Max Ring
Lose Vögel
Max Ring

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Ein Abenteuer in Venedig.

Ich saß in Venedig in dem Speisesaal meines Hotels. Der Mond glänzte an dem dunkelblauen, mit Sternen besäten Himmel und seine Strahlen zitterten auf den Lagunen, deren grünliche Fluthen sich in einen Silberstrom verwandelten. Alles war still auf dem Canale grande, lautlos schossen die schwarzen Gondeln an mir vorüber, wie ein dunkles Geheimniß, und verschwanden in der Finsterniß der Nacht.

Plötzlich tönten aus der Ferne melodische Klänge über dem Wasser, Anfangs leise, dann immer lauter wie ein unsichtbarer Geisterchor. Zugleich schimmerten glänzende Lichter auf dem Kanal gleich fernem Wetterleuchten am Horizont. Je mehr sich die Stimmen näherten, desto deutlicher wurde auch der Feuerglanz. Lichter und Töne schienen eng verbunden und mit einander zu verschmelzen. 132

»Was hat das zu bedeuten, Luigi?« fragte ich verwundert den Cameriere des Hotels.

»Signor!« flüsterte der kunstsinnige Lohndiener leise, um keinen Ton der lieblichen Melodie zu verlieren. »Wenn ich nicht irre, so feiert der philharmonische Verein heute sein Jahresfest.«

Ich verließ den Saal und trat auf den Balkon, von dem aus ich den ganzen »Canale grande«, diese riesige Wasserschlange, übersehen konnte. Zu meinen Füßen spielten die mondbeglänzten Wellen der Lagunen, mir gegenüber erhob sich der herrliche Bau Palladin's, St. Giorgio majore, die Kirche Madonna della Salute und die Dogana di Mare mit der goldenen Kugel auf dem so seltsam geformten Dach. In dunkler Ferne dämmerten die Umrisse der Giudecca und die Insel St. Lazaro mit dem armenischen Kloster, dessen Mönche mit ihren schwarzen Bärten, klugen bleichen Gesichtern und dunklen geistvollen Augen mir so gut gefielen. Zu beiden Seiten des Kanals aber standen in unübersehbarer Reihe die herrlichen Marmorpaläste, die Zeugen der untergegangenen Größe, in schweigender Pracht.

Es war ein wunderbares Schauspiel, wie es nur 133 allein die stolze Meerkönigin Venedig in solchen Nächten aufzuweisen hat, ein Mährchen, gedichtet aus Mondschein und Wellenschaum, aus stiller Wehmuth und lauter Lebenslust.

»Bestellt mir eine Gondel!« sagte ich zu dem dienstfertigen Cameriere. »Ich habe Lust noch auszufahren.«

»Si Signore! Sie sollen sogleich eine Gondel haben,« versetzte das Muster eines italienischen Lohndieners und flog, um meine Wünsche zu erfüllen.

Im nächsten Augenblick verließ ich den alten Palast; denn ein solcher war das Hotel, worin ich wohnte. Ich stieg die breite Marmortreppe nieder, welche von den Lagunen bespült wurde. Der Gondolier, ein gewandter Bursche im malerischen Kostüme, kurzer Jacke, gestreiften Beinkleidern, den rothen Shawl um die schlanke Hüfte geschlungen und den schwarzen Krauskopf mit dem leichten Strohhut bedeckt, reichte mir die Hand beim Einsteigen. Rückwärts, wie es die eigenthümliche Einrichtung der Barke verlangt, warf ich mich auf die weichen Lederkissen des Sitzes, indem ich meine Füße auf der entgegenstehenden Bank aufstützte. So lag ich ausgestreckt, die duftende Havanna rauchend, in der behaglichsten Stimmung. 134

Mit kaum vernehmbaren Ruderschlägen leitete der Gondolier das leichte Fahrzeug, das schnell wie ein Pfeil dahin flog. Ohne erst meine Weisung abzuwarten, fuhr er dem Gesange nach, als ob er meine Gedanken errathen hätte. Unzähligen Gondeln begegneten wir auf unserem Wege, die nach derselben Richtung fuhren. Jede dieser Barken hatte an der niedrigen Eingangsthür zu dem sargähnlichen Verdeck ein brennendes Lämpchen, dessen Licht sich in den Wellen wiederspiegelte, so daß der ganze Kanal wie illuminirt erschien.

In der Mitte des Gedränges hielt ein sogenannter »Wasser-Omnibus«, das heißt: ein größeres Schiff, reich mit bunten Teppichen geschmückt und mit Decken behangen, worin sich die Mitglieder des philharmonischen Vereins, Sänger und Musiker befanden. Auf ein gegebenes Zeichen des Kapellmeisters begann jetzt ein Concert unter dem freien Himmel, wie ich seines Gleichen nie zuvor gehört. Ein Chor der herrlichsten Frauen- und Männerstimmen sang die schönsten Lieder, bald eine fröhliche Barcarole, bald die schmachtende Arie eines beliebten italienischen Componisten, bald eine jener süßen Volksmelodieen, an denen die Heimath des Gesanges so reich ist. 135

Die sinnlich weichen Weisen stimmten zu dieser lauen, milden Luft, zu dem dunkeln, goldgestirnten Himmel, zu dem magischen Zauber des silbernen Mondlichts; sie waren ganz geeignet, die Seele in eine süße schwelgerische Träumerei zu versetzen, oder zum Genuß eines sorgenlosen Daseins anzuregen.

Mit diesen Chören wechselten Sololieder ab, von kunstliebenden Dilettanten gesungen. Arien und Duette aus den bekannten Opern von Bellini, Donizetti und Verdi, deren Verdienste und Talent man erst in Italien verstehen und würdigen lernt, wo sie zu Hause sind und auch am besten genossen werden.

Die meisten dieser Sänger besaßen schöne und geschulte Stimmen, an denen jedoch mein Ohr jene Tiefe des Gefühls und den seelenvollen Ausdruck vermißte, den ich oft bei minder von der Natur begabten deutschen Künstlern gefunden hatte. Es waren eben nur gebildete Dilettanten. Nur eine einzige Frau machte eine bewunderungswürdige Ausnahme. Schon bei den ersten Tönen dieser herrlichen zum Herzen sprechenden Altstimme erkannte ich die gottbegnadete Meisterin des Gesanges.

Sie trug eine jener älteren Hymnen von Palästrina 136 oder Pergolese mit einer entzückenden Weihe, mit einer ergreifenden Empfindung vor, so daß ich unwillkürlich an die heilige Cäcilie von Raphael oder an die Bilder der musizirenden Engel dachte, welche um den Thron der Gottheit schwebend den Himmel mit süßen Harmonien erfüllen.

Dabei machte ich eine Erfahrung, die ich schon öfters an mir bei ähnlichen Gelegenheiten beobachtet hatte. So oft ich nämlich einer außerordentlichen Erscheinung in meinem Leben begegnete, einem großartigen Schauspiel beiwohnte, einen erschütternden Eindruck empfing, so glaubte ich nur etwas schon Geschautes wieder zu sehen, etwas früher Empfundenes wieder zu fühlen, etwas längst Bekanntes noch einmal zu erfahren, als ob Alles nur eine Erinnerung an schönere Zeiten, vielleicht an ein verlorenes Paradies, an einen Zustand vergangener Seligkeit wäre.

Aehnlich erging es mir auch jetzt wieder mit der Stimme der ausgezeichneten Sängerin, welche ich schon früher unter ganz anderen Verhältnissen gehört zu haben glaubte. Mein Interesse war erregt, meine Neugierde gereizt; aber ich bemühte mich vergebens, das Gesicht der Sängerin zu sehen, da die sie umgebende Menge mir ihren Anblick entzog. Mit um so größerer Theilnahme lauschte 137 ich ihrem herrlichen Gesang, von dem ich auf das Tiefste ergriffen wurde.

Ich war nicht der Einzige, der sie bewunderte. So lange sie sang, herrschte die tiefste Stille, nur unterbrochen durch ein leises Murmeln des Entzückens, oder kaum hörbare Seufzer. Als sie aber verstummte, ließen die Zuhörer ein donnerndes Bravo erschallen, folgte ein Beifallssturm, wie ich ihn selbst bei den in dieser Beziehung äußerst freigebigen und leicht bis zum Fanatismus erregten Italienern nie vernommen hatte. Die Herren erfüllten mit ihrem jubelnden Zuruf die Luft, daß die alten Marmorpaläste wiederhallten; die Damen wehten mit ihren weißen Tüchern in den Lüften, und die Menge schrie und brüllte: Evviva, evviva! Ich sah nur aus der Entfernung, wie sich eine schlanke, weiß gekleidete Gestalt leicht verneigte, worauf die Sängerin wieder unter ihren Gefährten verschwand, ohne daß ich so glücklich war, ihre Züge, die nach meiner festen Ueberzeugung sehr schön sein mußten, zu erkennen.

Mit richtigem Gefühl zerstreuten sich die Zuhörer, da nach einem solchen Hochgenuß jede folgende Leistung nur den empfangenen Eindruck abgeschwächt hätte. Die Mehrzahl der Gondeln und auch der große Wasser-Omnibus 138 mit den Mitgliedern des philharmonischen Vereins landete an der Piazzetta, und der Menschenstrom eilte nach dem Markusplatz, der, wie an jedem Abend, das Schauspiel eines eben so eigenthümlichen als interessanten Lebens und Treibens bot.

Das war ein Lärmen und Toben, ein Summen und Brummen, ein Rufen und Schreien, dem es trotz des lauten Getümmels nicht an einer gewissen Harmonie fehlte. Verkäufer von überzuckerten Früchten, Muscheln und nachgemachten Perlen priesen mit gellenden, kreischenden Stimmen ihre Waaren an, während ein Kolporteur gedruckter Schriften eine Kraft der Lunge und eine Ausdauer des Kehlkopfs entfaltete, um die ihn jeder Volksvertreter beneiden durfte. Hier ließ sich eine schwindsüchtige Flöte und dort eine heruntergekommene Harfe hören, an der einen Ecke bot ein Charlatan seine unfehlbaren Mittel an, erzählte ein etwas zweideutig aussehender Improvisator wahre Räubergeschichten, an der andern stimmte ein Straßensänger die Garibaldi-Hymne an, begleitet von seiner würdigen Gattin auf einer verstimmten Drehorgel, welche in der That selbstmörderische Gedanken einzuflößen im Stande war.

So sehr mir sonst dieser in der Welt einzige Platz 139 gefiel, der einem riesigen Vergnügungslokale gleicht, so war ich doch durch das eben gehörte Concert in eine Stimmung versetzt, die mich heute den unerträglichen Lärm fliehen ließ. Nur einige Schritte und ich befand mich auf der Piazzetta, wo die Ruhe des Grabes mich umfing, so daß ich das Abbröckeln des Marmors zu hören und ein leises Schluchzen über die untergegangene Herrlichkeit der gestürzten Meerkönigin zu vernehmen glaubte.

Aber auch hier war ich nicht allein, wie mich das Flüstern weiblicher Stimmen in meiner Nähe belehrte. Als ich näher trat, bemerkte ich zwei Damen, welche wahrscheinlich aus demselben Grunde den geräuschvollen Markusplatz verlassen hatten. Es war wohl nur meine Einbildung, daß ich in der schlanken, edlen Gestalt der Einen dieser Frauen die eben erst gehörte Sängerin zu erkennen glaubte, die mich noch immer beschäftigte. Unwillkürlich fühlte ich mich zu der interessanten Erscheinung hingezogen, und ich war entschlossen, meine Neugierde jetzt um jeden Preis zu befriedigen.

Meine Absicht schien jedoch bemerkt zu werden; denn ehe ich noch meinen Vorsatz ausführen konnte, fiel der schwarze neidische Schleier über das Gesicht, so daß ich 140 auch diesmal nur die kleine, zarte Nasenspitze zu sehen bekam. Indessen gab ich nicht die Hoffnung auf, indem ich den Damen folgte, die, wahrscheinlich um sich meinen Blicken zu entziehen, die einsame Piazzetta verließen und zu dem belebten Markusplatze zurückkehrten.

Bald verschwanden die Damen in dem Gedränge meinen Blicken, so daß ich geneigt war, meine nutzlose Verfolgung aufzugeben, als ich sie an einem der zahllosen Tischchen des »Café Floriani« wiederfand, wo sie sich niedergelassen hatten. Natürlich beeilte ich mich, in ihrer Nähe Platz zu nehmen, da ich noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, endlich das interessante Gesicht der vermeintlichen Sängerin zu sehen, die mir so bekannt vorkam.

Leider verhüllte nach wie vor der dunkle Schleier die gewiß reizenden Züge der jungen Dame so dicht, daß mir nichts übrig blieb, als den zierlichen Fuß und die kleine Hand zu bewundern, womit sie den Fächer bewegte, um sich Kühlung zu fächeln. Dagegen konnte ich um so besser das Gesicht ihrer Begleiterin betrachten, das jedoch durchaus nichts Bemerkenswerthes bot und mich völlig gleichgiltig ließ.

Beide unterhielten sich sehr eifrig und schnell in italienischer Sprache; weshalb ich auch beim besten Willen 141 ihrem Gespräche nicht folgen konnte, da meine Kenntnisse noch ziemlich mangelhaft waren. Nur aus ihren Blicken, die sie von Zeit zu Zeit mir verstohlen zuwarfen, hielt sich meine Eitelkeit zu dem Schluß berechtigt, daß ich der Gegenstand ihrer Unterhaltung sei. Zuweilen hörte ich auch ein helles silbernes Gelächter, das jedenfalls eine schalkhafte Heiterkeit bekundete.

Einzelne Worte, welche ich trotz der Entfernung verstehen konnte, steigerten nur noch meine Neugierde und reizten meine bereits hinlänglich entflammte Phantasie. Es war gewiß keine Täuschung, als ich von den wahrscheinlich höchst anmuthigen Lippen meine geliebte Vaterstadt nennen hörte, die damals noch weit weniger bekannt war, als gegenwärtig, wo die jüngsten Ereignisse allerdings beigetragen haben, sie in Italien populär zu machen.

Mein Erstaunen erreichte jedoch einen in der That kaum zu beschreibenden Grad, als die geheimnißvolle Sängerin so deutlich meinen eigenen Namen aussprach, daß ich erschrocken von meinem Stuhl emporfuhr. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, da ich nach meiner festen Ueberzeugung in Venedig von keiner menschlichen Seele gekannt war. 142

In höchster Aufregung sprang ich auf, um mir die gewünschte Erklärung des mich intriguirenden Räthsels zu verschaffen. Während ich aber aus meinem schlecht bestellten italienischen Sprachschatz den nöthigen Vorrath zu einer Anrede zusammensuchte, traten einige Herren an den Tisch heran und entführten die Damen, bevor ich noch Zeit fand, meine Phrasen an den Mann oder vielmehr an die Frau zu bringen.

Höchst verdrießlich über diese unangenehme Dazwischenkunft rief ich dem Kellner, um das bestellte Eis zu bezahlen und Erkundigungen über die mysteriöse Schöne bei dem dienstbaren Geiste einzuziehen.

»Sie erhalten zwei Lire, wenn Sie mir sagen, wer die beiden Damen waren, die dort an jenem Tisch Sorbeto genossen?«

»Das wird wohl die Gräfin Branconi gewesen sein?«

»Ich meine nicht die Kleinere, sondern die Größere von Beiden. Die Sängerin,« entgegnete ich mit dem ganzen Aufgebot meiner italienischen Sprachstudien.

»Die Sängerin!« rief der verwunderte Kellner. »Ich kenne keine Sängerin dieses Namens. Das muß gewiß ein Irrthum sein, Signor!« 143

Ich warf dem Aufwärter in gutem Deutsch einen »Esel« an den Kopf und stürzte den entführten Damen nach, ohne sie jedoch zu erreichen, so daß ich für heute auf die Befriedigung meiner Neugierde verzichten mußte. Am nächsten Morgen saß ich bei meinem Frühstück und las die Augsburger Allgemeine Zeitung, welche vorzugsweise vor allen deutschen Blättern in Venedig gehalten wird, als der Lohndiener leise in das Zimmer trat, um meine Kleider zu reinigen und sich nach meinen Wünschen zu erkundigen. Dabei konnte ich bemerken, daß ein eigenthümlich halb verschmitztes, halb faunisches Lächeln um seine Lippen spielte.

»Wie haben Excellenza geschlafen?« fragte Luigi mit gewohnter Höflichkeit.

»Nicht so gut als sonst. Ich habe eine unruhige Nacht gehabt.«

»Daran trägt wohl das Concert die Schuld. Excellenza sind gestern spät nach Hause gekommen. Wie haben Sie sich amüsirt?«

»Ausgezeichnet! Die Chöre waren vortrefflich, ganz besonders aber interessirte mich eine Sängerin, deren Stimme mich entzückte.« 144

»Wir haben in Venedig keinen Mangel an guten Stimmen.«

»Vielleicht könnt Ihr mir sagen, wer die Sängerin war?« forschte ich gespannt.

»Wahrscheinlich unsere Primadonna vom Theater Malibran,« versetzte der Spitzbube mit der unschuldigsten Miene von der Welt.

»Die kenne ich, da ich sie schon öfters gehört habe. Sie war es nicht.«

»Dann weiß ich wirklich nicht,« erwiederte Luigi, indem er sich mit meinen Kleidern zu schaffen machte.

»Was gibt es sonst Neues?« fragte ich in gleichgiltigem Tone. »Sind keine Briefe für mich angekommen?«

»Ich bin noch nicht auf der Post gewesen. Aber eine Person hat sich angelegentlich nach Ihnen erkundigt, während Excellenza noch schliefen.«

»Gewiß ein Landsmann, den ich erwarte. Hat er Euch nicht seinen Namen genannt oder seine Karte dagelassen?«

»Kein Er, sondern eine Sie hat nach Ihnen gefragt,« meinte der Lohnbediente verschmitzt lächelnd.

»Eine Frau!« rief ich erstaunt und einigermaßen 145 verlegen. »Ich habe in Venedig keine Damenbekanntschaften.«

»Doch Signor! Das schöne Kind hat ausdrücklich Ihren Namen genannt und Sie zu sprechen gewünscht. Ich wagte jedoch nicht, Excellenza in Ihrer Ruhe zu stören und habe das Mädchen auf eine gelegenere Stunde bestellt.«

»Wahrscheinlich eine verschämte oder unverschämte Bettlerin, wie sie die Fremden im Hotel zu überlaufen pflegen.«

»Das glaube ich nicht. Die Kleine sah gar nicht wie eine Bettlerin, sondern wie ein niedliches Kammerkätzchen aus einem vornehmen Hause aus. Sie hatte einen Brief in der Hand, sicher ein Billetdoux von einer schönen Donna.«

»Ihr seid ein Narr, Luigi, mit Eurem Billetdoux. Ich wüßte nicht, wie ich dazu käme.«

»Das ist in Venedig nicht so schwer. Excellenza ist ein feiner Herr und unsere Damen haben Augen und auch Herzen, die nicht grausam sind. Ich will meinen Kopf verwetten, daß es sich um ein Liebesabenteuer handelt.«

»Thorheit! Ich bin kein Geck, der auf Abenteuer ausgeht.« 146

»Nun, Sie werden doch nicht die Kleine abweisen lassen, wenn sie wieder kommt?« fragte der schlaue Lohndiener.

»Das wäre unartig. Jedenfalls will ich doch wissen, was sie von mir will, obgleich ich überzeugt bin, daß hier ein Irrthum stattfindet.«

Als sich der pfiffige Cameriere empfohlen hatte, überließ ich mich meinen Vermuthungen über seine seltsame Mittheilung. Von Neuem beschäftigte mich die Erinnerung an die räthselhafte Sängerin, an die ich unwillkürlich denken mußte. Ich war geneigt, den mir angekündigten Besuch mit meinem gestrigen Abenteuer in Verbindung zu bringen, trotzdem ich eigentlich dafür keinen stichhaltigen vernünftigen Grund hatte.

Ihre ganze Erscheinung, vor Allem aber der tiefe Eindruck, den mir ihr wunderbarer Gesang hinterlassen, ließ auch nicht entfernt den Verdacht aufkommen, daß ich es mit einer gewöhnlichen Frau zu thun habe. Obgleich ich ihr Gesicht nicht gesehen, so verrieth jede Bewegung, ihr sicheres und doch zugleich züchtiges Auftreten einen Adel und eine angeborene Vornehmheit, die jeden unlauteren Gedanken ausschloß. 147

Unwillkürlich mahnte mich ihr freies und doch so unschuldiges Wesen, diese seltene Vereinigung von schalkhafter Heiterkeit und tiefer Empfindung, die besonders aus ihrem seelenvollen Gesange sprach, an die schönste Schöpfung Shakespeare's, an jene reizende »Portia«, die Tochter Venedigs, an all den poetischen Zauber, womit der unsterbliche Dichter die vollendetste und harmonischste seiner Frauengestalten ausgestattet hat.

Aus meinen Träumen weckte mich ein leises Klopfen an der Thür, das ich fast überhört hätte, wenn es nicht lauter wiederholt worden wäre. Auf meinen Ruf trat wirklich ein allerliebstes Kind mit feurigen Augen, dunklem Haar und zarten Grübchen in den runden, gebräunten Wangen ein, das vollkommen der Beschreibung meines Lohndieners entsprach; das Bild eines italienischen Kammermädchens, schelmisch, verschwiegen und graziös.

Mit einer artigen Verneigung überreichte mir das niedliche Mädchen einen Brief, der in der That an mich gerichtet war und eine förmliche Einladung mit genauer Angabe des Ortes und der Zeit enthielt. Ich war so überrascht, daß ich meinen Augen nicht trauen wollte. Wiederholt überlas ich das duftende Billet auf feinstem 148 geglätteten Papier, das mit dem Namen »Leonore« unterzeichnet war. Zum Ueberfluß betrachtete ich von allen Seiten das Couvert, auf dem meine richtige Adresse in zierlichen Buchstaben stand, so daß ich nicht länger zweifeln konnte, daß die Bestellung wirklich mir galt.

So sehr ich auch darüber nachsann und mein Gedächtniß anstrengte, so erinnerte ich mich doch nicht an eine intime weibliche Bekanntschaft mit dem Namen »Leonore«, mit der ich je eine Korrespondenz geführt. Die Fragen, welche ich deshalb an die Ueberbringerin richtete, beantwortete dieselbe theils ausweichend und unbestimmt, theils unverständlich, da sie sich des eigenthümlich zischenden venetianischen Dialekts bediente, der für mich ganz böhmisch klang.

Obgleich ich geneigt war, das Ganze für eine Mystifikation zu halten, so bestimmte mich doch meine Neugierde, vor Allem aber der Gedanke an die interessante Sängerin, das Abenteuer zu bestehen und die zweideutige Einladung für den Abend anzunehmen. Ich gab, so weit dies meine mangelhaften Sprachkenntnisse zuließen, dem Mädchen den gewünschten Bescheid, daß ich mir die Ehre geben würde, ihrer Gebieterin meine Aufwartung zu machen und entließ sie mit einem kleinen Geldgeschenk. 149

Bald darauf erschien mein Lohndiener ungerufen, wahrscheinlich ebenso neugierig als ich, obgleich er mehr zu wissen schien, als er mir sagen wollte. Auf meine diskreten Fragen und Erkundigungen, die ich vorsichtig an ihn richtete, spielte er den Unwissenden. Trotzdem der schlaue Bursche in Venedig zu Hause und mit allen derartigen Verhältnissen vertraut war, wollte er weder das Mädchen noch ihre Gebieterin kennen, und als ich wie zufällig nach einer Gräfin Branconi forschte, zuckte er mit den Achseln, indem er mit der treuherzigsten Miene von der Welt versicherte, diesen Namen nie gehört zu haben.

Mit erklärlicher Ungeduld erwartete ich den Abend, wo sich das geheimnißvolle Räthsel lösen sollte. Sobald es dunkelte, bestieg ich meine Gondel und ließ mich durch ein Gewirr großer und kleiner Kanäle nach der bezeichneten Wohnung meiner unbekannten Dame rudern. Dieselbe lag in der Nähe der bekannten Kirche St. Moise in einem jener alten, ansehnlichen Paläste, dessen architektonische Schönheit mir trotz meiner natürlichen Unruhe nicht entging.

An den Stufen, wo die Gondel anlegte, erwartete mich ein Diener in geschmackvoller Livré, der mich über die breite, prachtvolle Marmortreppe hinauf führte und 150 mich dem niedlichen Kammermädchen übergab. Diese bat mich, in einen hohen Saal zu treten und einige Augenblicke zu verweilen, da sie mich erst ihrer Gebieterin melden wollte.

Ich hatte also hinlängliche Zeit, meine Betrachtungen anzustellen und über das Abenteuer nachzudenken, das allerdings meinen Erwartungen nicht zu entsprechen schien, da ich auf ganz andere wunderbare Dinge gefaßt war. Meine lebhafte Phantasie hatte mir ein heimliches Rendezvous mit verborgenen Thüren, versteckten Eingängen und Hintertreppen vorgespiegelt, von einem verstohlenen Stelldichein, von einer bewachten Schönen, von einem eifersüchtigen Liebhaber oder Gatten mit obligatem Dolch geträumt. Statt dessen begrüßte mich ein höflicher Diener, wurde ich offen und vor aller Welt wie jeder andere tägliche Besuch, ohne jede Heimlichkeit, ohne eine Spur von Furcht empfangen. Auch die wahrhaft fürstliche, gediegene Einrichtung, die mich hier umgab, machte mich stutzig. Der Fußboden von kostbarer Mosaikarbeit, die kunstvolle Decke von vergoldetem Stuck, die hohen Spiegelwände, die herrlichen Gemälde berühmter Meister, die schweren Vorhänge und Portieren von blauem Sammt, die gediegenen Möbel von theurem 151 ausländischen Holz, dieser ganze große Luxus bekundeten einen weit höheren Stand und Reichthum, als ich von der Besitzerin voraussetzte. Diese Schätze, wie sie nur noch in einigen altadeligen Familien der Stadt gefunden werden, machten auf mich, wie ich gestehen muß, einen zwar imponirenden, aber keineswegs behaglichen Eindruck.

Von Neuem sann ich darüber nach, was wohl die Veranlassung zu dieser seltsamen Einladung sein könnte? Trotz meiner Eitelkeit hielt ich es für mehr als unwahrscheinlich, daß es sich um ein gewöhnliches Liebesabenteuer oder um ein Rendezvous hier handelte. Vielleicht war es auf eine Mystifikation abgesehen, auf eine mir zugedachte Beschämung, um mich für mein neugieriges Anstarren, für meine Zudringlichkeit zu bestrafen, um sich an meiner Verlegenheit zu weiden.

Um jeden Preis wollte ich mich der lächerlichen Rolle entziehen, von der ich mich bedroht glaubte; ich hielt es deshalb für gerathen, heimlich den Palast wieder zu verlassen und auf die Lösung des Räthsels zu verzichten, da mir die ganze Geschichte nicht recht geheuer vorkam. Schon griff ich nach meinem Hut, schon machte ich den Versuch, 152 mich leise davon zu schleichen, als ich unwillkürlich zurückgehalten und von Neuem gefesselt wurde.

Dicht neben dem Saal ertönte wieder jener entzückende Gesang, dasselbe Lied, das ich gestern voll Begeisterung vernommen. Vor dieser süßen und ergreifenden Stimme schwanden alle meine Bedenken und Besorgnisse. Ich durfte nicht länger zweifeln, daß jene räthselhafte Dame vor dem Café Floriani und die herrliche Sängerin auf dem Canale grande ein und dieselbe Person waren.

Diese Entdeckung gab mir meine Fassung wieder, obgleich mir das Herz vor Erwartung schlug. Endlich öffneten sich die hohen Flügelthüren; ich hörte das Rauschen eines seidenen Gewandes und erblickte ein Gesicht, das man nie vergessen kann, wenn man es nur einmal in seinem Leben gesehen. Wie Schuppen fiel es jetzt von meinen Augen.

»Leonore!« rief ich überrascht.

Mit bezauberndem Lächeln reichte mir das schöne Weib die weiße, klassisch geformte Hand, auf die ich ehrerbietig einen Kuß drückte.

»Kommen Sie,« sagte sie huldvoll. »Setzen Sie sich an meine Seite und lassen Sie uns von den alten Zeiten plaudern.« 153

Bald saß ich neben ihr auf dem schwellenden Divan und schaute ihr wieder, wie vor langen Jahren, in die dunkel glänzenden Augen, in das geistreich gute Gesicht, an dem die Zeit ihre Macht verloren zu haben schien. Mir fehlte die Sprache, um ihr meine Empfindungen über diese unerwartete Begegnung auszudrücken.

»Wie?« fragte sie schalkhaft; »Sie sind stumm? Sie reden nicht? Haben Sie mir gar nichts zu sagen? Nicht einmal ein armseliges Kompliment. Gewiß zürnen Sie mir wegen meines Scherzes. Sie haben ein neues Abenteuer erwartet und finden nur eine alte, eine sehr alte Bekannte, die Ihnen ein dankbares Andenken bewahrt hat, während Sie mich längst vergessen haben.«

»Nein, nein! Ich habe oft, sehr oft an Sie gedacht,« erwiederte ich noch immer befangen.

»Und doch haben Sie mich gestern gesehen und nicht wieder erkannt.«

»Sie hatten Ihr Gesicht verschleiert. Ich konnte nur Ihre Stimme hören und diese erinnerte mich an die schönen Stunden, die ich in Ihrer Gesellschaft zugebracht.«

»Und warum sprachen Sie mich nicht an, als ich mit meiner Cousine vor dem Café Floriani saß?« 154

»Ich wagte es nicht, weil ich mich zu irren glaubte. Wie konnte ich ahnen, daß Sie es wären.«

»Zur Strafe habe ich mir mit Ihnen diesen kleinen Scherz erlaubt. Sind Sie mir noch böse?«

»Wie könnte ich, selbst wenn ich wollte. Aber vor allen Dingen bitte ich, mir zu sagen, ob ich wache oder träume.«

»Sie sollen Alles erfahren,« erwiederte sie mit ihrer früheren Vertraulichkeit;»verdanke ich Ihnen doch zum Theil die glückliche Lage, in der ich mich jetzt befinde, die günstige Wendung, die mein Geschick genommen hat. Sie nahmen sich in Ihrer Vaterstadt der verlassenen Fremden an und verschafften durch Ihre Empfehlungen der armen, unbekannten Debütantin ein vortheilhaftes Engagement, als der schurkische Impresario der italienischen Oper einen schmählichen Bankerott machte und mich dadurch in die größte Verlegenheit versetzte.«

»Was ich gethan, hätte jeder Andere und mehr für Sie gethan. Ihre Jugend, Ihre traurige Lage und Ihr Talent flößten mir das innigste Interesse ein.«

»Sie schützten mich vor Verzweiflung, Sie standen mir bei und halfen mir in der uneigennützigsten Weise, 155 während ein Elender meine Hilflosigkeit zu mißbrauchen suchte.«

»Leider war es mir nur kurze Zeit vergönnt, Ihnen nützlich zu sein, da ich bald darauf die Residenz verlassen mußte. Ich durfte nicht Zeuge Ihrer späteren Triumphe sein; nur aus den Zeitungen erfuhr ich von Ihren glänzenden Fortschritten. Aus der schüchternen Debütantin war mit der Zeit eine berühmte Sängerin geworden, die in London und Petersburg das Publikum entzückte. Um so mehr mußte ich mich wundern, als ich plötzlich hörte, daß Sie der Bühne entsagt und sich in das Privatleben zurückgezogen hätten. Seitdem verlor ich Ihre Spur, ohne Sie jemals zu vergessen. Und nun finde ich die ehemalige Sängerin –«

»In Venedig als Gräfin Branconi wieder,« ergänzte die liebenswürdige Leonore. »Doch Sie werden neugierig sein, meine Schicksale zu hören. Während meines Aufenthaltes in London lernte ich daselbst einen armen italienischen Musiklehrer kennen, der sich vom Stundengeben ernährte und kleine Lieder komponirte, die mich durch ihre Anmuth und tiefe Empfindung entzückten. Wie ich von ihm erfuhr, war er ein politischer Flüchtling, von der österreichischen 156 Regierung geächtet und zum Tode verurtheilt. Da ich selbst die Schule der Armuth hinlänglich kennen gelernt, so interessirte mich sein trauriges Geschick. Sein Stolz gab es jedoch nicht zu, eine Unterstützung von mir anzunehmen, die ich ihm wiederholt anbot. Dagegen erklärte er sich bereit, mich auf dem Klavier zu begleiten, wofür ich ihm ein kleines Honorar zukommen ließ. Auch verschaffte ich ihm eine unbedeutende Einnahme dadurch, daß ich seine Lieder in öffentlichen Conzerten sang und somit in Aufnahme brachte. Seine Dankbarkeit schien grenzenlos, um so mehr mußte es mich schmerzen, daß er mich eines Tages verließ, ohne von mir Abschied zu nehmen.«

»Der Undankbare! Ich hätte gewünscht, an seiner Stelle zu sein.«

»Ich gestehe Ihnen, daß ich den armen Filippo, wie er sich nannte, schwer vermißte und ihm ernstlich zürnte. Mit der Zeit hatte meine Theilnahme für ihn eine fast leidenschaftliche Färbung angenommen, und während die vornehmen englischen Lords mich, wie ich ohne Eitelkeit sagen darf, anbeteten, sehnte ich mich nach dem undankbaren Musiklehrer, der mich verlassen hatte. Wie ich später erst erfuhr, war er nach Italien zurückgekehrt, um unter 157 Garibaldi, dessen Freund er war, für die Befreiung seines Vaterlandes zu kämpfen.«

»Und Sie haben nie von ihm wieder gehört?«

»Monate vergingen, ohne daß ich eine Nachricht von ihm erhielt. Ich glaubte, daß er in einer jener blutigen Schlachten bei Magenta und Solferino gefallen sei und trauerte um seinen Tod. Mein Schmerz war um so größer, da ich um dieselbe Zeit das Unglück gehabt hatte, meine gute Mutter zu verlieren. Ich fühlte mich so einsam und verlassen wie noch nie. Dazu kam noch, daß in Folge der vorangegangenen Aufregung meine Gesundheit angegriffen wurde und meine Stimme so sehr gelitten hatte, daß die zu Rathe gezogenen Aerzte mir dringend anriethen, mich für einige Zeit von der Bühne zurückzuziehen und in einem südlicheren Klima zu verweilen, da mir die Luft Londons nicht zusagte. Ich ging deshalb hierher nach Venedig, wo ich in strengster Abgeschiedenheit lebte.«

»Ich errathe alles Uebrige,« unterbrach ich die Erzählerin. »Sie vergaßen den armen Filippo und wurden die Gattin des Grafen Branconi.«

»Meinen Sie wirklich?« lachte die Gräfin schelmisch. »Ich hätte Ihnen doch mehr poetische Erfindungsgabe zugetraut?« 158

»Nun, Sie haben mir doch selbst gesagt, daß Sie jetzt Gräfin Branconi heißen.«

»Geduld, Geduld!« scherzte die liebenswürdige Frau. »Meine Erzählung ist hier noch nicht zu Ende. Ein dreimonatlicher Aufenthalt in Venedig reichte hin, meine Gesundheit wieder herzustellen und meine Stimme zu kräftigen, so daß ich daran denken durfte, wieder die Bühne zu betreten. Trotz meines Incognito's hatte der Direktor des Theaters Malibran meine Anwesenheit erfahren und mich so lange mit seinen Bitten und Anträgen bestürmt, bis ich einwilligte, die Partie der »Norma« zum Besten eines wohlthätigen Vereins zu singen. An dem Abend war das Haus überfüllt, die Logen von der vornehmsten Gesellschaft besetzt. Gleich nach Beendigung der »Casta diva« wurde ich mit einem wahren Beifallssturm begrüßt, mit einem Blumenregen überschüttet. Ein Lorbeerkranz fiel zu meinen Füßen nieder, ich bückte mich, um ihn aufzuheben und mit einem Blicke dem Geber zu danken, der in der ersten Reihe saß. Als ich emporschaute, fühlte ich den Boden unter meinen Füßen wanken, mich selbst einer Ohnmacht nahe. Der Spender des Kranzes war – Filippo, mein armer Musiklehrer.« 159

»Welche Ueberraschung! Aber wie kam er nach Venedig?«

»Wie ich noch an demselben Abend nach beendigter Vorstellung von ihm erfuhr, hatte er unter der Fahne Garibaldi's an dem Kampfe ruhmvoll Theil genommen. Auch war er in der That verwundet worden, so daß sein Leben ernstlich Gefahr lief. Die Briefe, die er aus dem Feldlager und später aus dem Hospital an mich geschrieben hatte, um wegen seiner plötzlichen Abreise sich zu rechtfertigen, waren entweder verloren gegangen, oder hatten mich nicht mehr in London getroffen. Nachdem er sich vergebens bemüht, meinen Aufenthalt zu entdecken, führte ihn jetzt die nach dem Frieden erlassene Amnestie nach seiner Vaterstadt Venedig zurück, wo er eben angekommen war, um seine von der österreichischen Regierung mit Beschlag belegten Güter und den ihm gehörigen Palast in Besitz zu nehmen. Der arme Filippo war kein Anderer als der als ausgezeichneter Patriot bekannte Graf Branconi, jetzt mein geliebter Gatte, der sich freuen wird, Sie bei unserem Abendtisch als seinen Gast zu begrüßen.«^

In Gesellschaft des liebenswürdigen Paares verlebte ich nicht nur den schönen Abend, sondern auch die übrige 160 Zeit, die mir vergönnt war, in Venedig zu verweilen. Und als ich endlich von der reizenden Gräfin und ihrem würdigen Gatten Abschied nehmen mußte, da reichte sie mir ihre feine Hand zum ehrerbietigen Kusse, indem sie lächelnd mir nachrief: »Vergessen Sie nicht die Freundin und das Abenteuer in Venedig.«



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