Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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16. Ein Marktschreier

Heran! Heran!
Ich bin der Mann,
Dem tiefe Weisheit offenbart!
Heran mit euch, wer kein Philister!
Ich bin der Doktor Eisenbart,
Bin aller freien Künst' Magister;
Mir gegenüber sind die Professoren
Nur Eselsvolk mit langen Ohren.
Hab' manchen Doktor 'rumgehetzt,
In Not und Angst und Pein versetzt
Und dann zuletzt
Ihn matt und auf den Sand gesetzt
Als veritabeln Schaafkopp.
Heran! Heran!
Ich bin der Mann,
Der alles kann,
Ich bin fürwahr der wahre, rare Jakob!
Ich, Kinder, bin der Finder aller Wahrheit,
Ich, Kinder, bin der Gründer aller Weisheit,
Ich, Kinder, bin der Schinder aller Dummheit,
Ich, Kinder, mach' nicht minder euch gesünder;
Bin aller Krankheit Überwinder;
Ich, Kinder, lindere geschwinder,
Als zu der Hölle fährt ein armer Sünder,
Euch alle Pein, euch alle Not,
Ich banne selbst den bittern Tod.
Doch das ist Nichts! Die Konsultation,
Zu der man mich gezogen in Gewissenssachen,
Der Rat, den ich erteilt den Schwachen,
Die brachten mir die Reputation,
Die setzten mich gebührend allerwegen
Beim hohen Publikum in Gunst.
Und mit Verlaub will ich von meiner Kunst
Dem holden Paar hier Prob' ablegen.

(Zum Brautpaar.)
Ein jedes Ding auf dieser Erden
Von zweien Seiten betrachtet kann werden;
Doch meistens ist der Mensch zu dumm,
Er kehrt das Ding nicht einmal um,
Die and're Seite auch zu beschauen.
Ob man der Sache könne trauen.
Wer meine Apotheke sieht,
Von ferne schon das Maul verzieht,
Nicht Heilsamkeit der Arzenei,
Nein, nur ihr Bitt'res fällt ihm bei.
Wer ein verliebtes Pärchen sieht
Des Abends auf dem Sopha sitzen,
Der auch sogleich sein Maul verzieht,
Doch ist's kein Rümpfen, 's ist ein Spitzen,
's ist ein Schmunzeln um die Lippen,
Um auch vom Liebeskelch zu nippen.
Dort denkt er nur des Ungeschmacks,
Und darin irrt er sehr.
Des Salmiaks und Theriaks.
Hier denkt er nur der Süßigkeiten
Von Liebesfreuden und von Hochzeiten
Und irrt darin noch mehr.
Ein Weihnachtsbaum zum heil'gen Christ,
Ein Erkenntnisbaum der Eh'stand ist;
Nicht gold'ne Äpfel bloß sieht man prangen,
Auch Galläpfel sieht man d'ran 'runterhangen;
Uns winken nicht bloß Zuckernüsse,
Auch Ärgernüsse und Bekümmernüsse.
D'rum gegen diese bösen Sachen,
Hab' ich Remedia lassen machen,
Und diese Pillen, die ihr seht,
Hab' eigenhändig ich gedreht.

(Zum Bräutigam.)
Wenn einst dein Weibchen mit dir schmollt,
Weil du nicht so wie sie gewollt;
Wenn sie auf deinen Gruß nicht dankt
Und sich schon heiser hat gezankt;
Wenn sie sich wünscht den bittern Tod
Und dir sogar mit Krämpfen droht:
Nimm ein Entreebillett zum Ball,
D'rin wickle diese Pille fein,
Leg alles auf'n neuen Shawl
Und gib ihr dieses Mittel ein,
Dann wird sie wohl kurieret sein.

(Zur Braut.)
Wenn einst dein Eh'gemahl in seinem Zorn,
Das ganze Haus mit Lärm durchwettert;
Wenn ihm die Fliege an der Wand ein Dorn
Und er die Tür fast aus den Angeln schmettert;
Wenn ihm die Suppe schmeckt versalzen,
Ihm angebrannt der Braten riecht,
Dann mußt dies Pulver du entfalzen;
Gib ihm davon, du hast gesiegt.
In eine volle Flasche Wein –
Doch ja vom besten muß es sein –
Tu ihm ein Körnlein nur hinein,
So wird er bei dem edlen Wein
Recht bald ganz still und fügsam sein.

(Zu beiden.)
Doch nun das Köstlichste von meinen Schätzen!
Ich tät es in mancher durchwachten Nacht
Mit vielem Fleiß und tiefem Bedacht
Aus tausend Dingen zusammensetzen,
Und hab' mich dabei fast von Sinnen studiert,
Doch endlich glücklich es präpariert.
Ein Pulver ist's von Kräutern und Sträuchern,
Den Eheteufel auszuräuchern;
Der Junker Tobias hat ihn gekannt,
Asmodi wurd' er sonst genannt,
Die Bibel seinen Namen kennt,
Jetzt man ihn Eifersucht benennt.
Die Mittel sind probat;
Und öfters hat
Man sie schon angewendet,
Und stets hat sich die Kur mit Glück geendet.
Doch besser ist's, ihr mögt sie nie berühren;
Eu'r Lebenspfad sei frei von jeden Leiden!
Und diesen Weg wird euch das Schicksal führen,
Wenn eure Hoffnung ist bescheiden,
Wenn euer Leben liebumkränzt
Und euer Glaube unbegrenzt,
Dann werd't ihr nie in späten Jahren
Die Wahrheit jenes Spruchs erfahren:
Es ist nicht alles Gold, was glänzt.


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