Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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18. Zu einem Geburtstage

(gesprochen von einem Kinde bei der Überreichung einer kleinen Gabe.)

Ihr klugen, ihr alten, verständigen Leute,
Ihr sitzet bedächtig und schüttelt den Kopf,
Ihr denkt an das Morgen und nicht an das Heute,
Und in eurem Nacken, da wackelt der Zopf.

Besucht euch die Freude, dann prüft ihr, dann leckt ihr,
Ihr faßt sie nicht jubelnd und lachend beim Schopf;
Ihr wägt in den Händen, dann riecht ihr, dann schmeckt ihr,
Und hinten im Nacken, da wackelt der Zopf.

Wir Kleinen, wir freilich sind gar zu viel dümmer,
Wir nehmen den Apfel, ob groß er, ob klein,
Wir freu'n uns am Gold und am rosigen Schimmer
Und nehmen den Apfel und beißen hinein.

Ich frage nicht, ob er vom Wurme gestochen,
Ob reif oder unreif, genug, er ist mein;
Ich habe noch nie an dem Apfel gerochen,
Man gab mir den Apfel, und ich biß hinein.

Mama, ich will heut' einen Apfel dir schenken.
Ich weiß nicht gewiß, ob er reif auch wird sein,
Doch nimm ihn, lieb Mutter, ohn' alles Bedenken,
Auf meine Verantwortung beiße hinein!

Vielleicht ist er etwas vom Wurm angestochen,
Vielleicht kann er inwendig hohl auch wohl sein,
Vielleicht ist zu zeitig vom Baum er gebrochen,
Doch lustig, lieb Mutter, und beiße hinein!

Nicht wahr, liebe Mutter, du bist ganz zufrieden?
Du warst ja noch niemals ein mürrischer Tropf!
Du freu'st dich der Gabel die ich dir beschieden,
Und schüttelst darob nicht den Kopf und den Zopf?


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