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Ja, wenn man berühmt ist, Muckerl, wie du es bald nachher geworden bist, da weiß man freilich nicht, wie und wo überall man heimlich beobachtet wird!

Ich habe dich öfter gesehen und belauscht, als du dir hast träumen lassen: von unserer Dachluke aus oder hinter dem Nachbarzaune hervor oder auf freiem Felde, wo du mitten in deiner Arbeit manchmal stille gehalten und deinen Taubenzauber ausgeübt hast!

Taubenzauber ... Ja, so habe ich gesagt. Oder wär' etwas anderes gewesen, wenn ein Flug Tauben vom Dorfe her über dir weggezogen in prächtigem Schwunge, sich dann gewendet und wieder gewendet – und über deinem Kopfe Kreise gezogen hat, als wollte er einen Heiligenschein zeichnen, bis du, vor Entzücken mit ganzem Gesichte lächelnd, sachte zu pfeifen anfingst, bald langgezogen und etwas wehleidig, bald kurz und lustig – besonders aber in Trillern, wie ich seitdem nicht mehr habe pfeifen hören ... da ist es gewesen, wie unter einer Gewitterwolke, wenn der aufsteigende Rauch zum Teil von unsichtbarer Macht gedrückt und niedergedrückt wird; – ein Teil des Taubenfluges löste sich vom anderen, senkte sich tiefer und tiefer und ließ sich endlich vor dir, hinter dir, neben dir nieder, trippelnd, die Köpfe gestreckt, freudig mit den Flügeln schlagend ... Es waren deine Treuen, die du hegtest, pflegtest, nährtest auf Kosten deines Lohnes, wie im Dienstvertrage ausdrücklich festgesetzt war ... Aber nicht lange – einige langgestreckte, vielsagende Töne deiner Lippen – und so kamen auch diejenigen Tauben herab, welche noch Kreise zogen und nicht ganz sicher waren, ob es erlaubt sei, sich bei dir auch zu Gast zu laden!

Jetzt wimmelte und flatterte es um dich, an dir hinauf, über dir weg und wieder herunter, dass du manchmal gar nicht sichtbar wurdest; – deine Nächsten und Liebsten schienen zeigen zu wollen, was du ihnen bist und flatterten dir auf die Schultern, gegen die Brust; – deinen hechtgrauen Tauber aus Breitenstein sah ich einmal gar auf deiner Zipfelmütze sitzen mit ausgebreiteten Flügeln, wie man auf deutschen Helmen die metallenen Adlerflügel sieht – und das stand dir gar nicht übel, Muckerl, denn es zeigte an, dass zu allem ein Heldenmut gehört, wenn man unter gewöhnlichen Menschen ein aparter Mensch ist und es nicht der Müh' wert findet, vor den Leuten ein Hehl daraus zu machen ...

Wie uns das freute, wenn du dann in Erkenntlichkeit für diese Taubenliebe in die tiefe und breite Tasche griffst und goldene Körner streutest für die eigenen und fremden Gäste! – Ging's doch von deinem wohlverdienten Lohn – und deinem Hofbesitzer war gar nicht bange um die paar Minuten Zeit, die du auf dem Feld mit dieser Speisung deines Völkleins verlorst, wusste er ja zu gut, mit welchem Fleiß und Eifer du das Versäumte wieder hereinbringen werdest! ...

Und nun erst die Fütterung zu Hause, im Nachbarhofe!

Wie schade, dass es damals noch keine Lichtzeichner gab wie jetzt; sie hätten mit ihrem einäugig-glotzenden Guckkasten neben uns hinterm Zaun stehen und ein getreues Conterfei von dir abnehmen können! Es wäre ein schönes Angedenken, Muckerl, dich leibhaftig zu sehen, wie du dastehst, ein schlanker, kräftig aufgeschossener Bursch, in der Landestracht, mit der weißen Zipfelmütze auf dem Kopfe, die, wie der Himmel mit Sternen, mit zahllosen Täubchen in Rot bedruckt war; – ein schönes Angedenken wär's, dich so in deinem Glücke, deiner Glorie zu sehn: das blasse, hübsche, schmächtige Gesicht etwas aufrecht, und das hellblaue Auge glückselig musternd auf das lustige Getu' und Gefluder ringsum gerichtet! ...

So habe ich dich noch gesehen, Muckerl, am Tage vor deinem Abschied, vor deinem bitteren Unglück und Tode; – o, dass es mir nicht erspart ist, davon zu reden, darüber zu berichten! …


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