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Achtzehntes Kapitel.
Eine Wunde. Eine Abschiedsrede.

 

Dann auch mit den Nebenbuhlern
Hat er wacker sich geschlagen,
Dass die hellen Funken stoben,
Dass die Mauern widerhallten.

Uhland

 

In der folgenden Mitternacht geschah es, dass sich vor dem Hause der Rätin Fribert jene Saitenklänge und jene Lieder eines Sängers wieder hören ließen, welche schon vor Kurzem unbeachtet zu den Sternen aufstiegen. Auch heute sah man an keinem Fenstervorhang rücken, hörte keinen Flügel eines Fensters, keine Türe öffnen; der Sänger, schien es, klage und bekenne seine Liebe hier vergebens.

Dagegen sollte sich ein nicht erwarteter Belauscher in der Nähe zeigen.

Eine männliche Gestalt trat aus dem Garten, in einen Mantel gehüllt, den Hut in die Stirn gedrückt, eine entstellende Binde über dem Auge.

Nicht weit vom Sänger blieb die Erscheinung stehen und hörte eine Weile zu; dann trat sie vor, das letzte Lied verstummte und streitende Stimmen wurden hörbar. Aber nur wenige Worte wurden gewechselt, als gekreuzte Degen klangen – mörderische Hiebe fielen, dass es in den Lüften zischte:

Dass die hellen Funken stoben,
Dass die Mauern widerhallten.

Im Hause war man durch den Gesang bereits wach geworden; diesen von Zeit zu Zeit um Mitternacht zu hören, war man gewohnt, man kannte den Sänger und auch den Grund der Ständchen.

Nun aber überraschte ein Zweikampf die Bewohner des Hauses; die Rätin, Liane, Gabriele verließen ihr Lager, eine Glocke rief den Gärtner wach; die Phantasie spielte mit blutigen Bildern.

Man erwartete mit Sorgen die Nachricht, welche der Gärtner bringen werde; und es war in der Tat nicht erfreulich, was er bald zu melden kam.

Der Sänger war auf dem Platze geblieben, nicht tot, aber schwer verwundet.

Der Gärtner hatte ihn nach dem Gartenhause gebracht und fragte, ob er den Doktor holen solle; das wurde ihm aufgetragen, und die Rätin begab sich in Begleitung ihrer Töchter mit Verband und allerlei Stärkung zum Verwundeten ins Gartenhaus.

Die Wunde saß zwischen Schulterblatt und Hals, und war keineswegs so gefährlich, als der Gärtner gemeldet hatte.

Der Verwundete schien des Leides willen, das er um Lianen litt, sehr beglückt, er schwelgte in dem Gedanken, wie er nun gewinnen müsse in den Augen der Geliebten, und empfing die Damen tröstend und gesprächig.

Den Gegner behauptete er nicht gekannt zu haben; er sei plötzlich hinter ihm erschienen, habe am Schluss des letzten Liedes gerufen, es sei nun Zeit ganz andere Weisen aufzuspielen, habe zweischneidige Reden geführt und dann zwei Degen überreicht, deren einen er gewählt. Bei einer Blendlaterne schwachen Schimmer sei der Zweikampf dann gefochten worden, der mit dieser Wunde und der Entfernung des Gegners geendet.

Der Verwundete war einer jener unglücklichen Schwärmer, denen Lianens Lichterscheinung zur tödlichen Flamme wurde, wie dem Nachtfalter die Flamme einer Kerze.

Er hieß Müdding, war der Sohn einer wohlhabenden Witwe und seit zwei Jahren beliebter Sänger bei der Oper, als er in der Hauptstadt Lianen sah und sie mit aller Glut der Schwärmerei verehrte.

Es schien von dem romantischen Wesen der Oper manches in sein Wesen übergegangen, und als der Tod ihm seine Mutter entriss, gab er seine Stelle als Opernsänger auf und folgte wie ein tönender Planet der Sonne seines Liebeshimmels.

Mit der Familie der Rätin Fribert verließ auch er die Hauptstadt und lebte von deren Villa in einem Bergstädtchen stille, anspruchslos und zufrieden, dass er von Zeit zu Zeit in stillen Nächten sein weh- und wonnereiches Ständchen bringen durfte.

Insofern war er also kein aufdringlicher Störenfried des Fribert'schen Hauses und verdiente die herzliche Teilnahme, die ihm die drei Frauen zuteilwerden ließen.

Gegen Morgen kam der Arzt, verband die gefahrlos erklärte Wunde und konnte dem Verwundeten mit gutem Gewissen erlauben, zu Fuß heimzukehren.

Nun war es wunderlich und rührend genug, wie Liane Fribert den Scheidenden behandelte und ansprach.

Indem sie ihm wie eine höhere Erscheinung gegenübertrat, ihm die Hand reichte und Lebewohl sagte, blickte sie ihm leid- und freudvoll in die Augen und fügte ihrem Abschiedswort hinzu:

»Müdding, ich weiß ja wohl, dass Ihr Herz mit Wärme an mir hängt und dass es mir mit Weh und Treue folgt. Denken Sie nicht, dass ich eine so bescheidene Neigung, welche auch ohne Zeichen der Erwiderung nie ermüdet, ganz ohne Dankbarkeit erkenne; wenn es Ihnen Trost gewähren kann, mein Herz von Ihrer Treue, Bescheidenheit und Wärme gerührt zu wissen, dann soll es mich freuen, Ihnen diesen Trost von ganzer Seele zu gewähren. Müdding, lieben Sie mich; aber lieben Sie meine Hoffnungen und meine Freuden, lieben Sie die Erfüllung meiner Wünsche, lieben Sie mein Glück. Was soll ich's Ihnen noch verhehlen? Ich bin dem Ziele meiner höchsten Wünsche nahe. Wenn Sie eines Tages hören, meine Hand sei zugesagt, mein Herz vergeben, o dann kommen Sie, nehmen Sie wie ein Freund an meinem Glücke teil und segnen Sie es durch die Wärme Ihrer aufrichtigen, reinen Freundesliebe!«

Liane fühlte wohl, dass sie zu viel gesagt, aber das Herz war so voll, wie konnte die Lippe vorbedachtsam schweigen?

Der Gärtner meldete jetzt Herrn Eschenburg; er wünsche den Damen in einer Stunde aufzuwarten.



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