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7.

Rechts in der Kammer die Leiche der vielgeliebten Mutter; – vor sich auf dem Tische die ihm geopferten Lieblingstierchen – sein Teuerstes und Liebstes dieser Welt für immer, für ewig verloren!

Der Kohlumer Andres erzählte Ergreifendes über den Zustand und Jammer Muckerls ... Fürchterliches Schweigen und tollstes Rasen folgten einander fort und fort, und als nach längerer Zeit sich stillere Augenblicke zeigten und ein Trösten und Zureden möglich zu werden schien – ergriff Muckerl plötzlich die Flucht und war alsbald im nahen Walde verschwunden ... Besorgt, er könne sich hier ein Leid antun, folgte der Andres dem Flüchtigen – fand aber seine Spur nicht mehr und kehrte endlich zurück, um von dem Todesfalle Anzeige zu machen ... Anderen Morgens traf die Nachricht in Losheim ein, was mit Muckerl inzwischen vorgegangen; und der Andres eilte nach Nesseldorf, um mitzuteilen, wovon er Tags zuvor Augenzeuge gewesen ...

Nachträglich erfuhr man über Muckerls Leben und Leiden noch manches, was bisher nur wenigen bekannt gewesen war.

Danach hatte Muckerl nicht von Anfang an sein Herz auf sein Mütterchen und seine Tauben beschränkt, sie wurden ihm erst alles und jedes, als ihm das Leben alles und jedes versagte, was sonst zum Glücke der Menschen nötig scheint; – auch geliebt hat er mit einer Heftigkeit und Nachhaltigkeit, die ihn des höchsten Preises würdig gemacht hätten – es war vergebens; die Geliebte ward heimgeführt von einem anderen, war glücklich mit ihrem Mann und ihrem Los und später mit der zahlreichen Schar blühender Kinder ...

Mit jeder herben Enttäuschung zog sich Muckerls Herz enger und enger zusammen und richtete sein wehmütiges Auge auf das Treueste der Erde: die Mutter! Und nach jeder schmerzlichen Erfahrung, durch die Menschen bereitet, stieg ihm der Wert seiner Neigung zu den Tauben, und so war es endlich das stillste, bescheidenste Glück auf Erden, das er genießen wollte im Vereine mit der guten, alten Mutter und im Freundschaftsbunde mit seinen auserwählten Tauben; – da ist ihm selbst dieses stille, bescheidene Glück mit einem Male grausam entrissen worden! ...

Wer hebt den ersten Stein auf gegen solche Schmerzenskinder der Erde, die wenig, fast nichts zu ihrem Glücke hienieden verlangen – und dieses Wenige nicht genießen, behaupten sollen! ... Muckerl ...

Doch still ... das Fensterchen im Jenseits bleibt geschlossen; – vielleicht ist das alte Weh, die alte Wunde wieder aufgebrochen; – lassen wir ihm Zeit, sich wieder zu fassen; – vielleicht gereicht es ihm zum Troste zu erfahren, dass es teilnahmsvolle Menschen sind, die jetzt nach mehr als vierzig Jahren in Folge dieser wohlgemeinten Zeilen sich die Bitternisse aus seinem Leben und seinem herben Tode warm und ehrlich zu Herzen nehmen ...

 

Ende.


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