Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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17. Ein Orgeldreher mit seiner Frau

Der Mann (in den Saal tretend):
Wat du vor Banje hast, Karline,
Du bist doch noch verdeibelt jriene!
Wenn ick dich sag', dat duht sich passen,
Denn kannst du dir daruf verlassen.

Frau (ihm folgend):
O Jotte doch! Ich bitt' dich, Mann,
Sieh dich doch die Jesellschaft an,
Det is nich so, als sing' hier man.

Mann:
Karline, nee! Du jammerst mir.
Jlobst du, dat ick zum erstenmale hier
Mit die begeisterten Jefühlen
Vor dat vornehme Publikum duh spielen?
Ick hab' vorm Jrafen von Hohennasen
Schon mal die Klarinette jeblasen!
Die Kunst, Karline, geht den jraden Jang,
Sie kennt nich Vornehm und Jering,
Un wenn ick sag', dat ick hier sing',
Denn kohl mir da nich länger mang!

Frau:
Je, aber Mordjeschichten! Nee, det jeht doch nich!
Die kannst du hier doch heut' nich singen.
Paß du mal acht, sie werden sicherlich
Dir schleunigst uf die Strümpe bringen.

Mann:
Na, siehst'e, det verstehst du nich!
Hab'n wir nich in't Repertowahr,
Jedruckt in dieset neie Jahr,
Die scheensten Stücker von der Welt?
(Singt ohne Orgelbegleitung:)
Friedericus Guilhelmus, der zog in't Feld,
Un denn dat Stück von Herrn Klinken –
Doch erst jieb mir mal eins zu trinken.
(Er trinkt und singt ebenfalls ohne Orgelbegleitung:)
Herr Klink war sonst ein braver Mann,
Von Amt ein Stadtsoldate,
Nur schade, daß er dann und wann
Ein bißken schnapsen tate,
Und daß er dann...

Frau (ihn unterbrechend):
O Jotte doch! Dit is zu ville!
Den Schnaps, den laß hier aus dem Spille,
Der paßt hier nich in diesen Saal,
Hier heeßt't heut Abend: Cardenal.
Un wenn du denn so jroße Lust
Un du durchaus wat singen mußt,
Denn sing dat von dat Liebespaar.

Mann:
Na, siehst'e, Schätzken, det is wahr!
Een juter Jeist jab dich dat in,
Da is sojar Jedanke d'rin.
(Tritt vor.)
Veröhrte Herrns, belieben Sie zu dienen!
Ick bin der Künstleer Semmelmann
Und komme hier mit meiner Frau, Karlinen,
Jeborne Wurscht, zum Feste an.
Wir sind sehr ausgezeichnet worden:
Ick selbst erhielt vom König die Medallje
Vor Kunst un Wissenschaft in Jold und in Emallje,
Un sie, sie führt den Schwanenorden.
Indessen muß ick dat bekennen,
Wir sind en bißken runter, wie sie't nennen,
Un kommen hier zu dieset Festes Feier,
Zur Jroßmut sie Jelegenheit zu bieten;
Der Spiretus is jraulich deier,
Weil die Kartoffeln nich gerieten,
Un uns're Kunst is jraulich schweer –
Karline, jieb die Pulle her!
(Er trinkt.)
O Jott, wat is der Durscht doch jroß! –
Nu, Herrschaft, jeht der Krempel los!
Na, nu komm ick, sagt Semmelmann,
Nu, Olle, zieh't Rejister an!

(Beide singen zur Orgel.)
Et war eenmal ein junget Paar,
Wie't scheener selten gibt,
Die hatten sich so manches Jahr
Jefährlichen geliebt.
Doch endlich kam der Tag heran,
O süße seelje Stund'n!,
Wo beede sie als Frau un Mann
Uf ewig sich verbund'n.
Un als zwee Daag verjanjen sind,
Da sagt der junge Mann:
»Karline, höre mal, mein Kind!
O hör' mir doch mal an!
Die Wirtschaft jeht in jroben Jrund,
So kann't nich länjer jehn,
Die Morjenstund hat Jold im Mund,
Wir müssen früh ufstehn!

Karline, kumm! Karline, kumm!
Steh uf, mein süßer Schatz!«
Karline dreht sich widder um
Un rührt sich nich vom Platz,
Sei reibt die Oogen sich un jähnt
Un kommt nich uf die Bein:
»Ick bin an meine Ruh gewöhnt«,
Un sie schlaft widder ein.

Der Mann, der jeht woll uf dat Feld
Bis morgens halber neun,
Un als er allens wollbestellt,
Da kommt er widder 'rein:
»Karline, kumm! Karline, kumm!
Wo kann denn det woll sein?«
Doch sie, sie dreht sich widder um
Un schlafet widder ein.

(Zu seiner Frau.)
Karline, höher mit die Quint!
Bedenke, dat wir Künstleer sind!

Un als so jejen elf die Klock,
Hebt sie sich aus der Ruh
Un jreift nach ihren Unterrock
Un zieht sich an die Schuh
Un stellt sich ihrem Spiegel vor,
In den hinein sie sieht,
Un machet sich ihr seiden Hoor,
O Gott, wo war sie müd'!

Der Mann, der looft zum Nachbar hin:
»Herr Nachbar, bitte Sie!
Mir is so finsterlich zu Sinn,
Ick weeß nich, wo un wie.
Det Weib, det ick mir hab gefriejt,
Det liejt im Bette da,
Un wenn sie stets so lange liejt,
Geh'ck nach Amerika.«

Un als jemachet sie den Kopp
Un sie sich anjezog'n,
Da frajet sie dat Mädchen, ob
Die Küken schon jesog'n;
Un daruf jeht sie in die Küch'
Un ruft die Viehmagd 'rein
Un fragt sie un erkundigt sich,
Ob sie jemelkt die Schwein.

(Zu seiner Frau.)
Karline, lauter von die Sorte!
Det jeht mich doch zu sehr pianoforte.

Der Mann, der looft zum Nachbar hin:
»Herr Nachbar, nu adjes!
In eener halben Stunde bin
Ick fort, un Jott, der weeß,
Wo mir mein Schicksal führet hen;
Ick bleib nich länjer da!
Un jrüßen Sie Karlineken,
Jeh nach Amerika!«

Un die Moral von die Jeschicht? –
Ick sag't euch, lieben Frau'n:
Bis jejen elfe schlafet nicht,
Müßt nach der Wirtschaft schau'n.
Oh, folgt, un höret uf mein Wort:
Der Mann bleibt sonst nich da,
Er looft euch, hol's der Kuckuck, fort,
Jeht nach Amerika!

(Zu der Gesellschaft.)
Un det, det duht er! – Ja!
Sie könn'n sich druf verlassen!
Ick selbst tät mal Entschlüsse fassen,
Die so nach Bremen 'rüberspielten
Un uf Amerika hinzielten.
Im Jeiste sah ick schon den Strand,
Un meine beeden Oogen sahn,
So überm blauen Ozean,
In ihm ein neues Vaterland.
Doch da erfuhr ick, dat de Polezei
Da auch gewaltig jütig sei:
Mit die Entschlüsse war det Kuchen!

Frau:
Ick meent, du wollt'st det Jlück da suchen?

Mann:
Det Jlück? – Karlineken! Hab' ick't denn nich gefunden?
Bist du mir denn nich anjebunden?
Un wenn ick't außer dir sollt suchen,
Kann ick det anderswo woll scheener finden,
Als wo zwee Herzen sich verbinden,
En neien Eh'stand zu bejründen,
Sich vor det Leben zu entfalten? –
Sieh dieset Paar im Volljenuß des Jlücks!
Komm her, Karline, mach en Knicks,
Ick werr dazu 'ne Rede halten.

(Zu dem Paar.)
Veröhrtes Paar un hochjeliebtes!
Verschiedne Sorten Jlücke jiebt es,
Doch komm'n sie all uf eens hinaus,
Det is dat Jlück in unser eigen Haus,
Det ist dat Jlück in uns're eig'ne Brust. –
Sehn Sie mir an: ick führ ein wandernd Leben,
Die Kunst, die mir ein Jott jejeben,
Sie werre viller Tausend Lust,
Un dennoch stets un doch indessen
Kann ick die Heimat nich vergessen,
Mein Herz nach Haus' zurück sich sehnt,
Dat mir Karlineken verschönt.
Det ist de Aufjab' von det scheen Jeschlecht,
Det es von morgens früh bis abends spät
Mit Jeist in seine Wirtschaft jeht,
Nach Ordnung sieht un nach det Recht.
Denn bleibt der Mann auch hübsch zu Haus,
Un mit det Schwuddern is det aus,
Er wird een juter Hauspapa
Un looft nich nach Amerika.

(Zu seiner Frau.)
Det hat mir doch sehr anjejriffen.
Karline, komm, jeborne Wurscht,
Ick hab' en grausam scheenen Durscht!
Doch laß die Pulle lieber stecken,
Ick duh hier bessern Stoff entdecken,
Es riecht darnach det janze Haus!

(Zu einer Dame des Hauses,
die vorher Bescheid weiß.)

Mamselleken, ick bitt' mir'n Gläsken aus.

(Zu dem Paar.)
Scherz genug ist jetzt getrieben,
Und Verzeihung von euch Lieben,
Wenn er ungeziemend war.
Ernst soll an den Scherz sich reih'n!

Darum stimmet alle ein:
Hoch leb' unser trautes Paar!
(Hoch!)

Noch einmal
Muß erschallen
Von uns allen
Laut der Saal!
(Hoch!)

Holdes Paar!
Hell und klar
Fließ' dein Leben,
Wie der gold'ne Saft der Reben,
Den ein milder Himmel zog.
Nun zum drittenmale: Hoch!
(Hoch!)


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