Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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22. Bei Überreichung eines Bierseidels

Hoch schäumt das Glück in deines Lebens Becher,
Du schlürfst es heut' im durstigen Genuß;
Auf deiner Lippe glüht der Kuß,
Du sitzest trunken da, ein Liebeszecher.

Schau her! – Ich will ein Bild dir zeigen:
(Er trinkt.)
Der Schaum verschwindet bald vom Liebesglück,
Der edle Trank bleibt klar zurück;
Ein rechtes Glück läßt keine trübe Neigen.

Doch spar' damit! (Trinkt.) In kleinen, kurzen Zügen (Trinkt.)
Genieß es. (Trinkt.) Nur dann bekommt's dir gut:
Den, der im Glück ist auf der Hut,
Wird nie des Lebens Ungemach besiegen.
(Trinkt.)

Und wenn des Lebens Flut beginnt zu sinken,
Nur tropfenweis die Kraft und Lust noch rinnt,
Dann mag ein sanfter Tod geschwind
Des frohen Bechers letzte Neige trinken.
(Trinkt aus. Kehrt das Seidel um.)

Wie diese Tropfen hier zur Erde fließen,
So sollen Tränen auf dich niedertau'n,
Ins brechend' Aug' die Liebe schau'n,
Ein Freund, wie ich, den Sargesdeckel schließen.
(Klappt den Deckel zu.)


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