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III. Kapitel.
Warum Martha den Glockenhof verließ

Martha hatte die Gewissensskrupel von vorgestern schon wieder in etwas verschmerzt; denn das weibliche Gemüth ist in der Regel so beschaffen; es lässt sich leicht aufregen, kehrt aber bald wieder in den gewöhnlichen Stand zurück; alles ist schnell wieder vergessen; und so war es auch im Glockenhofe am dritten Tage wieder beim Alten. Martha spann ruhig in der Stube und ihre zwei Knaben spielten zu ihren Füßen; Meister Hanns aber und die Gesellen waren in der Gießerei. Hanns schnitt zierliche Model ins Zirbelholz hinein, die Gesellen kneteten am dem Lehme zum Mantel.

Da tritt ein Mädchen mit einem Korbe auf dein Rücken herein in die Zechstube.

»Bist Du's, Grethe!« sprach Martha zur Eintretenden »dieses Mal bist Du lange ausgeblieben, unsere Brotlaibe sind fast auf die Neige gegangen; es ist gut, dass Du kommst!«

Grethe: »Fast hätte ich mir gar nicht herausgetraut; denn in Hall drunten sagt man, es wären drei Kaufherren aus Passau in dem Walde verschwunden. Sie waren vor drei Tagen noch in Rinn droben und sollten nach Hall kommen, man erwartete sie. Ihre Schiffsleute sind um sie in Angst, und man vermuthet, dass Räuber sie getödtet haben. Es muss doch wahr sein, wovon immer die Rede geht, dass im Volderwalde Räuber hausen. Man hat ausgeschickt, nach den Kaufherren zu forschen. Ich fürchtete mich auf dem Heraufwege sehr.«

Martha wurde bei diesen Worten der Grethe über und über roth, ihr Herz pochte laut; und wäre Grethe nur ein wenig argwöhnischer gewesen, so hätte sie aus dem Gesichte der Martha etwas herauslesen müssen.

»Kind!« sagte endlich Martha, »wer wird Dir etwas thun, trägst ja so keinen Kreuzer bei Dir; eine arme Taglöhnerin wird doch jeder seine Wege gehen lassen.«

Grethe: »Wer weiß es, rohe Räuber sind zu allem fähig. Ich möchte nicht in ihre Hände fallen, ich danke allemal Gott, wenn ich wieder zu Hause bin. Würdet Ihr mich nicht immer gar so schön bitten, so brächte mich keine Seele mehr herauf in den Glockenhof; aber so kann ich es Euch nicht abschlagen.«

Martha: »Hat man zu Hall eine Vermuthung, wer etwa die Kaufherren aus dem Wege räumte?«

Grethe: »Man weiß es nicht, nur sagt man, dass sie zwischen Rinn und der Volderbrücke müssen ermordet worden sein: denn in Rinn sah man sie noch, in Volders konnte man von ihnen nichts mehr erfragen. Habt Ihr auch nichts davon gesehen?«

Martha: »Ich, ich weiß nichts!« Das Herz strafte aber Martha Lüge. Sie wusste oder vermuthete wenigstens, was geschehen war. Hanns hatte ihr ins Gesicht gelogen, und sie musste dem schändlichen Manne lügen helfen, sonst wäre er und sie und ihre Kinder und die Gesellen, alle vielleicht morgen schon im Thurme der schweren Verbrecher. O, der Kerker ist etwas Schauerliches, hui, hui, und die Ketten, die Folter, das Schwert! Still'! still'! Martha, verrathe dich nicht! – Aber Martha, bevor du den Hanns kanntest, hast du nie gelogen, nie, um keinen Preis. – Das Lügenwort, es will dir noch nicht recht herauf. – Jetzt sagst du, du weißt nichts. Hättest du dich doch nie an Hanns gehängt! Und noch immer tiefer kommst du mit diesem Manne hinein, immer tiefer sinkst du!

Als Martha der Grethe das Geld für das Brot hinzählte, zitterte sie, sie gab ihr viel zu viel, und die ehrliche Grethe schob ihr es zurück. »Was thut Ihr denn heute, Meisterin?« sprach das Mädchen, »Ihr gebt mir ja da gar eine Goldmünze statt eines Kreuzers, ist das nicht eine Goldmünze? Ich bekomme solche Dinger selten in die Hand, ich kenne sie zu wenig! Ich habe, wie ich glaube, Euch durch meine Erzählung auch in Schrecken gesetzt, dass Ihr so zittert und verwirrt seid. Nimmt mich auch nicht Wunder! Liegt der Glockenhof doch gerade mitten im Walde so einsam und fern von Häusern; aber bei Euch sind doch der Männer genug, die ein paar Räuber nicht fürchten werden.«

»Ja, Grethe, ich fürchte mich doch auch!« erwiderte Martha, »ich mochte so gerne von hier weg, weit weg. O, wie glücklich bist Du!«

»O, wegen der Räuber darf Euch nicht bange sein!« sagte Grethe, »mir ist leid, dass ich Euch so eine Furcht eingejagt habe. Uebrigens habt Ihr es wohl besser als ich, Ihr dürft Euch nicht so plagen und sorgen, wie Ihr Euer Leben durchbringt, wie ich. Doch danke ich Gott, dass er mir zwei gesunde starke Arme gegeben hat.«

»Grethe!« sagte Martha, »Du weißt nicht alles. Du kennst noch die Welt zu wenig; der Schein trügt. Ich würde gerne mit Dir tauschen. Als ich jung war, da war ich auch einst so fröhlich, so zufrieden, so glücklich wie Du Jetzt bin ich es nicht mehr. Da, Grethe, hast Du ein Silberstück noch extra, bete für mich und meine Kinder in der Pfarrkirche zu Hall, o ich bedarf dessen, ich komme selten in eine Kirche.«

»Ja, das will ich, Meisterin!« entgegnete Grethe, »Gott lohne Euch das, was Ihr einem armen Mädchen thut. Ich will das Geschenk meiner alten Mutter bringen, sie wird sich freuen, sie wird auch für Euch beten, ihr Gebet vermag viel, sie ist so gut und fromm.«

Und Grethe nahm ihren leeren Korb auf den Rücken; Martha drückte der Grethe, als diese schied, die Hand, und eine Thräne stahl sich aus ihren Augen.

»Auch die reichen Leute haben ihre Kreuze!« sprach Grethe zu sich selbst, als sie den Waldweg hinabgieng, »nur weiß man sie oft nicht.«

»Was doch die Meisterin, die so herzensgut ist, haben mag?« fragte sich dann das Mädchen und zerbrach sich vergebens auf dem Heimwege wegen der Antwort darauf den Kopf. Es vergaß dabei sogar, dass der Wald unsicher war. Erst als der Münzerthurm vor ihr lag, erhob sich Grethe aus den Gedanken, die sie sich gemacht hatte; sie eilte sofort zu ihrer Mutter heim, um ihr die von Martha erhaltene Gabe zu bringen.

Als Hanns nach dem Mittagessen noch allein mit Martha in der Zechstube war, da brach Martha in ein lautes Schluchzen aus und sagte zu Hanns:

»Hab' ich es Dir nicht gesagt, dass wir Glockenhofer noch insgesammt in großes Elend stürzen werden! In Hall ist es schon ruchbar, dass hier im Volderwalde drei Fremde verschwunden sind. So lange und so oft treibt Ihr es, bis man auf Euch verfallen muss! Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. – Nun sei es! Ich habe keine andere Schuld, als dass ich Deinen Lügenworten jemals glaubte, dadurch bin ich endlich selbst zur Lügnerin und Hehlerin geworden!«

»Einfältiges Weib!« sprach der Meister auffahrend, »bei Deinem ewigen Gewinsel ist es nicht mehr auszuhalten. Wohlan denn, gehe hinab nach Hall und gib mich an; dann magst Du Zeugin sein, wie Deines Mannes Haupt von dem Blocke fliegt; kannst Dich an meinem Blute weiden, und in der ganzen Welt wird es heißen: ›Den Glockengießer hat sein eigenes Weib den Händen des Scharfrichters ausgeliefert!‹ Ob Dir aus meinem Blute Rosen erblühen werden, wirst Du wohl dann erfahren!«

»Schrecklicher Mann!« sprach Martha, »Du legst mein Herz und mein Gewissen auf eine ewige Folterbank. Wenn Dein Vater noch lebte und sähe, was aus Dir geworden, so würde ihn der Gram verzehren! Hanns, ich bitte, ich beschwöre Dich, fliehe, fliehe mit mir, gehen wir, wir wollen dann ehrlich sein!«

»Ehrlich sein – fliehen –? was doch Du daherschwätzst!« sagte der Meister. »Wo gibt es jetzt ein Plätzchen in der Welt, in dem ehrliche Menschen sind? Ein bischen Schurken minder oder mehr, darauf kommt es am Ende nicht an. Oder Martha, glaubst vielleicht, Du seist ehrlich? Das Ehrlichsein hast Du schon lange hinter Dir!«

»Das weiß ich leider wohl!« erwiderte Martha, »ich fühle tief im Herzen, dass ich es nicht mehr bin, und schaudere vor mir selbst zurück, wie ich die Gattin eines Mörders werden konnte; aber Du allein bist es, der mich dahin brachte. Ach werde noch in der letzten Stunde, die der Herr Dir schenkt, anders, noch ist's Zeit zur Umkehr!«

»Es ist keine Zeit mehr, ich bin, der ich bin, es ist zu spät! Ich fliehe nicht, wer A gesagt hat, muss auch B sagen. Auch Du hast A gesagt. Wir bleiben; wir lachen der tölpelhaften Häscher; sie werden hier nichts finden, und sollen sie den ganzen Glockenhof zu oberst und zu unterst kehren.« Das war die Antwort des Hanns.

»Ihr habt also die Fremden aus der Welt geschafft, o bekenne es mir! Sei doch einmal gegen mich aufrichtig!« kam es wieder aus Martha's Mund.

»Wer sagt Dir das, etwa die fromme Grethe aus Hall?« erwiderte spöttisch der Meister, »sie mag in Zukunft ihren Hallerklatsch für sich behalten und möge uns Glockenhofer in Ruhe lassen, und Du quäle mich auch nicht länger. Bete, seufze, weine, thue, was Du willst, das kümmert mich fürder nicht mehr, aber halte reinen Mund, sonst könnte es Dir, wie so manchen andern ergehen. Reize den Löwen nicht!«

Da sprach Martha, sich vor ihn hinwerfend: »Thue an mir, was Du drohst, ich weigere mich nicht von Deiner Hand zu sterben, mein Leichtsinn hat es verdient, und Gott wird meiner Seele gnädig sein; denn ich bereue herzlich mein Leben und meine bösen Schritte!«

Hanns stand auf Kohlen, des harten Mannes Herz fieng an weich zu werden, des Weibes Seelenqual rührte ihn; es tönten zu ihm Anklänge aus früherer Zeit herüber und schlugen mächtig an sein verwildertes Gemüth. Er sah ein, dass es noch etwas Höheres gäbe als das irdische Leben.

»Martha!« sprach Hanns nun mit sanfterer und weicherer Stimme, als er je gewohnt war, »Martha, mich reut es, dass ich Dein schuldloses Leben an mein schuldbeflecktes gekettet habe; trenne Dich von mir und lass mich mir selbst über. Nimm Dir Geld, soviel Du willst, dass Du zu leben hast, geh mit den Kindern in ein fernes Land, wo Dich niemand kennt! Erziehe die Kinder gut! Ich bin Deiner nicht wert. Ich habe Dich um Dein Leben betrogen. Verzeihe mir! Und wenn Du einmal hörst, dass ich nicht mehr bin, dann zolle mir wenigstens eine Thräne und bete für mich. Es ist nothwendig, dass wir unser Leben hier scheiden, ich sehe es ein, sonst ziehe ich Dich mit in mein letztes Unglück, das du nicht verschuldet. Martha, ich will Dir das Geld bringen, dann machst Du Dich auf die Reise; wer weiß, ob uns nicht dieses Mal dennoch die irdische Gerechtigkeit erreicht!«

Martha erhob sich, lange wogte es in ihrem Herzen hin und her, was sie thun sollte. Hanns war, so wie er vor ihr stand, nicht mehr der Alte, das fühlte sie. Es regte sich etwas in ihr, was zu Gunsten Hannsens sprach; sollte sie ihn jetzt feige verlassen, er war doch, wenn auch Verbrecher, der Vater ihrer Kinder, ihr rechtlich angetrauter Mann. –

»Da sind keine Bedenken mehr!« sprach endlich Hanns, »ich bin fest entschlossen, – es soll sein. – Ich weiche nicht vom Hofe! Versuche nicht, mich davon abzubringen. Du gehst mit den Kindern! Für Dich ist hier nicht mehr die Stelle, diese unheimliche Luft hat Dich schon vergiftet; wer sie in sich hineintrinkt, den tödtet sie. – Die Kinder sind noch rein, tilge aus ihrem Gedächtnisse, was sie hier gesehen; es wird Mühe haben, weil ich es von mir selbst weiß. Auch mich berauschte die unheilvolle Last der Umgebung. – Es mag Dir jetzt Kampf kosten, von mir Dich zu trennen, aber fliehst Du nicht, so fliehe ich und trenne mich von Dir, und Du wirst dann von meinen Unthaten aus der Ferne hören. Wäre Dir das lieber? So aber kann sein, dass für mich doch noch ein Stündlein der Gnade schlägt. Also fliehe, fliehe! Weg von hier aus dieser verpesteten Luft!«

Und Hanns eilte aus der Zechstube; nach einer Weile kam er wieder und legte einige Geldsäcke auf den Tisch. Martha sah, dass Hannsens Entschluss unabänderlich sei, sie kannte ihn. Der Schritt war ihr schwer, sie hieng mehr an Hanns, als sie geglaubt hatte. Mitleid und Liebe erwachten in ihrem Herzen mit neuer Kraft.

»Und nun soll ich gehen?« sagte Martha, »Dich in diesem Augenblicke verlassen? Ist denn kein Ausweg mehr möglich?«

Hanns: »Keiner! – Geh' hinab zur Volderbrücke und besteig' dort mit den Kindern ein Schiff. Dich, als Weib, wird niemand beanstanden; im Bayerlande wirst Du irgend ein Plätzchen finden, wo Du über mich und Dich ruhig trauern kannst; Dein Trost seien Dir Deine Kinder und das Bewusstsein, ehrlich sterben zu können!«

Martha: »Aber klebt wohl nicht an diesem Gelde Blut? Darf ich es mit gutem Gewissen nehmen?«

Hanns: »Du kannst es nehmen, es ist Dein Eigenthum. Es ist Deine Mitgift, das Erbtheil Deiner Mutter. Kaufe Dir damit ein Gütchen und Du wirst mit den Kindern leben können; Arbeit war immer Deine Freude. Jetzt geh', ich werde dem Triefaug' sagen, dass er Deine und der Kinder Sachen heute noch zur Volderbrücke hinabbringe. Er ist aus allen noch der Beste, auf ihn kannst Du Dich verlassen!«

Mit abgewandtem Gesichte reichte er Martha dann die Hand zum Abschiede. »Hier sehen wir uns nimmer!« sprach er, »vielleicht doch noch dort oben!« – Dann küsste er die zwei Knaben und drückte sie wehmüthig an sein Herz; gerne hätte er sie gesegnet, aber wie konnte er das mit seiner blutgetränkten Hand thun, er fürchtete sich, über sie den Fluch und sein Schicksal herabzuziehen. Dann nahm er das Kreuzlein des Vaters vom Halse und sprach: »Martha, segne Du sie mit diesem Kreuze, es wird nicht mein, sondern meines Vaters Segen sein!« Martha that, was ihr Mann verlangte. »So, jetzt gib mir das Kreuzlein wieder, damit ich doch wenigstens ein Zeichen habe, dass ich getauft bin. Martha, lebe wohl!« Das waren die letzten Worte des Meisters.

Dann eilte derselbe in die Werkstätte, sprach eine zeitlang mit dem Triefauge und hämmerte dann zwecklos an dem Metalle herum, als wollte er durch dieses Getöse eine innere Stimme übertönen.

Martha stand lange gedankenvoll in der Zechstube. Thränen rollten über ihre Wangen, sie zögerte und zweifelte noch immer, – dann geht sie hinauf in die Schlafkammer und packt das Nöthige für sich und ihre Kinder zusammen. Sie hat sich endlich entschlossen zu gehen, um sich und ihre Kinder, vielleicht auch den Hanns zu retten. Wer weiß, wie die Schicksale sich ketten, wer weiß, ob nicht der Herrgott im Himmel ein barmherziges Auge aufthut, noch ist Hanns nicht verloren! –

*

Wir sehen in der Abenddämmerung ein Weib, zwei Kinder an den Händen führend, durch den Wald der Volderbrücke zuwandern. Ihr folgt ein stämmiger Bursche, einen Karren mit Gepäck nachziehend. Oft schaut Martha zum Glockenhof zurück. Es war ihr, als müsste Hanns nachkommen. – Er kommt nicht. Die Knaben wandern gerne des Weges; ist es ja das erstemal, dass sie eine andere Welt sehen sollten als jene düstere um den Glockenhof, wo es so wenig Blümchen gab. Die Mutter und die Gesellen hatten ihnen oft davon erzählt, wie es anderswo aussehe. Der Vater, denken sie, wird bald nachkommen; doch schauen die Büblein der Mutter immer wieder ins Antlitz, sie wissen nicht, warum sie jetzt so traurig ist. Geht's ja doch fort in ein schöneres Land! Sie hätten ihre Freude gerne in Hüpfen und Springen geäußert, aber weil Mütterchen traurig war, unterdrückten sie ihre Fröhlichkeit, so gut sie es vermochten.

»Mutter, siehst Du dort!« sprach der Aeltere, als sie hinab in das Thal kamen und sich ihnen die Aussicht auf den Inn öffnete. »Welch großer Bach! O, der ist groß und viele schöne Glockenhöfe sehe ich auch dort drunten, siehst Du, wie hoch jenes Haus ist?« Er zeigte auf die Kirche in Volders.

Das Triefauge wusste nicht, wohin die Meisterin gehe; der Meister hatte ihm das nicht gesagt, aber er wäre gerne mit ihr gezogen. Ihn fieng an, sein Handwerk zu verleiden. Auch er war ehrlicher Leute Sohn und war erst später zum Räuber geworden und konnte jetzt nicht mehr so leicht zurück.

Das Benehmen der Meisterin sagte ihm, dass sie lange nicht mehr kommen werde. Es war ihm leid um sie und auch um die munteren Buben. Hatte er ja so manchen Kurzweil mit ihnen und heimelte es ihn so an, wenn er in ihre unschuldigen Augen blickte. O, das waren selige Zeiten, die Zeiten seiner eigenen Kinderjahre! Drunten an der Volderbrücke wird Halt gemacht. Mehrere Schiffe schaukeln über den Fluten des Inns. Rauch wirbelt aus ihnen empor, es sind die Schiffsleute gerade mit dem Abendkochen beschäftigt; andere schleppen Waren hinein, die an den Ufern des Flusses aufgestapelt liegen. Bald ist Martha wegen der Fahrt mit einem Schiffsmeister einig. Das Triefauge übergibt die Ladung und kehrt langsam die Straße hinauf zum Glockenhofe zurück.

Martha lehnte sich in eine Ecke des Schiffes und schaute dem Triefauge nach, hinauf, dorthin, wo der Glockenhof liegt. Das Triefauge blickte oft zurück nach der Meisterin. Ich glaube gar, er weint! Die Buben laufen in dem geräumigen Schiffe herum, es freut sie das Schiffsleben und das Plätschern des Wassers, das ein Schiffsmann mit hölzerner Schaufel in den Strom hinausschöpfte.

Martha ließ droben am Glockenhofe eine Welt von Erinnerungen zurück, das Scheiden von dort that ihrem Herzen wehe, und doch zog es sie gewaltig von dort fort, in eine neue, unbekannte Welt, in ein neues, ihren Augen verschleiertes, einsames, freudenloses Leben. Diesen schweren Schritt Marthas hatte ein leichtsinniger Schritt in ihrer Jugend, nämlich ihre unbedachtsame Heirat mit Hanns herbeigeführt. »Wer A sagt, muss auch B sagen!« hatte Hanns behauptet. Doch Martha sagte nur A!


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