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Muckerl, der Taubennarr

Ein Lebensbild aus dem Böhmerwald.

[1.]

Nicht jeder hat einen Verstand zu verlieren, der sich klug und weise dünkt; und nicht jeder hat ihn schon verloren, von dem es heißt, dass der Weisheitsvogel unter seinen Stirnhaaren ausgeflogen!

Das hat sich recht gezeigt, als der Muckerl Johann von Nepomuk aus Losheim noch am Leben war und sich mit der Welt auseinandersetzen musste.

Der Muckerl ...

Wird der sich wundern, nach mehr als vierzig Jahren wieder im Buch des Lebens aufgeschlagen zu werden!

Ich seh' das Schiebfenster eines Hinterstübchens im Jenseits öffnen und Muckerls Kopf herausfahren: – »Ein schönes Paar Tauben?« fragt er, da er nicht anders denken kann, als dass von schönen Tauben die Rede ist, wenn sein Name auf Erden genannt wird!

Ja, Muckerl – von Tauben wird die Rede sein, von schönen Tauben – den schönsten Tauben, die du je mit Entzücken im Fluge beobachtet oder gefüttert oder sorgsam unter der Jacke zum Mütterchen nach Losheim getragen hast; aber auch von dir wird die Rede sein, Muckerl – nach mehr als vierzig Jahren, wo dein Andenken schon in alle vier Winde zerstoben ist, selbst bei den Wenigen, die so glücklich waren, dich noch persönlich zu kennen.

Du lächelst? Ein leises Weh zuckt um deine Mundwinkel? ... Verstehe.

Dass du von dir immer bescheiden gedacht hast, das können wir alle redlich bezeugen – und dass du von Verehrung und Bewunderung, die dir die Welt gezollt, nicht viel gewahr geworden, das sagt ja das Zucken deiner Mundwinkel deutlich genug; – es bedeutet ja doch nichts anderes als ein spätes Weh über die herbe Art und das jäh-summarische Verfahren, als sie dich auf dem Häckselboden im Stroh gefunden, mit Grauen von der Rebschnur gelöst, zwischen vier ungehobelte Bretter gelegt, bei Nacht und Nebel davongetragen und in eine ungeweihte Ecke des Kirchhofes verscharrt haben! ...

Das kannst du mit Recht nicht verwinden.

Lebtest du heute – es käm' vielleicht anders … Wenigstens schießt man sich heute tot, dass es kracht – und am Begräbnistage geht es zu wie beim glänzendsten Hochzeitsfeste! Die »Enterprise des Pompes funèbre« stellt Reihen von Galawagen, Conductenführer die schwere Menge, in Gold und Silber, mit Fackeln und Kerzen, geben dem Toten die Ehre, auf dem schönen Metallsarge liegt die goldgestickte Uniform, Sturmhut oder Ritterhelm, die Gärten im Umkreis sind förmlich ausgeplündert zu Kränzen auf den Sarg – darunter auch Lorbeerkränze ... die sollen den Ruhm des Tages besonders bezeugen.

Siehst du? Es wär' vielleicht anders jetzt – ob auch für dich? ... Du lächelst wieder, wirst etwas blässer, ziehst den Kopf zurück und schließest das Fensterchen ... hast recht; – man kann nicht wissen; – sicher ist sicher ... Jetzt hast du abgelegt die Schlacken der Erde, abgebüßt, was etwa der Himmel an dir übel vermerkt hat; du hast dein Sicheres; für Wohnung, Kost – (wenn du auf derlei Tand noch etwas gibst) ist gesorgt; dein irdischer Anzug ist gewendet, frisch gebügelt und mit himmlischem Glanz für die Ewigkeit hergerichtet; – selbst die Zipfelmütze haben sie dir gelassen, wie ich sah ... hast recht; schließ' das Fenster; ich will dir schriftlich senden, was ich erzähle, dann kannst du's still für dich im Extrastübchen lesen und niemand braucht zu sehen, wie du vor Freude errötest oder vor Weh mit der umgekehrten Hand über die Augen fährst ...


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