl schon gestohlen gehabt haben, bevor er sie das erstemal verkaufte, denn der Blasler hatte gar kein Fischrecht. Daran dachte der gute Pfarrer wohl kaum, er hatte sicherlich nur an seine Fasttage gedacht; das Kirchengebot erlaubte an Freitagen und Samstagen die Fische, ob es aber gestohlene sein müssen, davon schweigt es.

Zum Sündenbekennen war diese Gelegenheit nicht günstig. Ich unterließ es also, küßte ihm den Rockärmel, weil zu einem Handkuß die Faust nicht einlud, und ging weiter. Unterwegs erwog ich lange, welche Sünde schwerer sein mochte, des Blasler-Buben seine oder meine. Die seinige erschien mir als ein Schelmenstück, die meinige jedoch konnte eine Sünde gegen den Heiligen Geist sein, und solche werden nicht nachgelassen.

Einige Tage später trieb der Kogel-Mirt vom Kreßbachgraben eine graue Ziege mit zwei Zicklein des Weges. Die Alte hatte ein volles Euter, die Jungen hüpften um sie herum und wollten einmal ein wenig trinken. Der Kogel-Mirt aber zischte: »Gscht, nichts da! Das volle Euter müess'n mer dem Herrn Pfarrer bringen!«

Da war ich schon wieder neugierig, was dahinter wäre, und der Mirt, ein eingewanderter Tiroler war's, hatte auch noch seinen spitzen »Sternstecherhut« auf, und er sagte: »Das ischt halt so, mein du, 's Weib ischt mir g'storben. Die Geiß, hat sie g'sagt, und die Kitzen, hat sie g'sagt, vermach iach dem Kathreiner Pfarrer. Fürs Versechengehn und auf etliche Messen. Das ischt noch ihr Wille g'west, und nachher ischt sie g'storben. Dessentweg treib iach letzter die Viecher zum g'weichten Herrn abi.«

Gut, denke ich bei mir, und in einer Stunde komme ich nach! Heute wird er gut aufgelegt sein, und heute ist die beste Gelegenheit. War insoweit ganz klug angestellt. Ich ging hin, der alte Herr war an demselben Nachmittag gar lustig und lud mich ein, eine Schale Kaffee mit ihm zu trinken, es wäre frische Milch vom Kreßbachgraben dabei. Und mitten im Kaffee war's, daß ich plötzlich sagte: »Halt schon lang ein Anliegen hab ich, Herr Pfarrer!«

»Du, ein Anliegen?« lachte er auf, »na, das wäre sauber, wenn nun auch die kleinen Buben schon ihr Anliegen hätten!«

Ich habe mit dem Löffel in der Schale eifrig den Kaffee gerührt, um dem Herrn nicht ins Gesicht schauen zu müssen, und dabei habe ich die Geschichte vom Kartenspiel auf dem Altarl erzählt.

Über alles Erwarten blieb der Pfarrer ganz ruhig. Dann fragte er: »Hast du es zu Fleiß getan? Hast du die Absicht gehabt, den heiligen Tisch zu verspotten?«

»Gott nein, Herr Pfarrer!« antwortete ich, bis ins Herz hinein erschrocken schon über den bloßen Gedanken.

»Nun also«, sagte der Greis. Dann schwieg er ein Weilchen und trank seinen Kaffee aus. Hernach sprach er folgendes: »Gehören tut sich so was nicht, das muß ich dir schon sagen. Und dem Kaunigl will ich's auch zu wissen tun, daß man zum Gottesdienst das Gebetbuch mitnimmt und nicht die Spielkarten! Wenn du aber bei dem dummen Streich keine böse Absicht gehabt hast, so soll's diesmal gut sein. Ist soweit brav, daß du mir's gesagt hast. Magst noch ein Tröpfel?«

Als somit jene Fronleichnamsangelegenheit aufs beste geordnet war, hat die zweite Schale Kaffee doppelt gut geschmeckt. Als ich später aufstand, um fortzugehen, legte mir der alte Herr die Hand auf die Achsel und sagte gütig: »Mir ist jetzt leichter, weil ich genau weiß, wie es gewesen ist an jenem Fronleichnamstag. Aber ein anders Mal mußt nicht, Peterl. Schau – unser lieber Herrgott...!«


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