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2.

Weißt du, Muckerl, wann und wo ich dich zum ersten Male kennen gelernt habe?

Auf dem Nikodemimarkte; du hast frisches Getreide hingefahren, auch bald verkauft und dann die Pferde beim blauen Stern eingestellt. Wie du vom Stalle her in die Schänke trittst, heißt's von vielen Seiten: »Der Muckerl!« Die einen heben die Gläser auf und rufen: »Ich bring' dir's!« Die anderen schieben die Gläser entgegen und sagen: »Tu' Bescheid!« Es waren vollwichtige Bauern darunter mit schweren Geldgurten um den Leib, es hat mir recht gefallen, dass sie einem Knechte so viel Ehre geben; bald hab' ich aber gemerkt, dass es nicht überall richtig war mit dem freundlichen Wesen. Der eine hat bei seinem Gruße den Mund etwas schief gezogen, der andere hat mit den Blicken geflunkert, da er dir das Glas hinschob, und wie du dankst und eilig durch die Stube hinfegst und wieder verschwindest, geht ein »Gehedel« los – du kennst ja das Lachen, das nicht gerade bös, aber glimpflich ehrenrührig ist! … Mein Vater, der mich mitgenommen und das alles gesehen hat, schüttelt den Kopf und sagt: »Sie sollten's nicht tun, so brave Menschen soll man nicht hänseln, hat doch jeder seine kleine Narretei, er hat's eben nur mit den Tauben!«

»Wo dient er jetzt?« frag' ich.

»Beim Pangraz im Zwiselhofe; er wird aber bald zu unserem Nachbarn kommen, der hat auch einen Stich ins Taubengraue!«

Wie ich noch eine Weile so frag' und mein Vater antwortet, wird auf einmal ein Aufhebens gemacht in der ganzen summigen Stube, alles drückt sich an die Fenster nach dem Marktplatze zu und ruft halb lachend, halb verwundert:

»Da hat er ja wieder ein Paar! Ei und der Tausend – ganz etwas Nagelneues! Die ganze Fabriks-Inspektorin von hinten, wie sie so eben vorbeigegangen!«

Viele lachten jetzt über den Vergleich; einige eilten vor das Tor, um das merkwürdige Taubenpaar näher zu sehen – du hast ihrer Neugierde aber nicht Stand gehalten, Muckerl, hast die eine Taube, die du draußen einigen Kennern gezeigt, wieder unter die Jacke verborgen und bist unterm Marktgedränge verschwunden.

Bei dem Rufe: »Wie die Fabriks-Inspektorin!«, hat selbst mein Vater lächeln müssen.

Wir hatten vorher die Inspektorin auch vorübergehen sehn, sie hat ein »schneeleichetweißes« Kleid angehabt, darüber eine schwarze Spitzenmantille und über den Kopf ein eben solches Spitzentüchlein, das den Nacken kaum erreichte. Soviel wir an der flüchtig gesehenen Taube merken konnten, war sie sozusagen auch weiß gekleidet, der lange Schweif konnte ganz wohl als weißer Schleppenauslauf betrachtet werden, aber über die Schultern, wenn man so sagen darf, quer unterm Halse, schien auch ein schwarzer Schleier zu hängen, der, spitz zulaufend, den Rücken bis gegen den Schweif und rechts und links die Schultern – dass ich sage – den oberen Teil der Flügel bedeckte; – und – weil man einmal die Frau Inspektorin nicht mehr aus dem Spiele lassen kann – muss hinzugefügt werden, dass der Taube auch über den Kopf bis gegen den weißen Hals hinab ein schwarzes Spitzentüchlein zu hängen schien! – Ich habe später oft solche Damen durch die Logengänge der Theater rauschen hören und zugesehen, wie sie in den Logen die schönen Spitzenschleier abgetan; dein ganz gleiches Taubenpaar, Muckerl, hat das aber gar nicht nötig gehabt, es hat den wunderschönen Putz (was sind Brüsseler– und Erzgebirger Spitzen dagegen!) Tag und Nacht nicht abgelegt und ist selbst – werde nur nicht traurig, Muckerl – in voller Kleiderschönheit später in den Tod gegangen! ...


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