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Viertes Kapitel.
Guckkastenbilder.

I. Berlin.

Die Madrilena rauschte; sie warf das süße, entzückende Bein dem Publikum entgegen, das in Logen und Parkett, auf Galerie und Proszenium in einen gelinden Wahnsinn geriet, sich im »Bravo« heiser schrie und sich die Hände wund klatschte. Blumen flogen ihr rechts und links aus den Theaterlogen zu. Die Kammerfrau hing ihr den weichen, warmen Hermelin um die Schultern ... »Die Blumen! Die Blumen!« sagte die Madrilena hastig; »rechts das Bukett!« Dann floh sie in ihre Garderobe ... Bald darauf erschien die Duenna mit den Blumen. Die Sennora fiel darüber her und riß die zierlichen Buketts auseinander, daß die Blüten umherflogen ... »Wieder Täuschung!« sagte sie, ärgerlich mit dem Fuße stampfend; »ich sah ihn doch in der Proszeniumsloge und bemerkte ausdrücklich, wie er mir das Bukett warf. O, diese Männer!« – »Es war unvorsichtig von dir, Kind, daß du die zweihundert Taler beim Juwelier darauf zahltest. Ich warnte dich gleich.« – »Bah! Das verstehst du nicht. Diese Männer in ihrem kalten, eisigen Lande sind bloße Zahlen, sie rechnen in der Liebe; es ist nicht wie bei uns, wo der Caballero sein letztes opfert für das Vergnügen seiner Geliebten. Fünfhundert Taler wären ihm gewiß zu viel gewesen, so zahlte ich dem Juwelier zweihundert im voraus.« – »Es ist aber nun bereits zwei Tage, daß er den Schmuck gekauft hat.« – »Und seitdem ließ er sich nicht sehen. – Höre, ich muß sehen, wer die Dame ist, die mit ihm in der Loge war. Sie hatte den Schirm vorgezogen, so daß ich sie nicht genau erkennen konnte. Geh' auf die Bühne und frage, Sennor Asher kennt ja alle Welt. Ich werde mich allein entkleiden.«

Die Dienerin, von der Ungeduldigen fortgetrieben, verschwand. Ehe der neue Akt begann, kehrte sie zurück; das schlaue Gesicht verriet eigentümliche Verlegenheit ... »Nun, bringst du Nachricht?« – »Es ist seine Frau, Sennora!« – » Diantre! – Dann konnte er nicht. Was hast du noch? Ich sehe dir's an. Sprich!« – »War der Schmuck nicht von Smaragden? Ohrgehänge in Glockenform und eine Brosche in Perlen?« – »Ja, ja; was soll's? Du sahst ihn ja!« – »Dann, mein Kind, trägt die Dame selbst den Schmuck.«

Die Tänzerin fuhr empor, als hätte sie eine Natter gestochen. Sie warf den langen Mantel über das noch nicht befestigte Kleid und sprang aus der Garderobe. Der Inspizient hatte bereits das Zeichen zur Räumung der Bühne gegeben. – »Monsieur Asher!« – Der Regisseur mit seiner bekannten Kulanz gegen die Damenwelt flog herbei ... »Einen Augenblick, ich bitten Sie.« – Sie war schon vorn am Vorhang und schaute eine Minute lang durch das Guckloch nach der Proszeniumsloge rechts ... »Es seind gut. Lassen Sie vorfahren, ich will nach Hause.«

Hinter ihr rauschte der Vorhang in die Höhe, und eine der leichten, jovialen Fadaisen, durch welche die Friedrich-Wilhelmstädtische Bühne seit der Reaktion ihren glänzenden Ruf gemacht hat, begann. – »Sennora haben heute wieder ausgezeichnete Triumphe gefeiert; es war ein kostbarer Abend.« – » Vous vous trompez, Monsieur! Non précieux, mais dispendieux. – Bon soir!« Sie irren. – Nicht kostbar, sondern teuer. Guten Abend! Der Wagen rollte davon.

Im Hotel Unter den Linden sprangen die wohlgeschulten Kellner mit den Armleuchtern voran die Treppe hinauf zu den drei eleganten Piecen, welche die Sennora bewohnte ... »Befehlen die gnädige Frau zu soupieren?« – »Nein! Tee!« – »Ein Herr wartet schon seit längerer Zeit auf die gnädige Frau und bittet um die Erlaubnis, noch seine Aufwartung machen zu dürfen.« – »Ich empfange niemand, wenn ich getanzt habe. Morgen.« – »Dann soll ich die Ehre haben, der gnädigen Frau dieses Billet zu übergeben.«

In ihrem Boudoir warf die Tänzerin erschöpft Mantel und Capuchon von sich und setzte sich auf das Sofa. – »Willst du den Brief nicht wenigstens öffnen?«–»Gib! Eine gewöhnliche Karte; diese Herren glauben, es bedürfe nur ihres Namens, der so steif und unbeholfen klingt, daß man ihn nicht aussprechen kann.« – Sie hatte das Kuvert dabei erbrochen, – es lag allerdings nur eine einfache Karte darin, aber ein Blick darauf hatte sie schnell aufmerksam gemacht, und sie zog den silbernen Leuchter herbei, um genauer darauf zu sehen ... » Vraiment! Da hätte ich bald eine Dummheit begangen. Geschwind, Ines, schelle!« – Der Kellner erschien. – »Ist der Herr noch unten?« – »Jawohl, gnädige Frau.« – »Ich ließe bitten, in den Salon zu treten. Bestellen Sie ein Souper zu drei Personen und servieren Sie dann zwei Kuverts ...«

Die Sennora warf sich mit Hilfe der Kammerfrau schnell in eine dunkle spanische Robe, ordnete einige Augenblicke das noch mit Blumen geschmückte Haar und warf die Spitzenmantille kokett um den schönen Nacken; dann trat sie in den anstoßenden Salon ... Der Herr erwartete sie bereits dort: eine nicht große, feste Gestalt, tief in den Dreißigern, von militärischer Haltung und etwas insolentem, brüskem Wesen, das großes Selbstvertrauen verriet; ein starker, wohlgepflegter blonder Bart füllte und umgab den untern Teil des Gesichts; in den grauen Augen blitzte eine gewisse kalte Energie und Selbstsucht. Der Herr trug elegante Zivilkleidung, im Knopfloch das schleswig-holsteinische Kreuz.

»Herr Major von ...?« – »Ich habe die Ehre, mich als dieser vorzustellen, Madame. Entschuldigen Sie meinen späten Besuch; doch war ich bereits zweimal gestern hier, ohne das Vergnügen zu haben, die Sennora antreffen zu können. Sie haben einen großen Kreis von Verehrern, wenn auch in einer anderen Sphäre, als diejenigen rechneten und hofften, – von denen Sie wissen.« – Die Spanierin errötete leicht und beugte zustimmend den Kopf ... »Aber es ist nicht meine Schuld; man ist hier so prüde, und ich glaubte wenigstens das Feld behaupten zu müssen, Herr Major.« – »Sie haben auch vollkommen recht gehandelt, Madame. Man hatte nur ein falsches Kalkül gemacht, man kennt und würdigt Berlin zu wenig. Die norddeutsche Aristokratie, die preußische Armee sind anderer Natur, als man gehofft hat, ich widersprach sogleich, aber man wollte den Versuch doch machen.« – »Ich verstehe Sie nicht, mein Herr, – es fehlt doch nicht an Offizieren und vornehmen Herren unter meinen Verehrern.« – »Ich weiß, ich weiß! Aber das ist nichts, junge Elegants, die der Mode huldigen und das Extravagante lieben, aber nie Ihnen Einfluß auf ihre blinden Gesinnungen gestatten werden. Für solche persönliche Verführungen ist die nordische Welt eben zu exklusiv, zu kaltblütig, sitzt zuviel in Traditionen fest, um einer Tänzerin zu Füßen zu liegen. Die Verhältnisse selbst haben Sie, Madame, auf den Boden geführt, wo allein Sie in Berlin glänzen und herrschen können, zu unserer blasierten Finanzwelt, der Eitelkeit der Börse und dem Enthusiasmus des pflastertretenden Rentiers.« – »Sennor, ich begreife nicht ...« – »Seien Sie nicht böse, ich will Ihnen keineswegs Ihre Triumphe schmälern. Sie sind das Entzücken aller wichtigen Leute, die in Berlin den Ton angeben, bis hin und wieder einmal ein ernster Wellenschlag der Zeit ihre Meinung auf die gehörige Nullität reduziert. Ein bischen Kokettieren gehört nun einmal zum Liberalismus und zur Opposition, so lange es keine Opfer und keine Gefahr gilt. Sind Sie nicht auch das Entzücken der Kritik, so weit es eine solche in Berlin gibt?«

Die Spanierin zuckte verächtlich mit dem Munde ... »Ich habe mir allerdings anderes von Berlin vorgestellt. Buketts! Buketts! Denken Sie, daß neulich ein – vornehmer Herr sich zum Souper einlud und für sein Kuvert einen Fünfzigtalerschein zurückließ!« Sie gedachte der Niederlage, die sie noch am Abend erlitten ... »Ich kenne die Berliner Renommagen, man verschwendet hier nur mit Worten. Wenn ich Ihnen raten darf, Madame, gehen Sie nach Wien, nach Prag, nach Pest, da ist ein glücklicherer Boden, als die norddeutschen Residenzen. Freilich haben sich seit Achtundvierzig dort auch die Verhältnisse geändert, aber es ist noch immer reiche Empfänglichkeit da von oben herab. So tapfer die Armee ist, so ist sie doch aus zu vielen Ingredienzien zusammengesetzt, um in den Personen nicht zugänglich zu sein. Es gibt unabhängig von ihr einen lebenslustigen Adel, und – Ihr Ruf ist jetzt begründet und Ihnen vorangegangen.« – Die Tänzerin wiegte schlau das Haupt ... »Ich habe bereits meinem Agenten Auftrag gegeben, für mich in Wien und Pest abzuschließen. In acht Tagen trete ich auf.« – »Ah, schön! Ich sehe, wir verstehen uns. Ich werde dafür sorgen, daß Sie in Wien Empfehlungen vorfinden, die Ihnen mehr nützen, als die hiesigen. A propos! Sie zählen doch noch hier zu Ihren Verehrern den jungen Baron H... und Herrn von M...?« – »Die Herren machen mir ihren Besuch und sind alle Abend im Theater, – aber sie sind so jung ...« – »Es handelt sich nur um eine Gefälligkeit. Auch interessieren sie mich weniger als ihre Väter und Verwandten, die, wie Sie vielleicht wissen, besondere Stellungen bei Hofe haben. Ich besitze da zwei Schützlinge, die unverschuldet außer Brot gekommen sind und neue Konditionen in vornehmen Häusern suchen. In den Familien der gedachten Herren sollen nun zwei Dienerstellen vakant sein; Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie meine Schützlinge wie zufällig Ihren Verehrern, jedem einen, empfehlen wollten.«

Der Major hatte seinen Wunsch mit möglichster Leichtigkeit hingeworfen, der schlauen Tänzerin jedoch entging es nicht, daß gerade das die Pointe seines Besuches war, und um sich für die früheren kleinen Zweifel in die Macht ihrer Reize zu rächen, schaute sie ihm fest ins Gesicht und fragte: »Ist dies ein Auftrag der unbekannten Beschützer, denen ich zu gehorchen habe, Sennor?« – Der Major biß sich auf die Lippen ... »Sie haben aus dem Zeichen auf meiner Karte gesehen, daß ich nicht aus Galanterie Ihnen meinen Besuch mache, Madame; weiter wird mir dies in Ihren Augen Vollmacht geben« – er nahm aus seiner Brieftasche ein feines schwarzes Kreuz von jener Form, die wir bereits mehrfach erwähnt haben, mit fünf Silberstiften geziert – »und ich bitte Sie daher, das, was ich Ihnen vorhin in bezug auf Wien und Pest sagte, als aus gleicher Quelle kommend anzusehen. In betreff der beiden Diener werden Sie die Empfehlung so wie zufällig bei den bezeichneten Herren anbringen. Morgen früh werden sich beide Diener bei Ihnen vorstellen, mit guten Attesten versehen, so daß sie ihrer Empfehlung Ehre machen werden. Und nun, Madame, erlauben Sie mir, mich Ihnen zu empfehlen.« – »Wie Sennor, Sie wollen schon fort? Ich hoffte, Sie würden mir die Ehre erzeigen, mit mir zu soupieren?« – »Ich weiß das Glück zu schätzen, Madame, aber meine Geschäfte nehmen mich noch in Anspruch. Ich hoffe, Sie wiederzusehen, wenn nicht hier, so später an einem andern Ort Ihrer Triumphe. Leben Sie wohl, Sennora.«

Er empfahl sich, und während die schöne Spanierin sich nachsinnend in die Ecke ihres Sofas kauerte, schritt er rasch die Linden entlang, unter denen noch reges, fröhliches Leben herrschte, nach dem Brandenburger Tore zu. – Nachdem er seinen Weg durch verschiedene Straßen und Hintergassen genommen und vielleicht dreifach gemacht hatte, wie als wolle er jeder Beobachtung entgehen, blieb er vor einer niederen Gartenmauer stehen, zog einen Schlüssel hervor und öffnete die schlecht verwahrte Hintertür. Dann schritt er durch die hohen Laubgänge und Parkanlagen bis in die Nähe des Vorderhauses, eines mächtigen, stolzen Gebäudes von aristokratischem Typus, das sich vor ihm in die Nachtluft erhob. Aus dem großen Fenster des ersten Stockwerks im Seitenflügel, dem einzigen, das nach dem Garten heraussah, schimmerte durch die Gardinen ein ruhiges Licht. Nach aufmerksamem Umherlauschen und Schauen pfiff der Major leise aber scharf einige Takte, und sogleich erschien der Schatten einer weiblichen Gestalt an dem offenen Fenster, die Vorhänge wurden fortgezogen und eine Dame lehnte sich heraus ... »Bist du es, Ferdinand? Ist alles sicher?« – »Wenn du oben unbehindert bist, so komm.«

Einige Augenblicke darauf verschwand das Licht, aus dem Fenster rollte, die dunkle Efeubekleidung der Mauer entlang, eine kurze Strickleiter von schwarzer Seide herunter, und die Dame schwang sich kühn und mit der Sicherheit der Gewohnheit über die Fensterbrüstung und stieg auf den schwanken Schlingen herunter, wo sie der Erwartende in seinen Armen auffing und mit einem Kuß begrüßte ... »Ich glaubte schon, du würdest nicht kommen, Ferdinand,« sagte die junge Dame, eine hohe, schlanke Figur im dunklen Capuchon und in ein weites kostbares Shawltuch gehüllt; »es war so spät, und ich hatte mich längst freigemacht.« – »Es ist elf Uhr vorbei, Marie, und ich habe dir schon oft gesagt, daß die frühe Stunde uns leicht verderblich werden kann. Überdies hatte ich dringende Abhaltung. Doch nun komm.« Er verbarg vorsichtig das Ende der Strickleiter in den Efeuranken und führte dann die Dame, die sich zärtlich an ihn schmiegte, weiter hinein in die dunklen Bosketts des Gartens bis zu einer Bank unter hohen Ulmen und Kastanien, wo er sie niedersetzen ließ.

»Wie? werden wir heute nicht zu unserm kleinen Engel gehen? du versprachst es mir doch das letzte Mal, Ferdinand?« – »Du sollst ihn sehen, gewiß, Marie, aber ich wiederhole dir, es ist noch zu früh, die Straßen sind noch zu belebt. Überdies habe ich einiges mit dir zu sprechen. Höre mich ruhig an, ich bitte dich, Marie.« – Sie setzte sich dicht an ihn, Hand in Hand, den andern Arm um ihn geschlungen, und blickte ihm zärtlich in das harte, stolze Auge. – »Du weißt, Marie, und wir haben es hundertmal besprochen, daß unter den jetzigen Verhältnissen keine Aussicht und Hoffnung für uns ist. Das Glück hat uns besonders wohlgewollt, daß wir vor dem Auge deines Vaters und deines Bruders deine Schwangerschaft zu verbergen vermochten, ihre häufige Abwesenheit und dein Aufenthalt auf dem Land halfen uns dazu. Du verlangtest, daß das Kind in deine Nähe komme, und es ist geschehen. Aber was soll weiter werden? Du weißt, daß ich nicht einmal Zutritt in deiner stolzen Familie habe, meiner offen ausgesprochenen Ansichten und meines Bruchs mit dem Herzog wegen.« – »Hast du nicht meine Liebe, Ferdinand? Warum auch bist du, der doch selbst von Adel, ein solcher Gegner aller seiner Rechte und Interessen, ein Verteidiger des Pöbels und seiner Zügellosigkeit? Mein Gott! wie kannst du mit solchen Leuten umgehen, die auf zehn Schritt nach dem Handwerk riechen, zu dem sie geboren sind?«

Der Major schien widrig berührt ... »Laß uns nicht mehr streiten, Marie, über Dinge, über die wir uns doch nie einigen werden. Es ist leider eine traurige Wahrheit, daß die Lektion von Achtundvierzig und Neunundvierzig in Berlin nur dazu genutzt hat, den Adel vorsichtiger im Äußeren, aber desto exklusiver und hochmütiger unter sich zu machen und im Bürgerstande die Zahl der Heuchler zu vermehren. Männern, wie mir, kann man freilich die beiden Jahre nicht vergessen, und ich will sie auch nicht vergessen haben, denn sie sind das Feld meiner und unser aller Zukunft. Aber diese untergeordnete Lage, die Untätigkeit ertrage ich nicht länger. Den Mann ohne Dienst und Ruf würden die deinen mit Hohn zurückweisen; dem General, dem Mann von Macht und Bedeutung, wird die stolzeste Familie dieses Preußens, das vielleicht an der Schwelle seiner bittersten Demütigung steht, Frau und Kind nicht zu verweigern wagen.« – »Was sinnst du, Ferdinand, was beabsichtigst du?« – »Laß das, frage mich nicht; ehe ein halbes Jahr vergeht, wirst du wissen was ich meine. Diesen Winter noch bleibe ich in Berlin, das Frühjahr schon führt mich zu einem meiner Kraft entsprechenden Wirkungskreis. Ich wollte dich nur auf die Trennung vorbereiten, die möglicherweise über Nacht kommen kann. Doch es ist Zeit jetzt, daß wir aufbrechen, die Straßen sind ruhig, komm.«

Er hüllte sie sorgsam in das weite Tuch und führte sie durch das Pförtchen aus dem Garten. Durch die einsamen Wege an den Stadtmauern entlang und den Tiergarten gelangten sie in die neuen Stadtteile jenseits der Spree nach dem Neuen und Oranienburger Tor hin. Hier in einer der Querstraßen blieben sie vor einem ansehnlichen Hause stehen, und der Major klopfte an ein Fenster des Kellergeschosses, in dem alles dunkel und still war. Aber er klopfte lange vergeblich. Nur ein heiserer Kinderhusten und ein stilles Weinen drang von Zeit zu Zeit hervor, die Dame jedesmal mit Schauer erfüllend ... »Mut, Marie, du mußt einige Augenblicke hier verweilen, das Weib ist offenbar nicht zu Hause, aber ich weiß, wo sie zu finden ist. Stelle dich hier in den Schatten des Türvorsprungs, gleich bin ich wieder bei dir.« – »Kann ich dich nicht besser begleiten?« – »Nein,« sagte er hart, »das ist nichts für dich.«

Er wollte der Armen einen ihr Mutterherz mit den bängsten Besorgnissen erfüllenden Anblick ersparen, verließ sie darum rasch und ging um die Ecke und rasch eine Querstraße entlang, bis ihm aus dem Souterrain eines kleinen Hauses ein wüstes Lärmen, untermischt mit den Tönen einer Ziehharmonika und einer kratzenden Geige, entgegenklang, die eine beliebte Polka in überraschem Takt abspielten. Es war eine jener Kneipen, wie es in den Vorstädten, ja selbst in den inneren Stadtteilen Berlins unter den zahllosen Kellerbutiken noch viele gibt, und die von der Hefe des Volkes für ihre Festlichkeiten und Orgien benutzt werden ... In der Nähe fand der Major den Nachtwächter auf einer Türschwelle sitzen und nach der Musik hinhorchen ... »Da geht's lustig her, Herr; das Volk wird einen bis zum Morgen in Atem halten!« – »Wollt Ihr ein Trinkgeld verdienen, Mann?« – »Warum nicht, Herr? der Magistrat bezahlt ohnehin knapp.« – »So seht nach, ob in jener Kneipe sich eine Frau Müllendorfer befindet aus der ...straße, und bittet sie, einen Augenblick herauszukommen; ich weiß, sie geht häufig hierher.« – »Ach, die Engelmacherin? Versteht sich, ist die drinnen. Die ist Stammgast.« – »Wie nennt Ihr sie?« – »Engelmacherin, Herr. Ins Gesicht mag ich sie freilich nicht so heißen, denn das Weibstück hat eine gottvergessene Zunge, aber das ganze Viertel kennt sie unter dem Namen, und der Himmel weiß es, ich glaube, sie verdient ihn. Die Charité da drüben liefert im Vergleich nicht so viel Leichen zum Gottesacker als die Müllendorfer; aber die Kinderhecke bei ihr wird nicht leer.«

Der Major schauderte und winkte stillschweigend den Wächter hinunter. Dieser ging, und als bald darauf der Tanz aufhörte, öffnete sich die Kellertür, und ein großes, robustes Frauenzimmer im Alter von etwa vierzig Jahren keuchte die Stufen herauf, mit einigen lästerlichen Redensarten, wer sie um diese Zeit wohl in ihrem Vergnügen störe ... Sie trug ein grünes Merinokleid, darüber, kreuzweis gebunden, einen alten, gelbseidenen Shawl; schief auf dem Kopfe saß eine Tüllhaube mit hochrotem, fliegenden Bande, doch hing das Haar unordentlich darunter her, überhaupt hatte der ganze Anzug ein wüstes, zerzaustes Ansehen ... »Schwerenot, wat is denn det für eene Jeschichte, det man nich 'n mal in de Nacht sein bißken Vergnügen haben kann,« sagte das Weib in niederem Dialekt, sich von der Stirn den Schweiß trocknend, »schreien die verfl... Beesters schon wieder, daß die Nachbarschaft rebellersch wird! – Na wart't, ick will sie ...«

Die ernste Stimme des Majors unterbrach ihr widriges Keifen ... »Ich wollte Sie auf einen Augenblick sprechen, Frau Müllendorfer. Es ist eine Dame bei mir, die Ihr Pflegekind zu sehen wünscht, und wir haben nur spät am Abend Zeit, darum ließ ich Sie von dem Ort herausrufen, wo Sie mir selbst sagten, daß ich Sie in solchen Fällen finden würde.« Das Weib erkannte den Redner schnell und änderte im Nu ihr Benehmen zu einer kriechenden Freundlichkeit, die um so widriger war, als sie dazwischen nicht ganz den Rausch zu verbergen vermochte, der sie bereits halb erfaßt hatte ... »Ach, der gnädige Herr,« sagte sie mit einem tiefen Knix. »Bitte recht sehr, ick stehe jleich zu Diensten. Glauben Sie ja nich, daß ick den Engel darum vernachlässigt hätte; i Gott bewahre, der liegt gut injepackt in seiner Wiege, ganz aparte von den andern. Unsereins muß doch auch mal een Vergnügen haben, wenn man so kümmerlich sich durch die Welt schlägt.« So schwatzend, lief sie mit manchem Fehltritt neben dem Herrn her bis zu ihrer Wohnung, wo der Major die zitternde Geliebte aus ihrem Versteck holte und an seinen Arm nahm.

»Vorsicht, Marie, ich bitte dich, und halte dein Gesicht verhüllt. Du trägst doch den Schleier unter dem Capuchon?« – Sie preßte, vor Aufregung zitternd, bejahend seinen Arm ... »Gleich, gnädige Frau, gleich sollen Sie das allerliebste Krabbelchen sehen. Kommen Sie nur mich nach; ich will gleich Licht machen.« ... Die Frau hatte die Haustür aufgeschlossen und zog das Paar in den dunklen Flur, von wo ein zweiter Eingang zu ihrer Kellerwohnung hinunterging, deren vorderer Raum zum Grünkram- und Gemüseladen diente. Im Hintergrund standen einige zerbrochene Möbel und ein großer Waschkorb, aus dem das Husten und Wimmern herkam. Die Dame wollte unwillkürlich dahin, doch das Weib trat ihr mit der angezündeten Öllampe in den Weg ... »O, nich dahin, gnädiges Madamken, det is nur een armes Balg, die Mutter is een Dienstmächen, das sich gleich wieder vermieten mußte. Es hat een bißken die Masern, und wenn des kleene Jeschöpf druf jeht, na, lieber Gott, so is et keen so großes Unjlücke. Ick kriege bloß anderthalb Dhaler für den Wurm alle Monate, und da is freilich nich viel zu machen.« – »Mein Kind! Mein Kind!« – »Seien Sie ganz ruhig, Gnädige, darum hab' ick eben des Wurm hier abgesperrt, deß er mir die anderen nicht ansticht. Kommen Sie hier herein – stoßen Se sich nich!«

Sie öffnete eine Seitentür, die zu einer niedrigen, aber ziemlich geräumigen Kellerstube führte, ganz im Geschmack dieser Klasse aufgeputzt. An der gegenüberliegenden Wand stand ein großes, breites Himmelbett, in dem ein etwa elfjähriges Mädchen schlafend lag, die Tochter der Frau. Rechts zwischen den Fenstern die Kommode mit den Gläsern und Kaffeetassen auf der aus bunten Zeugkarreaux genähten Decke, an der Hinterwand der Kleiderschrank und ein großer, bequemer und weichgepolsterter Sorgenstuhl vor dem Tisch. In der Ecke hinter der Tür endlich war eine Art von Pritsche oder kurzem, breitem Bett, mit alten Decken, einigen schlechten Bettstücken und dergleichen gefüllt, und hier lagen nicht weniger als fünf Kinder von dem zartesten Alter von kaum einigen Wochen an bis zu etwa drei bis vier Jahren; dürftige kleine Gesichtchen, denen Elend und Mangel an Pflege aus den hohlen Augen und den mageren, nackten Gliederchen sah, als der Schein des Lichtes, das ihre Versorgerin jetzt angezündet auf den Tisch gestellt hatte, durch die Schatten des niedrigen, dumpfen, ungesunden Raumes auf sie fiel.

Neben dem Himmelbett an der Wand stand eine Wiege von Kiefernholz, rotbraun gebeizt, deren Betten von etwas reinlicherem Ansehen waren. Ein Rohrgeflecht, mit alter Leinwand überzogen, überspannte das Kopfende ... Auf diese, vom mütterlichen Instinkt getrieben, stürzte die junge Dame zu und warf sich vor ihr auf die Knie. Ein junges, etwa fünf Monate altes Kind mit einem Engelgesichtchen lag schlafend darin. Der Major war ihr gefolgt, auch das Weib mit der Lampe, deren Schein sie mit der Hand verhüllte, während sie ihn in gemeiner Neugier immer so zu wenden suchte, daß er das Gesicht der durch Kapuze und Schleier Verhüllten treffen sollte.

Die Dame hob behutsam das schlafende Kind aus dem Bett und preßte es an ihre Brust ... »Sehen Sie nur, Gnädige, was der Kleine für Bäckschen hat, rot wie Äpfelchen. Ja, ja, die Kinder haben's bei der Müllendorfern gut. Schöne Nahrung und Reinlichkeit. Ick sage Ihnen, es jeht nichts über die Reinlichkeit.« – Sie hätschelte mit widerlicher Freundlichkeit das Kind, obschon die Mutter, die sich damit auf einen Stuhl gesetzt, sich ekelnd vor dem Branntweinodem abwandte, den das Weib ausströmte ... Davon erwachte das Kind, schlug die Augen auf und fing an zu schreien. Nach wenigen Minuten antworteten im Chor die anderen, die unter den Lumpen des allgemeinen Bettes zusammengepackt lagen.

»Werdet ihr still sein, ihr Bälger! Wart'! det is der Schreihals, die Mine – das Ding is drei Jahr und wie'n Einjähriges. Na wart', laß mich hineinkommen. – Entschuldigen Sie, Gnädige, es sind nur gewöhnlicher Leute Kinder und eene Majistrats-Waisenkrabbe. Ick will sie aber gleich zur Ruhe bringen.« Damit nahm sie vom Tisch eine große Saugflasche, die mit Milch gefüllt schien, und hielt sie den jüngsten Kindern vor, die begierig daran sogen und sogleich wieder in tiefen Schlaf verfielen ... Weder der Major, noch die mit ihrem Kinde zärtlich beschäftigte Dame bemerkten die Stöße und Knüffe, welche die beiden größeren der erwachten Kinder von dem Weibe erhielten und wie sie sich heimlich wieder in Schlaf weinten.

Die junge Mutter ging mit dem beruhigten Kleinen durch die Stube auf und nieder und legte es dann zurück in sein Bettchen. Zufällig fiel ihr Auge auf die Milchflasche, und ehe es noch die Frau hindern konnte, nahm sie dieselbe in die Hand, zog den Pfropfen heraus und goß einige Tropfen aus die Hand. Ein widerwärtiger Dunst quoll ihr aus der geöffneten Flasche entgegen, wie von saurer, verdorbener Milch, mit scharfem Alkohol geschwängert ... »Um Gott, Frau! was haben Sie da? Was ist das für Milch? Ferdinand, ich bitte dich!« – Der Major nahm ihr die Flasche aus der Hand und probierte einige Tropfen ... »Da ist ja Branntwein drunter, Frau!« – »Nu freilich, een Tröpfchen; was schad'ts denn? Die Kinder schlafen denn desto besser. Es ist bloß für die Nachtruh'.« – »Aber, Frau, Sie werden doch einem kaum entwöhnten Säugling nicht das schändliche Getränk geben?« – »I Jott bewahre, Jnädige, des is nur da für die gemeinen Kinder, die sonst gar nicht stille zu kriegen sind. Das Engelchen schläft ganz von selber und kriegt die allerfrischeste Milch, wie sie mir der Charlottenburger Milchmann früh bringt. Der Kleine könnt's bei Ihnen selber nicht so gut haben, wie bei mir.«

Die Verlegenheit des Weibes, das rote Gesicht des Kindes hätten freilich bei einer erfahrenen Mutter böse Zweifel gegen die Ableugnung erweckt. Die junge Dame warf sich schluchzend in die Arme des Mannes ... »Führe mich fort, Ferdinand; diese Luft, dies alles erstickt mich. O, wie bin ich so grenzenlos unglücklich!« Der Major gab der Frau Geld und befahl ihr auf das strengste an, dem Kinde nur die reinste Nahrung zu reichen, und sagte, daß er alle Woche einen Arzt hierher senden werde, um sich von dem Zustande desselben zu überzeugen.

Das Weib beteuerte und versprach alles mögliche, und geleitete so das Paar durch den Hausflur zurück auf die Straße. Dann – allein – schlug sie verächtlich ein Schnippchen hinter ihnen drein, steckte dem Kinde in der Wiege wie zum Trotz die entsetzliche Flasche in den Mund, und als sie den nächtlichen Besuch weit genug entfernt glaubte, löschte sie rasch die Lampe und eilte aufs neue zu ihrem Gelage, ohne das kranke, wimmernde Kind im Vorkeller auch nur eines Gedankens zu würdigen. –

Leise weinend, schritt indes die junge Mutter neben dem Major her, der vergeblich sie zu beruhigen und zu trösten suchte ... »Du hast es selbst gewollt, Marie; das Kind war auf dem Lande gut aufgehoben bei der armen Frau, aber du bestandest darauf, es in deiner Nähe zu haben, um es wenigstens hin und wieder sehen zu können. Ich habe mich nach verschiedenen Haltefrauen erkundigt, aber man rühmte mir diese immer noch als eine der zuverlässigeren. Bei vielen anderen waren wir auch weniger vor Entdeckung sicher. Überdies bürgt uns der eigene Vorteil dieser Person dafür, daß sie dem Kinde die möglichste Sorgfalt widmet. Du hörtest selbst, daß es ihr »bestes« ist. An anderen Orten ist es vielleicht noch schlimmer aufgehoben.«

Aller Trost nutzte nichts; er mußte ihr versprechen, sobald als möglich für das Kind einen anderen, besseren Ort zu ermitteln, es wieder auf das Land zurückzubringen, indem sie lieber darauf verzichten wollte, es zu sehen. Der Major versprach alles, nur um die Erregte zu beruhigen. So brachte er sie wieder zurück zu dem Garten, und nach weiteren Verabredungen für die nächste Zukunft, wozu Gelegenheit ihnen durch die obwaltenden Verhältnisse nur sehr selten gegönnt war, bis zu dem Hause ... »Und nun leb' wohl, Marie, sei stark und mutig, wir werden sicher noch alle Hindernisse besiegen: vertraue auf meine Kraft, nur mach dich los von den Vorurteilen, die dich noch mit hundert Banden gefesselt halten. – Zum Henker,« unterbrach er sich, in dem er mit der Hand im Efeugeländer umhersuchte, »wo steckt denn die Leiter?« – »Sie wird nicht nötig sein,« sagte eine tiefe Stimme hinter ihnen; »ich werde die Komtesse, meine Tochter, auf einem passenderen Wege nach ihrem Zimmer geleiten.«

Das Paar fuhr wie vom Blitzstrahl getroffen auseinander ... Zwischen ihnen stand ruhig und gemessen ein großer, stattlicher Mann mit breiter Brust und grauen Haaren. Das Sternenlicht der Sommernacht ließ freilich die Züge nicht erkennen, aber jedes der beiden wußte, wen es vor sich hatte ... Der Major faßte sich alsbald, während die junge Dame halb ohnmächtig an der Wand lehnte ... »Herr Graf,« sagte er, »es ist eine peinliche Situation, in der ich Ihnen in diesem Augenblick gegenüberstehen muß. Erlauben Sie, daß ich Ihnen morgen früh eine Rechtfertigung gebe, wie sie unter Männern von Ehre nötig ist.« – »Bemühen Sie sich nicht, mein Herr – der Zufall und Schlaflosigkeit haben mich hinter die nächtlichen Promenaden dieser jungen Dame gebracht, und ich werde sie künftig zu verhindern wissen, ebenso wie alle unpassenden Liebschaften. Weiter weiß ich nichts und will nichts wissen. Gute Nacht, mein Herr.«

»Herr Graf, ich bitte Sie – hören Sie mich an.« – »Mein Herr, zwingen Sie mich nicht, die Bedienten durch meinen Ruf zu wecken. Mit Leuten Ihrer Art und Ihrer Gesinnung hat ein Edelmann von unbeflecktem Namen nichts zu tun. Ich sollte meinen, zum galanten Verführer wären Sie doch schon zu alt ... Also die Spekulation! Dieser Garten aber und dieses leichtsinnige Mädchen sind noch mein Eigentum, und, Gott sei Dank! gelten hier noch nicht die Gesetze der Herren Kommunisten und Weltverbesserer ... Entfernen Sie sich, ich befehle es, und lassen Sie sich nicht wieder in dieser Umgebung blicken.« – Er faßte die Komtesse hart am Arm und führte sie fort nach dem Hofraum. – Der Major schlug sich wild vor die Stirn und drohte mit der Faust nach dem Hause. Dann ging er rasch in die Büsche des Gartens.

*

Zur selben Zeit ungefähr, als der Fremde, den wir unter dem Titel »Major« nach der Bezeichnung auf seiner Visitenkarte eingeführt haben, die spanische Tänzerin verließ, fand eine andere, für das Schicksal Europas und den Gang unserer Darstellung bedeutsame Unterredung statt ... In dem großen Empfangszimmer eines Hotels der sogenannten Diplomatenstraße von Berlin saß an dem Tisch ein Mann von einigen fünfzig Jahren und ziemlich kleiner, wenig auffallender Statur in leicht gebeugter Haltung, in einem geschriebenen Memoire mit dem Bleistift einzelne Stellen bezeichnend. In dem ziemlich faltenreichen, fast viereckigen Gesicht lag eine gewisse Lethargie, dabei ein Ausdruck von Gutmütigkeit, doch zuweilen flog es über die Züge, als säße ein jovialer Spott darin, wie der Schalk im Nacken. Die hohe, volle Stirn verkündete den ruhigen Denker und Beobachter. Das Merkwürdigste an dem Kopfe waren die Augen eben in ihrer Verborgenheit. Unter matt, fast schläfrig gehobenen Lidern, mit häufigem Zwinkern, gleich als könnten sie das Licht nicht vertragen, oder wären angegriffen von dem Staub der Aktenstube, verschwanden sie fast ganz hinter der Brille, als wollten sie unter dem Schutz der Gläser nur beobachten und wieder beobachten.

Es lag über der ganzen Persönlichkeit eine unendliche Ruhe, ein Zusehen, ein Abwarten, eine Zähigkeit, die einen vollendeten, in sich abgeschlossenen Charakter bildeten ... In der Tat entsprach das bedeutende öffentliche Leben und in Preußens Geschichte so wichtige Wirken des Mannes ganz seiner Persönlichkeit. Es war der Fabius cunctator der modernen Politik und Diplomatie, jener Staatsmann, dessen merkwürdigen, zähen Eigenschaften und unverwüstlicher Ruhe unterm Schutze seines erhabenen Monarchen Preußen seit fünf Jahren die glückliche Leitung seines Staatsschiffes durch eine Unzahl von Klippen und Brandungen und die schwierigsten inneren und äußeren Situationen verdankte. Nicht mit jener eisernen Konsequenz erhabener Charaktere, aber mit einer Zähigkeit und Ausdauer, die zuletzt immer ihren Weg macht, wenn sie auch im Augenblick biegsam und nachgebend erscheint, verfolgte seine Politik ihr Ziel. Von allen Parteien angefeindet, von oben und unten angegriffen, zahllose Anfeindungen und wenn nicht Niederlagen, so doch Triumphe seiner Gegner erleidend, ist er der erste, welcher sie anerkennt und seinen Rückzug nimmt, und dennoch hat er am Schluß noch immer seine Zwecke erreicht, seine Feinde und Freunde aus dem Felde gedrängt und seine – wir wollen nicht sagen »Macht«, aber seine Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit befestigt.

Der im Vorzimmer Wache haltende alte Kanzleidiener öffnete jetzt die Tür und meldete leise einen Besuch. Der hohe Beamte verließ seinen Sessel, drehte vorsichtig die Lampe auf dem Tisch um, so daß ihr Licht jetzt nach dem Sofa fiel, und ging dem Eintretenden bis an die Tür entgegen, die er sorgfältig hinter ihm schloß ... »Nehmen Sie Platz, Herr Baron! Ich habe Ihr Billett heute mittag erhalten und Sie erwartet. Wir werden ungestört sein.«

Der Eingetretene war eine hohe, schlanke Gestalt mit blassem, feinen Gesicht und auffallend breitgewölbter Stirn, in der Mitte der dreißiger Jahre. Er sprach das Deutsch langsam, fein und ruhig, nur wenn die Unterhaltung lebhafter wurde oder es ihm auf eine subtile Wendung anzukommen schien, bediente er sich im Gespräch der französischen Sprache ... »Eure Exzellenz sind sehr freundlich,« sagte er, indem er auf die Einladung des Wirtes auf dem Sofa Platz nahm. »Erlauben Sie, daß ich nochmals erwähne – um jeden Zweifel über den Charakter unserer Unterredung zu beseitigen – daß ich dieselbe nur als eine private und persönliche erbeten habe, um Ihre Ansichten und Ihren Rat zu hören, bevor ich morgen die Ehre haben werde, Ihnen offiziell die neueste, von meinem Kabinett eingetroffene Note zu überreichen.« – »Unsere Unterredung soll also bloß eine rein private, bedeutungslose sein, von der ich Sr. Majestät dem Könige keinen Bericht zu erstatten brauche?«

Der andere zögerte ... »Das nicht ganz, – Sie mißverstehen mich, Exzellenz. Ich wünsche Ihnen auch – nicht offiziell – aber unter der Hand – einige Mitteilungen und Vorschläge zu machen, deren weitere amtliche Kundgebung natürlich von Ihrem Entgegenkommen abhängen würde.« – Ein leises, diplomatisches Lächeln glitt über das Gesicht des Kleinen ... »Da Sie unserer Unterredung weder einen offiziellen, noch rein unterhaltenden Charakter zugestehen wollen, Herr Baron, so müssen wir sie vielleicht eine »offiziöse« nennen. Das ist ja wohl der Ausdruck, den die Neue Preußische Zeitung, Ihre Freundin, dafür erfunden hat.« Der Baron verbeugte sich zustimmend ... »Gestatten mir Eure Exzellenz zunächst einen kurzen Rückblick auf die letzten diplomatischen Verhandlungen, der uns um so rascher aus den zu nehmenden Standpunkt führen wird, als Eure Exzellenz gewiß bereits wissen oder vermutet haben, daß die Note, die ich morgen die Ehre haben werde Ihnen zu überreichen, die Antwort des Herrn Reichskanzlers auf die alle Chancen der friedlichen Ausgleichung aufs neue bedrohenden Amendationen des Diwans zu der vereinbarten und unsrerseits angenommenen Note der Wiener Konferenz enthält.«

»Ich bin mit dieser Art der Verhandlung ganz einverstanden, Herr Baron, und bitte Sie, bis auf den beklagenswerten und auch von Seiner Majestät dem Könige tief bedauerten Schritt des Einmarsches Ihrer Armee in die Donau-Fürstentümer am 3. Juli zurückzugehen. Sie kennen bereits meine Ansicht, daß dieser Schritt, zu dem sich Ihre Regierung hat hinreißen lassen, mir keineswegs durch die bestehenden Verträge gerechtfertigt scheint, und daß ich in ihm das Hindernis aller gütlichen Ausgleichung und die notwendige Ursache kriegerischer Entwickelungen sehe.« – »Aber, mein Gott, was wollen Sie, das geschehen soll? Eine Macht wie Rußland konnte sich doch von einem so untergeordneten, lebensunfähigen Staat wie die Türkei in ihren gerechten Forderungen nicht Trotz bieten und die gemachte Androhung unausgeführt lassen! Und nun, da die Besetzung geschehen, wird der Kaiser, mein Herr, doch unmöglich seiner politischen Ehre so viel vergeben, um seine Truppen den Rückzug antreten zu lassen, ohne daß die Gewähr seiner Forderungen gesichert ist? Die geringe Zahl der Truppen, welche den Pruth überschritten haben, bürgt Europa dafür, daß es sich nur um eine Pfandnahme, nicht um ein militärisches Vorgehen gegen die Türkei handelt.« – »Sie vergessen, Herr Baron, daß die politische Ehre eine Sache ist, die sehr vielfacher Deutung unterliegt. Vielleicht erinnern Sie sich, daß Preußen, von dem Sie jetzt die Unmöglichkeit einer solchen Anschauung verlangen, vor nicht langer Zeit in der Lage war, auf den dringenden Rat einer befreundeten Macht – ich will es nicht anders nennen – in eigenen, innere deutsche Interessen betreffenden Streitigkeiten zweimal einen militärischen Rückzug aus seinen avancierten Stellungen nehmen zu müssen. Ich meine Schleswig-Holstein und Kassel, und wenn ich nicht sehr irre, wurde uns hier auf der nämlichen Stelle klar gemacht, daß die politische Ehre durch ein solches Rückgehen keineswegs eine Einbuße erleiden könne.«

Der Baron errötete stark, antwortete jedoch nicht auf den Fechterstreich, den er erlitten, sondern nahm sofort die Darstellung der diplomatischen Verhandlungen auf ... »Die Pfandnahme der Donau-Fürstentümer hatte in Konstantinopel einen Aufstand der Kriegspartei und die kurze Änderung des Ministeriums Reschid zur Folge: ein Beweis, wie wenig die alttürkische – im stillen immer herrschende – Partei zu einer billigen Nachgiebigkeit geneigt ist. Die Vermittelung der Gesandten bei Seiner Hoheit dem Sultan hat zwar die sofortige Wiedereinsetzung des Großveziers und Reschid Pascha's zur Folge gehabt, indes glaube ich, daß es den Vertretern von Frankreich und England mehr darum zu tun gewesen ist, den gesicherten Einfluß sich zu bewahren, als den Krieg zu verhindern. Dahin zielt auch die Note der französischen Regierung vom 15., welche uns das Recht der Besetzung streitig macht, und der Pforte daraus dasjenige vindiziert, den beiden Mächten die Passage der Dardanellen zu gestatten.« – »Das ist richtig, Herr Baron; es ist nur zu bedauern, daß während der Verhandlungen Rußland die Pforte aufs neue durch Maßregeln reizte, die man höchstens in einem feindlichen eroberten Lande anwendet. Ich meine den Befehl Ihres Oberkommandierenden in den Fürstentümern an die Hospodare, die Verbindung mit Konstantinopel und ihrem rechtmäßigen Souverän abzubrechen und den Tribut zurückzubehalten.« – »Ich glaube, daß dies Zwischenfälle sind, die auf die allgemeine politische Rechtslage keinen Einfluß haben. – Am 11. August traf die Nachricht in Konstantinopel ein, daß Rußland die Wiener Note angenommen habe. Hier, Exzellenz, – ich rede nicht von Preußen – scheint mir die Aufrichtigkeit der vermittelnden Mächte ihr Ende zu haben.« – »Ich verstehe Sie nicht, Herr Baron. Nach dem Bericht unseres Gesandten in Konstantinopel hat Lord Stratford am 13. eine Konferenz mit Reschid Pascha gehabt, in welcher er dringend von diesem verlangte, den Vorschlag der vier Mächte sich zu eigen zu machen, obschon derselbe erklärte, es seien mehrere bedenkliche Punkte darin, die sich der Annahme entgegenstellen würden. Am 14. wurde der Vorschlag vor den türkischen Ministerrat gebracht und verworfen, selbst wenn er amendiert würde. Der Vorschlag wurde nach vieler Mühe angenommen.« – »Aber diese Amendationen geben dem ganzen Wiener Entwurf eine neue Fassung.« – »Daß ich nicht wüßte, Herr Baron. Die Bedenken der Pforte gründen sich auf drei Punkte. Zunächst soll der Passus über die tätige Sorgfalt des Kaisers von Rußland für die griechischen Christen in der Türkei zu der Auslegung Raum geben, als ob die Sultane nur infolge dieser tätigen Sorgfalt der griechischen Kirche Rechte und Freiheiten gegeben hätten, und damit Rußland einen Vorwand zur weiteren Einmischung bieten. Danach glaubt die Pforte, daß der Passus über den Vertrag von Kutschuk-Kainardji die Fragen in betreff der religiösen Privilegien in einer Weise hineinmenge, die durch jenen Vertrag gar nicht erfordert werde und die Souveränität der Pforte bedrohe. – Endlich verlangt die Pforte, daß in dem Passus über die Gleichstellung der griechischen Kirche mit den anderen Riten ausdrücklich ausgesprochen werde: daß dies insoweit gemeint sei, als ihre Untertanen zu diesen anderen Riten gehören. Mir scheint, Herr Baron, daß namentlich die beiden letzten Verlangen ganz gerechtfertigt sind.« – »Aber das ändert die ganze Lage und Deutung unserer Forderung. Wir wollen nicht die Gleichstellung der griechischen Christen mit dem Zustande anderer christlichen Sekten, die Untertanen des Sultans sind – was längst gesichert ist –, sondern mit den christlichen Kulten unter fremdem Schutze mit den christlichen Untertanen fremder Mächte in der Türkei.« – »Zu viel auf einmal zu verlangen, Herr Baron, möchte zunächst eine gefährliche Sache sein. Mir scheint, daß eine solche Auslegung die griechisch-christlichen Untertanen des Sultans zunächst unter ein Protektorat Seiner Majestät des Kaisers von Rußland bringen würde, das sie in facto aufhören läßt, Untertanen der Pforte zu sein.«

Der andere schwieg; er fühlte, daß er sich eine voreilige Blöße gegeben hatte ... »Überdies,« fuhr sein Gegner fort, »sind die Verhältnisse der christlichen Konfessionen leider auch in anderen – in christlichen – Staaten noch immer nicht so geregelt und befreit, daß man ganz berechtigt erscheint, einem nichtchristlichen Souverän aus den obwaltenden Verhältnissen einen Vorwurf zu machen. Ich beklage gewiß tief die Leiden der Christen in der Türkei, aber ich weiß nicht, ob sie ärger sind, als z. B. die Verfolgungen der Katholiken und Protestanten, welche man noch in der neuesten Zeit christlichen Staaten zum Vorwurf gemacht hat, ohne daß eine Rechtfertigung erfolgt ist.« – Der Diplomat biß sich auf die Lippen. »Eure Exzellenz scheinen gegen die Redlichkeit unserer Absichten eingenommen,« sagte er nach kurzer Pause. »Was ich vorhin von den Rechten der griechisch-christlichen Untertanen der Pforte äußerte, ist natürlich nur das wünschenswerte Ziel einer Emanzipation der orientalischen Christenheit überhaupt, welche zu erreichen doch wohl die Schlußaufgabe aller zivilisierten Staaten ist.« – »Sie irren, Herr Baron, wenn Sie mir das geringste Vorurteil in dieser Beziehung zuschreiben. Ich habe allerdings unterm 28. vorigen Monats unseren Gesandten in Petersburg dahin instruiert, auf alle Weise bei Ihrem Kabinet die türkischen Vorschläge zu befürworten, aber nur weil ich darin durchaus keine Beeinträchtigung Rußlands sehen kann.« – »Ich muß Eure Exzellenz darauf aufmerksam machen, daß diese neuen Hindernisse weniger von der Pforte ausgegangen, als von den beiden Vertretern Frankreichs und Englands im Stillen angeregt und in den Weg geworfen worden sind. Wir sind auf das beste unterrichtet und wissen, daß Master Alison, der erste Sekretär der englischen Gesandtschaft, während dieser ganzen Verhandlungen in dem Hotel der Pforte sein Bureau aufgeschlagen hatte und dem Diwan die Antworten und Ausflüchte ausarbeitete.« – »Das weiß ich nicht,« sagte der Minister trocken, »meine geheime Polizei erstreckt sich nicht bis Konstantinopel.« – »Der Beweis dafür ist die doppelseitige Stellung, die England und Frankreich sofort angenommen haben. Letzteres drang bereits darauf, daß, wenn unsere Armee nicht bis zum 1. Oktober über den Pruth zurückgezogen sei, – unter den schwebenden Verhandlungen eine Sache der Unmöglichkeit! – die Flotten die Dardanellen passieren sollten, während öffentlich beide Kabinette ihren Gesandten in Konstantinopel schreiben, daß sie die Erwiderung der Pforte nur mit größter Mißbilligung hätten aufnehmen können und alles aufzubieten sei, daß die einsame Annahme der Note erfolge. Auf der anderen Seite verlangt man in Petersburg die Annahme der Abänderungen. Dies ist kein redliches Verfahren und kann nur neue Verwicklungen herbeiführen.«

»So weit ich übersehe, Herr Baron, sind wir jetzt auf dem Punkt angelangt, in dem sich die Verhandlungen befinden und auf dem ich Ihre neueren Eröffnungen erwarten darf.« – »So ist es. Ich mag Eurer Exzellenz nicht verhehlen, daß der Kaiser, mein Herr, keineswegs gewillt ist, auch nur einen Schritt über die Position hinauszugehen, die er durch wahrhaft erhabene Nachgiebigkeit in der Annahme der Wiener Note eingenommen. Jede weitere Konzession wäre eine Schwäche. Rußland muß es mit seiner Würde für unvereinbar halten, nachdem es ohne Veränderung und Zusätze den Vorschlag der Mächte akzeptiert, nunmehr den Forderungen der Pforte sich fügen zu sollen. Das Kabinett von St. Petersburg verharrt übrigens bei seiner früheren Zusage, daß, wenn ein türkischer Gesandter die unveränderte Note überbringt, die Donau-Fürstentümer alsbald geräumt werden sollen.« – »Ich fürchtete das.« – »Die Interpretation meiner Regierung ist, wie ich wiederhole, folgende: Die Wiener Note ist nicht Rußlands Werk, sondern das Werk der vier Mächte England, Frankreich, Preußen und Österreich. An ihnen ist es nicht allein, in Konstantinopel ihrem Werke, das sie mit der Unabhängigkeit und Souveränität der Pforte vereinbar gefunden, Achtung, oder besser gesagt, Gehorsam zu verschaffen, sondern auch Sache jeder einzelnen Macht ist es, die Mitkontrahenten zur Erfüllung dieses Vertrages anzuhalten und sich im Weigerungsfälle auf die Seite Rußlands zu stellen.« – »Ich muß gestehen, Herr Baron, daß bis hierhin Ihre Regierung in vollem Recht ist, daß infolge der Antwort Sr. Majestät des Kaisers mein königlicher Gebieter mir ganz bestimmte Erklärungen in Konstantinopel, Paris und London geben wird.« – »So dürfen wir nötigenfalls auf ein Defensivbündnis mit Preußen und Österreich rechnen und die weiteren Einleitungen dazu treffen?« – »Einen Augenblick, Herr Baron. Ist die kaiserliche Ablehnung der türkischen Amendationen alles, was Sie mir morgen zu übergeben haben?« – Der Diplomat stutzte ... »Zu dienen, Exzellenz, wie meinen Sie das?« – Der Minister legte schwer und ernst seine Hand auf das Memoire, worin er vorher gelesen, und das noch umgekehrt vor ihm auf dem Tische lag ... »Es ist mir da von unbekannter Hand ein Schriftstück zugegangen, das die Abschrift einer zweiten Depesche vom 7. September an Herrn von Meyendorf enthalten soll, in welcher Graf Nesselrode diesem eine genaue Kritik der Amendationen der Pforte und die Auslegung des russischen Kabinetts zu jedem streitigen Passus gibt. Ich weiß nicht, Herr Baron, ob das Aktenstück echt und ob es Ihnen bekannt ist?«

Er reichte ihm das Memoire ... Das blasse Gesicht des Russen wurde womöglich noch durchsichtiger; er sprang, wie von einem elektrischen Funken getroffen, empor. – »Ein Verräter unter meinen Sekretären?« – Der Minister lud ihn mit einer vornehmen Handbewegung ein, sich wieder niederzulassen ... »Ich achte zu sehr die Rechte der fremden Gesandtschaften, mein Herr, um mich auf eine unpassende Weise in ihre Geheimnisse zu drängen. Diese Papiere sind mir vor zwei Stunden anonym zugegangen, und ich stelle sie Ihnen zur Disposition, um zu beurteilen, ob sie von einem Ihrer Untergebenen herrühren können, was ich jedoch bezweifle, da in letzterer Zeit mir mehrfach Winke und Mitteilungen von derselben Handschrift von ganz anderen Orten aus zugekommen sind ... Ich kann,« fuhr er nach kurzer Pause fort, während welcher sein Besuch die äußere Ruhe wieder gewonnen hatte und in dem Manuskript blätterte, »von diesem, jedes offiziellen Charakters entbehrenden Schriftstück natürlich auch keine amtliche Notiz nehmen und es auch nicht Sr. Majestät dem König vorlegen, um auf die Allerhöchsten Entschließungen einzuwirken. Privatim aber gestehe ich Ihnen, Herr Baron, daß ich es allerdings für echt und sein Bekanntwerden ganz für geeignet halte, die bereits zweifelhafte Haltung der Kabinette von London und Paris in eine offene Lossagung von den Wiener Beschlüssen zu verwandeln, wenigstens – ich will offen mit Ihnen übereinstimmen – die Gelegenheit dazu zu geben.« – »Und Preußen?« – »Wir sind der österreichischen Zustimmung sicher auch nach der Überreichung dieser zweiten Note.«

Wieder überflog ein leichter Zug von Spott das Gesicht des Kleineren ... »Dann gratuliere ich Ihnen. – Preußen, Herr Baron, wird, so lange ich die Ehre habe, an der Spitze seiner Verwaltung zu stehen, und so lange Seine Majestät der König mich würdigt, meinen Rat entgegenzunehmen, – sich und Deutschland von einer tatsächlichen Beteiligung an der orientalischen Verwickelung von dem – ich glaube kaum noch zu vermeidenden – Kriege frei halten und nur eine zuratende, vermittelnde und abwartende Stellung einnehmen. Es ist mein festes Bestreben, uns durch kein temporäres Bündnis in dieser Frage nach irgend einer Seite hin zu verpflichten.« – »Da wir auf diesen Punkt der Offenheit gekommen sind, Exzellenz, so erlauben Sie, daß ich unverhohlen meine Meinung über die Zukunft sage. Es liegt in den ganzen Ereignissen ein gewisser geheimnisvoller Faden, dessen Ursprung und Lauf ich nicht durchschauen kann, der aber offenbar konsequent alle Vermittelungen und Ausgleichungen hindert und beide Teile immer weiter treibt. Daß die Absichten von England und Frankreich ganz wo anders hinzielen, als auf einen Schutz der Türkei gegen etwaige Übergriffe unsererseits, ist wohl ganz Europa klar. Ich bin überzeugt, daß über kurz oder lang die beiden neuen Beschützer der Türkei um der öffentlichen Meinung willen von ihr ganz andere Konzessionen für die christlichen Untertanen und die Zivilisation werden erzwingen müssen, als Rußland jetzt verlangt. Der Zusammenstoß, der sich jetzt vorbereitet, ist ein Kampf des Westens gegen den Osten, wie er bereits mit einigen Variationen unter dem ersten Napoleon sich ereignet hat, und um so mehr dürfte es die Aufgabe der alten heiligen Allianz sein, fest auf der alten Basis zusammenzuhalten. Dies ist der Wunsch und die Erwartung meines kaiserlichen Herrn.«

Der Minister, schwieg nachdenklich einige Augenblicke, dann sagte er ernst und würdig: »Die Zukunft der Reiche und der Ausgang der Kämpfe, die sich vorbereiten, liegt in der Hand Gottes. Jeder Staat hat seine erhabene Aufgabe, und der König, mein Herr, erkennt die Seine aus vollem, christlichen Herzen und wohlgeprüftem Sinn. Die heilige Allianz ist eine mit dem Heldenblut der Völker besiegelte und erworbene Erbschaft, die durch Preußen nicht leichtsinnig gebrochen werden soll. Die persönliche Liebe des Königs, die Sympathien eines großen Teils der besten Männer Preußens gehören ihrem erhabenen Monarchen. Aber das Wohl und die Blüte Preußens, seine eigentümliche, selbst territoriale Stellung im europäischen Staatenbund, an der zum Teil Rußland mit die Verschuldung trägt, müssen den Gedanken jeder Beteiligung an einem Krieg uns fern sein lassen, der – gerade heraus gesagt – nur um fremde, uns nicht direkt berührende Interessen geführt wird. Seine Majestät der Kaiser hat Unrecht gehabt in dem Hervorruf, er wird das Recht auf seiner Seite haben in der Fortführung. Preußen und Deutschland werden ihm den besten Dienst erweisen durch eine unbedingte Neutralität.«

»Rußland würde bedeutende Vorteile für ein Offensiv-Bündnis gewähren. Die vollständige Öffnung seiner Grenzen ...« – »Das ist ein Recht, das Deutschland ohnehin aus dem Wiener Vertrage her beanspruchen könnte, wenn sich auch vom russischen Standpunkt die Vorteile der uns schädigenden Absperrung nicht verkennen lassen. Wenn für Preußen die Öffnung der Ostgrenzen einen Krieg aufgewogen hätte, würde es denselben früher begonnen haben.« – »Wir dürfen also wenigstens auf eine bewaffnete Neutralität im Falle eines Krieges rechnen? Bedenken Eure Exzellenz, daß die westlichen Grenzen nicht gesichert sein würden. Der Kaiser Napoleon ist Ihr heimlicher Gegner so gut wie der unsere, und das Rheinland ist eine sehr zugängliche Position.« – »Wir werden uns die Rheinprovinz zu schützen wissen, Herr Baron, gegen etwaige Gelüste danach. Es ist vollkommen Zeit, daß Deutschland sich von jedem äußeren Einfluß, jeder äußeren Bedrohung emanzipiert und endlich seine Grenzen festhält gegen alle fremden Dispositionen darüber. Das ist der ernste deutliche Wille Seiner Majestät des Königs und Seines erhabenen Verbündeten, des Kaisers Franz Joseph.« – »Eure Exzellenz werden doch nicht an die törichten Behauptungen der französischen Zeitungen glauben?« – »Ich glaube in der Politik an wenig, Herr Baron, am wenigsten an die Zeitungen. Ich weiß, daß das Kabinett von St. Petersburg unmöglich den Tuilerien für die Zustimmung zu den russisch-türkischen Arrangements das linke Rheinufer zugesagt haben kann; wie es England Cypern und Ägypten versprochen haben soll, – denn Kaiser Nikolaus ist ein Ehrenmann, und die Sache wäre nicht nur moralisch schlecht, sondern auch politisch töricht. Ich wiederhole Ihnen, dergleichen Geschwätz kümmert mich nicht.«

Der Diplomat kniff leicht die schmalen Lippen ... »Also eine bewaffnete Neutralität, wie Österreich sie bereits so gut wie zugesagt hat? Es könnte leicht geschehen, ja es ist wahrscheinlich, daß man die Revolution zu Hilfe ruft. In London wird bekanntlich bereits ganz offen von den Flüchtlingskomitees gegen uns propagandiert. Polen und Ungarn sind noch immer offene Herde, darum wäre es gut, im Vereine mit Österreich ...« – »Österreich, Herr Baron, ist nicht Deutschland. Österreich hat seine slawischen Staaten und Italien zu wahren. Es würde ein großer Mißgriff sein, uns durch eine Demonstration in Verwickelungen zu bringen und in Kosten zu stürzen. Was die Revolution betrifft, so seien Sie unbesorgt; wir haben Lehrgeld gegeben, und Preußen wird sie auch an seinen polnischen Grenzen nicht dulden. Im übrigen: Neutralität, Herr Baron, Neutralität, begnügen Sie sich damit.«

Der Diplomat erhob sich ... »In jeder Beziehung, Exzellenz, auch in der Presse?« – »Auch in der Presse, so viel in der Macht der Regierung steht. Sie wissen, der König ist für eine anständige, freie Diskussion in den gesetzlichen Grenzen.« – »Ich fragte und bat nur darum,« sagte der Diplomat mit feinem Lächeln, indem er ein Papier aus der Brusttasche zog, »weil auch mir da eine Art von Zirkular zugekommen, das an verschiedene Zeitungsredaktionen die Freude ausspricht, nun endlich von dem Druck russischer Suprematie erlöst zu sein, und sie auffordert, ohne weitere Rücksicht der Stimme der öffentlichen Meinung Raum zu geben.«

Diesmal war es der Minister, welcher sich auf die Lippen biß ... – »Das ist offenbar eine Dummheit, die höchstens von irgend einer mißverstehenden und taktlosen Voreiligkeit herrührt. Ich werde der Sache nachfragen. Im übrigen wissen Sie, Herr Baron, daß bei uns die Presse selbständig ist und wir mit Absicht ein anerkanntes Regierungsorgan vermeiden. Sie werden daher auch Ihre Vertretung in der Presse selbst suchen müssen.« – »Wir überlassen das Ihrem Gefühl für das Recht. Leben Sie wohl, Exzellenz, und nehmen Sie meinen Dank für die freundliche Aufnahme, die Sie mir diesen Abend gewährt haben. Wenn auch nicht mit Erfüllung meiner Wünsche, so doch über vieles beruhigt, verlasse ich Sie.« – »Auf offizielles Wiedersehen morgen, Herr Baron,« sagte lächelnd der höfliche Wirt, »und einen freundlichen Rat noch: Lassen Sie nie die Worte meines verstorbenen Kollegen, des Fürsten Schwarzenberg, aus dem Gedächtnis. Sie werden wissen, welche ich meine. Ich empfehle mich.«

Die Tür des Vorzimmers, bis zu welcher er seinen Besuch begleitet, schloß sich.

II. Petersburg.

In einem mittelgroßen, halb gewölbten Zimmer des kaiserlichen Winterpalastes, jenes erhabenen Prachtbaues, den der Befehl eines unumschränkten Gebieters in Jahresfrist aus der Asche neu hervorzauberte, brannte hinter einem hohen Schirm eine kleine Lampe, das Gemach notdürftig erhellend. Die Ausstattung desselben war ziemlich einfach. Von den beiden großen Fenstern, die nach der Newa hinausgingen, hingen schwere, grünwollene Vorhänge, ebenso vor beiden Türen. Zwei große Arbeitstische standen mitten im Zimmer. Der eine war mit Papieren und Mappen bedeckt, ein Seitenrepositorium enthielt eben dergleichen; der andere Tisch zeigte auf seiner breiten Platte ein kunstvoll gearbeitetes Schreibgerät von oxydiertem Silber, Petschafte, Briefbeschwerer von seltsamem Material und ungewöhnlichen Formen: einzelnes offenbar von großem historischen oder Kunstwert, dazwischen ein Lesepult mit einer einfachen Perlenstickerei und eine kleine Standuhr. Ein Thermometer und ein Doppelkalender nach alter und neuer Rechnung hingen an dem vorspringenden Pfeiler neben einigen Papptafeln mit Listen und Notizen. Zwei offene Bücherschränke rechts und links zeigten eine Auswahl von Werken in französischer, englischer, deutscher, russischer und italienischer Sprache. – Neben dem zweiten Tisch stand ein langes, niederes, eisernes Rollbett von höchst einfacher Konstruktion. Die Unterlage bildete eine Matratze von Maroquin mit Seegras gestopft, ein ebensolches Kissen den Kopfpfühl.

An den Wänden hingen einige schöne, große Gemälde geistlichen Inhalts, darunter eine Madonna von Murillo, und Porträts; auch zwei kleine Bleistiftzeichnungen in einfachen Rähmchen. Neben dem schriftenbedeckten Arbeitstisch befand sich an der Wand eine große Karte des russischen Reiches, gegenüber die von Europa. Eine große Ordnung und Regelmäßigkeit herrschte in der ganzen Einrichtung des Gemaches und verlieh ihr einen gewissen militärischen Charakter ...

Auf dem Rollbett, nur von einer wollenen Decke und einem Militärmantel verhüllt, lag ein Schlafender von fast riesiger Körperform. – Die breite, kolossale Brust hob und senkte sich ruhig, das Antlitz war nach aufwärts gekehrt, ein Arm unter den Kopf gelegt. Eine hohe, glänzende, eherne Stirn, in der Mitte zwischen den Augenbrauen über der langen, geraden Nase in einer ernsten, halb drohenden Falte zusammengezogen. Das Gesicht lang und in vollem Oval, das Kinn stark und von großer Willenskraft, fest gerundet, der regelmäßige Mund von einem militärischen Schnurrbart überschattet und ernst geschlossen. Die ganze Figur des Schlafenden schien wie aus Granit gehauen, so fest und straff war alles daran. Es lag etwas Soldatisches, Starres, Titanenhaftes in ihr ...

Der Zeiger der kleinen Uhr aus dem Tische wies auf fünf Uhr und zugleich ließ sich das scharfe, kurze Rasseln eines Weckers hören. Bei dem ersten Tone desselben öffnete der Schlafende maschinenmäßig die Augen, die dem Körper, dem ehernen Antlitz entsprachen. Sie waren ruhig, fest, klar, groß und von jener Eigentümlichkeit, daß, ohne einen bestimmten Ausdruck zu haben, ihr Blick doch durchdringend, durchbohrend, niederdrückend war, wie z. B. das Auge Friedrichs des Großen von Preußen. Die Augen waren echt kaiserlich. Es war auch der Kaiser, der eben erwachte.

Europa hat diesem erhabenen Charakter, diesem ehernen Bilde unter den lebenden Herrschern, an dessen Sterblichkeit zu glauben man sich entwöhnt hatte, viele und schwere Vorwürfe an der Schwelle seines Jenseits gemacht; es ist viel Haß, viel Blut und viel Leid auf diesen Hünen gewälzt worden. – Wer viel gehaßt und viel verleumdet wird, der wird auch viel geliebt und Kaiser Nikolaus ist geliebt worden, geliebt, wie man das Erhabene liebt! Er war eine einsame, mächtige Natur auf seinem Piedestal, und dieses Piedestal war der Thron des größten Reiches der zivilisierten Erde. – –

Der Kaiser warf rasch Decke und Mantel von sich und bekleidete sich ohne Hilfe mit den Kleidern, die auf einem Stuhle vor seinem Bette lagen. Dann zündete er an der Lampe die Kerzen der silbernen Armleuchter an, deren je zwei auf jedem Tische standen. – Der Selbstherrscher des mächtigen Reiches tat das alles allein; er bewahrte bis in das kleinste herab, so viel es sich mit seinem erhabenen Range vertrug, die militärischen Gewohnheiten. Dann trat er einige Augenblicke an das Fenster und schaute die weite Perspektive hinab. Die frühe Morgenstunde des Spät-Septembers hüllte unter der nordischen Breite noch alles in Dunkel, das an tausend Stellen durch die Gasflammen unterbrochen wurde, die sich in dem Wasser des breiten Stromes spiegelten.

Der Kaiser setzte sich hierauf an den ersten Arbeitstisch und begann einen Stoß Papiere durchzusehen. Die mächtige Natur bewahrte eine immense Arbeitskraft, die durch die strengste Regelung der Beschäftigung und der Zeit vermehrt wurde. Für gewöhnlich stand der Monarch um halb sieben Uhr auf, nahm schon während seiner kurzen Toilette verschiedene Meldungen und Rapporte an, machte dann einen Gang durch das ganze Palais bis zur Wiege seiner Enkel und blieb bis um acht Uhr in seinem Kabinett. Von acht bis neun Uhr machte er stets, und wo er sich auch befand, Sommer und Winter, einen Spaziergang in freier Luft. Um neun Uhr empfing er regelmäßig den Kriegsminister, Fürst Dolgorucki, auf den er großes Vertrauen setzte. Der Fürst ist derselbe, welcher bei der bekannten, durch fast komische Mißverständnisse und Vorspiegelungen weniger Rädelsführer hervorgerufenen Militär-Emeute gleich nach der Thronbesteigung (am 24. Dezember 1825) als Kapitän die treue Wache im Hofe des Winterpalastes kommandierte, welcher der Kaiser den siebenjährigen Thronfolger anvertraute, ehe er kühn und allein den Rebellen entgegentrat. – Um zehn Uhr pflegte sich der Kaiser für kurze Zeit zur Kaiserin und seiner Familie zu begeben; nie ließ er aber auch dort einen angemeldeten Minister oder eine befohlene Person warten. Wenn gegen zwei Uhr alle Geschäfte im Palais beendet waren, fuhr er in einer einspännigen Droschke oder im Schlitten aus und besuchte dabei drei bis vier Anstalten der verschiedensten Art. Um vier Uhr speiste er im kleinen Familienkreise, zu dem nur wenige Auserwählte zugezogen wurden. Der Kaiser aß stark, trank aber sehr mäßig. Selbst die Abendstunden waren meist den Staatsgeschäften gewidmet; wenn er im Salon der Kaiserin oder der Großfürstinnen erschien, sprach er wenig und nahm selten an der allgemeinen Unterhaltung teil. In sein Kabinett zurückgekehrt, arbeitete er wieder und begab sich selten zur Ruhe, wenn noch irgend ein Bericht zu erledigen war. Oft stand er des Nachts auf, verließ allein das Winterpalais und stattete irgend einem Institut, namentlich den Kadettenhäusern, einen Besuch ab. Sein erster Blick galt dann stets dem Thermometer, das die vorgeschriebenen vierzehn Grade zeigen mußte, und seine Untersuchungen erstreckten sich bis ins Detail.

Der Kaiser hielt sich nach seinen eigenen Worten stets »im Dienst«, und nur in Peterhof gestattete er sich auch in der Kleidung einige Abweichungen von der sonst streng ordonnanzmäßigen Uniform und Haltung. Auch im strengsten Winter trug der Monarch nur den einfachen Offiziermantel, nie einen Pelz.

Mit dem Beginne der orientalischen Verwickelungen vermehrte sich die Tätigkeit des Kaisers, und er gönnte sich noch weniger Erholung wie früher. Er stand fast zwei Stunden früher als sonst des Morgens auf, um zu arbeiten, und empfing von sechs Uhr ab die Vorträge der Minister und Adjutanten, um später für die militärischen Geschäfte, die Besichtigungen usw. frei zu sein. Eine auffallende Aufregung und Rastlosigkeit hatte sich seines ganzen Wesens bemächtigt, und man sah, wie tief ihn der Gegenstand und das Scheitern vieler Erwartungen und gehegten Ansichten berührte.

*

Nachdem der Monarch den Stoß von Papieren, welche vor ihm lagen, durchgesehen und die Unterschriften vollzogen hatte, sah er auf die Uhr, die halb sechs zeigte, und nach einer der Notiztafeln über dem Schreibtisch ... »Mittwoch – das ist Nesselrodes Tag, da habe ich noch Zeit, er kommt erst um sieben Uhr.« – Damit erhob er sich, holte aus dem Ankleidekabinett, zu dem eine Tapetentür führte, Mantel und Helm und verließ leise das Zimmer.

Das Vorgemach war erhellt, zwei Pagen saßen darin und schliefen in den Lehnstühlen. Am Tisch wachte der diensthabende Kammerherr und las; er erhob sich rasch, als er die Tür gehen hörte ... – »Ei sieh, Menger,« sagte der Kaiser, »bist du wach? Geh hinein und ordne das Kabinett; um Sieben bin ich zurück.« – Er schritt hindurch nach dem äußeren Vorzimmer, in welchem während der Nacht ein Offizier der Schloßwache seinen Aufenthalt hatte, um außergewöhnliche Meldungen entgegen zu nehmen.

Es war an dem Morgen ein Leutnant von der Preobraczenskischen Garde, diesem Lieblingskorps des Kaisers, das ihn einst gegen die Empörer verteidigt hatte. Der noch sehr junge Mann war auf dem Stuhl vor dem Tisch, an dem er die abendlichen Wachtrapporte eingetragen, die der Kaiser sich alle Morgen vorlegen ließ, eingeschlafen; sein Kopf ruhte auf dem aufgestützten Arm. Es mußte erst spät geschehen sein, denn eine Depesche, die auf dem Tische lag, zeigte den Präsentationsvermerk einer späten Stunde. Vor ihm lag ein halbvollendeter Brief, über dem ihn offenbar die Müdigkeit überrascht hatte, – die Feder war seiner Hand entfallen. Der Kaiser, dessen Schritt der dicke Teppich des Fußbodens unhörbar machte, nahte leise dem Tische ... »Sie haben gestern Morgen scharf exerziert,« sagte er wie entschuldigend und bog sich über den Schlafenden, die Depesche zu nehmen. Sein Blick fiel auf den Brief und auf seinen Namen. Er nahm vorsichtig das Blatt in die Hand und las. Der Brief war an die Mutter des jungen Mannes gerichtet, die in dem Gouvernement Nischnei-Nowgorod wohnte und die Witwe eines früheren Offiziers war. Der Sohn, in dem Kadettenhause erzogen, schrieb ihr, wie er hoffe, daß der Krieg ihm Gelegenheit zur Auszeichnung geben werde, mit der er dem geliebten Kaiser für die Wohltaten danken könne, die er ihm durch seine Erziehung erzeigt habe. Er beklagte kindlich, daß er sie, die er seit zehn Jahren nicht wiedergesehen habe, nicht zuvor noch einmal umarmen dürfe, aber selbst wenn er – was sehr unwahrscheinlich, – Urlaub erhalten könne, sei es unmöglich, da die Entfernung so weit und er ohne Vermögen nur durch die strengste Sparsamkeit die kostspielige Stellung bei der Garde bewahren könne, in die ihn der Zufall und die guten Zeugnisse im Kadettenhause gebracht ... Das Adlerauge des Monarchen hatte in wenigen Augenblicken den Brief überflogen und ruhte wie nachdenklich auf dem Schläfer. Dann nahm er vorsichtig die Feder, schrieb einige Worte unter den Brief und legte denselben wieder an seine vorige Stelle.

Mit leichten Schritten, ohne daß der Schläfer erwachte, verließ er das Gemach. Draußen auf dem Korridor standen zwei Grenadiere des Regiments gleich Statuen auf ihrem Posten. Der Kaiser nickte ihnen zu und schritt die breite Treppe hinab, die in den Vorhof führt. Einen Augenblick blieb er sinnend an der großen, mit drei Kreuzen geschmückten Steinplatte stehen, die die Stelle bezeichnet, auf der er an jenem blutigen Dezember den Grenadieren den Naslednik Thronfolger. übergab. Dann hüllte er sich in den Mantel und verließ den Bereich des Palastes.

Es war noch zu früh, als daß die Isworstschiks Droschkenkutscher., deren sich der Kaiser bei seinen Besuchen häufig bediente, bereits auf den Halteplätzen sein konnten, und der Monarch ging daher rasch zu Fuß weiter, die Alexander-Newskoi-Perspektive hinauf. Es war sechs Uhr, als er das Korps – wie die Kadettenhäuser und Militär-Erziehungs-Anstalten genannt werden – erreichte, dessen Besuch er beabsichtigt hatte: die Zeit, um welche die jungen Soldaten regelmäßig Winter und Sommer aufstehen müssen. Die Wache schlug eben die Reveille, als der Kaiser das Tor passierte und sofort nach einem der großen Speisesäle sich begab. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von der Ankunft des Kaisers durch alle Gänge des weitläufigen Gebäudes, und ehe die fünf Minuten, die er bei solchen Gelegenheiten, wie bei Audienzen, der Verspätung einräumte, vergangen waren, wirbelten im Hofraum die Trommeln zum Antreten, und der Gouverneur der Anstalt, Oberstleutnant Moradowitsch, begrüßte den Monarchen in dem Saale.

»Die Offiziere, welche vor drei Tagen das Examen bestanden haben, sollen heute das Korps verlassen und in die Garnisonen abgehen?« – »Zu Befehl, Sire.« – »Gut. Ich will sie vorher sehen. Später habe ich keine Zeit. Komm.« – Er ging voran nach dem Hof. Der Gouverneur und die den Unterricht erteilenden Offiziere, welche sich vor dem Saale aufgestellt hatten, folgten ihm. Auf dem Hofe standen kompagnieweise in ihren Hausuniformen die jungen Leute, die ihre Erziehung in der kaiserlichen Anstalt genossen, um von dieser aus in die Armee zu treten. Da der Kaiser auf eine möglichst gründliche Ausbildung für den Dienst und hohe Klassen hielt, in denen das Avancement bis zum Leutnant erfolgen konnte, auch den allzu frühen Eintritt in den aktiven Dienst nicht liebte, so war das Alter der Kadetten sehr verschieden. Die Offiziere traten an ihre Abteilungen, der Kaiser ging musternd an den Fronten vorüber. Das Tageslicht war bereits vollständig eingetreten.

»Laß die neuen Offiziere und Fähnriche vortreten.« – »Der Gouverneur erteilte den Befehl; einundzwanzig Jünglinge traten aus den Reihen und stellten sich vor dem Monarchen auf. Zwei derselben, die an der Spitze standen, waren die ältesten und schienen bereits das zwanzigste Jahr erreicht oder überschritten zu haben. – »Die Zeugnisse!« – Der Oberleutnant präsentierte sie, und der Kaiser nahm sie ihm einzeln ab, wie er nach der Reihe die jungen Leute musterte. Gleich bei dem ersten blieb er stehen und betrachtete ihn mit durchdringendem Blick, den der Jüngling fest und unverrückt aushielt ... Es war ein junger Mann von hoher schlanker Figur, mit blassem, klassisch geschnittenem Gesicht von energischem Ausdruck, das Auge dunkel und feurig, sonst in seinem Wesen einfach und anspruchslos. »Wir kennen uns. Du bist Djemala-Din, der Sohn des Imam Schamyl?« Djemala-Din, der älteste Sohn Schamyls, war von ihm im Jahre 1839 bei dem Sturme auf Achulgo, wo er selbst nur wie durch ein Wunder entkam, als ein kaum 7jähriger Knabe dem russischen Gouvernement als Geißel gestellt und seitdem auf kaiserliche Kosten in dem Kadettenkorps erzogen worden. – »Ja, Sire!« – »Dein Vater hat mir in diesem Sommer viel zu schaffen gemacht. Ich wünschte, er wäre so gut russisch wie du. Ich habe dich lange warten lassen mit einer Offiziersstelle, doch wollte ich, daß du tüchtig ausgebildet würdest, damit es hafte, was du gelernt hast. Es freut mich, daß deine Zeugnisse sämtlich gut lauten. Du hast dir, wie ich sehe, selbst das Ulanenkorps gewählt und gehst nach Polen?« – »Mit Ihrer Erlaubnis, Sire!« – »Schön. Du wirst immer an mir einen Freund finden, und ich habe für deine Ausrüstung bereits gesorgt. In Warschau melde dich sogleich beim Fürsten-Statthalter, er wird dir das nötige mitteilen. Nimm die beiden Pferde, die du dort findest, als Geschenk von mir und halte dich brav. Ich habe die Augen auf dich gerichtet.« – Er reichte ihm die Hand, und als der junge Mann sich tief gerührt darüber beugte, küßte er ihn auf die Stirn. – »Sire! Wie die Zukunft auch sein möge, ich werde nie Ihrer Güte vergessen.« – Er trat zurück in die Reihen seiner Gefährten.

Der forschende Blick des Kaisers traf seinen Nachbar, und er sah aufmerksam das Zeugnis durch, das der Gouverneur ihm reichte. Der junge Mann war eine mittelgroße, gedrungene Gestalt mit intelligentem Gesicht, aber einem starken Zug von Trotz und Eigenwillen um den Mund ... »Ocholskoi? Ein guter Name, aber viel schlimmes Blut in dem Geschlecht. Du bist zwei Jahre länger in dem Korps geblieben, junger Mensch, als deine Fähigkeiten nötig machten. Warum?« – »Man hat mir die Erlaubnis zum Examen verweigert, Euer Majestät.« – »Ich sehe es. Du bist zehnmal in einem Jahre wegen Ungehorsams und Widerspenstigkeit bestraft. Wie ist's mit ihm, Maradowitsch?« – »Er ist einer der besten Zöglinge des Korps, Majestät,« sagte der Gouverneur entschuldigend, »aber schwer zu bändigen.« – »Ich werde es übernehmen,« entgegnete der Zar; »Gehorsam, unbedingter Gehorsam ist das erste, was ein Soldat lernen muß. Ohne blindes Gehorchen kein Befehl. Ich habe gehört, du machst Verse, freie Verse, die du drucken läßt. Das ist keine Beschäftigung für einen Soldaten. Denke an Lermontoff. Derselbe wurde wegen seines Gedichtes auf Puschkins Tod: »An Rußlands Schutzgeist« als Soldat nach dem Kaukasus geschickt. Ist bereits über ihn verfügt?« – »Er wird bei den Felddragonern eintreten.« – »Halt da. Lassen Sie die Bestimmung ändern. Er soll zu Bodisko gehen nach Bomarsund, und wenn er dort zwei Jahre sich tadelfrei geführt und Gehorsam gelernt hat, mag er in das bestimmte Korps eintreten.«

Eine fahle Blässe überzog das Gesicht des jungen Mannes. Die Alandsinseln gelten in der russischen Armee für eine Strafkolonie, gefürchteter, als die Verbannung nach dem Kaukasus. Er trat unwillkürlich einen Schritt zurück in die Reihe. – »Halt!« – Der Verbannte stand wie eine Mauer ... Der Kaiser küßte auch ihn auf die Stirn ... »So, nun tritt zurück und lerne gehorchen!«

Er kontrollierte ebenso sorgfältig die Zeugnisse der übrigen Neunzehn, lobte und tadelte. Als er dann an der Kolonne der Kadetten vorüberging, trat plötzlich einer derselben, fast noch ein Knabe, mit schönem blondgelocktem Haar und offenem, Zutrauen erregenden Gesicht vor und beugte ein Knie. Der Kaiser blieb freundlich stehen und sagte zu dem jungen Mann: »Steh' auf, Kind, was willst du von mir?« – »Euer Majestät danken für das Glück, daß ich meinen Großvater umarmen durfte, und ...« – »Wie heißest du, mein Sohn? Wer ist dein Großvater?« – »Graf Lubomirski, Eure Majestät. Euer Majestät haben den alten Mann begnadigt, und er befindet sich hier.«

Der Zar runzelte leicht die Stirn; er liebte es nicht, an Verurteilungen oder Begnadigungen erinnert zu werden. – »Es ist brav von dir, daß du die deinen liebst. – Aber du wolltest noch etwas?« – »Ich wollte Euer Majestät um die Gnade bitten, daß ich den Feldzug gegen die Türken mitmachen darf. Ich möchte Euer Majestät so gern meine Dankbarkeit und meine Treue bezeigen.« – Der Kaiser lächelte, so weit in dies eherne Gesicht Lächeln treten konnte, und klopfte den Knaben auf den Kopf ... »Wie steht's mit ihm, Moradowitsch?« – »Er ist ein fleißiger, talentvoller Schüler Sire, aber erst sechzehn Jahre.« – »Nun, so warte noch ein Jahr, die Sache ist noch lange nicht zu Ende für dich und für mich. Dann sollst du als Junker eintreten. – Adieu, Kinder, gehabt euch wohl, es wird Zeit für mich.«

Die Trommeln rasselten, der Kaiser salutierte und verließ den Hof. Am Ausgange lehnte er mit einer strengen Handbewegung jede weitere Begleitung ab und schritt allein auf die Straße hinaus eine kurze Strecke, bis ihm ein Isworstschik mit dem leeren Gespann entgegenkam. Er winkte ihm, umzukehren, und warf sich in das offene Gefährt ... » Na Domo!« (Nach Hause!) sagte er zerstreut.

Die Droschke flog davon und hielt in der Nähe des Winterpalastes. Befremdet stieg der Kaiser, der es ungern sah, wenn man ihn auf seinen frühen Ausgängen erkannte, aus und fragte den Kutscher: »Kennst du mich denn?« – Ein schlaues: »Nein, Väterchen!« war die Antwort. – »Aber ich habe meinen Geldbeutel vergessen!« – »Tut nichts, Väterchen, du bezahlst mich ein andermal!« – »Nein,« sagte der Kaiser, »ich mache keine Schulden. Warte hier.«

Er verschwand in dem Hofe des Palastes, und der Kutscher, der den Kaiser sehr wohl erkannt hatte, hielt geduldig sein Pferd an. Eine kurze Weile darauf brachte ihm ein Offizier aus dem Palaste drei Imperials. Das Gesicht des Kutschers, als er mit dem reichen Fahrgeld davongaloppierte, konnte nicht froher und glücklicher sein, als das des Offiziers, der ihm das Geld gebracht hatte. Es war derselbe, welcher im Vorzimmer des Kaisers über dem Briefe eingeschlafen war. Als er erschrocken durch die zufallende Tür aufwachte, fand er unter demselben die Worte. Historisch.

»Vorzeiger hat zwei Monate Urlaub und aus der Kaiserlichen Schatullen-Kasse 500 Silberrubel zu erheben.

Nikolaus.«

Als der Zar zurückkehrte, warf sich der junge Offizier ihm zu Füßen. Der hohe Herr aber sandte ihn mit jenem Geschenk zu dem Isworstschik. –

Es war fünf Minuten vor sieben Uhr, als der Kaiser sein Kabinett wieder betrat und Helm und Mantel ablegte. Der Kammerdiener brachte ihm das bereit gehaltene Frühstück. Während er dasselbe genoß, schlug die Uhr sieben, und zugleich wurde der Reichskanzler gemeldet, ein Greis von 75 Jahren, denn der Graf ist 1780 – als Kosmopolit auf einem englischen Schiff auf der Reede von Lissabon – geboren, während sein Vater, aus der rheinisch-bergischen Familie der Grafen von Nesselrode-Ehreshofen stammend, dort russischer Gesandter war. Bei dem Wiener Kongreß machte sich der Graf zuerst in der politischen Welt bemerklich und galt auch für einen der schönsten Männer jener zahlreichen und glänzenden Versammlung ... Noch zeigten sich die Spuren der ehemaligen Schönheit in dem ruhigen, feinen Gesicht mit der hohen Greisenstirn. Selbst die hohe Gestalt war nur wenig gebeugt.

Der Kaiser bewies stets große Achtung und Rücksicht für den alten Staatsmann und legte sehr bedeutendes Gewicht auf seine Meinung. Er kam ihm auch diesmal beim Eintritt einige Schritte entgegen und lud ihn ein, sich an dem zweiten Tisch niederzulassen, auf dessen Platte der Minister das mitgebrachte ziemlich umfangreiche Portefeuille öffnete ... »Ich bitte, Graf, gib mir zuerst die auswärtigen Tagesberichte; welche Neuigkeiten? Ich bin seit einiger Zeit begieriger darauf, als sonst der Fall war.« – »Baron von Brunnow, Sire, hat auf meine Anweisung durch den Telegraphen am 15ten Lord Clarendon offiziell angefragt, welchen Weg die englische Regierung nun einschlagen werde, nachdem ihr bekannt geworden, daß Eure Majestät die Vorschläge der Pforte abgelehnt haben. Am 16ten sind dem englischen und dem französischen Kabinett durch unsere Gesandten unsere beiden Depeschen vom 7ten mitgeteilt worden.« – »Und die Antwort?« – »Es liegt erst die des Herrn von Kisseleff vor, die gestern abend eingetroffen. Der Gesandte hat von Brüssel aus in der geheimen Chiffre telegraphiert, also das Resultat nur im geheimen erfahren. Hier ist die Depesche.« – »Lesen Sie, Graf.« – »Herr von Kisseleff meldet: Am 17ten Depesche nach Wien, daß Frankreich nicht weiter zur Annahme der Note rate, da unsere Kritik vom 7ten anderen Sinn als die Westmächte unterlege.« – »Ein leerer Vorwand, nach dem man gesucht hat.« – »Der Gesandte meldet weiter: Vorschlag des Herrn Drouin nach London, wegen der Unruhen die Flotten nach Konstantinopel zu berufen.« – »Wieder ein willkommener Vorwand! Und wie lauten die Nachrichten aus London?« – »Sire, es fehlen noch die Depeschen.« – »Sie könnten längst hier sein, wenn man eine Antwort gegeben hätte. Lord Clarendon wird sich besinnen, auf die neuen Wühlereien des Herrn Drouin de L'huys einzugehen.«

Der greise Staatsmann zuckte leicht die Achseln. – »Was denken Sie davon, Herr Graf?« – »Sire, Euer Majestät Vorliebe für England behindert Ihren sonst so klaren politischen Blick. Wenn auch im Augenblick der Einfluß unseres Gegners Lord Palmerston beseitigt ist, bleibt England doch unverändert der geheime und bittere Gegner Rußlands und wird die Lockung nie vorbeigehen lassen, unsere Suprematie im Orient zu brechen.«

Der Kaiser schritt einige Male ungeduldig im Zimmer auf und ab ... »Dieses England! Dieses England! – Ich meinte es so aufrichtig mit ihm. Der Osten und das Meer gehörten uns beiden ohne Eroberung, wenn es ehrlich gehandelt hätte.« – »Sire, ich habe Ihnen immer gesagt, Rußlands natürlicher Verbündeter ist Amerika. Ein Reich, das noch eine Zukunft hat, muß sich nie mit einer Macht alliieren, die bereits auf dem Gipfel steht und nach den Gesetzen der Geschichte und der Natur nur die absteigende Linie vor sich hat.« – »Das hieße aber, sich mit der Revolution, mit der Demokratie verbinden, die ich hasse und bekämpfe.« – »Sire, der Konstitutionalismus von England ist die permanente gefährliche Revolution, nicht Amerika, das nur damit kokettiert. Nach Euer Majestät Prinzip gäbe es dann kein loyaleres Bündnis als Frankreich.«

Der Kaiser schwieg einige Augenblicke ... »Was schreibt man aus Konstantinopel?« – »Staatsrat Pisani berichtet über die revolutionäre Bewegung der Kriegspartei am 10ten. 29. August alten Stils. Um die doppelten Bezeichnungen zu vermeiden, geben wir, auch wo die Szene in Rußland spielt, nur die Daten des neuen Kalenders, der mit dem älteren um 12 Tage divergiert. Was er mitteilt, ist von Wichtigkeit und bestätigt meine Ansichten.« – »Geben Sie mir einen Auszug!« – »Schon seit Beginn des Monats machten sich in Konstantinopel die Bewegungen der Kriegspartei auffallend bemerkbar. Die zweimalige Verwerfung der Wiener Note in dem Diwan vom 14. und 15. August war offenbar ihr Werk. Eure Majestät wissen, daß der Schwager des Sultans, Mehemed Ali, an der Spitze dieser Partei steht und unser gefährlichster Gegner ist. Mehemed Ruschid Pascha, Mahmud Pascha und Hamik Pascha sind seine Anhänger. Kommandeur der Garden. – Großadmiral. – Handelsminister. Wenn auch bei Mehemed nicht, der offenbar von ehrgeizigen Spekulationen getrieben wird, so doch bei mehreren anderen Persönlichkeiten, hätte meiner Ansicht nach Fürst Mentschikoff die zwei Millionen Silberrubel, die er für dergleichen Zwecke mitnahm, weit nützlicher für die Interessen Eurer Majestät verwenden können, als daß er sie unberührt nach Odessa wieder zurückgebracht hat. Der tiefe Verfall der Türkei bedingt, daß in Konstantinopel alles für Geld feil ist.« – »Er ist ein Eisenkopf,« sagte der Kaiser, »und haßt die Türken.«

»Ein wichtiger Teil der kriegslustigen Partei waren von Anfang an die Ulemas und Softas. Der Koran – in arabischer Sprache geschrieben, aus welcher er nicht übersetzt werden darf – ist nicht allein das religiöse, sondern auch das bürgerliche Gesetzbuch. Die Ulemas sind die Ausleger des Korans und bilden daher gleichsam eine Klasse religiöser Rechtsverständiger; Softas heißen die Schüler und Studierenden. Das Haupt der Ulemas ist der Scheik ül Islam (gleichsam Justizminister). Unter ihm steht an der Spitze der Ulemas jeder Provinz ein Karaskier, der aber in Konstantinopel residiert. Diese bilden einen Rat, an den sich der Sultan in wichtigen Dingen mit der Frage wendet, was der Koran entscheidet. Die Erklärung des Rates heißt Fetva. – Der Rat hatte sich für den Krieg entschieden. Es ist dies natürlich, da sie eigentlich den Ultramontanismus des Islam vertreten und für die eigene Existenz kämpfen. Euer Majestät wissen aus den früheren Berichten, daß Sultan Abdul Medschid aller Energie bar und ein Spielwerk in der Hand seiner Umgebungen ist. Um so mehr ist die geringe Diplomatie des Fürsten Mentschikoff zu beklagen. Reschid Pascha hat zwar die westmächtlichen Sympathien, ist aber klug genug, einzusehen, daß der Türkei das unbeschränkte Bündnis mit Frankreich und England mehr Opfer kosten wird, als alle Forderungen des bisherigen diesseitigen Einflusses.« – »Der unheilbar kranke Mann. Meine selige Großmutter Katharina II. hat es schon gesagt.« – »Bereits seit Anfang des Monats hat man an verschiedenen Orten Konstantinopels Anschläge gefunden, durch welche der Sultan aufgefordert wurde, die Fahne des Propheten gegen die Christen zu erheben, oder abzudanken. Die Softas oder Ulemas hielten geheime Versammlungen und am 10ten überreichte eine Deputation von ihnen, von einer großen Versammlung auf dem Atmeidan gesandt, dem Konseil eine Adresse an den Sultan, in welcher durch Sprüche aus dem Koran die Notwendigkeit des Krieges dargetan wurde. Eine zweite Adresse forderte ihn auf, bis zum Beginn des Beiram, also dem 15ten, seine Entscheidung abzugeben oder dem Throne zu entsagen!«

»Ha! Advokaten, Pfaffen auch dort!« – »Wir wissen ganz bestimmt, Sire, daß diese Bewegung im Stillen von Ruschid und zwar im Auftrage Mehemed Alis geleitet wurde. Sowohl Lord Redcliffe, als Herr de Latour wußten darum, denn, nachdem sie auf Grund der bald und mit einem Dutzend Köpfen der Softas gedämpften Emeute erklärt hatten, daß sie zum Schutze der Christen am Beiram einige Kriegsschiffe nach Konstantinopel rufen würden, trafen ohne den Ferman, den der Sultan für die Flotten beharrlich verweigert, bereits am Morgen des 15ten von den Geschwadern in der Besika-Bai zwei englische und zwei französische Dampffregatten ein. – Dies wäre ganz unmöglich gewesen, wenn dieselben nicht bereits vorher Anweisung gehabt hätten. Die englisch-französische Absicht liegt daher klar am Tage.« – »Und der Beiram?« – »Die Prozession ist ruhig vorübergegangen.«

Der Kaiser blieb am Tische des Grafen stehen und stützte die Hand darauf ... »So mögen sie es denn haben,« sagte er nach einer Pause; »man zwingt mich zum Kriege. Ist er einmal eröffnet, so ist sein Ende schwer zu übersehen, und eine innere Stimme sagt es mir, – ich werde dies Ende nicht erleben. Aber mein Rußland wird, und wenn halb Europa dagegen in die Schranken treten sollte, – es wird – es muß siegen! Ich habe es dafür stark gemacht.« Er ging noch einmal gedankenvoll durch das Zimmer. »Ich habe diesen Krieg nicht mutwillig oder eigensinnig hervorgerufen, bei Gott nicht! Aber ich und dieses Reich haben unsere Mission zu erfüllen. Diese Mission ist das Erbe meiner Väter, ein politisches und ein religiöses. Rußland ist der Damm gegen die Revolutionen, gegen die umstürzenden, zerstörenden Ideen von Westen her; darum, um ihnen Trotz bieten zu können, mußte es stark und mächtig sein, und ich habe getan, was an mir war, selbst auf Kosten des eigenen Herzens, vielleicht des Rechts, es kräftig in seinem Innern, gefürchtet nach außen zu machen. Das schwarze Meer ist eine Lebensnotwendigkeit für Rußland, und um seiner Existenz und Zukunft willen kann und wird es nie dulden, daß am Bosporus ein anderer Einfluß dominiert. Seine religiöse Mission, sein Erbe ist der Schutz unseres heiligen Glaubens im Süden und Osten. Elf Millionen Christen sehen aus ihrer Not, aus der täglichen Bedrängnis vertrauend auf mich. –«

»Erinnern Sie sich, Sire, daß diese Absicht schon einmal an der Rivalität von Frankreich und England scheiterte.« – »Sie haben recht, – ich war zu nachgiebig, man soll mich nicht mehr so finden, wenn man mich denn mit Gewalt herausfordern will.« – »Wie denken Eure Majestät über den Plan, den Vize-Admiral Nachimow vorgelegt hat?« – »Nein, Nesselrode, nein! ich weiß, daß er den Erfolg mit einem Schlage sichern, den Sieg in unsere Hände geben und einen vielleicht langen und schweren Krieg vermeiden würde. Die russische Flotte von Sebastopol unerwartet in den Bosporus werfen, die Schlösser als Pfand besetzen und Konstantinopel mit einer Armee im Schach halten – der Plan ist militärisch vortrefflich, aber – es geht nicht!« – »Sire – im Falle eines Krieges sichern Sie dadurch Ihre Flotte und die Herrschaft des Meeres.« – »Nein – nein! – Sebastopol wird meine Flotte schützen, man kann mich höchstens an den Küsten verwunden. Ich aber opferte damit meine ganze Vergangenheit, die bewiesen hat, daß ich kein Eroberer bin. Habe ich nicht im Frieden von Adrianopel, als die Türkei in meiner Hand war, alle Eroberungen zurückgegeben? Habe ich nicht die Beleidigung, die Persien mir angetan, mit dem Erlaß der Kriegsentschädigung vergolten? Haben meine Schiffe und meine Armee nicht den Sultan zweimal vor seinen rebellischen Vasallen gerettet? Wer, frage ich, hinderte mich im Jahre 1848, als alle Welt die Hände voll zu tun hatte, zu nehmen, was ich wollte? – Statt dessen brach ich die Revolution in Ungarn und rettete Österreich.«

Der Reichskanzler beugte sich, ohne ein Wort zu entgegnen, auf seine Papiere nieder. – »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Nesselrode; man hat mich vielfach gewarnt. Fürst Schwarzenberg soll mit bezug auf Rußland noch kurz vor seinem Tode gesagt haben: Europa würde binnen wenig Zeit über die Undankbarkeit Österreichs staunen, aber ich glaube daran nicht. Von Fritz, meinem Schwager, weiß ich, daß er es ehrlich meint mit Rußland, wenn ich auch nur passiven Beistand von dort erwarte. Die heilige Allianz, die Sie selbst mit sich schließen halfen, ist ein Erbe unserer Vorgänger, das uns heilig ist. Ich traue auf den Kaiser Franz Joseph, er ist ein junger Mann, der die Traditionen Österreichs nicht zu schanden machen wird. Vertrauen erweckt Vertrauen! Hier biete ich es!«

Der Kaiser nahm einen versiegelten Brief von seinem Tisch, der dort umgekehrt gelegen, und reichte ihn dem Kanzler ... »Ich schrieb ihn diese Nacht. Schicken Sie ihn sogleich mit einem Kurier nach Olmütz ab, wo auch mein Schwager Wilhelm bereits eingetroffen sein wird. Es ist die Anzeige meines Besuches im Olmützer Lager. – Sie werden mich begleiten; wir reisen morgen nach Warschau ab.« Der Graf legte den Brief in sein Portefeuille. »Und nun, Batuschka,« (Väterchen) sagte der Kaiser freundlich und legte ihm die Hand auf die Schulter, »wie denkst du über den Erfolg? Werden England und Frankreich im Falle eines Krieges wirklich auf den Kampfplatz gegen mich treten, wenn man meine Westgrenzen durch Deutschland gesichert sieht?«

»Sire, ich habe bereits Euer Majestät wiederholt meine Überzeugung ausgesprochen und durch Gründe belegt, daß die Verwickelung von Frankreich veranlaßt ist und nicht so weit getrieben sein würde, wenn man nicht von vornherein die Absicht eines Krieges zwischen Eurer Majestät und England gehabt hätte. Ich bin noch immer der Ansicht, daß unsere Zeit noch nicht gekommen war, unsere Einrichtungen und Transportmittel sind noch nicht vorgeschritten genug, – mit einem Wort, Sire, wir sind nicht vorbereitet.« – »Dolgorucki steht für die Armee, ich kenne sie selbst genau und weiß, was Kronstadt und Sebastopol leisten können; Kleinmichel hat Zeit und Mittel gehabt, die Straßen im Süden genügend instand zu setzen, so daß der militärischen Kommunikation kein Hindernis im Wege steht, wenn wir auch noch keine Eisenbahn haben.« – »Die geringe Anzahl unserer Truppen in den Fürstentümern beunruhigt mich, Sire. Ist der Krieg unvermeidlich, so muß man ihn mit voller Energie beginnen.« – »Aber ich habe dir gezeigt, man macht mir die Pfandnahme ohnehin schon zum Vorwurf, selbst mein Schwager in Berlin. Eine Operations-Armee würde unsern Gegnern nur Waffen in die Hände gegeben haben. Übrigens ist Gortschakoff stark genug, dem Renegaten Omer die Spitze zu bieten.« – »Die französische Armee ist in vorzüglichem Stand und disponibel. Die verschiedenen Lager sind nicht ohne weitergreifende Absichten gebildet. Wenn auch die englische Landmacht nicht ins Gewicht fällt, so kann das Bündnis doch binnen kurzer Frist eine sehr bedeutende Macht an den Bosporus werfen, die entente cordiale wird sich ergänzen und hat die Mittel in Händen.« – »Sie ist unerhört, diese unnatürliche Verbindung gegen alle Tradition und Politik! Und es scheint ernst damit zu werden.« – »Sire, ich glaube, ganz Europa hat sich in Napoleon III. verrechnet. Es ist offenbar, daß England hierbei sein Werkzeug ist. Er hat eine Erbschaft angetreten, deren erster Artikel der Haß gegen England und Rußland ist, an denen sein Oheim unterging. Er hat vor diesem die Erfahrung und Ruhe voraus. Ein einziges Wort, das ihm zur Zeit des Staatsstreiches entschlüpft ist, enthüllt seine Pläne und seinen Charakter.«

»Was meinen Sie?« – »Die Rache ist ein Gericht, das kalt genossen werden muß.« – »Wissen Sie, Nesselrode,« sagte der Kaiser vertraulich, daß ich anfange, gewisse Vorschläge an Frankreich zu bereuen?« – »Die von Eurer Majestät großem Ahnen überkommene Politik und das Interesse Rußlands geboten den Versuch und gehen über jede andere Rücksicht.« – »Sie überzeugen mich, und dennoch kann ich noch immer nicht glauben, daß man zu einem Angriff gegen mich schreiten wird.« – »Ich wiederhole Eurer Majestät, der Angreifende hat den Vorteil. Es ist ein Krieg und eine Rache der Revolution gegen uns.« – »Europa, die Throne sollten das bedenken.« – »Leider ist auch in dieser Beziehung zu wenig vorbereitend geschehen. Eure Majestät sind nun einmal eingenommen gegen die Macht und die Bedeutung der Presse.« – »Bah, ich verachte sie, es ist hohle Lüge und Deklamation durch und durch. Nichts zuverlässiges. Auf Ihren Wunsch habe ich ja zwanzigtausend Imperials für die Zwecke bewilligt, was wollen Sie noch mehr?« – »Sire, ich glaube, es war zu spät. Die Presse läßt sich in unserer Zeit wohl beeinflussen, aber nicht mehr kaufen. Wir haben manches versäumt. Ich kann mich von dem Glauben nicht losmachen, daß Eure Majestät der altrussischen Partei zu schnell nachgegeben haben.«

»Wohl, so sei diese Reise der letzte Versuch, den Frieden zu sichern. Ich werde den Angriff abwarten, und sie mögen zerschellen an Rußlands Kraft. Sind weitere Depeschen und Nachrichten eingegangen?«

»Der ausführliche Bericht des Staatsrats Fonton über seine Reise durch Serbien liegt vor. Die Bevölkerung ist begeistert für Eure Majestät und das Auftreten Rußlands.« – »Das gibt Österreich einige Beschäftigung und sichert uns vor Überflügelung.« – »Oberst Berger befindet sich wieder in Cetinje. Sein Einfluß ist durch die Bemühungen des Wiener Kabinetts sehr beschränkt. Der Vladika hat neuerdings strenge Verfügungen gegen die Razzias in das türkische Gebiet erlassen müssen. Im Volk selbst aber herrscht die Erbitterung fort und zeigt sich bei jeder Gelegenheit, namentlich seit einer der gefeiertsten Häuptlinge, der Beg Marinowitsch, von den Türken ermordet worden ist.« – »Wenn der russische Adler ruft, werden meine wackeren Montenegriner nicht müßig sein. – Es war ein großer Fehler am Wiener Kongreß, Montenegro zu isolieren und Korfu aufzugeben.« – »Baron von Meyendorf meldet aus Wien, daß man dort die bestimmten Beweise habe, daß die Führer der revolutionären Propaganda, namentlich Kossuth und Mazzini, mit der Kriegspartei des Diwan in genauem Rapport stehen.« – »Das müßte man von Konstantinopel aus wissen. Wir sind dort bei weitem nicht mehr so gut bedient wie früher.« – »In Madrid ist das Ministerium Lersundi gefallen. Der Sieg der revolutionären Partei bereitet sich vor.« – »Der Fluch des begangenen Unrechts. Es fehlt diesen Bourbonen an persönlichem Mut, ihr Alles in die Schranken zu werfen, sonst hätten längst die Dinge im Westen einen anderen Gang genommen.« – »Der Kriegsminister wird Eurer Majestät die Berichte des Fürsten Gortschakoff vorlegen, sowie den Rapport über den Zustand der Festen am kaukasischen Ufer.« – »Es ist bereits beschlossen, ich gebe sie auf.«

»Fürst Mentschikoff sendet Berichte aus Konstantinopel. Der Rest der türkischen Truppen ist am 10. nach Varna abgegangen. Die türkisch-ägyptische Flotte liegt noch immer unverändert vor Beykos. Der spanische General Prim ist nach Schumla abgereist, nachdem er in Konstantinopel spärliche Beachtung gefunden hat.« – »Der Don Quixote!« – »Am Libanon unter den Drusen sind neue Unruhen ausgebrochen, – ich habe unsere Agenten in Syrien instruieren lassen. An verschiedenen Stellen Rumeliens, z. B. in Saloniki, haben neue schändliche Mißhandlungen der christlichen Untertanen ganz ungescheut stattgefunden. Aus Bulgarien ist eine Deputation in Konstantinopel angekommen, welche über die Scheußlichkeiten der Baschi-Bozuks gegen die Bevölkerung Beschwerde führen soll.«

Der Kaiser lachte verächtlich ... »Gerechtigkeit und Schutz bei dem Moslem! – Täglich solche Erfahrungen, und das christliche Europa will mir nicht gestatten, Christen gegen ihre eingeborenen Henker zu schützen! – Haben Sie aus Athen Nachrichten?« – »Eine unbedeutende Veränderung im Ministerium. Das Ministerium der Justiz, das der Minister des Auswärtigen Pajkos bisher verwaltet, ist an den Professor Gilitza übergegangen. Der englische Gesandte tritt in animoser Weise gegen die Sympathien auf, die sich offen unter der Bevölkerung Athens und des Landes für uns zeigen.« – »Nichts Näheres? – Sie wissen, Graf, seine Macht ist Null, aber ich rechne viel auf die Sympathien Griechenlands vor den Augen Europas.« – »Alle Vorbereitungen sind getroffen, im Augenblick einer Kriegserklärung wird Major Caraiskakis sofort an der Grenze die Fahne des Kreuzes aufpflanzen und den Aufstand nach Epirus und Thessalien werfen. In Albanien von Montenegro aus wird sein Stiefbruder Grivas dasselbe tun. Es gärt überall im Lande.«

Die Uhr schlug acht. Mit dem letzten Schlage trat der diensttuende Adjutant in das Kabinett ... »Sind wir zu Ende, Herr Reichskanzler?« – »Ja, Sire!« – »Ah, guten Morgen, Mansuroff. Sie werden mich begleiten. Wer hat heute außer den Befohlenen um Audienz nachgesucht?« – »Fürst Iwan Oczakoff bittet um die Gnade, sich vor seiner Abreise beurlauben zu dürfen.« – »Ist er nicht dem Stabe des Fürsten Mentschikoff beibeordert worden?« – »Zu Befehl, Sire, doch hat er zuvor Urlaub, seine auf der Kurierfahrt von Paris in Berlin erkrankte Schwester auf ihre Güter in der Krim zu bringen. Die Ärzte haben ihr den Aufenthalt im Süden verordnet.« – »Wer weiter?« – »Graf Lubomirski, den Eure Majestät vom Exil begnadigt haben, will Allerhöchstihnen seinen Dank zu Füßen legen.« – »Lubomirski? – Er hat einen braven Enkel, doch liebe ich die Begegnung mit dem alten Rebellen nicht; es ist genug, daß ich verzeihe. Es war ja wohl auf Ihre Empfehlung, Nesselrode?« – »Er ist ein alter Mann und hat uns in Paris mancherlei Dienste geleistet.« – »Genug; sagen Sie den Herren, ich nähme die Meldung für empfangen an, aber meine Zeit wäre heute allzu beschränkt. Herr Reichskanzler, für morgen früh 6 Uhr! Der Großfürst Nikolaus wird uns begleiten, von Warschau aus der Fürst Statthalter.« – »Sire, ich werde die Ehre haben, Eure Majestät auf der ersten Station zu erwarten. Ich beurlaube mich!« – »Adieu! Adieu! – Geben Sie mir den Helm, Mansuroff, kommen Sie!« – Der Kaiser verließ das Kabinett.

III. Wien.

Im Hofraum eines jener alten aristokratischen Palais, deren die Altstadt Wien in ihren krummen, mittelalterlichen Straßen noch viele bewahrt hat und welche die hohen Familien, wie zu ihrem Geschlecht gehörig, sorgsam hegen, hielt ein reichgallonierter Stalldiener zwei prächtige ungarische Pferde in schwerem Silbergeschirr mit rotseidenem Behang und Zügeln, vor einen zierlichen Tilbury gespannt, dessen leichter graziöser Bau mindestens das englische Muster verriet. Ein Jockey, in Grün und Silber gekleidet, stand daneben, während nicht weit davon ein Reitknecht zu Pferde mit einem schönen, halbblütigen Reitpferde wartete.

Die Vordertreppe des Mittelbaues kamen soeben ein Herr und eine Dame herunter; die letztere, eine elegante Schönheit, etwa 24 Jahre, von feinen, zierlichen Formen. Das länglich schmale, blasse Gesicht mit der feingebogenen Nase und den hochgeschwungenen, aber scharf gezeichneten, schwarzen Brauen über den feurigen Augen kündete den sarmatischen Ursprung. Ein tief nach den üppigen Haarflechten des Hinterkopfes zurückfallender kleiner Damenhut, ein weiter, reicher Kaschmirshawl um das hoch am Hals hinaufgehende, dolmanartig geschnittene und verzierte Kleid bildeten eine zierliche Tracht und hoben den feinen, kaum die Mittelgröße erreichenden Wuchs. Eine große Lebendigkeit und Rastlosigkeit tat sich in allen Bewegungen der Dame kund. Ihr Begleiter trug die Interims-Uniform eines russischen Kapitäns mit dem Kaskett. Er war ein großer, schlank gewachsener Mann von nahe an dreißig Jahren und ernster, denkender Gesichtsbildung. Seine Brust schmückte die Miniatüre dreier Orden, eines russischen, eines österreichischen und eines preußischen.

»Da Ihr Onkel mich für die Spazierfahrt im Prater zu Ihrem Kavalier ernannt hat, schöne Gräfin,« sagte der Offizier, indem er die Dame auf den Sitz des Wagens hob und Zügel und Peitsche aus der Hand des Stallknechts nahm, »so erlauben Sie, daß ich Jockeydienste verrichte.« – »Nichts da, Kapitän; lassen Sie Ihr Pferd meinetwegen folgen und setzen Sie sich zu mir. Aber von der Brücke ab verwalte ich selbst mein Amt und lasse mir durch Sie das gewohnte Vergnügen nicht schmälern. Sehen Sie, wie Ali und Miß Baba in die Zügel beißen, weil Sie die gewohnte Hand vermissen.« – »Die Pferde sind in der Tat heute sehr unruhig,« sagte der Kapitän, indem er sich auf den Sitz schwang und der Jockey hinten auf sprang; »es wird eine Männerhand erfordern, sie zu bändigen.« Er nahm ihre Zügel zusammen, und ein leichter Schmiß der Peitsche trieb sie vorwärts und aus dem Torweg ... »Nehmen Sie sich in acht,« sagte die Dame; »ich bin gestern und vorgestern nicht gefahren, und meine Pferde sind heißblütig, wie die Söhne ihres Landes.«

Der Wagen bog in eine der Gassen, die nach dem Stephansplatze führen. Hoch und kühn streckte sich dieser schönste und berühmteste Dom Deutschlands in die blaue Luft. Nach dem Rotenturmtor ging die Fahrt, während deren in den Straßen die Unterhaltung stockte, da die unbändigen Rosse alle Aufmerksamkeit des Führers in Anspruch nahmen; dann über die schöne Donaubrücke durch die Jägerzeile nach dem Praterstern. Als sie am Neubau des Renzschen Zirkus vorüber ins Freie gekommen, legte die Gräfin die Hand auf den Arm ihres Kavaliers ... »Halt da, Herr Kapitän, hier endet Ihr Amt. Ist es Ihnen wirklich Ernst, meinen Jockey zu spielen, so nehmen Sie seinen Platz ein und lassen Sie meinen Ioan Ihr Pferd besteigen, der kleine Bursche reitet vortrefflich. Ich muß Raum haben für meine Zügelkünste.«

Der Kapitän hielt an und schaute ihr einen Augenblick in die dunklen Augen, auf deren zauberhaftem Grund ihm hinter dem leichten Ton des Scherzes eine ernstere, verhaltene Stimmung zu begegnen schien. Dann übergab er galant Zügel und Peitsche, schwang sich auf den Hintersitz und schickte den Jockey zu seinem nachfolgenden Reitknecht. Die Peitsche pfiff durch die Luft, die mutigen Rosse schlugen aus, und im Galopp bog das leichte Fuhrwerk in die große Prater-Allee.

Obschon in diesem Augenblick der Hof, alle höheren Militärs und ein großer Teil des vornehmen Adels und der Diplomatie sich im Lager von Olmütz befanden, wo eben der Besuch des Kaiser Nikolaus stattgefunden, – war doch, aus den Bädern zurückgekehrt, vornehme und reiche Welt genug in Wien, um die tägliche Praterfahrt glänzend zu machen. Es war der erste Oktober, ein prachtvoller Herbsttag, und Equipagen aller Art, besetzt von Damen in jener elegant harmonischen Toilette, durch welche die Schönen Wiens berühmt sind, kreuzten sich in der breiten vierten Allee, die dem Korso der vornehmen Welt vorbehalten scheint. Dazwischen Reitergruppen oder einzelne Reiter auf schönen Pferden, durch die sich Wien gleichfalls auszeichnet. Während der Tilbury der Magyarin in raschem Trab oder im Galopp des Gespanns dahinflog und die geschickte Hand der Führerin nach rechts und links ausbog oder im wilden Lauf die Vorfahrenden überholte, erwiderte sie zahlreiche Grüße, die ihr von allen Seiten wurden, und mancher den Kapitän um die schöne Nachbarschaft beneidende Blick folgte dem Gefährt. Unter den Begegnenden befand sich ein großer, schöner Mann von militärischem Aussehen, in eleganter Zivilkleidung, der den feurigen Rappen, den er ritt, kräftig im Zügel hielt. Das Gesicht trug die fest geschnittenen, italienischen Formen mit dem wachsartigen Teint; um Mund und Nasenflügel lag ein eigentümlich scharfer Zug. Er verbeugte sich tief vor der Gräfin, die sehr freundlich, aber mit einiger Verwirrung den Gruß erwiderte und zugleich die Pferde zu noch rascherem Laufe anfeuerte.

Der Kapitän lehnte über die Wand des Vordersitzes ... »Sie treiben die Pferde zu stark, Gräfin, es ist Gefahr, daß sie durchgehen.« – Sie lächelte spöttisch ... »Wie kann der tapfere Besieger des Ungarvolkes von Gefahr sprechen? – Doch Sie haben Recht, Ali und Baba haben ihre Schuldigkeit getan und uns aus diesem Gaffen und Begegnen geführt. Jetzt mögen Sie Ruhe haben.« Damit bog sie in eine Seitenallee, die fast leer war, ließ das schöne Gespann nachlässig in leichtem Trabe vorangehen und setzte sich bequem in die Ecke des Sitzes zurück ... »Darf man fragen, warum Kapitän Meyendorf nicht, wie halb Wien, mit seinem Onkel, dem Ambassadeur, in dem glänzenden Lager von Olmütz sich befindet?«

Der Kapitän errötete leicht ... »Außer Ihrem demütigen Diener scheinen doch auch andere Militärs und Verehrer der Schönheit in den Ringmauern Wiens zurückgeblieben, so daß mein Verweilen wohl nicht auffallen kann, Graf Pisani zum Beispiel, von der sardinischen Gesandtschaft, dem wir eben begegneten ...«

Die Dame lächelte ... »Sie sind eifersüchtig, Kapitän?« – »Nein – aber ich fürchte!« – »Für mich?« – »Ja.« – »Und was könnte wohl Ihre Besorgnis für die Gräfin Laszlo, die Nichte eines Esterhazy, rechtfertigen?«

Der Offizier beugte sich noch weiter vor, gleich als sollten selbst die Bäume umher seine leisen Worte nicht hören ... »Gräfin Helene besucht häufig die Gesellschaften der Frau von Czezani, die auch Oberst Pisani frequentiert!« – »Was mehr, mein Herr?« – »Die Wiener Polizei ist berühmt, doch, Gräfin, entgeht auch ihr so mancherlei. Warum soll ich nicht aussprechen, was doch stadtbekannt ist, – daß man in unserem Gesandtschaftshotel besser unterrichtet ist, als selbst Herr von Bach? – Ich kenne die Berichte über jene Zirkel.« – »Ich hätte nie geglaubt, daß Kapitän von Meyendorf sich mit politischer Spionerie beschäftigen könnte.«

Der Offizier schwieg tief verletzt und lehnte sich zurück. Sie sah, daß sie sich zu weit hatte hinreißen lassen und legte mit bezaubernder Freundlichkeit die Hand auf seinen Arm ... »Ich habe unrecht, – aber bedenken Sie selbst, welche tiefe Erbitterung diese fortwährende geheime Polizei unter meiner Nation erregen muß. Frau von Czezani ist meine Jugendfreundin.« – »Ich weiß es, und deshalb warne ich so dringend. Ich weiß, daß unter der Maske von Soiréen der eleganten Welt sich dort offen und geheim zusammenfindet, was die Hauptstadt an unruhigen, revolutionären Geistern in ihren höheren Schichten birgt. Von hier aus datierte das geheimnisvolle Komplott im Juni mit dem Vergiftungsversuch und den Verhaftungen in Schönbrunn, dessen Zusammenhang die Pforte vergeblich zu erforschen suchte. Und mit Schmerz muß ich es sagen, daß Gräfin Helene, die Zierde Wiens und ihres Vaterlandes, diesem dunklen Treiben nicht fremd ist, es wenigstens kennt und billigt.«

Die schöne Witwe war während dieser Enthüllung bleich geworden, ihre feingeschnittenen Lippen kniffen sich fest aufeinander ... »Es ist wahr, – was soll ich leugnen?« sagte sie endlich stolz; »ich weiß von jener Abscheulichkeit nichts, aber ich werde gern eine Märtyrerin sein für mein Vaterland, wie so viele bessere Frauen gewesen sind unter der Staubrute des Prangers, wie in dem Moder österreichischer Kerker. Glauben Sie wirklich, daß das Blut der Bathyani, das in meinen Adern fließt, vergessen kann, daß mein Verwandter den Galgen zierte, daß es vergessen kann Ungarns Rechte und Freiheiten?« – »Aber Ihr Oheim, Ihre Vettern sind auch Ungarn und doch gute Österreicher, wie tausend andere.« – »Sie sind Diener und Anhänger des Kaiserhauses. Ich aber habe die Milch meines Landes getrunken und bin in ihm groß geworden. Doch sind das Anschauungen des Gefühls und der Entscheidung jedes einzelnen. Um vieles nicht möchte ich Kummer auf das weiße Haar meines Onkels bringen und danke Ihnen deshalb für Ihre Warnung. Ich werde in drei Tagen auf meine Güter am Maros gehen. Will Kapitän Meyendorf einen Teil der Jagdzeit auf meinem Schloß Bisztra zubringen, das er kennt, so findet er dort – wenn auch nicht durchgängig angenehme – Gesellschaft und wird willkommen sein.«

Der Kapitän schwieg einige Augenblicke ... »Ich verlasse Wien wahrscheinlich noch früher wie Sie, Gräfin.« – »Wie das?« – »Man erwartet jeden Augenblick von Konstantinopel eine entscheidende Nachricht. Der Kaiser ist gestern, wie Sie wissen, nach Warschau zurückgereist und wird sie dort in Empfang nehmen. Ist die Pforte wahnwitzig genug, die Kriegserklärung zu beschließen, so werde ich wahrscheinlich als Kurier zum Fürsten Gortschakoff gehen müssen. Ohnehin ruft mich dann meine militärische Pflicht in die Reihen der Donau-Armee.« – »Wissen Sie, Kapitän, daß ich Ihnen dort näher sein werde, als Sie glauben?« – »Wie meinen Sie das, Gräfin?« – »Von der Familie meiner Mutter habe ich zwei Güter am Schyl in der Nähe von Krajowa geerbt. Sie sehen daraus, daß ich schon als gute Untertanin des Sultans, meines Oberherrn, Ihre Gegnerin sein muß. Ich denke also, noch in diesem Herbst, spätestens im Frühjahre, meine Walachen zu besuchen.« – »Das dürfte doch leicht zu gefährlich sein. Sollte es wirklich geschehen, so würde es mir hoffentlich leicht werden, ein Kommando in jener Gegend zu erhalten, um zu Ihrem Schutze bereit zu sein.« – »Sie sind zu galant, Kapitän,« lächelte die Gräfin mit leichter Koketterie; »ich kann kaum annehmen, daß meine kleine Person wirklich einen Anspruch auf Ihr Interesse hat.«

Der Offizier beugte sich über den Sitz weit vor. – »Sollte Gräfin Helene in der Tat nicht wissen, welches Bild in diesem Herzen lebt, seit ich Sie damals auf Schloß Bisztra am Lager Ihres kranken Gemahls zuerst erblickte?« Die Gräfin schwieg – Zügel und Peitsche ruhten achtlos in ihrer Hand. »Es ist eine eigentümliche Gelegenheit, es auszusprechen,« fuhr der Kapitän in bewegtem Tone fort, »aber Sie wissen, dem Soldaten gehört der Augenblick. Seit jener Zeit, seit ich Sie sah, Helene, liebe ich Sie innig und fest, solange dies Herz schlagen wird. Als Mann von Ehre darf ich jetzt keine Frage an Sie richten, da ich im Dienst und bei den drohenden Verhältnissen nicht Herr meiner selbst bin; ich möchte es nicht – weil ich in Kampf und Tod wenigstens die Hoffnung mit mir tragen will, in diesem stolzen Herzen ein Gedächtnis zu finden. – Aber sagen, sagen mußte ich es Ihnen, ehe ich scheide und jetzt, Gräfin von Laszlo, wissen Sie, warum ich in Wien blieb.«

Eine lange Pause folgte dem inhaltsschweren Geständnis; auf Stirn und Wangen der schönen Magyarin zeigte die Röte ihre innere Erregung. Ein Kampf schien in ihrer Seele vorzugehen ... »Ich muß und will Ihnen dennoch eine Antwort geben, Herr Kapitän. – Wissen auch Sie, warum ich aus den Reihen der Equipagen in die einsame Allee einbog?« – Er schaute sie fragend an. Ihr dunkles Auge war zu Boden geschlagen, – sie achtete es nicht, wie leicht die Zügel ihrer Hand entglitten.

»Ich glaubte, – ich wußte, daß Sie mir das sagen würden, was ich eben gehört.« – »Helene!« – »Halt, mein Freund! – Sie wissen, daß ich jung einen greisen Gatten erhielt, den ich kaum zwei Jahre lang als meinen Vater ehrte.« – »Ich habe ihn gesehen. Sie pflegten den Greis wie einen Geliebten.« – »Familienverhältnisse ließen mich seine Gemahlin werden, – er sah den Ausgang der Erhebung unseres Landes voraus, den sichern Ruin unserer Familie vor Augen und wollte mich, die er als Kind geliebt, retten und mir eine Zukunft bereiten. Ich wurde die Erbin aller seiner Güter.« – »Gräfin!« – »Still! Was kümmert es uns, ob diese reich oder gering sind, und ob diese Hand ihres Goldes wegen vielbegehrt ist? – Krankheit fesselte meinen Gemahl an sein Schloß während des ganzen Krieges, obschon er an dem Aufstand keinen Teil nahm und jeden Verkehr mit den Führern soviel als möglich vermied. Aber mein Herz flog mit unseren Fahnen, meine Seele war in den Schlachten, die mein Volk kämpfte, meine Tränen flossen mit seinem Blut und meine Pulse jubelten mit seinen Siegen!« – »Und ich, Ihr Feind!« – »Da kommen Sie, mit den Armeen des Zaren, die die Ungarn aufs neue in Fesseln schlugen. Sie, die fremde Nation, brachten die Ketten, die den erwachten Riesen zu Boden warfen. Welche Gefühle, meinen Sie, müßte die Tochter Ungarns für den fremden Unterdrücker haben?« Er schwieg. »Doch Sie sind Soldat, Sie der einzelne, Willenlose. Als solcher waren Sie edel und gut, – ich danke Ihnen viel, vielleicht Ehre und Leben, als Sie die Marodeurs unserer eigenen Armee, – den Auswurf der Zerstreuten, Geschlagenen, bei der Plünderung unseres Schlosses überraschten und zurückschlugen. Sie schützten uns gegen alle weiteren Gefahren.«

»Auch das war Soldatenpflicht.« – »Es waren zwei Bilder, die in meiner Erinnerung blieben, derselbe Gegenstand und doch so verschieden, der Feind und der Freund.« Sie atmete schwer, ihre Stimme zitterte ... »Die drohenden politischen Stürme werden, auch ohne unser Zutun, in vielen Ländern Veränderungen hervorbringen, – wie ich hoffe, auch in meinem Vaterlande.« – »Täuschen Sie sich nicht mit solchen Erwartungen und, ich beschwöre Sie und will für diese Bitte jede Hoffnung opfern, – denken Sie an das Schicksal der Gräfin Tekely. Bricht der Krieg aus, so wird Österreich sicher mobil machen und seine slawischen Provinzen besetzen und niederhalten; denn es weiß sehr wohl, daß ihm hier die nächste Gefahr droht. Geben Sie einen Traum auf, der nur zum Verderben führt.«

Die Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoß, – so jagten die Pferde, die Zügel am Boden schleifend, – sie merkte nicht – er merkte nicht auf die Gefahr. – »So leben Sie wohl – meine Gebete geleiten Sie in den Sturm der Schlacht!« – »Helene!« – Sie reichte ihm stumm die Hand, die er an seine Lippen preßte. – – – – –

Aus einem Seitenweg brachen im Galopp drei Reiter, Graf Pisani unter ihnen. Die Pferde vor dem Tilbury der Gräfin scheuten zurück, die haltende Hand fehlte, im rasenden Lauf brausten sie dahin ... »Um Gott – die Zügel!« Die Gräfin saß bleich, ratlos in der Ecke ihres Sitzes. Tief von dem seinen beugte sich der Offizier und versuchte vergeblich die Zügel zu haschen, die unter den Rädern dahinschleiften und, sich in die Füße der Pferde schlingend, diese nur noch scheuer machten. Der leichte Wagen flog von einer Seite zur anderen – jeder Augenblick drohte ihn zu zerschellen. Gräfin Helene hielt sich mit Mühe fest auf dem Sitz. Die plötzliche Todesgefahr hatte die Schwäche des Weibes in ihre volle Macht eingesetzt ... »Allmächtiger Gott – wer hilft?« – »Halten Sie fest, Gräfin, – ich versuche alles!«

Während des rasenden Laufes, doch mit besonnener Vorsicht, schwang sich der Offizier, nachdem er seinen Degen von sich geworfen, von seinem Platz an die Seite des Wagens nach dem Auftritt zum vorderen Sitz, darauf Fuß fassend. Der Auftritt war kaum anderthalb Fuß hoch vom Boden, und so, mit der Hand sich am Wagen selbst festhaltend, versuchte er die Leine zu haschen. Die ersten Versuche mißglückten, dann gelang es ihm, die Zügel zu erfassen, aber verwickelt in das Geschirr wie sie waren, und durch das Anspringen der Pferde erhielt er von ihnen einen so gewaltigen Ruck, daß er die Balance und den leichten Halt verlor und schwer zu Boden stürzte. Ein lauter Aufschrei der Gräfin gellte in seine Ohren, – einen dunklen Schatten sah er vorüberfliegen, während er, die Zügel nicht loslassend, mehrere Schritte fortgeschleift wurde; dann ein plötzlicher Ruck, daß der Wagen erzitterte, und die wilden Renner standen wie eine Mauer.

Als der Offizier sich aus der augenblicklichen Betäubung emporraffte, hielt Graf Pisani auf seinem schäumenden Renner vor dem Gespann, und dessen Kinnketten in seiner kräftigen Faust. Dann den herbeispringenden Gesellschaften die weitere Bändigung der Pferde überlassend, sprang er aus dem Sattel und eilte, die halb ohnmächtige Dame von ihrem Sitz zu heben, worauf er sie halb schwebend zu einem nahen Ruhesitz unter den Bäumen der Allee trug ... »Gerettet, und durch mich!« sagte der Italiener mit Bedeutung. »Ein glücklicher Tag, der mir zugleich die Hoffnung gibt, Sie nochmals zu sehen, Gräfin. Es sind vor einer Stunde höchst wichtige Nachrichten eingegangen – alle Vertrauten versammeln sich bei der Czezani.« – Sie vermochte, erregt, alle Pulse fliegend, ihm nicht zu antworten, kaum zu stammeln: »Mein Begleiter – der Kapitän – –« – »Ah, sorgen Sie nicht«, lachte spöttisch der Graf. »Ein bischen Schmutz – das ist ja ihr Element. Ein Russe macht sich nichts daraus und kommt immer wieder auf seine Füße.« Er beschäftigte sich eifrig um sie, die mit Gewalt die Aufregung überwand und sich schnell erholte ... »Wir rechnen sicher auf Ihr Erscheinen, Gräfin, – es ist dringend, ich muß Sie sprechen.« – »Ich werde kommen. – Doch wo ist Herr von Meyendorf?«

Sie wandte umherblickend das schöne Haupt, – ihr Auge traf auf den Kapitän, der, beschmutzt vom Staub des Weges, den Uniformrock an mehreren Stellen zerrissen, kaum zwei Schritte von ihnen stand und beide mit finsteren Blicken maß. Sie stand auf und reichte ihm die Hand ... »Sie haben sich um meinetwillen gefährdet, – Sie konnten sich töten!«

Indem bemerkte sie dunkle Blutstropfen, die seine linke Manschette färbten und an der Hand herunterrollten ... »O Gott, Sie bluten – Sie sind schwer verletzt?« – »Nur unbedeutend, – das scharfe Eisen ritzte mir den Arm. – Diesmal«, fügte er mit kaltem Lächeln hinzu, »blute ich wenigstens für Ungarn.«

»Es ist unser Handwerk,« sagte Pisani, »und der Herr Kapitän achtet dessen um so weniger, als vielleicht russisches Blut bald in Strömen vergossen werden wird.« – »Vielleicht ist es auch möglich, die Farbe des sardinischen zu erproben!« – »Ich hoffe,« entgegnete der Oberst stolz, »daß Seine Majestät, der König Viktor Emanuel, uns diese Probe durch seinen Beitritt zu den Westmächten gewähren wird.«

Die Gräfin unterbrach die bitteren Worte, die wie Pistolenkugeln hinüber und herüber flogen ... »Die Pferde sind beruhigt, Dank Ihrer mutigen Dazwischenkunft, Herr Oberst. – Ich glaube, ich kann ungefährdet meinen Sitz wieder einnehmen.« – »Darf ich mir erlauben, meine Dienste anzubieten, da der Herr Kapitän wahrscheinlich vorziehen wird, die Rückkehr seines Dieners mit neuen Kleidern aus der Stadt zu erwarten?« – »So wollen wir das gemeinschaftlich tun; ich bitte, Kapitän, senden Sie rasch.« – »Es ist bereits geschehen,« sagte der Offizier, der seinem eben herbeigekommenen Reitknecht den Befehl gegeben und den Zügel seines Reitpferdes in die Hand genommen hatte. »Indes bitte ich dringend, gnädigste Gräfin, sich meinetwegen nicht aufzuhalten. Ich werde im nächsten Café die Rückkehr meines Dieners erwarten, und bedaure nur, daß der Unfall mich hindert, die mir vom Fürsten, Ihrem Oheim übertragene und von mir vernachlässigte Pflicht besser zu Ende zu führen. Der Herr Oberst wird sicher aufmerksamere Sorge tragen.«

Sie sah ihm erstaunt in das Auge, das kalt und gemessen dem ihren begegnete. Dann ging sie stolz nach dem Wagen, an dem die beiden Begleiter des Obersten noch hielten. Die Pferde hatten sich vollständig beruhigt, der Jockey stand an seinem Platz ... »Darf ich die Ehre haben, den Rosselenker zu machen?« – »Nein,« sagte sie kurz abgestoßen, »ich will selbst fahren; man würde sonst glauben, ich hätte mich gefürchtet.« – »So erlauben Sie mindestens, daß wir Sie zu Pferde begleiten. Unmöglich können wir Sie allein lassen.«

Sie nickte stumm und ließ sich auf den Sitz heben, wo sie die Zügel aus des Jockeys Hand empfing. Während die Kavaliere sich auf die Pferde schwangen, wandte sie sich noch einmal zu ihrem früheren Begleiter, der mit kalter Höflichkeit an der Seite des Wagens stand ... »Werde ich Sie noch sehen vor Ihrer Abreise?« – Ein eisiger Blick begegnete ihrem fast zärtlich fragenden Auge ... »Die Gräfin von Laszlo hat der Freunde so viele, die sie sehen und sprechen muß, daß ich ihre kostbare Zeit nicht beschränken darf.«

Der Wagen flog dahin – er sah die Träne nicht, die sie im stolzen Zorn zwischen den dunklen Wimpern zerdrückte. Aber am Boden sah er es weiß schimmern, das hob er auf und preßte es an das heiße Gesicht und barg es auf dem tief verletzten Herzen. – – – – – – –

In der Nähe des Palais beurlaubten sich die Reiter von der schönen Gräfin, und Oberst Pisani kehrte nach seiner Wohnung zurück. Als er dort ankam, fand er am Haustor lehnend und auf ihn harrend einen Mann von wildem, kühnem Aussehen. Der Fremde mochte an zehn Jahre mehr als der Oberst zählen, der eben das vierzigste angetreten, doch zeigten nur wenig ergrauende Haare am Scheitel und in dem kräftigen Bart, der den unteren Teil des Gesichts bedeckte, das beginnende Alter. Er war eine sehnige, mittelgroße Gestalt; kräftige Beine verrieten den Bergbewohner.

»Ah, Signor, das nenn' ich pünktlich,« sagte der Sarde laut zu dem Fremden, indem er sich vom Pferde schwang. »Kommen Sie mit hinauf zu mir, damit wir unseren Handel abschließen.« Damit klopfte er das treffliche Roß kosend auf den Nacken. »Du hast mir heute einen großen Dienst erwiesen, Diavolo, der mich meinem Ziele um vieles näher bringt, und sollst doppelte Ration haben zum Dank.« Er übergab es dem Stallknecht und befahl ihm besondere Sorgfalt für das schöne Tier. Dann lud er den Fremden nochmals ein, ihm zu folgen, und führte ihn hinauf in sein Zimmer. Dort warf er sich aufs Sofa, winkte seinem Begleiter, sich niederzulassen, und änderte sofort den Charakter der Anrede.

»Nun, Santa Lucia,« sagte der Oberst, indem er ein Cigaretto nahm, »ich habe, was Ihr braucht, ermittelt, und es wird gut sein, wenn Ihr Euch bereit haltet, morgen mit dem Frühzuge nach Pest abzureisen.« – »Warum, Signor Conte? – es gefällt mir recht gut hier, ich bin erst drei Tage in Wien und habe die Fahrt noch in den Knochen.« – »Vorerst, mein Bester,« entgegnete der Graf, behaglich die Dampfwolke verfolgend, die er vor sich blies, »taugt die Wiener Luft nicht besonders für Leute Eures Schlages, die unter Garibaldi gefochten. Wien ist ein heißes Pflaster, und man liebt uns Italiener nicht gar zu sehr hier.« – »Ich bin Franzose, Signor!« – »Ah, ich vergaß. Das liebe Korsika ist ein französisches Departement und liefert Frankreich seine Kaiser und seine Banditen. Aber abgesehen davon möchte die Rückreise Euch sonst Schwierigkeiten machen; das nächste Dampfschiff, welches die Donau hinabfährt, dürfte wahrscheinlich das letzte sein.« – »Wieso?« – »Das werde ich Euch besser fünf Minuten vor der Abfahrt sagen. Genug, Eure Rückkehr nach Konstantinopel hat Eile, denn es wird dort jetzt reichliche Beschäftigung geben. Hier ist zunächst die Auskunft, die das Komitee in Konstantinopel verlangt und wegen deren Ermittelung es Euch hierher sandte, da Ihr Euer lebelang nicht hier gewesen, also kein Wiedererkennen zu fürchten hattet.« – »Darf ich fragen, Signor Conte, ob sich der Verdacht bestätigt hat?« – »Das kann ich Euch so bestimmt nicht sagen, das müßt Ihr selbst an Ort und Stelle durch Vergleichung des Signalements ermitteln. Daß der capitano tedesco Robert Blum in dem bezeichneten Hause sich versteckt hielt und durch einen Bewohner desselben angezeigt wurde, steht fest. Der Mann ist später von Wien fortgezogen, weil er Verfolgungen fürchtete, und es ist richtig, daß er nach dem Orient gegangen sein soll. Der Name stimmt freilich nicht, aber das ist kein Hindernis. Das möglichst genaue, hierbei befindliche Signalement wird entscheiden, ob die erhobene Anklage des Komitees begründet ist.« – »Gibt sie ein besonderes Kennzeichen an?« – »Eine starke Narbe an der linken Schläfe.« – » Per bacco! Es ist unser Mann!« – »So sind wir fertig. Seid Ihr mit einem Anzug versehen, um euch in eine Gesellschaft einführen zu können?« – »Der Teufel hole die verwünschten Kleider, in denen man sich überall enge fühlt. Was ich auf dem Leibe trage, ist alles was ich habe.« – »So ist hier Geld, Ihr werdet in jedem Kleidermagazin das nötige finden. Binnen einer Stunde müßt Ihr elegant equipiert bei mir sein, um mich an einen Ort zu begleiten, wo ich Euch als den Marchese Luccaboni vorstellen werde.«

Der Korse steckte das Geld ruhig in die Tasche, zündete sich ein neues Cigaretto an und empfahl sich.

*

Ungefähr anderthalb Stunden nach der vorerzählten Szene rollte ein elegantes Coupee auf der Straße nach Hietzing, diesem von Villen und schönen Anlagen gebildeten, beliebten Sommeraufenthalt der Wiener. Obschon die Jahreszeit weit vorgeschritten, wohnten doch viele vornehme Familien noch hier, und die schöne Herbstwitterung erlaubte selbst noch einen großen Teil der Abende im Freien zuzubringen. Der Zirkel, welcher sich an zwei Abenden in der Woche in dem eleganten Landhause versammelte, das Frau von Czezani, eine geborene Ungarin, in Hietzing bewohnte, bildete eine interessante Gesellschaft aus den verschiedensten Kreisen der lebenslustigen Residenz, und man fand hier – so weit die Bäder- und Sommerreisen sie nicht entführt – Mitglieder der Aristokratie und Diplomatie, Koryphäen der Geschäftswelt, Fremde, Offiziere und Künstler. Ganz natürlich erschien es dabei, daß namentlich Ungarn das Haus ihrer Landsmännin besuchten.

Die Gesellschaft war an diesem Abend bereits ziemlich zahlreich anwesend und hatte sich im Garten um eine fremde Schönheit gruppiert, deren Ruf ihr vorangegangen und die vor einigen Tagen in Wien eingetroffen und durch einen Empfehlungsbrief bei Frau von Czezani eingeführt war. Es war die spanische Tänzerin, der wir bereits in Paris und Berlin begegnet sind.

Während ein Kreis von Verehrern um die Spanierin eine lebhafte Konversation unterhielt, promenierten einzelne Gruppen im Garten und Salon. Graf Pisani suchte die Dame des Hauses auf, der er laut seinen Begleiter als den Marchese Luccaboni präsentierte, worauf er es diesem überließ, sich so gut wie möglich zu unterhalten, oder durchzuhelfen, und sich in der Gesellschaft verlor. Er selbst ging durch den Salon nach dem hinteren Garten, in dem verschiedene Paare promenierten. Sein scharfer Blick fand bald Personen heraus, die er suchte, und er folgte zweien, die im eifrigen, halbleisen Gespräch vertieft waren. Die eine war ein kleiner, magerer Abbé mit fuchsartigem Gesicht und scharfen, stechenden Augen, Italiener wie der Graf; die andere war der Bankier, dessen Mission nach Wien im Rate der »Unsichtbaren« der Leser beigewohnt hat.

Als der Graf zu ihnen trat, geschah es an einer Stelle des Gartens, an der sie durch die freie Umgebung vor jedem Lauscherohre gesichert waren ... »Ich erwartete kaum, Sie schon hier zu finden, Baron,« sagte der Graf, »und glaubte Sie noch mit der Flut der Geschäfte überhäuft, die diese wichtige Nachricht mit sich bringen mußte. Wie haben Sie Ihre Dispositionen getroffen?« – »Der Herr Abbé war so gütig, mir zu helfen, überdies waren alle Vorbereitungen getroffen. Um 7 Uhr ist mein erster Kommis mit der Eisenbahn abgegangen und gibt in Brünn die Depeschen nach Berlin, Paris und London zur telegraphischen Beförderung auf. Man wird sie an allen drei Orten morgen mindestens zwei bis drei Stunden vor Eröffnung der Börsen haben, und die Geschäfte können vollständig vor deren Beginn abgemacht sein. Ein Milliönchen, Herr Graf, ein Milliönchen mindestens muß uns selbst der Schlag eintragen, abgesehen von den Vorteilen für die Verbindung.«

Er rieb sich vergnügt die Hände ... »Aber warum gingen Sie nicht lieber selbst bis Brünn? Es wäre weit sicherer gewesen.« – »Der Baron,« meinte der Abbé, »muß notwendig in Wien bleiben; seine Abreise hätte Verdacht erregen können, und er allein konnte die Spekulation hier ausführen.« – »Glauben Sie hier noch zu reüssieren? Wie hoch rechnen Sie genau den Vorsprung unserer Nachricht?«

»Die Depesche ist darüber natürlich sehr unklar, indem sie ihren wahren Inhalt unter einer gleichgültigen Mitteilung verbergen mußte. Aber sie kann nicht vor morgen mittag hier eintreffen, wenigstens nicht bekannt werden. In jedem Falle haben wir an den drei anderen Börsen die Avance, wahrscheinlich auch hier, denn man wird sie nicht eher veröffentlichen, als bis Bescheid von Olmütz eingetroffen.« – »So müssen wir den Erfolg abwarten. Ich werde Sie jetzt verlassen, um durch unser Zusammenbleiben keinen Verdacht zu erregen. Sobald die Gesellschaft sich etwas gelichtet und Sie die Zurückgebliebenen beschäftigt sehen, treffen wir uns wie gewöhnlich im Pavillon.«

Während er zurückkehrte in den Gesellschaftskreis, wandelte das Paar noch einige Male in den Gängen auf und ab ... »Wir wurden unterbrochen durch Pisani,« sagte der Abbé; »der Gewinn, die Habsucht regiert und füllt die Seele dieses Mannes. Auf die Befriedigung dieser Leidenschaften zielen alle seine Pläne. Nebenbei ist er ehrgeizig, schlau und namentlich kühn, – man muß dies anerkennen. – Der Plan also, den Sie mir entwarfen, hat bereits die Zustimmungen in Paris erhalten?« – »Er ist in der vollen Ausführung begriffen. Bedenken Sie wohl! der Kredit und das bare Vermögen Europas sind offenbar gegenwärtig in den Händen des Hauses Rothschild. Abgesehen davon, daß die Mitglieder desselben dem orthodoxen Judentum angehören, also dadurch schon Feinde aller revolutionären Prinzipien sind, bringt es die eigentümliche Stellung, die sie in Europa einnehmen und welche die einer souveränen erblichen Macht ist, mit sich, daß sie nur in der Aufrechterhaltung des monarchischen Systems ihre Sicherung und ihren Vorteil sehen.« – »So ist es. Die Rothschild's werden dies Prinzip stets mit ihren kolossalen Mitteln unterstützen. Es gilt nun, eine Macht ihnen gegenüberzustellen, welche die ihre brechen kann. Das ist: das Kapital aller gegen das Kapital des einzelnen.« – »Aber der direkte Zweck für uns, die Erfolge für die Revolution?«

»Sie liegen auf der Hand, Abbé, und ich begreife nicht, wie ein Mann von Ihrem Scharfsinn sie nicht sofort übersieht. Zunächst der bedeutende Gewinn, den die Verbindung aus allen diesen Geschäften ziehen muß. Geld ist Macht. Das Pfand- und Eigentumsrecht über die Institute und Nerven des öffentlichen Verkehrs ist von nicht zu übersehendem Einfluß. Das wichtigste aber von allem, was das Schicksal Europas in die Hände der »höchsten Gewalt« legt, das ist –« – »Nun?« – »Das ist der Staatsbankerott, der allgemeine Bankerott der Nationen, der jeden Augenblick in der Macht der Unternehmer liegt. Denken Sie die kolossalen sozialen Folgen, welche ein solcher unter den jetzigen Verhältnissen haben muß, selbst wenn er nur nach einer oder der anderen Seite hin ausgeführt wird!« – – – – – – – – – –

An dem Treppenaufgang der Villa traf Graf Pisani die Wirtin des Hauses, etwas erregt mit dem Kammerdiener und der Zofe scheltend ... »So geht es im häuslichen Leben, Graf, immer Ärger und Verdruß.« – »Und was erzürnt Sie, schöne Frau?« – »Mein zweiter Diener ist schon vor mehr als zwei Stunden nach der Stadt geschickt, um allerlei zu holen, und der Mensch läßt uns im Stich und kommt nicht wieder. Ich habe ihm heute Morgen den Dienst gekündigt, weil er mir ohnehin nicht gefällt, und nun trotzt er wahrscheinlich, weil ich auf seine dringenden Bitten und Vorstellungen nicht nachgab.« – »Ei, gnädige Frau, das sind kleine Unannehmlichkeiten, wie sie jeder Haushalt mit sich führt. Darf ich das Vergnügen haben, Sie zu begleiten?«

Die Gesellschaft hat sich mit dem Abend zum Teil wieder entfernt, zum Teil in den Salon und die Spielzimmer zurückgezogen. Der Graf sah sich mit Frau von Czezani allein ... »Ist die Gräfin gekommen?« – »Vor einer Viertelstunde. Ich glaube, sie befindet sich bereits im Pavillon und erwartet Sie.« – »Ich darf doch sicher auf den versprochenen Beistand rechnen, schöne Frau? Die Ereignisse drängen sich jetzt, und ich habe heute Mittag einige Bemerkungen gemacht, die mir Besorgnis einflößen würden, wenn der Zufall mir nicht glücklich zu Hilfe gekommen wäre.« – »Verlassen Sie sich ganz auf mich. Ich folge ihr nach Schloß Bisztra, und wenn Sie uns dort besuchen, werden Sie sie für Ihre Ansichten möglichst vorbereitet finden. – Doch sagen Sie um des Himmels willen, Graf, wer ist dieser Pseudo-Marchese, den Sie uns heute zugeführt? Denn daß Titel und Namen falsch sind, sieht man auf zehn Schritt, und ich fürchte wirklich, mich stark zu kompromittieren, so unheimlich scheint ihm in unserer Gesellschaft und so unheimlich wird mir in der seinen.« – Pisani lachte ... »Es ist ein gezähmter Wolf und nicht zu fürchten. Sie sehen in dem lieben Marchese ein vollkommenes Exemplar eines Korsen vor sich, der einige kleine Unannehmlichkeiten gehabt hat. Santa Lucia schwor, seinen unschuldig von den Geschworenen auf die Galeere geschickten Bruder an den achtzehn falschen Zeugen zu rächen, die seine Verurteilung herbeiführten. Er hat Wort gehalten; später schloß er sich der Truppe Garibaldis an, wo ich ihn kennen lernte, und er lebt jetzt in Konstantinopel.« – »Aber, mein Gott, – ich habe mein ganzes Silberzeug offen stehen – er wird doch nicht –« »Keine Besorgnis, schöne Wirtin. Unser Freund ist Bandit aus Liebhaberei, aber kein Spitzbube. Sie könnten Säcke Geld offen stehen haben, und er würde sie nicht anrühren. Doch ich eile zu unserer kleinen Gräfin, der die Zeit lang werden dürfte. Beschäftigen Sie möglichst alle Uneingeweihten.«

Er verließ die Dame und begab sich nach kurzem Verweilen in der Gesellschaft durch das Gewächshaus nach dem daran stoßenden Pavillon, der ein achteckiges Gemach bildete, in dem für allen Schein ein Spieltisch arrangiert war, während eine Ampel nur im Halblicht das Gemach erhellte und die Läden fest geschlossen waren.

Er fand die Gräfin Helene Laszlo dort im eifrigen Gespräch mit dem Bankier und seinem Begleiter und einem alten Herrn, dessen faltenreiches Gesicht den scharfen sarmatischen Schnitt, Haar und Bart aber die Schneefarbe des Alters trug ... »Ich sehe,« sagte der Oberst zu der jungen Witwe, »unsere Freunde sind mir bereits zuvorgekommen und haben Sie von der wichtigen, uns heute Nachmittag zugekommenen Nachricht unterrichtet. Am 26. ist in Konstantinopel die Kriegserklärung beschlossen worden, sie wird natürlich sofort erfolgen, und die Feindseligkeiten an der Donau werden alsdann beginnen. Damit ist auch für uns die Zeit eines energischen Handelns gekommen. Erringt der Sirdar, was bei der Schwäche der Russen kaum zu bezweifeln ist, an der Donau Vorteile, so kann jeder Aufstandsversuch in Ungarn sich auf ihn lehnen, er wird ihm den Rücken decken.« – »Aber die Wunden meines Landes sind noch tief und schwer; so sehr ich es wünsche, glaube ich kaum, daß es schon wieder die Kraft haben wird, dem Feinde entgegen zu treten.« – »Ein Volk verliert nie die Kraft, für seine Freiheit zu kämpfen, und ob Ströme seines Blutes vergossen werden. Wie aus der Kadmus-Saat, wachsen aus dieser geharnischte Männer. Ich meine auch keineswegs, daß die Erhebung sogleich erfolgen soll. Es ist vorerst nur nötig, daß das Volk, und namentlich im Süden, auf die Bedeutung des orientalischen Krieges, auf diese Gelegenheit, seine Freiheit zu erringen, aufmerksam gemacht, und daß die Verbindung mit den Ungarn in Omers Armee hergestellt wird.« – »Ich habe bereits mit der Gräfin das Nötige verabredet,« unterbrach der alte Magyare. »An einem der geeigneten Orte auf einem der Güter wird eine Druckerei errichtet werden. Der Herr Abbé übernimmt es, für ein zuverlässiges Personal zu sorgen.« – »Sehr gut, Doktor, wir verlassen uns ganz darin auf Ihre alte Erfahrung. Was den zweiten Punkt anbetrifft, so wird man besondere Vorsicht wegen des verstärkten Grenzkordons anwenden müssen. Es handelt sich vor allem um ausführliche Besprechungen.« – »Ich werde von Bisztra aus meine Güter in der kleinen Walachei bei Krajowa besuchen. Hier kann die Verständigung leicht erfolgen.« – »Das ist der beste Plan. Wenn die Frau Gräfin ihre Einladung nicht zurücknimmt, oder mich nicht dringende Geschäfte abhalten, werde ich schon Ende dieses Monats die Ehre haben, ihr meinen Besuch zu machen.« – »Mein Retter von heute kann nur willkommen sein.« – »Wissen Sie schon, Herr Graf, die Nachricht, die uns hier eben Doktor Todd aus dem Ministerium des Auswärtigen von Olmütz bringt?« fragte der Bankier. – »Nun?« – »Kaiser Franz Joseph, statt morgen, wie bestimmt war, hierher zurückzukehren, reist nach Warschau; eine Zusammenkunft zwischen ihm, dem Kaiser Nikolaus und dem Könige von Preußen soll dort stattfinden.« »Das ist neu und gefährlich!« – »Ich hoffe nicht,« sagte der Abbé. »Es gilt nur eilig, unsere Freunde in Konstantinopel zu benachrichtigen, daß alles mögliche aufgeboten werden muß, eine Verzögerung im Beginn der Feindseligkeiten zu verhindern. Ist der Krieg erst im Gange, so sind alle Vermittelungen unnütz.«

Während des Gespräches war Frau von Czezani auf einige Augenblicke eingetreten ... »Zum Glück habe ich die Notwendigkeit sicherer Botschaft vorausgesehen, ich habe den Boten sogar mit hierhergebracht.« – »Ich wollte meine Freundin bitten,« sagte die Dame des Hauses, »mit mir nach dem Salon zurückzukehren, man hat bereits nach ihr gefragt, und Vorsicht ist nötig.« – »Ich habe ihnen allen eine wichtige Mitteilung zu machen, die ich in der Aufregung des Gespräches beinahe vergessen,« rief die junge Gräfin. »Wissen Sie, daß unsere Zusammenkünfte verraten sind, daß man weiß, was unsere Gesellschaften verbergen sollen, – daß ich selbst auf das bestimmteste gewarnt worden bin?«

Alle traten unruhig näher; mehrere Gesichter, namentlich das der Wirtin, wurden bleich ... »Unmöglich! Woher wissen Sie das?« – Die Wangen der Gräfin färbte eine dunkle Röte ... »Das woher ist mein Geheimnis. Ich kann Sie jedoch heilig versichern, daß dem so ist.« – »Aber so geben Sie uns doch einen Fingerzeig, damit wir dem Verräter auf die Spur kommen können,« sagte der Abbé.

Der Oberst zog die schwarzen Brauen zusammen. Der scharfe Zug um seinen Mund zeigte eine entschlossene Härte und Grausamkeit ... »Der Tod muß notwendig seinen Mund verschließen.« – Ein leises kurzes Ächzen scholl durch das Gemach – alle sahen sich erschrocken und fragend an – dann schüttelte jeder verneinend den Kopf ... Die Augen liefen umher, gleich als könnten sie entdecken, woher der Laut gekommen – man lauschte nach den Fenstern – – Da plötzlich wies der Abbé stumm mit dem Finger nach dem Kamin. Eine hölzerne Vorsatztür verdeckte das Innere. Das scharfe Auge des Priesters hatte eine kaum merkliche Bewegung des Holzes erfaßt. Wie ein Tiger sprang der Oberst auf den Ort los und riß mit einem Griff die Tür heraus – im Innern des Kamins hockte zusammengekrümmt ein Mensch mit bleichem, erschrockenem Gesicht in Bedientenlivree ... Die Hand des Grafen riß ihn heraus, mitten ins Zimmer. Dort fiel die Jammergestalt auf die Knie und streckte flehend die gefalteten Hände empor – die Zunge schien ihm vor Schreck und Angst den Dienst zu versagen ... »Johann – mein Diener.«

Der Oberst erinnerte sich dessen, was er vorhin zufällig vom Ausbleiben des Menschen gehört ... »Wie kommst du hierher?« – »Ach, gnädige Frau, verzeihen Sie mir,« jammerte der Elende. »Bei allen Heiligen im Himmel! ich kam zufällig herein und versteckte mich, wie ich die Herren kommen hörte.« Jeder fühlte, daß der Mensch log, – daß er der Spion war, welcher sie verriet. Die beiden Damen zitterten und waren leichenblaß ... »Das lügst du, Bursche!« sagte der Oberst mit kalter Ruhe. »Zunächst wollen wir dir einmal etwas näher auf den Zahn fühlen und deine Geständnisse hören, zuerst uns aber deiner versichern. Baron, reichen Sie mir den Shawl dort her!« – »Gnädige Frau, Sie werden mich doch nicht ermorden lassen! Ich will ja alles gestehen! Zu Hil...«

Die feste Hand des alten Ungars preßte sich auf den Mund des Elenden, daß der Ruf in seiner Kehle erstickte. Zugleich schnürte der Oberst ihm mit Hilfe des Abbé den Shawl um Arme und Leib. Dann zog er aus der Brusttasche ein feines glänzendes Stilet, dessen Klinge er vor den starren Augen des Unglücklichen auf dem Nagel des Daumens probierte ... Gräfin Helene stürzte auf ihn zu und fiel ihm in den Arm ... »Allmächtiger Gott! Sie werden den Menschen doch nicht morden wollen?« – »Wenn es nötig ist, schöne Gräfin, warum nicht? Jeder ist sich selbst der Nächste. Aber beruhigen Sie sich, dies Instrument soll ihn nur ein wenig schrecken und die Wahrheit ans Licht bringen. Das ist jedoch keine Szene für Damennerven, und ich bitte Sie, sich zu entfernen.« – »Nicht eher, als bis Sie mir Ihr Wort geben, kein Blut zu vergießen!« – »Auf mein Ehrenwort, es soll kein Blut vergossen werden! Baron Ripère, ich sehe, Sie zittern wie diese Damen; reichen Sie der Frau Gräfin den Arm und führen Sie dieselbe zur Gesellschaft. – Ich bitte, nehmen Sie sich zusammen; unser aller Freiheit und Leben steht auf dem Spiel.«

Der Bankier beeilte sich, dem halben Befehl Folge zu leisten; er war selbst so bleich, wie der ertappte Spion. Als der Graf Frau von Czezani zur Tür geleitete, flüsterte er ihr zu: »Schicken Sie mir sogleich Santa Lucia hierher und bringen Sie ihn selbst bis an die Tür.« – Nach einer kurzen Zeit kehrte die Dame zurück mit dem Pseudo-Marchese, den der Oberst in das Zimmer schob, dessen Tür er wieder schloß ... »Merken Sie auf und fassen Sie sich,« sagte er zu der Zitternden. »Wie ich vorhin hörte, weiß keiner Ihrer andern Leute, daß der Diener bereits zurückgekehrt ist?« – »Niemand hat ihn gesehen; Sie schalten noch vorhin auf seine Saumseligkeit.« – »Wo schläft der Mensch?« – »Mit dem Kutscher zusammen über den Ställen.« – »Wenn ich nicht in der Lokalität irre, so führt am Eingang des Gewächshauses eine dunkle Treppe nach dem oberen Stock. Läuft diese bis zum Boden, und sind die Türen offen?« – »Ich glaube, ja.« – »Dann gehen Sie zur Gesellschaft und suchen Sie den Diener und das Mädchen in den Zimmern zu beschäftigen. Hüten Sie die Gräfin; bedenken Sie, Freundin, es geht um Tod und Leben.« Sie versprach alles und eilte davon. – – –

Auf dem Sofa im Pavillonzimmer lag, ausgestreckt und festgebunden, ein Tuch in den Mund gedrückt, der Diener. – Er hatte gebeichtet, – man wußte, was man wissen wollte, daß bis jetzt nur unbestimmtes verraten worden und daß die Entdeckung von heute Abend sie gerettet hatte. Am Kamin standen die drei Männer, – auf der andern Seite des Zimmers lehnte die kräftige Gestalt des Banditen in der Fensternische. Die drei wechselten nur wenige Worte, – alle empfanden die schreckliche, aber unabweisbare Notwendigkeit.

Der Oberst trat zu dem Korsen; auch ihre Unterhaltung war kurz ... »Kein Blut und kein Zeichen von Gewalt?« sagte der Bandit. »Ei, ich weiß ein vortreffliches Mittel: ich habe es bei dem Schuft von altem Advokaten versucht, der meinem Bruder auf die Galeeren half. Am andern Morgen glaubte ganz Ajaccio, der Schlag habe ihn gerührt, bis ich's selbst erzählte. Verschaffen Sie mir nur ein Kissen, Signor Conte.« – Der Oberst schaute umher – auf der Lehne des Sophas lag ein weiches gesticktes Daunenkissen ... »Genügt dieses?« – »Ich denke, ja. Nehmen Sie seine Füße in acht.«

Der Unglückliche mit weit geöffneten Augen sah die Mörder auf sich zukommen. Vergeblich waren seine Anstrengungen, zu schreien und aus den Tüchern, mit denen er gebunden, sich emporzuwinden. Der Bandit stand jetzt vor ihm und legte ihm das ziemlich große Kissen aus das Gesicht. »Ich sehe, Signor, Sie sind ein Geistlicher,« sagte er zu dem Abbé, »ich bitte Sie, sprechen Sie ein Gebet für den Sünder.« Dann schlug er selbst in der furchtbaren Blasphemie seiner Erziehung und seiner Natur das Kreuz und setzte sich mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers auf das Kissen. Pisani und der Abbé traten, im Gespräch begriffen, aus dem Garten in den Salon. Der letztere war ein wenig bleich, der Oberst ruhig, wie immer; der tiefe Zug von grausamer Energie um Nase und Mund war in die gewöhnliche Falte verschwunden.

An einem der Spieltische stand der Bankier und pointierte zerstreut, die Gräfin saß an dem Klavier, ohne zu spielen, und schien kaum die Worte zu hören, die zwei Herren der Gesellschaft an sie verschwendeten. Ihre Augen richteten sich furchtsam auf die Eintretenden, auch der Baron warf einen hastigen Blick voll Angst auf sie. – »Es wird kühl im Garten,« sagte unbefangen der Oberst, »und wir sind wahrlich nicht so vertieft in den schönen Abend, wie der Herr Marchese und Ihr gelehrter Landsmann, gnädige Frau, um nicht die Behaglichkeit des Salons vorzuziehen. – Wie steht's, Baron? ist das Glück, wie immer, auf Ihrer Seite?« Er trat zu den Spieltischen. – »Diesmal droht es mich zu verlassen,« entgegnete der Bankier, »die Chancen sind gegen mich.« – »Ei was, man muß den Mut nicht verlieren. Männer wie wir lassen sich nicht sogleich einschüchtern von einer Ungunst der launischen Fortuna. Ihr Spiel steht am Ende gar nicht so schlecht.« – »Wollen Sie für mich eintreten?« – »Ich pointiere nicht, ich überlasse nie mein Glück dem Zufall.« – »Und sind Sie denn Ihres Erfolges immer gewiß?« – »Ich habe ihn gesichert.«

Der Bankier atmete tief auf, die Worte wälzten eine Bergeslast von seiner Brust. Gräfin Helene wurde noch bleicher als vorher. »Ich will nach Hause, mir ist nicht ganz wohl – der Schreck von heute Mittag hat mich doch mehr angegriffen, als ich dachte.«

Der Aufbruch veranlaßte weitere Folge. Der Oberst nahm die Gelegenheit wahr, sich dabei Frau von Czezani zu nähern, deren Augen ihn schon lange befragt hatten. »Gute Nacht, gnädige Frau, und – wenn Sie morgen zufällig etwas vom Boden ihres Hauses holen lassen, so versäumen Sie die sofortige Anzeige bei der Polizei nicht. Ich glaube, der törichte Bursche hat sich in Verzweiflung über seine Dienstentlassung aufgehängt.«


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