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Der Glockenhof

Die Räuber am Glockenhofe


I. Kapitel.
Der Glockengießer erzählt seine Jugendgeschichte. – Ein Zwischenspiel

Über 160 Jahre sind verflossen, seit wir das letzte Mal im Glockenhofe waren.

Der alte Glockengießer und seine Gesellen leben schon längst nicht mehr. Ich kann meinen Lesern nicht sagen, ob der Meister durch das Schwert des Henkers sein Leben geendet hat, oder ob er als grauer Sünder im Bette gestorben ist und wo seine Gesellen ihre letzten Stündchen gesehen haben. Wenn auch hienieden nicht, wird sie doch gewiss im Jenseits die Strafe für ihre Verbrechen, ebenso wie die Juden, ereilt haben, denn ungestraft taucht man nie die Hand in das Blut seines Mitbruders.

Das wenigstens ist gewiss, dass sich von allen diesen Leuten um die Zeit, von der wir jetzt reden, kein Stäubchen mehr vorfand. Es blieb nur die Unheimlichkeit und Verrufenheit der Volderwaldgegend und besonders der alten Ellbögner Hochstraße, die nun viel einsamer und verlassener ist, als sie es schon um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts war. Wohl sehr selten zogen nämlich um das Jahr 1628 noch Kaufleute und andere Wanderer diese Straße. Der Verkehr hatte ja im Laufe der Zeit eine vollständige Ablenkung auf den Weg von Hall nach Ampass, Aldrans, Lans u. s. w. erfahren; deshalb war die alte Hochstraße schon so in Verfall gerathen, dass sie nur zu sehr einer Waldschlucht glich und den Eindruck großer Verwahrlosung machte.

Unser Glockenhof war auch noch an seinem alten Platze und hatte sich nicht viel verändert. Er scheint immerfort die Herberge von allerhand Gesindel gewesen zu sein; denn das Christusbild am Kreuze mit der papiernen Narrenkappe hängt noch immer rußig und staubig in dem Winkel der Zechstube, wo wir es vor 160 Jahren schon sahen. Wäre inzwischen nur einmal ein Besitzer des Glockenhofes gewesen, der etwas auf Christenthum im Hause gehalten hätte, so wären die Narrenkappe von dem Haupte Christi und der Schmutz gewiss verschwunden.

Wer hier inzwischen gehaust und welche Laster diese Mördergrube seitdem gesehen, hat die Geschichte nicht aufgeschrieben; denn in jenen Zeiten der Kriege und der Verwirrung, welche die lutherische Religionsspaltung in Deutschland hervorgerufen, dachte jeder nur daran, wie er für sich am besten sorgen könnte.

Der Glockenhof trägt noch das alte Erkennungszeichen, als Glockengießerei und Schenke, nämlich eine Metallglocke und einen Humpen, beide an einer Eisenstange hängend. Die Glockengießerhütte steht auch noch.

*

Es ist schon tiefe Nacht und stockdunkel am Himmel – dazu heult noch ein abscheulicher Sturmwind und prasseln dichte Regenschauer draußen. Doch ertönt in der Zechstube des Glockenhofes noch ein munteres Gelächter. Im Kamin flackert ein lustiges Feuerlein, das die ganze Stube hell erleuchtet. Ein bärtiger junger Mann von beiläufig 25 Jahren schürt die Flamme, indem er von Zeit zu Zeit Holzstückchen dem Feuer zulegt. Andere Männer, jüngere und ältere, sitzen auf den Bänken und Stühlen ringsum. Einer davon sitzt auf der anderen Seite des Kamins, – er scheint der Meister zu sein, denn er führt das Wort, und die anderen hängen mit ihren Blicken an seinem Munde. Er muss ihnen etwas Lustiges erzählt haben, weil alle ein solches Gelächter erhoben haben. Schauen wir uns den Mann näher an.

Er mag so vierzig und etliche Jahre auf dem Rücken haben. Sein Rumpf nähert sich etwas zu stark dem Halse und gibt dadurch dem ganzen Körper eine gedrungene Gestalt. Backen und Kinn des Redenden sind mit einem stattlichen schwarzen Vollbarte geziert. Sein von der Sonne gebräuntes Antlitz trägt die Spuren der Abhärtung, über der linken Wange hat er eine große Narbe, die ihm zugleich mit den kühnen Augen ein kriegerisches Aussehen verleiht.

Am Tischecke gegen das Fenster zu sitzt ein Weib, welche ihr erstes Jugendalter schon überschritten hat; doch viel über dreißig zählt sie noch nicht. Sie ist wohlbeleibt, scheint recht gutmüthig zu sein und dreht von dem Spinnrocken herab den Faden um die Spindel; das Ding geht gar flink, nur hie und da ruhen ihre Finger, wenn nämlich der Meister am Kamine wieder etwas Lustiges vorbringt. Da öffnet auch sie den Mund zum Lachen und mischt ihre helle Stimme den rauhen Männerstimmen bei. Sie ist wohl die Meisterin. Ein Paar Buben sitzen auf den Knien der Gesellen und lassen sich von ihnen schaukeln und spielen mit deren struppigen Bärten. Wenn ich genau zähle, so beläuft sich die ganze Inwohnerschaft mit den Kindern in allem auf zehn Köpfe.

»He Meister!« beginnt nun einer der Männer, welcher den jüngeren Knaben schaukelte, »thue uns den Gefallen und erzähle uns etwas von Deiner Jugendgeschichte, Du hast es uns oft schon versprochen! Du magst so manches Abenteuer erlebt haben, wir sind gegen Dich alle nur Knaben. Heute ist gerade so die rechte Zeit zum Erzählen; denn draußen heult der Wind wie die wilde Fahrt, und es regnet förmlich in Strömen. Heute geht kaum der Fuchs aus seiner Höhle; und die Straße herauf kommt gewiss niemand, dass es vielleicht da etwas zu thun gäbe, und auch drüben in der Werkstätte brennt kein Fünkchen im Schürofen. Schlafen können wir uns noch lange genug. So ein Histörchen aus Deiner Jugendzeit gibt unser einem auch wieder Muth; müssten wir uns ja schämen, wenn wir weit hinter unserem Meister zurückblieben. Nicht wahr, Martha, der Meister soll erzählen!«

»Freilich!« sagte die Meisterin, mit dem Kopfe nickend, »weiß sogar ich, sein Weib, von seinem Jugendleben so gut wie nichts. Da heißt es immer: ›Weib, sei nicht so neugierig.‹ Also Hanns, lass Dich doch einmal hören; ich will gerne bis Mitternacht die Spindel drehen. Unsere zwei Buben werden wohl etwa bald einschlafen.«

»Gut!« sprach Hanns, »ich will euch meine Lebensgeschichte kurz zum besten geben. Doch erwartet nicht, dass ich alle meine Abenteuer erzähle; denn mein Leben war von meiner ersten Jugend an ein Kampf gegen die Menschen; und da gibt es dann natürlich der Strapazen und Gefahren genug, und gerade alle Mal bleibt man auch nicht ganz in der Ordnung.« Hanns beginnt nun so zu erzählen:

»Meine Mutter habe ich nie gekannt, sie muss eine brave Frau gewesen sein; denn wenn mein Vater von ihr sprach, da war er immer sehr ernst, und er wischte sich dabei oft eine Thräne aus den Augen. Der Vater war ein Landsknecht, sein Handwerk das Soldatenleben. Wo es etwas zu thun gab, ließ er sich anwerben. Er focht in Deutschland draußen gegen die Feinde des Kaisers und auch gegen die Türken. Immer nahm er mich mit; ich galt bei ihm sehr viel und oft, wenn er nur mehr ein Stück schwarzes Brot hatte, gab er mir selbst das noch. Er hielt viel auf Zucht und Ordnung; und wenn andere Kameraden nach dem Siege raubten, sengten und brannten und andere Gewaltthätigkeiten verübten, hielt mein Vater sich ferne; ja er setzte oft sein Leben ein, um unschuldige Familien zu schützen. Ihr wisst wohl, sonst nimmt man es im Soldatenleben nicht heikel. Oft hätte ich gerne da und dort ein Goldstückchen gestohlen, wenn sie gerade so offen da lagen, aber sobald der Vater bei mir so etwas bemerkte, musste ich es wieder an den alten Platz legen und bekam noch eine tüchtige Tracht Schläge über den Buckel. ›Bube!‹ sagte er dann, ›Du hast keine Ader von mir und Deiner Mutter, Du endest, wenn Du so fortfährst, noch am Galgen!‹«

Ein Geselle: »Dein Vater muss ein Einfaltspinsel gewesen sein; ich einmal hätte mit den anderen mitgeholfen; denn der Kriegssold ist gar so mager und bleibt oft lange aus.«

Meister Hanns: »Schweig, Schlingel, und rede von meinem Vater nicht ungebürlich! Wenn wir auch Wichte sind, so muss man doch, was Recht ist, anerkennen. Ja, was werdet Ihr erst sagen, wenn ich Euch erzähle, dass ich alle Morgen und Abend mit dem Vater die Gebete hersagen musste. Es gieng freilich sauer, seitwärts im Lager zu beten, während die Landsknechte neben uns die Humpen leerten, spielten und allerhand tolles Zeug trieben. Aber der strenge Vater wollte es einmal so, da half kein Widersprechen. Selbst die wildesten Kriegsgesellen scheuten meinen Vater, wenn er zornig war. Die Kriegsobersten hatten ihn aber doch gerne und verwendeten ihn immer, wenn es galt, den Kopf auf das Spiel zu setzen.

Ich mochte etwa fünfzehn Jahre gezählt haben, da waren wir in Ungarn. Nicht weit von unserem Lager glänzte der Halbmond der Türken. Unzählige Gezelte waren auf der Ebene vor uns ausgespannt. Mein Vater ward zum Kriegsobersten gerufen; es erwarte ihn, hieß es da, ein wichtiger Auftrag. Der Vater kam zurück; er sah gar ernst, und wie mir schien, wehmüthig drein. Ich habe sein Antlitz von damals noch nicht vergessen.

›Hanns!‹ sagte er, ›komm her, ich habe Dir etwas zu sagen! Ich fühle, es sind dies die letzten Worte an Dich. Ich habe den Auftrag, das Lager der Türken auszukundschaften. Heute Nachts gehe ich hinüber. Ich komme wohl nicht mehr; das sagt mir ein sicheres Vorgefühl. Und Dich tollen Knaben, der Du so wenig Erfahrung und leider schon soviel Schlechtes gesehen hast, muss ich allein zurücklassen! O höre die Worte Deines von der Erde scheidenden Vaters! Nichts hinterlasse ich Dir als meinen und Deiner Mutter ehrlichen Namen. Bleibe ehrlich, dann wirst Du nicht betteln gehen; wir sehen uns dann jenseits wieder. Thust Du das nicht, Knabe, so sage ich Dir großes Unglück voraus, Du endest durch die Hand des Henkers; denn Du hast des Bösen schon zu viel in Dich aufgenommen!‹ Dann nahm der Vater ein Kreuzlein von dem Halse, küsste es und sagte: ›Hanns, schwöre mir auf dieses Kreuz, dass Du meine Worte, dies mein Testament, befolgen willst; denn ich liebe Dich von Herzen und will Dein Glück!‹

Ich wusste nicht, wie mir war, ich weinte, ich schwor, es war mir Ernst. Dann küsste mich mein Vater, segnete mich und hieng mir das Kreuzlein um den Hals.

›Es ist das Sterbkreuz Deiner Mutter!‹ sprach er, ›behalte es bis zu Deinem Tode. Es ist mein theuerster Schatz, den ich Dir überlasse!‹ Und der Vater gieng, blickte nochmals um, und ich sah ihn zum letzten Male; denn er wurde in jener Nacht von den Türken als Spion aufgefangen und geviertheilt. Unsere Vorposten sahen am andern Morgen seinen Kopf und seine Gliedmaßen außerhalb der türkischen Schanzen am Spieße stecken. Wie weinte ich, als man es mir erzählte! O mein Vater war so gut, so gut! Hätte ich seinen Worten gefolgt, so wäre ich jetzt ein ehrlicher Mann. Seht hier das Kreuzlein noch an meinem Halse! Das behalte ich, nur der Tod trennt mich von ihm, und sollte ich selbst doch einmal, wie der Vater gesagt, durch Henkershand sterben müssen.«

Ein Geselle: »Wie, Meister, schäme Dich der Weichherzigkeit! Du wolltest uns Deine Lebensgeschichte erzählen und hältst uns nun eine Predigt, die einem Kapuziner weit besser anstünde als Dir. Erzähle weiter, aber etwas Lustiges!«

Meister Hanns: »Es ist wahr! Ich sollte von meinem Vater nicht mehr sprechen; denn ich habe seinen ehrlichen Namen geschändet. Es sei dies auch das letzte Mal gewesen, dass ich von ihm geredet habe.«

Meisterin: »Und doch gefällst Du mir so am besten, o fahre fort von Deinem Vater zu erzählen!«

Geselle: »Ihr Weiber seid doch zu gar nichts anderem nutz als zu weinen, zu seufzen und Betschwestern zu machen. Lustig durchs Leben! Man lebt nur einmal! Also, Meister, achte nicht auf Deines Weibes Gefasel!«

Meisterin: »Ich einmal lass es mir nicht nehmen, meine Kinder zu ehrlichen Menschen zu erziehen, und wenn es hier nicht geht, so laufe ich noch mit ihnen auf und davon; denn wenn es so fortgeht, wie bisher, so bricht noch einmal großes Unglück über uns alle herein!«

Meister Hanns: »Weib, geh' mit den Kindern schlafen; denn Dein Gerede nützt doch nichts! Zum Zurückgehen ist es für uns zu spät. Hanns wird doch nie mehr ein ehrlicher Mann, und würde er auch mit einem Strick um den Hals und barfuß nach Rom an die Grabstätte der Apostelfürsten oder in das heilige Land wallfahrten; seine Makeln tilgt höchstens nur sein Blut.«

Meisterin: »Hanns, rede nicht so! Du hast doch noch etwas von des Vaters letzten Worten im Herzen, leugne es nicht. Ach, ich bin ein unglückseliges Weib! – und könnte doch so glücklich sein, wenn Hanns –!«

Da hörte man Menschenstimmen die Hochstraße herabdringen.

»Was war das?« rief jetzt Meister Hanns, wie zu sich kommend, »vernahm ich nicht menschliche Laute da draußen? – habt ihr es auch gehört? Stille, horcht noch einmal!«

Und nochmals vernahm man die Stimmen, die immer näher kamen. –

»Zu Bette, Martha!« herrschte jetzt Hanns die Meisterin an, »jetzt gibt es für uns Arbeit, das ist nichts für Dich. Gesellen sucht Euer Versteck und haltet Euch bereit! Ihr wisst, was jeder zu thun hat. Meine Geschichte werde ich ein anderes Mal fortsetzen!«

»Hanns!« bat Martha, »kein Blut, ich bitte Dich!« und sie entfernte sich mit den bereits schläfrig gewordenen Knaben aus der Zechstube.

Nun war Hanns noch allein beim Kaminfeuer; die Gesellen waren in ihre Schlupfwinkel geeilt. Hanns lauschte mit gespannten Ohren.

»Ich glaube«, sprach jetzt eine Männerstimme draußen, »wir sind bei einem Hause, ich sehe Lichtstrahlen hier herausdringen. Vielleicht ist es gar eine Herberge? Ist das heute ein stürmisches Wetter, dass man kaum den Weg weiter kommt. Pochen wir an die Fensterbalken, wir werden hier um Nachtherberge ansuchen. Ich gehe um keinen Preis der Welt mehr weiter.«

Hanns (leise in der Stube zu sich): »Will doch sehen, was das für Vögel sind. Um ein Paar schlechte Groschen schneide ich ihnen heute die Gurgel nicht ab, es ist wegen meines Vaters und des Weibes, das mich liebt; die Fremden müssen heute eine recht schwere Geldgurte bei sich tragen, wenn es ihnen an den Kragen gehen soll!« – Nun klopft es heftig an die Balken. Hanns ruft: »Wer ist draußen?«

»Drei Reisende!« heißt es, »die sich in dem Walde verirrt haben. Gebt uns um Geld und gute Worte nur für diese Nacht eine Herberge!«

»Ist schon zu spät!« ruft Hanns von Innen, »auch ist kein rechter Platz mehr bei uns.«

»So öffnet doch, wir können nicht mehr weiter!« tönt es von außen.

Dem Hanns war nicht Ernst gewesen, die Fremden abzuweisen, er wollte sie in falsche Sicherheit einwiegen und sie von der Meinung abbringen, dass hier etwa Gäste gar so gerne gesehen seien.

Langsam schiebt der Meister den Holzriegel von der Hausthüre weg und führt die drei Fremden an den großen Zechtisch.

»Nehmt's mir nicht übel!« sprach er dann zu den Fremden, »in unserer Zeit treibt sich allerhand Gesindel herum, besonders in diesem Walde. Darum bin ich immer mit dem Oeffnen der Hausthüre zur Nachtszeit vorsichtig. Nach 10 Uhr pflege ich niemand mehr zu öffnen!«

»Es soll Euch nicht gereuen!« sprach einer der drei Ankömmlinge, »wir bezahlen Euch gut und sind mit einem trockenen Winkelchen zufrieden! Wir sind durch und durch nass, man sollte heute keinen Hund hinausjagen; man sagte uns zwar, dass es in dieser Umgebung nicht geheuer sei, aber wir haben Eile, wir müssen morgen früh nach Hall kommen, um mit unserem Schiffe noch rechtzeitig Passau erreichen zu können.«

Hanns: »So? Nun, nach Hall kommt ihr morgen in einer halben Stunde leicht. Ich schicke Euch einen Führer mit, der des Weges kundig ist. Hängt Eure Mäntel dort an die Hirschzacken zum Trocknen. Ich will Euch einen Krug Wein und Brot bringen. Nobel ist es bei uns nicht, aber wir geben es so, wie wir es haben.«

Der Fremde: »Also ist da doch eine Herberge?«

Hanns: »Freilich, schon seit uralten Zeiten!«

Nun hilft Hanns den drei Fremden aus ihren Mänteln und Reisetaschen, die er dann an den Hirschgeweihen aufhängt. Als er merkte, dass die Reisetaschen ziemlich schwer wogen, da glitzerten seine Augen begehrlich, – er hatte schon die Worte seines Vaters und die Bitten seiner Martha vergessen.

»Diese drei,« dachte er sich, »gehen aus der Herberge nicht mehr heraus; das Hallerschiff kann schon ohne sie abfahren, – wäre nur die Last um so schwerer, wir wollen sie ihm abnehmen! Solche Fische kommen nicht alle Tage!«

Inzwischen war er in den Keller hinabgestiegen, um einen Krug Wein zu holen. »Drei Vögel im Neste!« lispelte er dort den hinter den Fässern lauernden Gesellen zu, »bereitet Eure Mordmesser und trefft gut, damit Martha etwa nicht das Jammergeschrei höre; denn sie hat uns schon manchesmal eine gute Beute abgejagt und das Spiel verdorben! Schleicht, wenn ich wieder in der Stube bin, hinauf in die Rumpelkammer. Wenn ich die drei Fremden in die nebenanstoßende Blutkammer schlafen geführt habe, dann wartet Ihr, bis Ihr durch die Thürritzen hindurch seht, dass das Lichtstümpfchen, welches ich ihnen mitgebe, erloschen ist. Und wenn Ihr merkt, dass die Fremden schlafen, so öffnet leise die Thüre, schleicht dann zu den Strohsäcken hin, verstopft den Dreien den Mund und stoßt ihnen das Messer in den Leib, dass sie mäuschenstill aus der Welt wandern. Ihr habt ja das Ding schon öfters gethan! Aber Drei aus Euch bleiben in Reserve! Die Reservemänner kennen ihr Plätzchen im hohen Wandkasten. Heute trifft es den Wolf, den Mohr und das Triefaug zur Arbeit, den Langhanns, das Breitmaul und den dürren Peter aber zur Reserve! (Das waren die Uebernamen der Gesellen.) Die Blendlaterne habt Ihr? Habt Ihr mich verstanden?« »Ja!« sprach ganz leise der dürre Peter, »wie Du nur zweifeln kannst? Das gibt nun wieder einmal nach langer Ruhe ein ergötzliches Spektakel!«

Hanns hatte bald den Krug gefüllt und schritt langsam die Kellerstiege herauf. Die Fremden in der Stube hatten es sich inzwischen bequem gemacht, sie saßen am Kamine und machten das Feuer neu auflodern.

Ein Fremder: »Nun thut es sich! Der Wirt scheint mir eine offene gerade Seele zu sein; er hat etwas Soldatisches an sich. Hier sind wir sicher und unter Dach. Bequem wird unsere Lagerstätte eben nicht werden, aber doch besser ist's auf Stroh zu liegen, als draußen im dunkeln Walde und im Regenschauer herumzutappen.«

Ein Zweiter: »Mürrisch ist dieser Kauz von einem Wirte. Wenn sein Wein auch so sauer ist als sein Gesicht, so überlass ich ihn euch. Doch still! Jetzt kommt er über die Stiege herauf; er könnte sein Lob hören.«

Hanns tritt ein und stellt den Weinkrug auf den Tisch hin, dann öffnet er einen Wandschrank, holt einen Brotlaib und ein Messer heraus und sagt:

»Da habt Ihr nun etwas für die Kehle und den Magen, anderes gibt es heute nichts mehr; denn mein Weib mit ihren Balgen schnarcht schon lange oben in der Kammer, ich möchte sie nicht mehr in die Küche plagen!«

Der erste Fremde: »Hat auch nicht Noth! Obdach und ein bischen Wein und Brot, um die Glieder einzuwärmen, ist uns das Liebste.«

Die Fremden ließen es sich wacker schmecken. Der Wein schien ihnen zu munden; denn bald hatten sie den Krug leer und Hanns musste zum zweiten und zum dritten Mal in den Keller; Hanns gieng gerne. »Der Wein« dachte er, »wird sie in tiefen Schlaf legen und uns das Werk erleichtern!«

Als Hanns in den Keller kam, waren die Gesellen schon fort zu ihren Posten.

Endlich hatten die Fremden genug. Sie waren nun erwärmt und verlangten zu ihrer Schlafstätte geführt zu werden.

Der Meister nimmt einen eisernen Leuchter mit einem kurzen Stümpfchen Licht und führt die Fremden hinauf in die Kammer. Die Fremden treten leise auf, um das Weib des Wirtes und die Kinder nicht zu wecken.

Der Meister, in der Kammer angekommen, sagt zu den Fremden: »Dort sind Eure Schlafstätten! Sie sind für jeden von Euch groß genug und die Wolldecken halten warm. Gute Nacht!« Und hiemit stellte er das Licht auf eine lange Truhe hin. Noch eine Zeitlang schwätzten die Fremden untereinander, bis das Lichtstümpfchen hinabgebrannt war, dann warfen sie sich angekleidet auf die bereitliegenden Strohsäcke. Keine fünf Minuten vergiengen, da waren die Drei schon in tiefen Schlaf versunken.

»B'st!« lispelte es bald ganz leise an der Wand. Nur wer mit gespannten Ohren lauschte, hörte es und vernahm auch, wie Tritte sachte über den Boden hinglitten und eine Thür sich öffnete.

Auf einmal ist es, als ob etwas in der Fremdenkammer heftig sich rührte und an die hölzernen Wände schlüge. Vielleicht haben es die an der Wand liegenden Fremden gethan; auch ein unterdrücktes Stöhnen ist hörbar, aber nur ein paar Augenblicke hindurch. Noch ein paarmal wird gegen die Wand geschlagen; dann ist es stille.

Meister Hanns tritt etwa eine Viertelstunde später, als er die Fremden zu Bette geführt hatte, vorsichtig in die Kammer. Ein grässlicher Anblick bietet sich ihm darin dar.

Der Wolf, der Mohr und das Triefauge stehen vor der Bettstätte der drei Fremden, mit langen Messern in den Händen, die Fremden aber liegen als Leichen in ihrem Blute gebadet auf den Strohsäcken; in ihrem Munde stecken Tüchlein: noch rieselt Blut aus ihren klaffenden Wunden, eine Blendlaterne, die auf der Truhe steht, beleuchtet das fürchterliche Schaustück. Man liest aus den schrecklich verzerrten Mienen der Fremden ihren eben vollendeten kurzen und gewaltsamen Todeskampf.

»So, schon fertig?« sprach Meister Hanns, die Thüre hinter sich abschließend. »Lasst sie jetzt in ihrem Rosenbette noch ein wenig abkühlen; es wird ihnen heiß geworden sein. Ihr habt es meisterlich gemacht; fast hätte ich von dem Garausmachen nichts vernommen. Ihr braucht die Reservemänner nicht, ihr seid wackere Burschen! Nun wollen wir die drei Reservemänner hereinrufen, es wird sie verdrießen, dass sie unthätig in ihrem Loche stecken mussten; ein anderes mal dann sie!«

Und Hanns gieng in die Rumpelkammer und holte den Langhanns, das Breitmaul und den dürren Peter herbei.

»Ihr!« sprach Hanns zu denselben, »habt nun das Geschäft, diese Klötze da (er zeigte auf die Leichen) hinaus in den Wald zum Lustgarten zu tragen; dort schaufelt ihr ihnen eine Grube auf und werft sie hinein. Wenn sie etwa an den Fingern Ringe oder sonst noch etwas in der Tasche haben, so sei es euer als gute Beute. Doch stopft ihnen die Wunden zu, dass ihr auf dem Hinwege keine Blutspuren hinterlasst. Wir wollen inzwischen die Strohsäcke und die Decke wegschaffen, dass morgen kein Zeugnis mehr da ist, welches von der That dieser Nacht rede!«

Die drei Reservemänner schoppen nun die Kaltgemachten in lange Säcke, nehmen diese über den Rücken, und mit der Blendlaterne geht es hinaus in den finstern Wald zum Lustgarten, einem schauerlichen Orte, wo schon viele Leichen von Gemordeten begraben lagen. Der Meister aber und die anderen drei Gesellen tragen die Strohsäcke und Decken fort.

Dann geht es hinab in die Zechstube, die ledernen Reisesäcke der Fremden werden auf den Tisch gelegt, sie sind schwer.

»Das war der Mühe wert!« rief Hanns, das Geld aus den Ledersäcken auf den Tisch schüttend, »die herrlichsten Thaler! Und was steckt denn da unten noch für ein Separattäschchen? Juchhe Füchse! Dachte mir es wohl gleich, dass so vornehme Herren dergleichen Waren auch haben müssten!«

Hanns stellt nun die Goldstücke in Schichten übereinander. Die Gesellen helfen mitzählen und aufschichten, und wie die anderen von ihrem unheimlichen Begräbnis zurückkehren, lacht ihnen das Herz, da sie die hübschen Goldstößchen sehen.

Nun geht es an's Austheilen. – »Ihr, Wolf, Mohr und Triefauge!« sprach Hanns, »bekommt heute ein Füchschen mehr als die Reservemänner, ihr habt ein Meisterstück vollbracht!« Und dabei schob er jedem seinen Antheil Gold- und Silbermünzen und das Extrafüchschen hin; dann kamen die Reservemänner an die Reihe.

»Wir hätten es wohl auch so gut gemacht als die andern!« sagte das Breitmaul, »um die Extrafüchse sind wir euch jedoch nicht neidig, das wäre nicht brüderlich!«

»Nicht wahr!« sprach Hanns, »ich bezahle euch euern Sold besser und pünktlicher als die kaiserlichen Befehlshaber in den Armeen. Seid ihr zufrieden?«

»Es lebe unser Hauptmann!« riefen nun die sechs Gesellen, »wir haben ein Leben wie Fürsten!«

Hanns strich freilich den Löwenantheil ein, aber er war Meister und Hauptmann. Es gebürte ihm, und wenn einer auch sich gemuckst hätte, so wäre es ihm schlecht ergangen, er hätte den Laufpass in die weite oder wohl gar in die andere Welt bekommen, man hätte ihn kalt gemacht.

»Nun noch einen Labetrunk nach so heißer Arbeit!« sprach Hanns. »Ich will euch vom Besten geben. Soll euch nichts kosten.« – Man trank noch spät nach Mitternacht; endlich stieg man in den Keller hinab in ein Gewölbe, wo alle die geraubten Schätze verborgen waren. Jeder hatte hier seine eigene Truhe. Die des Meisters war von Eisen und groß. Auch lehnte da eine Anzahl von Gewehren und andern Mordwaffen. Hier legte jeder der Räuber seinen Antheil ins Trockene, dann suchte er sein Lager auf; nur der Meister gieng nicht ins Bett. Er begab sich in die Zechstube und legte sich dort nahe am Kamin auf die Bank.


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