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II. Kapitel.
Der Meister erzählt seine Lebensgeschichte weiter

Martha hatte die ganze Nacht kein Auge zuthun können, sie hörte jedes Krachen, jedes Geräusch, immer gieng ihr ein Stich durch das Herz, wenn sie etwas vernahm; und als sie später die Leute in der Zechstube drunten so rumoren hörte, da dachte sie, dass schon wieder eine Schreckensthat vollbracht sein werde. In dieser Meinung wurde sie durch den Umstand bestärkt, dass Hanns nicht in die Kammer heraufkam, als endlich im Hause alles still geworden war. Wenn ihr Hanns mit seinen Gesellen eine Mordthat verübt hatte, pflegte er immer drunten in der Zechstube sich schlafen zu legen.

Martha betete heimlich. Sie hatte früher viel gebetet, aber damals muss sie zu wenig gebetet haben, als sie mit Hanns die Bekanntschaft schloss, sonst hätte sie der liebe Herrgott nicht so tief herabkommen lassen. Die Meisterin war durch Hanns leichtsinnig geworden, sie kannte sich selbst nicht mehr. Sie, die einst viel in den Kirchen war, sie kommt jetzt das ganze Jahr nicht mehr in die Kirche, und sie getraut sich auch nicht mehr recht hinaufzubeten zum himmlischen Vater; sie hat zwar nie ihre Hände mit Blut befleckt, sie hat nie an einem Raube oder Morde mitgeholfen, aber es lastete doch auf ihr das Joch der Schuld, das ihr Hanns mitaufgelegt hatte. Martha half, als sie ihren Mann schon als Räuber und Mörder erkannte, seine Verbrecherspuren den Augen der Gerechtigkeit entziehen.

Sie konnte den Hanns schon lange nicht mehr recht lieben; denn er war ein Scheusal, er hatte sie durch Heucheln hintergangen und in seine Netze gelockt. Aber was sollte sie thun? Ihre braven Eltern waren todt, sie wäre allein in der Welt draußen gestanden, und Hanns war der Vater ihrer Kinder. Das waren die Fesseln, die ein sonst gutmüthiges Weib an einen so fürchterlichen Menschen, an eine Mördergrube ketteten. Und Martha war nicht stark genug, diese Fesseln zu zerreißen. Oft, wenn sie wieder eine Unthat vermuthete, hatte sie sich vorgenommen, heimlich zu fliehen, so weit der Himmel blaute, und sollte sie in der weiten Welt draußen verhungern müssen; aber sobald sie ihre lieben Knaben anblickte und sich fragte: »Was wird mit diesen sein?« da fehlte ihr wieder der Muth, auf's Gerathewohl mit ihnen in die Welt hinauszugehen. Zudem wusste Hanns sein Weib wieder zu beschwichtigen und demselben die Grillen, wie er sagte, auszureden.

»Ach!« seufzte Martha oft zu Hanns, »verlassen wir diese Hütte mit allem, was drinnen ist, wir wollen mit unseren Kindern in ein fernes, fernes Land ziehen, und ich will dort gerne Tag und Nacht arbeiten, wenn Du nur ehrlich bist. Welche Qual für mich, wenn ich es einst erleben müsste, Dich durch Henkershand sterben zu sehen. Wie würden einst Deine Kinder Dir fluchen, wenn sie, um ihren Vater gefragt, sagen müssten: ›Er starb durch das Schwert, sein Grab ist am Schindanger!‹ und wenn auch sie einstens Dein Los theilen würden?«

Wenn Martha so dem Hanns zu Herzen redete, da wurde er wohl manchmal weich; aber dann sprach er: »Martha, was geht Dir ab? Kannst Du nicht das Leben einer Fürstin führen? Kannst ja haben, was Dein Herz begehrt! Ich kann einmal nicht heraus; ich habe es den Gesellen geschworen; würde ich fliehen, so würden sie mir nacheilen und ihre Messer mir in den Leib bohren. Die Gerechtigkeit aber kommt dem Hanns nicht auf die Spur!«

»Doch!« entgegnete Martha wieder, »es lebt über uns ein Gott, dem entrinnen wir nicht!« –

»Hast Du heute wieder einmal Deine Flausen im Kopfe, lass mich in Ruhe!« sagte dann Hanns und damit gieng er fort.

Als Martha am Morgen nach der letzten Mordthat in die Zechstube kam, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und weinte bittere Thränen. »Was ist gestern geschehen?« fragte sie den Hanns, der sich eben von seinem harten Lager erhob. »Hast Du auf meine Bitten nicht geachtet; gelte ich so viel bei Dir?«

»Es war nichts!« erwiderte Hanns. »Ein Paar Fremde kamen die Straße herab, sie pochten an unsere Thür. Ich ließ sie ein, sie erzählten uns von ihrer Reise, sie nahmen einen Schluck Wein zu sich, wärmten sich und zogen dann gestern noch weiter. Ich ließ sie ziehen und krümmte ihnen kein Haar, weil ich noch im letzten Augenblicke Deiner Worte gedachte; bist's zufrieden, Martha?«

»Ist's aber auch wahr?« sprach Martha; »hörte ich ja noch lange nach Mitternacht euch in der Zechstube lärmen, das thut ihr nur, wenn ihr irgend etwas ausgeführt habt. Hanns, Du hast mich zu einem unglücklichen Weibe gemacht!«

»Nun, Thörin!« sprach Hanns, »wenn Du es besser weißt, so glaube, was Du willst; ich gehe jetzt in die Gießerei hinüber. Sorge für den Imbiss, das ist Deine Sache, und nicht über unser Thun zu wachen und uns zu predigen, ich glaube gar, Du wärest im Stande, mich, Dich und Deine Kinder an den Henker auszuliefern! Martha, bedenke, was Du thust, halte reinen Mund, es geht auch Dich an, – mitgefangen, mitgehangen! Und ich sage Dir, gestern war nichts!«

»Ich für mich,« jammerte Martha, »wollte lieber mein Leben verlieren als zu leben in solcher Qual, aber die unschuldigen Kinder?«

Hanns gieng in die Werkstätte. Er war verstimmt; doch die Gesellen waren guter Dinge, und nun gieng es wieder an das Scheinhandwerk, an das Glockengießen. Wenn jemand hier eintrat, so hätte er nicht geglaubt, dass die Gesellen mit ihren rußigen Gesichtern noch etwas anderes thäten als Glocken gießen, so heitere Gesichter machten sie.

Martha sprach den ganzen Tag kein Wort; die Glockenherberge war ihr heute eine wahre Hölle. Das Gelächter und die rohen Spässe der Gesellen während des Mittagessens tönten ihr widrig ins Ohr. Man ließ sie gehen: »Die Meisterin hat heute den Griesgram!« hieß es, »sie wird bald zu den Nonnen nach Hall hinabgehen.«

Man arbeitete heute an der Form einer neuen Glocke. Beim Einbruch der Dämmerung wurde Feierabend gemacht. Nach dem Abendessen setzte man sich hinter die Weinkrüge.

Martha nahm ihre Kinder und begab sich frühzeitig zu Bette.

»Nun, Meister!« begann der dürre Peter, »die Nonne ist fort, nun könnt Ihr uns die Geschichte von gestern fortsetzen. Ich hoffe, heute wird sie ergötzlicher werden! Die Kapuzinersprüche taugen für uns nicht!«

Hanns that einen kräftigen Zug aus dem Kruge, wischte sich seinen Schnauzbart ab und sagte: »Bald hätte mich das weiche Ding von einem Weibe in Harnisch gebracht. In einemfort predigt sie. Wenn sie so fortfährt, schicke ich sie wirklich noch sammt den Kindern in ein Nonnenkloster. – Weiber taugen zu unserem Handwerk ganz und gar nicht. Nun zu meiner Geschichte:

Als mein Vater gestorben war, blieb mir natürlich nichts anderes übrig, als mich in den Soldatenrock stecken zu lassen und einen Schießprügel über die Achsel zu nehmen.

Zuerst war ich wirklich ein Stück von einem ehrlichen Soldaten; ich machte es so, wie es mein Vater gemacht hatte; aber da wurde ich von den Kameraden wacker ausgelacht und hatte meine Taschen immer leer, während die anderen in Hülle und Fülle lebten. Fünf Jahre trieb ich es so fort; ich war ehrlich.

Als mir aber das Testament meines Vaters gar nichts anderes eintrug als den Spott meiner Kameraden, die mich nie anders als den Mönch titulierten, da vergaß ich des Vaters Testament.

Bald war ich der verwegenste und keckste Bursche im Regimente; zuerst machte ich mit ein Paar Spießgesellen Raubzüge mit. Selten kehrten wir ohne etwas heim, und waren es auch nur Hühner oder Hammel, die wir auf einzelnen Bauernhöfen aufgabelten. Manchmal suchten wir auch die Schlösser der Adeligen heim; dort gab es mehr, aber freilich war der Handel auch gefährlicher, weil diese Leute ziemlich auf der Hut und mit unseren Hauptleuten auf gutem Fuße standen. Unsere Hauptleute speisten oft bei ihnen an reichlich besetzter Tafel. War es also nicht billig, dass wir, die wir doch die eigentliche Last des Krieges trugen, uns auch ein paar Brosamen von den Herrentischen holten?

Da galt es kühn und verschlagen zu sein. Ich könnte Euch wohl hundert und mehr ergötzliche Geschichten von heimlichen Freibeuterzügen in die Herrenschlösser erzählen. Wir täuschten alle Aufmerksamkeit der Schlosswächter und wussten Mittel, ihre Hunde kirre zu machen; keine Mauer war uns zu hoch, kein Schlossgraben zu tief, kein Schloss und Riegel zu fest. Unsere Hauptleute fanden uns zur Zeit der Visitation ruhig auf unserem Lager; wenn auch manchmal nur ein Strohmann mit unsern Kleidern unter der Decke steckte. Manchmal wunderte sie das Ding wohl, woher wir unsere Habemus geholt hatten, da uns oft monatelang kein rother Heller vom Solde zufloss; da wurden aber wieder allerhand Dinge ihnen vorgemacht, wie und warum wir die Räusche gekriegt hätten. Hätten sie geahnt, dass wir feurigen Johannisberger aus eben den Kellern herausfischten, aus denen er auf ihre Tafeln wanderte, so hätte man uns mit einem Strickchen um den Hals noch am selben Tage am nächsten Baum zappeln sehen; denn das war ein arges Verbrechen, Gelüste nach dem zu haben, was für ihre Herrengurgeln geschaffen war.

Auf ein kleines Mördchen oder den rothen Hahn auf das Dach zu stecken, darauf kam es uns gelegenheitlich nicht an, wir waren weder blut-, feuer- noch eisenscheu, ich schon gar nicht. Mir machte es immer Vergnügen, wenn die Flamme in einem Herrschaftsgebäude lichterloh aufschlug, es ließ sich bei solcher Beleuchtung um so besser zur Nachtszeit der Weg finden, und die Leute hatten so nicht Zeit, uns an den Hals zu kommen.

Ihr seht also, dass ich mein Handwerk begriffen habe. Der Vater und mein Schwur waren vergessen. Ein paar Schmarren am Leibe habe ich wohl davongetragen, es gieng mir manchmal nahe, ich theilte aber auch um so ärger aus.

– Nun will ich Euch erzählen, wie ich den Hieb über meine Wangen davongetragen habe. – Wir waren einmal wieder im Trockenen, von allen meinen Spießgesellen hatte keiner einen Knopf in der Tasche, und das geht für immer durstige Brüder nicht an. Fürchterlicheres gibt es auf Gottes Erdboden nichts als einen solchen Zustand, er ist geradezu unerträglich. Feind war auch keiner niederzumachen, und wir lagen schon drei Wochen unthätig im Lager; denn in die Bauernhütten und Städte, wo es gemächlicher gewesen wäre und wo es hie und da etwas zu langfingern gegeben hätte, durften wir nicht hinein. Man hatte uns Landsknechte arg verleumdet, als wäre vor uns Freund und Feind nicht sicher. Da bannte uns des Kaisers scharfer Befehl ins Lager. Wohl waren die Leute arg gegen uns erbost. Ein Landsknecht allein konnte nie ausgehen. Er wäre von den unduldsamen Bürgern und Bauern aus dem Wege geräumt worden.

Dieser Arrest war uns ein arger Strich durch die Rechnung. Wir dachten aber, wer nichts wagt, hat nichts. Und so schlichen wir uns einmal in einer dunkeln Nacht durch die Gezelte des Lagers hindurch bis an die Pallisaden. Bis dahin gieng alles gut. Da musste uns so ein Tölpel von Wachtposten erspähen; er muss wahrhaft Katzenaugen gehabt haben. Er rief uns ein »Halt!« zu. Und da wir wussten, dass mit solchen Kerlen nicht zu spassen ist und sie mir nichts dir nichts darauf lospuffen, so blieb uns nichts übrig, als den armen Tropfen kalt zu machen. Er dauerte mich, weil ihn die Pflicht in unsere unsanfte Umarmung gebracht hatte. Mein Dolch in den Leib bekam ihm gewiss nicht wohl, er muckste sich nicht mehr – aber die eigene Haut geht vor fremder Haut. Mit ein paar Sätzen waren wir über Wall und Graben und ließen es dem Ablösungsposten über, den Kaltgemachten wegzuschleppen und zu begraben.

Wohin aber, hieß es nun, um einen reichen Fischfang zu machen? Um ein paar elende Hühner oder Eier springt man nicht über Wall und Graben und macht man keinen Kameraden kalt; da muss es etwas Besseres geben.

Nicht weit von unserem Lager stand ein Schloss, das ein recht filziger alter Ritter bewohnte. »Er muss der alten verrosteten Thaler im Schranke genug haben!« so vermutheten wir, »sonst würde er nicht immer unsere Hauptleute einladen und sie köstlich bewirten. Das ist ja sonst seine Sache nie gewesen, so sagen die Leute. Er thut es gewiss nur aus Sorge für seine Herzenskinder im Geldschranke. Halte er es mit den Hauptleuten gut, denkt er, so muss der gemeine Landsknecht die Lust verlieren, sich in seine Thaler zu verlieben; denn mit großen Herren ist nicht gut Kirschen zu essen.« Doch der gute Alte betrog sich gewaltig. Wir hatten vor unseren Hauptleuten gar wenig Furcht und heute erst gar nicht, da wir schwerlich mehr zu unserer Truppe zurückkehren konnten wegen des Kaltgemachten; denn bald musste im Lager Rumor werden; und man musste uns bald heraushaben, da wir beim Appell fehlten.

Da wir nun einmal vogelfrei waren, so kam es natürlich auf ein Wagstück mehr nicht an. »Habt Ihr alle Waffen, Schwerter, und zwar gut geschliffen?« hieß es. »O ja!« lautete die allgemeine Antwort. Es waren unserer fünf handfeste Waghälse.

»Auf also gegen das Schloss, bevor im Lager drüben Lärm wird!« sagte ich, »gehen wir der geraden Straße nach; denn wenn auch Spürhunde uns nachsetzen, so glauben sie, dass wir den Weg durch das Dickicht des Waldes genommen haben; das ist sonst Brauch der Fahnenflüchtigen.«

In etwas mehr als einer Stunde waren wir an der Ringmauer des Schlosses. Drüben im Lager war noch nichts Außerordentliches zu bemerken, es brannte noch immer die gleiche Anzahl Wachtfeuer.

Dafür aber gieng es droben im Schlosse umso munterer her. Wir sahen die Fenster gegen das Thor hinab alle glänzend beleuchtet. »Ha!« sagten wir, »da sind unsere Fuchser gewiss wieder beim Johannisberger. Es soll ihnen schlecht bekommen! Sie sollen uns alle Stockprügel und Wischer bezahlen, die wir ihretwegen aushalten mussten. Ein solcher Landsknecht kann auch was, wenn er auch kein sammtnes Wams und keinen Säbel mit Goldgriffen trägt.«

»Bum, bum!« ertönte es jetzt an der Schlosspforte; denn wir hatten einen großen Stein aufgehoben und ihn gegen die mit Eisen beschlagene, gut verriegelte Thüre geschwungen.

Es dauerte nicht lange, da kam jemand an das Thor, öffnete ein wohl vergittertes Loch im Thore und fragte mit rauher Stimme, wer draußen wäre.

»Eine Ordonanz für die Hauptleute aus dem Lager!« sprach ich, »sie ist dringend und wichtig; die Herren sind ja im Schlosse droben.«

»Wohl sind sie da!« antwortete die Stimme, »ein wenig Geduld!« Nun rasselt ein Bund Schlüssel, es knarren rostige Riegeln und Angeln, es öffnet sich das Thor, ein rüstiger Mann mit einer Laterne steht vor mir, eine Hellebarde in der Hand; er leuchtet mir forschend ins Gesicht hinein.

Wie er mich als einen Landsknecht erkennt, ist er beruhigt, sind ja meine Hauptleute oben im Saale, was soll er mich fürchten? Die anderen hatten sich in das Gebüsch neben dem Thore hingekauert.

Eben wollte der Mann, der mir wie ein lumpiger Stadt-Nachtwächter vorkam, das Thor hinter mir schließen, hatte er schon eine Nebelkappe, dergleichen wir immer bei uns trugen, über dem Kopfe; ich stieß ihm meinen Dolch bis an's Heft in die Seite, er war stumm gemacht. Dann rief ich meine Kameraden herein und schloss das Thor. Kein Rückweg sollte uns mehr offen sein, entweder siegen oder sein Leben sich theuer bezahlen lassen!

»Nun rasch hinauf in den Saal, von dort her tönen die Stimmen!« sagte ich.

»Wir wollen sie überraschen, auf einen Ueberfall sind sie nicht gefasst. Seien deren viele oder wenige, alles machen wir nieder, nur den Alten müssen wir schonen, er muss uns seine lieben Schätze zeigen, dann soll auch er sich, wie die übrigen, hinlegen, wir bedürfen seiner nicht mehr!«

Wir kommen glücklich hinauf in den Saal und erkennen die wohlbekannten Stimmen unserer Hauptleute. Diese scheinen dem Johannisberger wacker zugesprochen zu haben; denn sie lachen und räsonieren, dass es im Saale wiederhallt.

Wir treten ein – die scharfgeschliffenen Säbel in der Hand. Alles blickt überrascht und bestürzt nach der Thüre. Es sind sieben Hauptleute da, der Alte zu oberst an der Tafel; auch Weibsvolk gab es. ›Was macht Ihr da, Ihr Bestien!‹ herrschte uns der Hauptmann unseres Fähnleins an. ›O, nichts!‹ sprach ich, ›bezahlen wollen wir!‹ und damit hatte er den Schädel mitten entzwei.«

»Bravo, Meister, bravo!« riefen jetzt die Gesellen des Glockenhofes, »das hieß ehrlich gezahlt, weiter, weiter!«

Der Meister fuhr fort: »Da erhob sich nun ein entsetzliches Geheule, der eine floh dahin, der andere dorthin; jedoch meine Spießgenossen verleideten jedem den Austritt, sie machten allen an den Thüren den Garaus. Einer unserer Hauptleute wollte sein Leben nicht so wohlfeil hergeben, er fuhr mit einem Dolche, den er im Gürtel stecken hatte, gegen mich. Ich hatte eben gegen zwei Schufte von Bedienten zu thun, von denen einer mit einem Stuhle, der andere mit einer Flasche Johannisberger wüthend gegen mich losgieng. Ich wich zurück und da ritzte mich der schurkige Hauptmann hier an der linken Wange, dafür aber kriegte er von mir mit dem Schwerte eines auf's Dach, dass er das Aufstehen auf immer vergaß; den Bedienten bezahlte ich ihre Plänklereien nachher. – Der Kampf war zu Ende. Keine Maus war uns aus dem Saale entwischt. Wir wateten im Blute.

Jetzt ließ ich einen Spießgesellen den Alten bewachen, der todtenblass und um sein Leben flehend zu meinen Füßen lag; wir andern aber giengen hinaus, um das, was im Schlosse noch Leben hatte, aufzusuchen und die Bluthochzeit vollkommen zu machen. Mit dem wehrlosen Dienstgesinde und Weibervolk war leichtes Spiel, wir machten nicht viel Federlesens. Nachdem wir alle Winkel durchsucht und nichts mehr gefunden hatten, was etwa nach außen Botschaft bringen konnte, kehrten wir in den Saal zurück. Ich verband zuerst meine Wunde. Dann setzte ich mich an die Tafel.

›Nicht wahr, Alter!‹ sprach ich zum Filze, der jämmerlich heulend noch am Boden kniete, ›die Landsknechte können auch noch etwas? Was kniest Du so erbärmlich da. Auf, bediene uns jetzt! Nach solcher Arbeit haben wir auch eine Flasche verdient, he?!‹

Der Alte erhob sich und sagte: ›O gerne, gerne will ich Euch alles thun, das ganze Schloss und alles, was in ihm ist, steht zu Euren Diensten, nur schonet, schonet mein Leben!‹

›Davon später!‹ sprach ich, ›mache also den Mundschenk. Nicht wahr, Landsknechte hast Du noch nie bewirtet?! Hättest uns auch früher einladen können, wir mussten endlich selbst kommen!‹

Wir tranken des Johannisberger im Ueberflusse, er schmeckte vortrefflich, nie habe ich ähnlichen mehr verkostet. ›Es lebe der Vater Bacchus!‹ rief ich jetzt, ›stoße auch an, Alter! Du brauchst Kraft, Du musst dann mit uns in Deine Schatzkammer. Die verrosteten Thaler müssen heraus, haben lange schon auf ihre Erlösung gewartet. Stoß' einmal an; denn es wartet Deiner ein hartes Stündchen. Deine Lieblinge wirst Du wohl gar nicht gerne herlassen?‹ Nachdem wir unsern ersten Durst gestillt hatten, dachten wir nun auch ans Essen. Es standen noch eine Reihe von Speisen, gerade zum Aufträgen bereitgestellt auf der Richte. ›Nicht wahr, Kameraden,‹ sagte ich, ›unsere Herren haben uns hier noch köstliche Bissen zurückgelassen; diese Pastete zum Beispiel ist gar nicht übel! Reiche sie uns her, Alter!‹ Und der Alte bediente uns und zitterte und bebte dabei am ganzen Leibe, dass wenig fehlte und er hätte die Schüsseln aus den Händen verloren und uns genöthigt, wie Hunde am Boden zu fressen. Als wir unserm Magen das Seine gegeben hatten, sprach ich zum alten Filze: ›Nun, Alter, geh' voran, verhehle nichts, sonst –!‹ dabei schwang ich das Schwert drohend über sein Haupt.

Er führte uns in sein Schlafgemach neben dem Speisesaal. Dort stand unter der Bettstätte eine eiserne Truhe. ›Da habt Ihr den Schlüssel!‹ sagte er. Ein tiefer Seufzer entfuhr dabei seiner Brust. Wir öffneten, und da war des Goldes und Silbers genug.

Wir steckten unsere Säcke und Taschen voll Goldstücke an, so dass sie schwer herabhiengen und wir fast wie Packesel beladen waren; das Silber ließen wir liegen; denn es wäre uns nur auf der Flucht hinderlich gewesen. Wir hatten genug, um eine Zeitlang flott durchmachen zu können. Für das weitere kümmerten wir uns nicht.

›Alter, schau!‹ sprach ich endlich zum Filze, ›ich glaube, es steckt noch ein Goldstück da drunten im Grunde der Kiste!‹ Er beugt seinen Graukopf hinein, – es zischt etwas in der Luft, und flugs liegt sein Kopf vom Rumpfe getrennt drinnen in der Truhe. Ob er da noch den Cassarest gezählt hat, weiß ich nicht. Wegen seines Lebens war mir nicht so viel gewesen, er hatte uns ja seine Goldbüchse gegeben, nur um diese war es uns zu thun, aber der alte Rabe hätte uns nachkrähen können, also musste er auch stumm werden für immer.

Es war nun für uns höchste Zeit aufzubrechen; wir verließen das Schloss. Nichts regte sich mehr da oben; nur brannten noch die Lichter im Speisesaale. Wir kümmerten uns nicht mehr, wer sie etwa auslöschen würde, und zerstreuten uns einzeln in den Wäldern; denn nur das Unternehmen hatte uns zusammengeführt, und weil nun jeder soviel hatte, als er wünschte, nahm es jeder auf sich, für seine Haut zu sorgen und seine Schäfchen auf seine Art zu verzehren.

Mein Weg gieng durch Wälder und Auen, über Berge und Schluchten. Ich wanderte durch mehrere Wochen weiter. Die Kleidung eines Landsknechtes hatte ich schon lange weggeworfen und zog als einfältiger Landmann dahin. Niemand konnte errathen, dass mein schmutziger Schnappsack so viel des Goldes berge. Wohl oft gieng es mir nahe; ja ich trug schon einmal die Ketten des Schergen, doch ein goldenes Schlüsselchen aus meiner Tasche streifte sie mir wieder ab; hätte der Scherge meinen Schatz auf dem Rücken hinten vermuthet, so wäre ich sicher nicht losgekommen.

Seitdem ich der Haft glücklich entkommen war, suchte ich nur mehr die abgelegensten Pfade auf und kam endlich nach Tirol, dessen Bergspitzen nicht mehr dorthin schauten, wo der Schlossüberfall geschah. Ich tauchte in Innsbruck als ein Bauer aus dem Deutschen Reiche auf, der wegen der Kriegsunruhen seine Heimat verließ.

Nun für heute genug! Ihr wisst wenigstens, wie ich in dieses Land gekommen bin, und werdet überzeugt sein, dass ich das Lehrgeld zum Meister gewiss bezahlt habe.« So endete Hanns seine Erzählung.

»Das ließ sich hören!« sprach darauf der dürre Peter, »für so etwas ist hier der Boden zu mager, wenn es auch nicht dazu an Leuten fehlen würde, ich einmal wäre gleich dabei.«

»Und ich auch, ich auch!« tönte es jetzt von allen Seiten. »Meister, führe uns an und wir gehen selbst mit Dir in die Hölle, wenn es sein muss!«

»O, die kommt Euch so nicht aus!« scherzte der Meister »jetzt zu Bette, morgen gibt es wieder Arbeit an dem Lehmmantel in der Gießerei drüben. Dort wollt Ihr nicht recht arbeiten und doch muss es sein, wenn das Volk nicht unsere Bocksfüße herauswittern soll. Also auf!« – Nun gieng es zu Bette. – »Gute Nacht, gute Nacht!« hieß es, und nach einer halben Stunde war alles im Glockenhofe ruhig. Nur der Meister schlief noch nicht, die Erzählung seiner Greuelthaten hatte ihn aufgeregt, er hatte jene Ruhe nicht, die er vor seinen Gesellen zur Schau trug. Es tönten die Worte seines Vaters im Herzen wieder. Er hatte eine schlechte Nacht.


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