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Sechstes Kapitel.
Getäuschte Erwartung. Ein Bild im Walde. Immer wieder vom Fremden. Nach dem Gewitter. Wie sich die Erwartung doch erfüllt.

 

Ach, nun heilet seine Wunden,
Ach, nun tröstet seine Stunden
Gutes Wort und Freundes Ruf.

Goethe

 

Der Haushahn hatte kaum gekräht, als auch schon die Türe des Taubenschlages leise aufgedrückt wurde und Florian in vollem Anzug heraustrat.

Er sperrte die Türe ab, steckte den Schlüssel zwischen die Dachschindeln und kam die Leitertreppe herab bis vor das Tor des Nebengebäudes.

Hier machte er Halt und betrachtete mit leuchtenden Augen Hallhöfers Wohnhaus.

Da war also sein Retter über Nacht geblieben; da schlief er also noch. Florian sollte ihn sehen, sollte mit ihm reden!

Er ging zum Bach hinunter, wusch sich Kopf und Gesicht in den morgenfrischen Wellen, trocknete sie mit einem Sacktüchlein und lehnte sich dann, sein Morgengebet verrichtend, an den großen Birnbaum am Ufer.

Hier wollte er warten, bis es in Hallhöfers Hause lebendig würde, bis Knechte und Mägde aus und ein gingen und auch der Gast sein Lager verließe.

Der Dämmerstreif im Osten wurde breiter und heller, die Nebel des Tales suchten hin und wieder, die Morgenglocke des Dorfes schlug an und rief zum Erwachen; endlich gingen auch die Türen auf, das Gesinde kam zum Vorschein, Kinderstimmen wurden laut, aber von dem Gaste drüben war noch nichts zu sehen.

Florian war heute in Fürwalders Haus entboten, er hatte nur noch eine Viertelstunde Zeit zu warten, verfloss auch diese ohne den Erwarteten, so war die Hoffnung, seinen Retter zu sprechen, vereitelt. Denn Florian hatte zugesagt, heute Fürwalders Knaben, der an einem bösen Fuße litt, zum Kreisarzt in die Stadt zu fahren, von wo er vor Abend nicht zurück sein konnte.

Minute um Minute verfloss, die Viertelstunde war endlich vorüber, ohne dass der Retter erschien, ohne dass er nach Florian schickte. In dieser Lage blieb nichts anderes übrig, als in Ergebung fortzugehen oder, einen Vorwand suchend, in Hallhöfers Stube zu dringen und so dem Retter wie zufällig vor Augen zu treten.

Das Letztere wollte Florian eben tun, als die Haustüre aufging und der Erwartete marschfertig und begleitet von Hallhöfer heraustrat.

Florian meinte vor Bewegung den Boden unter seinen Füßen wanken zu fühlen.

Da war sein Retter also, da ging er nur wenige Schritte fern an ihm vorüber – aber er ging vorüber – schien sich jenes Schützlings nicht mehr zu entsinnen, blickte nicht einmal um, zu sehen und zu fragen: »Wo wohnt Florian? Und lebt er noch?«

Unter so bewandten Umständen fehlte Florian der Mut, hinzutreten und sich kecklich selber ins Gedächtnis zu rufen.

Er blieb stehen und blickte nur mit feuchten Augen dem Fremden nach, der in ernstem Gespräche mit dem Hallhöfer durch den Hof ins Freie ging ...

»Vergessen, vergessen – versunken und vergessen!« – hallte es in Florians bewegter Seele.

Er ging – so ging denn er auch seiner Wege – und fuhr den Knaben nach der Stadt und weinte an jenem Tage wieder einmal und kam des Abends wohlbehalten heim, ging bei Zeiten schlafen, konnte aber lange keine Ruhe finden.

»Sei still, ertrag's, sei still!« hörte er wieder die bekannte Stimme sagen ...

Nächsten Tages tat Florian beim Hagenbacher Dienste.

Es wurden Bäume im Walde gefällt, und es gab eine frische und anregende Arbeit.

Florian tat es wohl, eine Gelegenheit zu haben, mit kräftigen Armen nachdrücklich zuzugreifen. Aber sonderbar: Warum wohl Florian heute so oft und aufmerksam zur Krone der Bäume, die gefällt wurden, emporblickte?

Machte er einen Vergleich zwischen der Todesart dieser Bäume und vieler Menschen?

Wie verschieden, ob die Axt oder die Säge diesen und jenen Stamm zu Fall brachte! War es die Axt, da bebten Ast und Zweige bis zur Krone hinauf wie im Bewusstsein ihres nahen Todes, es flohen die Vögel, und ein klagendes Rauschen zog durch die Blätter; war es die Säge, die ohne Schütterung den Stamm von seinen Wurzeln trennte, da regten sich Ast und Blätter nicht, außer im spielenden Winde, die Krone wiegte sich fröhlich und ohne Arg inmitten geselliger Nachbarwipfel, die Vöglein zwitscherten ungestört darinnen, bis sie plötzlich eine Schwäche ankam, ein Schwanken ihr Schwindel machte, so dass sie einer Nachbarbuche in die Arme sinken und von da mit wachsender Schnelle, unaufhaltsam weiter zu Boden schlagen musste.

So auch wird der Mensch gefällt unter mächtigen Schlägen der Schicksals oder stille durchs Mark gesägt von einem schleichenden Übel des Leibes oder Geistes; im letzteren Falle geht oft bis zum letzten Augenblick ein frohes Leben der Gedanken durch das Haupt, und buntes Geflügel von Hoffnungen bewohnt es, bis der Schwindel sich meldet und der tödliche Fall erfolgt.

Nun, dachte wohl Florian ähnliche Dinge? Warum blickte er so ins Grün der Zweige und der Kronen empor, wenn sie ihrem Falle nahe waren?

Eben hatte er wieder eine Buche bis auf die Rinde durchgehackt, es bedurfte eines Druckes seiner Hand, und sie neigte sich, sie stürzte, aber da musste wieder einen Augenblick still ins helle Grün der Blätter hinaufgeblickt werden!

Ein Vogel war eben zurückgekommen und umkreiste angstvoll klagend die Krone der Buche; er hatte wahrscheinlich sein Nest da droben und hatte an den Axtschlägen erkannt, dass Kinder, Haus und Habe in Gefahr sind.

Florian, der wohl wusste, was es heiße, so Teures zu verlieren, ließ dem Vogel Zeit, zu retten, was zu retten war, und versetzte dann dem Baume einen Druck, er ihn zum Neigen, zum Fallen bringen musste.

Schon bog und neigte sich derselbe nach bestimmter Richtung hin, als Florian – entsetzlich! entsetzlich! – ein Kind auf ihn zulaufen sah, gerade in der Richtung, wohin der Baum zu stürzen im Begriffe war. Das Kind wurde unrettbar erschlagen, wenn nicht Geistesgegenwart und Riesenkraft dem Niedersturz des Baumes eine andere Richtung gaben.

Florian hatte diese Geistesgegenwart und entwickelt diese Riesenkraft im rechten Augenblick; – es war der Mühe wert, diese stille, wohlgebaute, nervige Gestalt so plötzlich in Kraft schießen und gegen den Stamm des neigenden Baumes drängen zu sehen.

Welch ein Muskelspiel der Arme! Welch eine Ringergestalt –

Es gelang, Florian gab dem Falle des Baumes eine andere Richtung, er schlug rechts nieder, während das Kind gerade auf Florian zukam, zwar erschrocken durch den Sturz des Baumes, aber ohne Ahnung der Gefahr, in welcher es geschwebt. Lächelnd reichte es Florian ein in Milch getauchtes Weißbrot und rief lustig:

»Da! Da!«

Florian, noch zitternd vor Schrecken und Anstrengung, hob das Kind auf seine Arme und betrachtete es eine Weile stumm; es war ihm unaussprechlich zu Mute.

Dieses holde Engelsbild mit den klaren, lieben Augen, mit diesen Krauslocken, mit den blühenden Wangen und den elfenbeinernen Zähnchen konnte in diesem Augenblicke tot vor ihm liegen – tot – dahin, dahin für immer! Ist es denn möglich, dass über ein solches Ebenbild Gottes, in der lieblichsten Morgenfrische des Lebens etwas eine solche Gefahr haben kann?

Aber nein; es lebte ja noch; es war dem Knäblein kein Haar gekrümmt!

Es lebte und lächelte ihn an, griff ihm schmeichelnd nach Wangen, Stirn und Augen und schwabbelte lustiges Zeug und fiel ihm endlich mit beiden Ärmchen um den Hals.

Florian schwang es hoch in die Luft, ließ es dann wieder an seine Brust sinken, ging zur Magd und den übrigen Holzschlägern, setzte das Kind neben sich ins Gras und sprach während und nach dem Essen keine Silbe von der Gefahr, in welcher das Kind geschwebt, aus welcher er es befreit hatte ...

Als am Abend nach dem Baumfällen daheim alles bei Tische saß, bemerkte niemand die flüchtigen Blicke Hagenbachers, welche Florian von Zeit zu Zeit beobachteten.

Florian selbst hatte seine Achtsamkeit auf den Knaben gerichtet, welchen er gerettet hatte; der Kleine wollte nicht von seiner Seite weichen; er ließ sich sein Schüsselchen neben Florian stellen, und sooft er einen Löffel nach dem Munde führte, sah er lächelnd auf und sagte:

»Florian, du heißt Florian!«

Es war, als wolle er sich den Namen seines großen Freundes recht geläufig machen.

Nach dem Abendessen, als gebetet war und Florian nach Hause gehen wollte, tappte ihn der Hagenbacher unvermutet am Ärmel und sagte:

»Will man denn stantepede unter die Bettdecke fahren? Bleib da noch eine Weile.«

Der Hagenbacher gab ihm eine gestopfte Pfeife, und beide setzten sich vor das Haus und rauchten miteinander.

Oft schon war der Hagenbacher freundlich mit Florian gewesen, so aber wie heute noch niemals.

Die stille Freude hierüber machte auch den Florian gesprächiger, was dem Hagenbacher lieg zu sein schien, da er ihn unter dem Scheine, als betrachte er ihn des Diskurses halber, von Zeit zu Zeit näher ins Auge fassen konnte.

Nun geschah es aber nach einer Weile, dass der Hagenbacher plötzlich, mitten in einer Rede Florians, die Pfeife weglegte, von seinem Platze aufstand, dunkelrot im Gesichte wurde und zwei helle Tränen in den Augen hatte.

»Er schwant nichts, er ist wie ein neugeborenes Kind, er hat von allem keinen leisesten Gedanken!« dachte er und ging nach dem Garten, um in die Abendwolken zu schauen, wo es wetterleuchtete.

Nach einer Weile wieder zurückkehrend, sagte er:

»Es kommt ein Wetter die Nacht, und das ein arges, wie ich sehe.«

Er schneuzte dabei so heftig in sein Taschentuch, dass schon dieses einem Donner ähnlich klang, in der Tat aber seine roten Wangen und seine erhitzten Augen rechtfertigen sollte.

So schied man endlich.

Florian ging bewegten Herzens heim; der Hagenbacher blieb noch eine Weile in Gedanken vor dem Hause sitzen.

Wie wunderlich ist doch das Menschenherz! Heute neiget es aus Gründen oder ohne Grund zur Freude hin, und trotz so mancher Schicksalsstücke, die zur Trauer stimmen sollte, ist's oft ein geringer Umstand, der uns unverwüstlich heiter macht; morgen neiget unser Herz zu Wehmut hin, und vergebens erschöpft das Leben um uns Freude und Scherz: die Träne rinnt, von einem flüchtigen Gedanken erregt, von dem Hauche eines unschuldigen Wörtleins aus den Wimpern gerüttelt!

Sonst wäre Florian gewiss vergnügt über Hagenbachers Benehmen in seinen Taubenschlag zurückgekehrt, heute drohte ein geringfügiger Umstand, das Gleichgewicht seiner Seele zu stören.

Er wollte nämlich, in seinem Taubenschlage angekommen, noch eine Weile wachend und der jüngsten Erlebnisse denkend, an sein Fenster sitzen, als er plötzlich auf einem Mauervorsprunge eine Taube sitzen sah, traurig hingekauert, den Kopf unter dem Flügel und schlummernd, wie es schien.

Es war jener graue Cassius, der am Tag der Plünderung des Taubenschlages warnend davongeflogen und heute wieder gekommen war, um nachzusehen, wie es um Vaterhaus und die Seinen stehe.

Er fand seine Ahnung bestätigt. Menschen hatten sich seines Vaterhauses bemächtigt; Verwandte und Bekannte waren verkauft, zerstreut, vertrieben. Er wollte wahrscheinlich nur kurze Nachtwache halten und morgen mit dem Frühesten den Ort der Klage auf ewig verlassen.

Florian sah das Tier eine Weile mitleidig an, dann zog er sich zurück, um es nicht zu wecken, wurde traurig und dachte mit wachsender Bewegung:

»Ja, ja, so kann man Vater und Mutter und Heimat und Elternhaus und seine Freunde allesamt verlieren – o, der Mensch auch, der Mensch auch wie dieses arme Tier!«

Und indem er noch weiter ausführte, wie man alles so verlieren könne – dabei an seinen Retter und – Mariannen dachte, legte er sich nieder und wünschte bald den Trost des Schlafes zu genießen, es sollte sich ihm nicht erfüllen.

Denn das Gewitter kam.

Gegen Mitternacht schien das Jüngste Gericht hereinzubrechen. Donnerschläge, welche die Erde bis zum Mittelpunkt zu spalten schienen, folgten sich in Zwischenräumen von wenigen Sekunden; wahre Feuerströme fuhren vor ihnen her aus den Wolken; und dabei erhob sich ein Sturm, schoss eine Sündflut aus den Lüften, dass es schien, es solle nichts der Stunde des Gerichtes entgehen, vom Blitze getroffen werden, was nicht vom Donner hingestürzt, von Wasserfluten ersäuft werden, was der Sturm nicht in Trümmer riss.

Es war zum Verzagen und Entsetzen.

Durch das Tosen und Donnern drang das Angstgetön des Wetterglöckleins und des Wetterhorns. In allen Häusern war man aufgestanden, hatte Licht gemacht und harrte angekleidet, entsetzt und zagend auf das Ende. In mancher Brust, die früher scherzend an den geheimnisvollen Fremden dachte, stieg nun auch ein ernstliches Bedenken auf.

Indessen lenkte ein schonendes Geschick das Ungewitter ohne Schaden am Gebirge hin, der Gang des Donners wurde leiser, der Blitz zum Wetterleuchten, der Sturm ließ nach und trieb nur leichte Tropfen gegen Wand und Dächer.

Ein frischer, heiterer Gottesmorgen folgte diesem grauenvollen Nachtgewitter.

Baum und Strauch sahen zwar noch arg zerrissen aus; die Waldbäche schossen, mächtig angeschwollen, durch die Täler, aber das Lächeln der Morgensonne und das milde Atmen der Natur kündigten den Frieden aller Elemente redlich an.

Der Geist der Elemente, noch eben Verderben drohend, schien jetzt sanft begütigend durch Flur und Wald zu schreiten, den Blümlein in das Kindesaug' zu blicken, den Gesträuchen das zerwühlte Haar aus Stirn und Blick zu streichen und zu sagen: »Verzeiht, verzeiht! O mein unselig heftiges Gemüt!«

Ein solches Streicheln im Haar schien auch dem Florian zuteil zu werden, als er morgens aus seinem Taubenschlage niederstieg und seiner Arbeit in Fürwalders Hause nachging; hatte er doch die Schrecken und die Plage des Nachtgewitters sozusagen aus erster Hand genossen, denn es ließen die Bretterwände und das keineswegs untadelhafte Dach das Toben des Firmaments beinahe unbehindert zu ihm dringen. Anfangs meinte er durch kunstreiches Drappieren der Decke und durch weises Verändern der Stellungen dem Regen zu entgehen, allein endlich musste aufgestanden und abwartend auf die Kleidertruhe hingesessen werden, bis es der Natur gefiel, zu sagen: »Halt! Es ist genug!«

Florian hatte auf solche Weise zwar eine freud- und schlaflose Nacht gehabt, allein er machte deshalb dem lieblichen Morgen keine verdrießliche Miene.

Er hatte zu einem Neubau des Fürwalders aus der Ziegelhütte Backsteine zu fahren und verrichtete diese Arbeit rasch und wohlgemut.

Nur eine peinliche Erinnerung der Nacht brachte Florian nicht aus dem Kopfe; es war die Erinnerung an einige grauenvolle Töne – nein – an das Geheul des Nachtwächters Strander, der durch das Tosen des Gewitters die Mitternachtsstunde, dorfauf und -ab rennend, aufrief. Eine heulende Bestie schien umirrend unter Sturm und Regengüssen ihre Höhle zu suchen.

Zunächst um diese nächtliche Musik los zu werden, suchte Florian auf seinem Weg zur Ziegelhütte manches Liedlein herfür, um es erst vor sich hin zu singen und dann die Melodie desselben pfeifend zu wiederholen.

Als Florian gegen Mittag ober dem Hallhof nach der Ziegelhütte fuhr, kam ein Hirtenknab' gelaufen, rufend:

»Bst, Florian! Es ist wer da! Sollst gleich herunterkommen!«

Bevor sich Florian noch erkundigen konnte, wer ihn rufen lasse, war der Bote wieder fort.

Er lenkte also den Wagen etwas seitwärts, ließ das Gespann an einem Raine grasen und ging dem Hallhof zu.

Ein Knabe im Hemdchen, der mit einer Geißel zu schnalzen suchte, zeigte nach dem Hofe und sagte:

»Momo!«

Florian verstand wohl, dass es heißen sollte: ein Mann, ein Fremder sei da, vor welchem aller Ehrfurcht zeige.

Eine Ahnung zuckte durch Florians Herz: sie sollte sich auch sogleich erfüllen.

Vor dem Wohnhause stand Hallhöfers Gesinde in einer schüchternen Gruppe und blickte nach dem Nebenbau; dorthin waren auch die Blicke der Hallhöferin und ihrer Kinder im Fenster gerichtet.

Florian war schon über seine Ahnung blass geworden; als aber jetzt der Oberknecht ihm näher trat und leise sagte:

»Der Friedländer aus Küßüben ist da, er hat nach dir gefragt, willst du ihm nicht nachgehen, er ist im Nebenbaue drüben!« Da hielt sich Florian kaum auf den Füßen, er griff unwillkürlich nach der Mütze.

»Er wird meine Residenz sehen wollen, ich werde nicht reden können«, dachte er verwirrt; er besorgte, sein Weh von gestern nicht ganz verbergen zu können; wie er aber die Freude seines Wiedersehens zeigen solle, das war ihm vollends noch ein Rätsel.

Da ging das Tor des Nebenbaues auf, und der Friedländer in Begleitung Hallhöfers trat heraus; sie waren im Gespräch und gingen an Florian vorüber, ohne es zu merken; doch hörte Florian den Friedländer deutlich seinen Namen nennen.

In seiner Verwirrung nicht mutig genug, den Männern in den Weg zu treten und ihr Gespräch zu unterbrechen, ging er ihnen nur schweigend und verlegen in einiger Entfernung nach.

Der Friedländer und Hallhöfer besichtigten den Stall, und es geschah erst hier, dass der Hallhöfer umblickte und sagte:

»Nun, da bist du ja! Da ist er, der Florian!«

Der Friedländer sah auf, reichte Florian die Hand hin und sagte: »Bist du's? Nun sieh, das ist mir lieb!«

Florian wischte sich die Augen, gab dem Friedländer die Hand und atmete lebhaft.

Der Friedländer erriet gar wohl, was in dem Burschen vorging, und half ihm über seine Wehmut weg.

»Nun geh gleich mit und hilf das schöne Wesen betrachten«, sagte er, »ich bin auf einem Weiterwege, dann kannst du eine Strecke mit mir gehen.«

Und sie gingen weiter durch das Haus, der Florian immer hinterdrein; der Beklemmung seiner Seele folgte eine freudige Bewegung.

Der Friedländer richtete keine Frage mehr an ihn, sondern besprach nur ruhig mit dem Hallhöfer die Gegenstände der Wirtschaft, bis sie das Wichtigste gesehen hatten; nun machte der Friedländer Miene aufzubrechen und sagte:

»Es ist Zeit, dass ich weiterreise; behüt' euch Gott, Hallhöfer.«

Er grüßte vor dem Hause auch die Hallhöferin noch einmal, nickte den Ehehalten des Hauses zu und sagte dann:

»So komm' jetzt, Florian, geh' ein wenig mit.«

Dabei hob er ihm die Hand mit der Mütze nach dem Kopfe, als wolle er sagen:

»Ich bitte dich, lass' doch solche Demut!«

Florian, innerlich jetzt besser gerüstet, ging voll stiller Freudigkeit dem so verehrten Mann zur Seite.

»Ich bin über das Gebirge«, begann der Friedländer, »um für meinen Gustav eine Wirtschaft zu kaufen. Der Schindelhof und das Heimerich sind feil; ich habe sie besehen.«

Wie wohl tat das Florian, so vertraulich mit sich reden zu hören! Der Friedländer fuhr nun fort:

»Ich bin zwar vorgestern Nacht schon da gewesen, aber so gern ich dich gesehen hätte, hab' ich doch vor Tag schon auf und weiter müssen.«

Das also war's; der Friedländer hatte ihn nicht vergessen, er hatte nur Eile halber ihn nicht sehen können und hatte das Willkommen aufgeschoben; wie ganz anders lautete das!

Indem sie also weiter gingen, sagte der Friedländer nach einer Pause:

»Nun gelt, so sieht man sich ja immer wieder. Ich will in Kurzem wieder kommen. Weil ich einmal in der Gegend bin, hab' ich manches noch zu ordnen. Nun aber – auch von dir ein Wörtlein: Geht dir's wohl? Ich muss dir sagen, Florian, es macht mir Freude, was ich allwärts höre. Man weiß von dir nur Gutes. Recht. Nun siehst du, was der Mensch am Ende überwinden kann. Hast du etwas auf dem Herzen, sag's. Ich hab' mir oft berichten lassen – freilich weißt du's nicht – was sich begibt; nun, Florian, Gott sei mit dir, du hast doch brav gehalten!«

Es quoll vor Wehmut und Entzücken in des Burschen Brust, seine Augen leuchteten, seine Wangen glühten; auch seine Sprache fand der wieder und gebrauchte diese Gottesgabe maßvoll und gerührt.

So von dem und jenem sprechend, gingen Meister und Jünger eine Strecke über Feld, bis der Friedländer innehielt, die Hand hinreichte und sagte:

»So, für heut' genug; deine Arbeit darf nicht säumen, meine Wanderung duldet keinen weiteren Aufenthalt. Leb' also wohl – auf Wiedersehen, Florian!«

Es war zu merken, dass diese Worte nicht ohne Bewegung gesprochen wurden; freundlich leuchtete dabei des Friedländers Blick.

Florian bebte vor Seligkeit; er blickte mit seinen großen, blauen Augen wie zu einem Heiligen auf, fasst Friedländers Hand mit zitternden Händen und stammelte nur:

»Behüt' Gott, behüt' euch Gott!«

Seine Mienen und Blicke setzten für sich hinzu: »Freund, Vater, Freund, vergiss mein nicht, vergiss mein nicht – ich habe niemand sonst auf dieser Welt!«

Der Friedländer entzog ihm sachte seine Hand, lächelte, freundlich seines Weges gehend, und winkte ihm aufmunternd noch einmal zurück ...



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