Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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14. Tag und Nacht

(von zwei Damen dargestellt)

Der Tag in weißen, blumengeschmückten Gewändern, einen Blumenkranz im Haar (auch ein sonnenähnlicher Kopfputz kann angewandt werden). Die Nacht im schwarzen Kleide; vorne im Haar eine kleinen, silbernen Halbmond; einen mit goldenen Sternen gestickten schwarzen Schleier über die Schulter geschlagen.

Nacht:
Aus dem fernen Morgenlande,
Wo die Lotosblume blüht,
Wo der Ganges, mächtig schwellend,
Durch die dichten Gungeln zieht,
Wo um jede Tempel-Trümmer
Heiliges Geheimnis weht,
Wo auf jedem grauen Steine
Schrift uralter Weisheit steht,
Daher kommen wir gezogen,
Ein ungleiches Schwesterpaar:
Ich um's Haupt den dunklen Schleier,
Sie den Blumenkranz im Haar.
Was wir bringen, es ist Wahrheit;
Pflanzt sie tief in euer Herz!
Wahrheit ruht im stillen Ernste,
Wahrheit lacht aus heiterm Scherz.

Tag:
Mit leichtem, geflügeltem Schritte
Durchziehe ich Wiese und Feld,
Und mit dem leuchtenden Auge
Verklär' ich die finstere Welt.
Ich schwinge mich auf in die Lüfte,
Vergolde die Wolken mit Glanz,
Ich senk' mich hinab in die Ströme
Und reihe die Wellen zum Tanz;
Ich wieg' mich auf Blättern und Blumen
Ich schwinge mich himmelwärts
Und wieg' mich auf Sonnenstrahlen
Und gleit' mit dem Strahl in dein Herz;
Ich spiele im leichten Geflüster
Des West's um die Schläfe dein:
Das Reich der Blumen und Farben,
Das Reich der Töne ist mein.

Nacht:
Leisen Schrittes durch die Felder
Wandl' ich durch den stillen Wald,
Jene Orte sorglich meidend,
Wo geschäft'ges Leben schallt,
Aus dem Dämmerscheine wirke,
Aus dem Duft ich ein Gewand,
Breite seine dunkeln Falten
Schweigend über Meer und Land;
Leg' mich weich und linde kühlend
An den Berg und in das Tal,
Senk' mich in die Menschenseele
Auf des Mondes bleichem Strahl;
Und mit bleichen Mondesstrahlen
Zieh'n Gedanken in dich ein.
Das Reich der ernsten Betrachtung,
Das Reich der Gedanken ist mein.

Tag:
Und ist denn das Reich der Gedanken,
Die stille keimende Saat,
Zu deinem Reiche gehörig,
Gehört zu dem meinen die Tat.
Und was aus dem Keimen zum Werden,
Zum Sein ins Leben tritt,
Das höret zu meinen Gaben,
Das geb' ich fürs Leben euch mit.
Ich geb' euch das klare Verständnis,
Den aufgeschlossenen Sinn,
Ich geb' euch die Mühe, die Arbeit,
Ich geb' euch den reichen Gewinn.
Ich führ' euch hinein in des Lebens
Gedränge und zeig' euch den Pfad,
Ich lehr' euch für jeden der Stöße
Die rechte, die beste Parad'.
Ich lehre euch singen und scherzen
Und scheuchen der Sorgen Heer;
Ich tauche eure Schmerzen
In des Vergessens Meer.

Nacht:
Solche Gaben, wie die Schwester,
Voller Glanz und voller Lust,
Eingetaucht in bunte Farben,
Solche Gaben biet' ich nicht.
Doch wenn euch von Kämpfen, Ringen
Müde ist das Herz, die Hand,
Wenn das Aug' sich senkt geblendet
Von des Lebens buntem Tand,
Dann erschließ ich eurem Blicke
Eine neue, reiche Welt
Tief in eurem stillen Herzen,
Von der Liebe Licht erhellt;
Lehr' euch in die Schachte fahren
Tief hinab auf Herzens Grund,
Lehr' euch Edelsteine suchen,
Mach' euch dorten Schätze kund;
Zeig' euch rätselhafte Stellen,
Wo des Lebens Quell entspringt,
Mit geheimnisvollen Wellen
Durch das ganze Wesen dringt.

Tag:
So wollen wir freudig euch dienen
Und stehen euch immer zur Seit',
Wir wollen euch winken und warnen
In guter und böser Zeit.
Wir kennen alle Dinge
Auf diesem Erdenrund,
Wir kennen alle Taten
Und aller Taten Grund;
Wir haben alles gesehen
Auf weitem Erdengebiet,
Wir wissen, was geschehen
Und was dereinst geschieht.
Und wollt ihr es nicht glauben,
Ich überzeug' euch bald,
Hier liegen Glückeslose
Und Schicksal' mannigfalt;
Wählt eins mit keckem Finger,
Es wird das eure sein
Und wird euch eure Zukunft
Wahrhaftig prophezeih'n.

(Während dieser letzten Worte hat die Nacht in zwei
bereit gehaltene Urnen, Vasen, Becher oder, wenn nichts
anderes vorhanden ist, auf zwei Präsentierteller eine
Anzahl zusammengerollter Zettel getan, auf welchem
jeden die nachfolgenden Verse stehen. Sie überreicht die
so zugerichtete Vase der Schwester, welche zuerst von der
Braut das Los ziehen läßt, während die Nacht die zweite
Vase für das Los des Bräutigams ebenso zurichtet.

Nachdem die Braut ein Los gezogen, nimmt der Tag ihr
dasselbe ab und liest laut..)

 

Leben stiller Häuslichkeit,
Lange Freude, kurzes Leid,
In der Zukunft lachend Glück,
Manchen ernsten Blick zurück,
Keine Sorg', die niederbeugt,
Keine Lust, die Reue zeugt,
Frieden außen, Frieden innen
Wirst im Ehestand gewinnen.
(Darauf, dem Bräutigam die andere Vase
reichend, liest sie, nachdem er gezogen.)
Minister wirst du nie,
Kommst nie ins Konsistorium,
Betitelt wirst du nie,
Auch wird ein Bimbamborium
Von Orden deine Brust nie zieren,
Wirst Land und Leute nie regieren;
Doch in dem Herzen deiner Frauen
Kannst leicht die Herrschaft dir erringen,
Mußt stets nur ihrer Liebe trauen
Und selbst ihr recht viel Liebe bringen.

(Dies Spiel läßt sich leicht und zu großer, allgemeiner
Heiterkeit weiter auf alle oder einige Anwesende
ausdehnen. Die Nacht füllt stets die eben gebrauchte Vase
mit neuen Zetteln, die, um Verwechslung zu vermeiden,
mit leichten farbigen Wollfäden umbunden sind, so daß
für jeden der Ziehenden eine bestimmte Farbe gilt. – In
den Versen muß etwas Epigrammatisches liegen und, wo
es angeht, Heiteres, mäßig Scharfes, z. B. für einen Mann
von Embonpoint und gutem Appetit.)

 

Dem Geschick entgehet keiner.
Mit der Taille ist es aus,
Und dein Wuchs wird nimmer kleiner,
Und die Breite dehnt sich aus.
N. N., iß nicht so viel Schinken,
Trinke nicht so vielen Wein,
Denn beim vielen Essen, Trinken
Könnt'st du bald ein Globus sein.

(Für einen rechten Demokratenfresser.)
Das Schrecklichste in Ihrem Leben
Sei hiemit Ihnen wahrgesagt:
Mit Ihnen wird sich 'was begeben,
Woran im Traum Sie nicht gedacht.
Sie werden nächstens ohne Zweifel,
Erschrecken Sie nur nicht, Herr Rat!,
Sie werden nächstens, hol's der Teufel!,
Sie werden nächstens – Demokrat!

(Für eine häusliche, glücklich verheiratete Frau:)
Ein ungetrübtes Glück gibt's nicht hienieden;
Wer glücklich heißt, ist nur zufrieden.
D'rum wollen wir von Glück dir nichts verkünden,
Nur von des Herzens Ruhe, von Zufriedenheit.
Sie wird die Deine sein zu jeder Zeit,
Du kennest ja den Ort, wo sie zu finden.


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