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Siebzehntes Kapitel

Schön-Minnele hatte indessen die Krisis ihrer Krankheit glücklich überstanden. Ihr Bewusstsein kehrte zurück; ruhige, gesunder Schlaf erquickte ihre hart mitgenommenen Kräfte, und die Genesung konnte ebenso gewiss als nahe bevorstehend betrachte werden.

Eines Morgens erwachte sie nach einem äußerst ruhigen Schlafe, öffnete ihr herrliches, blaues Auge groß und klar und sah ihre liebe Mutter an ihrem Bette sitzen.

Wie von einer unsäglich teuren Erscheinung angezogen, ließ Minnele ihr Auge auf der Mutter ruhen, sagte kein Wort, schloss nach einer Weile ihr Auge wieder, und indem sich ihr ganzes Angesicht verklärte, drangen ihr zwei Tränen durch die Wimpern und flossen sachte über ihre Wangen.

Wahrscheinlich mochte sie fürchten, nur das Bild eines Traumes vor sich zu sehen, welches jetzt und jetzt vor ihren Augen wieder zerfließen könnte; um es daher wie ein Heiligtum zu retten und zu bewahren, führte sie es schnell nach ihrem tiefsten Seelengrunde und stellte es da, wie ein unentreißbares Gut verehrend, auf.

Minneles erste Frage nach einem flüchtigen Delirium war daher:

»Ich habe meine Mutter gesehen – Wo ist sie? War sie hier?«

Man erwiderte ihr, die Mutter sei ja täglich, stündlich an ihrem Bette; Minnele bemerkte sie nur erst jetzt, da sie von einer so schweren Krankheit genese.

An demselben Tage noch erblickten sich Mutter und Tochter wieder und Minnele rief:

»Seh' ich Euch, Mutter – oder ist doch nur alles Traum?«

Die Mutter nahm sich sehr zusammen, um gefasst zu bleiben und sagte lächelnd:

»Ja, mein Minnele, ich bin es wirklich, deine Mutter, die du vor dir siehst!«

Minnele griff mit beiden Händen nach der Hand der Mutter, um sie festzuhalten, wenn sie etwa doch verschwinden sollte und sagte:

»So habe ich also vorhin nicht geträumt, habe Euch wirklich und leibhaftig gesehen?«

»So ist es, Minnele. Aber rede nicht zu viel und halte dich ruhig, mein Kind, du genesest von einem schweren Übel und musst dich nicht verwirren lassen.«

»Wenn ich nur wüsste, Mutter«, fuhr Minnele fort und wiederholte täglich, sooft sie erwachte, dieselbe Frage, »wenn ich nur wüsste, was das alles die lange, lange Zeit her gewesen ist – ob es Traum gewesen oder was. O, Mutter, ich habe so schreckliche und schöne und fremde und wunderliche Dinge gesehen – könnt Ihr mir sagen, ob ich sie erlebt oder ob ich sie nur geträumt habe?«

Die Mutter ließ sich noch nicht auf eine Erklärung dieser »fremden und wunderlichen« Dinge ein und sagte nur:

»Werde erst gesund, mein Kind, wir werden dann schon auseinander scheiden, was Traum gewesen, was nicht.«

Minnele konnte hierauf niemals unterlassen mit besonderem Nachdruck zu fragen:

»Aber fortgewandert bin ich gewesen – bin ich das gewesen, Mutter?«

Auch dieser Frage wurde nur eine zweifelhafte Antwort zuteil, da man fürchtete, wenn diese erste Tatsache zugegeben würde, dass dann die Reihenfolge der Erlebnisse schnell und mächtig wieder auftauchte.

Erst nach einigen Tagen sollte auf diese Frage bestimmt geantwortet werden.

Denn eines Morgens erwachte Schön-Minnele sehr gestärkt und munter, erblickte ihre Mutter am Bett und sagte:

»Heute Nacht, Mutter, habe ich etwas geträumt, was ich schon einmal geträumt oder erlebt haben muss: ich bin unter den Linden mit Kameradinnen zusammen gekommen, wir haben bei der Mühle den Justus Erdlein getroffen ... und ... sind dann auf der Landstraße alle – nein, nicht alle miteinander – in einen schönen Wagen gestiegen ... ich habe ein Ballkleid angehabt ... und ... Mutter, da muss ich wieder fragen: Bin ich einmal auf der Reise in die Stadt gewesen oder nicht?«

Die Mutter Büchler zeigte auf ein weißes Bündelchen auf der Wandbank und sagte:

»Auf die Reise hast du wollen – wollen, mein Kind – aber dann bist du krank geworden und hast nur im Traum erlebt, was du erlebt hast.«

Minnele atmete tief auf und erwiderte:

»Ach Gott sei Dank, ach Gott sei Dank – so hätten Euch die Briefe und Goldstücke doch nichts geholfen, die ich Euch geschickt habe; es ist in meinem Traum so viel Erschreckliches gewesen.«

Aber so viele Sorgen man auch trug, dem Kinde noch lange die Wahrheit des Erlebten zu verbergen, so wurden doch bei vorrückender Genesung in Minneles Kopf und Herzen die Vorstellungen des so eindringlich Erlebten bestimmt und zuverlässig genug, um jedes Zweifeln und Bestreiten ebenso unnütz als ungemäß zu machen.

Man ließ daher, wenn auch immer nur mit Vorsicht, Minnele nach und nach die ganze Kette von Begebenheiten finden und deutlich zusammen reihen, welche zwischen ihrer Auswanderung und Heimkehr lagen, wobei man nur auf den Rat des Arztes bedacht war, immer schnell von dem »glücklichen Ausgang« der Erlebnisse zu verhandeln, sobald Minnele von dem Schrecken dieses oder jenes Ereignisses ergriffen wurde.

Nur das Schlussglied der Begebenheiten, die Heimkehr von Reichersheim bis in das Haus der Mutter, wollte ihr nicht zu finden gelingen.

»Wie ich von dort aus heimgekommen bin, das kann ich nicht sehen und ergründen, Mutter«, sagte sie immer.

»Natürlich, mein Kind«, erwiderte dann ihre Mutter, »wenn man auf einmal ohnmächtig wird und in eine hitzige Krankheit verfällt, da kann sich wenig ansetzen von dem, was und wie etwas geschehen ist.«

Der Doktor, welcher nicht nur bestrebt gewesen war, Minneles schönen Leib dem Leben zu erhalten, stand auch bei den Bestrebungen zur geistigen Wiederherstellung Minneles als feiner und gründlicher Ratgeber an der Spitze.

Von allen Beziehungen und Erlebnissen der Genesenden wie von ihrem vortrefflichen Herzen unterrichtet, ließ er eines Tages einen der erfreulichen und anziehenden Vorfälle in der Hauptstadt in einer Weise ausbeuten, welche zur nachhaltigen Folge hatte, dass in Minneles Gemüt von nun an ein schützendes Übergewicht der Freude über die drohenden Schrecken bleibend wurde.

Es war an einem heiteren Septembermorgen; Minnele hatte wieder einen Schlaf voll Erquickung genossen, war dann eine Stunde außer Bett gewesen und suchte nun wieder die Ruhe ihres Lagers. Die Mutter sagte jetzt zu ihr:

»Minnele, damit du gar durch nichts gestört wirst und schlafen kannst, so will ich mich da neben dem Fenster vor die Haustüre setzen, wo ich meine Arbeit verrichten und dich auch hören kann, sobald du etwas verlangen sollst.«

Minnele nickte der Mutter, dass es so recht sei und blieb ruhig auf dem Bette liegen.

Die Mutter mochte hierauf kaum eine Viertelstunde vor dem Hause sitzen, als Minnele vernahm, dass die Granach vor dem Hause ankam, sich zu der Büchler setzte und freundnachbarlich ein Gespräch begann.

Natürlich ward Minneles Befinden und Genesung vor allem erwähnt, und die Unterhaltung ging auf dies und jenes über, bis die Mutter Granach auf einmal, man wusste nicht recht, wie – von ihrem Sohne Wolfgang anfing und seiner abenteuerlichen Fahrt nach der Hauptstadt erwähnte.

»Hier herum«, sagte sie, »hat alles geglaubt, der Wolfgang trage wieder Geld zum Verinteressieren in die Stadt – es haben aber sein Vater und ich die ganze Sache besser gewusst«, – und nun erzählte sie nicht nur den eigentlichen Grund und Hergang dieser Reise, sondern zog den Schleier von der ganzen Liebesstreitsache zwischen Vater und Sohn hinweg, wobei vor allem nicht unterlassen wurde, den jüngsten und hauptsächlichsten Stand der Sache hervorzuheben.

»Mein Alter«, schloss die Mutter Granach, »mein Alter hat nun keine größere Sorge, als zu wissen, was Minnele zu all dem sagen würde; sein Sinn ist ausgewechselt, und seine Freude wäre groß, wenn Minnele mit unserem Sohne halten wollte ...«

Wenn in diesem Augenblicke das ganze Stübchen bis an Minneles Lager voll von Menschen gestanden hätte, alle neugierig auf Minnele schauend, so hätten ihre holden Wangen nicht glühender in Feuer und Flamme gesetzt werden können, als da Minnele diese scheinbar heimlich und vertraulich gemachte Mitteilung hörte. Vor Eifer, so ruhig zu bleiben, dass man draußen ja nicht argwöhne, sie habe eine Silbe des Geheimnisses gehört, traten dem tiefbewegten Kinde die Schweißtropfen auf die Stirne.

Ihre Mutter erwiderte nach einer Weile draußen:

»Lieb Granachin, das ist allzuviel, wie sollen wir das Glück verdienen? Wenn ich sagen soll, was mein Kind zu all dem etwa denken könnte, so muss ich wohl bekennen, dass mein Kind ein Herz für Euern Wolfgang hat; ich hab' es nicht aus ihren Worten, aber aus ihren Mienen hab' ich's; und dies Herz für Euern Sohn ist noch nicht kalt geworden. Das ist so mein Gedanke, ich glaub', ich habe recht und einmal später wird sich's zeigen.«

Die Mutter Granach erwiderte, es sei so viel im Augenblick genug, es müsse den Kindern überlassen bleiben, was sie von einander halten und denken.

Diesen ganzen Tag über entging es der Mutter Büchler nicht, wie Minnele im Fluge ein Stück Genesung vorwärts eilte und in einem höchst freudvoll sinnigen Zustande blieb.

In der folgenden Nacht erschrak die Mutter zwar sehr, weil Minnele im Schlafe allerlei Liedchen voll wonniger Melodien anstimmte, denn sie meinte schon, ein Rückfall in die Krankheit sei zu fürchten, aber als sie Licht machte und Minneles ruhig verklärtes Antlitz sah, namentlich als Minnele morgens mit einer wunderbaren geistesklaren Heiterkeit erwachte und rief:

»Mutter, so glücklich wie die Nacht in meinem Traum bin ich mein Lebtag noch nicht gewesen«, – da war nun alle mütterliche Besorgnis wieder fort; sie fragte nur:

»Warum bist du so glücklich gewesen, mein Kind, warum?«

Minnele wurde rot und drehte das Köpfchen gegen die Wand, dann sagte sie:

»Auf das Haus von Granach drüben ist noch ein Stockwerk gebaut worden, ich hab' in meinem Traum gesehen, wie es fertig geworden ist, sie haben einen großen Strauß und Kranz auf das Dach setzen wollen und haben mich darum gebeten; und auf einmal ist unser Wurzgärtchen draußen voller Rosmarin und Blumen gewesen, ich habe geschnitten und gebunden aus aller Kraft – und der Kranz und der Strauß haben so schön herunter geblickt vom roten neuen Dach da drüben, und da ist hernach Musik gekommen, und wir haben getanzt, so viel und so gut wie noch gar nicht in meinem Leben. O Mutter! Da hat es in mir zu singen und zu klingen angefangen, und wenn man so selig ist im ewigen Leben, so ist es wohl gemacht, dass man zufrieden sein kann!«

Die Mutter Granach lächelte und sagte:

»Das gibt eine Hochzeit in der Familie von Granach, und du wirst dabei zu tun bekommen, Minnele.«

Minnele wendete ihr glühendes Gesicht noch weiter gegen die Wand.

Nun sollte bald der Tag erscheinen, wo Minnele zum ersten Mal seit ihrer Genesung die Erlaubnis erhielt, eine Stunde außerhalb der Stube im Freien zuzubringen.

Gleich hinter der Hütte der Büchler streckt sich ein breiter, üppiger Wiesengrund sachte hügelan; er war heuer schon zum zweiten Male gemäht, und es durfte somit jedermann darüber gehen oder sich, wo es immer gefiel, behaglich darauf niederlassen.

Ein solcher Wiesengrund hat nun namentlich zu gewissen Stunden des Tages etwas ungewöhnlich Reizendes, ganz besonders einladend aber ruht es ich daselbst vor Untergang der Sonne.

Man lagert im kühlen Schatten eines Baumes, während das Gold der Abendsonne en hellgrünen Teppich zu unseren Füßen beleuchtet und sozusagen dessen Farben verklärt; dabei scheint es fast, als ginge das stiller werdende abendliche Leben selber auf samtenen Teppichen der Natur, so geruhsam schreitet es in der Ferne vor unseren frohen Blicken auf und nieder.

An einem warmen, durchaus heiteren Septembertage wurde Schön-Minnele zum ersten Male von ihrer gerührten Mutter aus dem Krankenstübchen hinaus ins warme, wonnige Freie geführt und sänftiglich den Wiesengrund hinauf bis in den Schatten eines Apfelbaumes geleitet.

Beide setzten sich hin und machten sich auf einem freundlichen Plätzchen gar bequemlich zurecht.

Sie saßen kaum daselbst in Ruhe und Behagen, als aus der Ferne ein heiterer Tusch von Instrumenten erscholl.

Minnele wurde von den Klängen auf das Wonnigste berührt und sagte:

»Mutter, was ist denn das? Es klingt herüber fast so schön wie jüngst in meinem Traum.«

Die Mutter blieb nicht Meisterin einer tiefen, freudigen Erschütterung, brach in Tränen aus und sagte:

»Scheint dir's nicht, als gehe dir gerade dieser Traum aus, Minnele?«

Diese sah verwundert drein und wendete ihr Auge unwillkürlich hinüber nach dem schönen Hause Granachs, woher auch die Klänge der Musik erschollen.

Da bedünkte es Minnele, als schlummere sie wieder und träume von dem Strauß und Kranze, die sie geflochten und von der Musik, nach welcher sie in Granachs Hause getanzt; denn in diesem Augenblicke sah sie drüben auf Granachs Giebel von Wolfgang eigenhändig einen Riesenstrauß und einen Kranz befestigen, wobei die Musik ernst-heitere Weisen spielte; als nun aber der Kranz und der Strauß auf dem Dache waren, da stellte sich Wolfgang aufrecht neben dieselben hin, blickte unverwandten Angesichts gegen Minnele herüber, schwang seinen Hut begrüßend mit der Rechten und schwenkte mit der Linken ein schneeweißes Fähnlein in der Luft, wohl zum Zeichen, dass er Leib und Leben freudig überliefere und weihe der Liebe seiner Auserwählten.

Die Musik fiel ein, und eine Schar Kameraden Wolfgangs, die mit auf dem Dache standen, schwangen ihre Arme und Hüte und riefen donnernden Jubels herüber, dass es deutlich vernommen werden konnte:

»Minnele hoch! Minnele Büchler hoch!«

Als nun bald darauf Minnele und die Mutter wieder nach der Hütte gingen, um die Erschütterung nicht zu heftig werden zu lassen, begrüßte sie unten die frohbewegte Mutter Granach.

Sie fiel Minnele um den Hals und sagte:

»Ist das deine Genesung recht gefeiert?«

Minnele konnte kein Wort hervorbringen und klammerte nur ihre Arme fest um den Nacken ihrer künftigen Schwiegermutter.

Am folgenden Tage erst ließen sich Wolfgang und sein Vater im Stübchen der Frau Büchler sehen. Es folgten nun bestimmte Erklärungen und neue freudige Überraschungen – Minnele und Wolfgang hießen nun Braut und Bräutigam, und mit der Hochzeit sollte nach der gänzlichen Herstellung Minneles nicht gezögert werden ...

Eine seltsame Erscheinung war es, dass Justus Erdlein, der so lange Minnele krank war, nicht über das geringste Unwohlsein klagte, plötzlich unwohl und bettlägerig wurde, als Minnele zu genesen anfing und endlich in den Stand der Brautschaft trat.

Minnele ließ ihn alle Tage besuchen und mit allem versehen, was ihm in der Krankheit gut und zuträglich sein konnte; auch ließ sie ihn immer herzlich grüßen und fragen, wann er außer Bett sein werde, dass sie auch mit ihrem Bräutigam einmal auf Besuch kommen könne.

Erdlein war von all diesen Beweisen der Pflege und Teilnahme sehr gerührt, sprach aber über sein Befinden und Aufkommen gar zu rätselhaft.

Der Tag der Hochzeit, welcher für die Gegend in außerordentlicher Weise gefeiert werden sollte, rückte heran.

Wie schön, wie unvergleichlich war Minnele als Braut im vollen Hochzeitsschmucke –

Schon mit der ersten Morgendämmerung begannen die Freudensalven, und die Hähne des Dorfes waren nicht wenig in Bewegung, ihren harmlosen Ruf so mächtig überlärmt zu hören!

Um die erste Stunde der Morgendämmerung war es auch, als geheimnisvoll ein bejahrter Wanderer im langen, blauen Rocke die Hauslusthöhe eilends davonging und bald genug die Gegend fliehend im Rücken hatte. Es war Justus Erdlein.

Der Rodanger, der ihm zufällig durch die Morgendämmerung entgegen kam, sagte aus, Justus Erdlein hätte, indem er fliehend weiter ging, mit beiden Händen immer vor die Augen herumgegriffen, als führe ihn sein Weg durch lauter Spinnennetze.

Auf einen fragenden Zuruf, wohin er so früh und so eilig auf dem Wege sei, habe er gar keine Antwort gegeben.

Minnele erfuhr diese Kunde erst am Hochzeitstische, als sie gerade in Folge eines Trinkspruches, welcher auf ihr Wohl ausgebracht worden, ihr Glas erhob, um dankend ein wenig zu trinken; sie vergaß auf einige Augenblicke, wo sie war und was sie wollte, saß regungslos da und blickte in die rote Welle ihres Glases.

Erdlein hatte für krank gegolten bis diesen Morgen – hatte sagen lassen, er sei nicht stark genug, dem Hochzeitstag zu folgen – und nun war er aufgestanden, hatte seinen Reisestab ergriffen und eilte davon, bei Nacht und Nebel davon und ohne Abschiedsgruß.

Eine Ahnung, was in dem Gemüte dieses wunderlichen Alten vorgehen mochte, zuckte durch Minneles Herz, sie zerdrückte eine Träne zwischen ihren Wimpern, trank ein wenig aus ihrem Glase, setzte sich und musste öfter erinnert werden, nicht so nachdenklich sich selber zu vergessen.

Erdlein eilte nach der Hauptstadt und schrieb sofort von dort nach Hause.

In diesem Briefe entschuldigte er seine Flucht aus der Heimat und sagte, der Abschied wäre ihm auf andere Art zu schwer geworden, darum sei er also auf und davon; er sei in der Hauptstadt noch an seinen Dienst gehalten – und habe ja seiner Wirtin noch erzählen müssen, wie alles ausgegangen sei – darum habe er sich nach der Hauptstadt begeben und werde diesmal schwerlich daheim überwintern. Es folgten herzliche Glückwünsche für das Ehepaar und – »Es vergeht kein Tag«, so schloss der Brief, »wo ich nicht an dich, o liebes Minnele, und an dich, lieber Wolfgang, denke ...«

 


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