Wilhelm von Polenz
Der Büttnerbauer
Wilhelm von Polenz

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III.

Einige Tage später fuhr der Büttnerbauer im korbgeflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf. Er saß ganz vorn im Wagen, so daß er den Pferdeschwanz beinahe mit den Füßen berührte, auf einem Gebund Heu, hinter ihm lagen eine Anzahl gefüllter Säcke.

Er hatte sich rasiert, was er sonst nur am Sonnabend Abend that, er trug ein reines Hemd, den schwarzen Rock und einen flachen Filzhut – sichere Wahrzeichen, daß es nach der Stadt ging.

Als er am Kretscham von Halbenau vorbeikam, stand dort sein Schwager, Ernst Kaschel, in der Thür, Zipfelmütze auf dem Kopfe, die Hände unter der Schürze, in der echten Gastwirtspositur.

Der Bauer stellte sich, als sähe er den Gatten seiner verstorbenen Schwester nicht, blickte vielmehr steif gradeaus auf die Landstraße, während er sich dem Kretscham näherte, und gab dem Rappen die Peitschenschmitze zu fühlen, damit er sich in Trab setzen solle.

Der Büttnerbauer war seinem Schwager Kaschel niemals grün gewesen. Das gespannte Verhältnis zwischen den Verwandten stammte von der Erbauseinandersetzung her, die der Bauer nach dem Tode des Vaters mit seinen Geschwistern gehabt hatte.

Aber der Gastwirt ließ den Schwager nicht unangeredet vorüberfahren. »Guntago Traugott!« rief er dem Bauer zu. Und als dieser auf den Gruß nicht zeichnete, sprang der kleine Mann behende die Stufen vom Kretscham auf die Straße hinab, trotz seiner Holzpantoffeln und lief auf das Gefährt zu. »Holt a mal Traugott! Ich ha mit Dir zu raden. –«

Der Bauer brachte das alte Tier, das, wenn einmal im Schusse, schwer zu parieren war, durch ein paarmaliges kräftiges Anziehen der Zügel endlich zum stehen, und fragte mit wenig erfreuter Miene, was »zum Schwerenschock« jener von ihm wolle.

Der Kretschamwirt lachte; es war dies eine von Ernst Kaschels Eigentümlichkeiten, in allen Lebenslagen zu grinsen. Es gab ihm das etwas Verlegenes, ja geradezu Thörichtes und Tölpelhaftes – jedenfalls, hatte es der Mann, trotz dieser Eigenheit, in seinem Leben zu einer gewissen Macht über seine Mitmenschen gebracht. –

Kaschelernst, wie er meist genannt wurde, verzog also sein kleines bartloses Gesicht zu einem Grinsen und fragte, statt zu antworten: »Hast De's denne so eilig, Traugott! Ich wollt' ack freun, wu De su frih an Tage schun hin wolltest?«

»Ei de Stadt, Hafer verkofen,« erwiderte Büttner, ärgerlich über den Aufenthalt, und über das verhaßte Lächeln des Schwagers, dessen wahren Sinn er am eigenen Leibe oft genug erfahren hatte. Schon hob er die Peitsche, um den Rappen von neuem anzutreiben. Aber der Wirt hatte das Pferd inzwischen am Kehlriemen gefaßt und kraute es in den Nüstern, so daß der Bauer, wäre er jetzt losgefahren, den Schwager höchst wahrscheinlich über den Haufen gerannt hätte.

Kaschelernst war ein kleines hiefriches Männchen, mit rötlich glänzendem, dabei magerem Gesicht. Den feuchten schwimmenden Augen konnte man die Liebhaberei des Wirtes für die Getränke ansehen, die er selbst verschänkte. Mit dem kahlen spitzen Kopfe, dem fliehenden Kinn und dem Rest von vorspringenden Zähnen in dem bartlosen Munde, sah er einer alten Ratte nicht unähnlich. Seine Glatze deckte Tag ein Tag aus eine gewirkte Zipfelmütze, der Leib war in die Wirtsschürze eingeschnallt, an den Füßen trug er blaue Strümpfe, in denen die Beinkleider verschwanden.

Er ließ ein »Ho, Alter, ho!« vernehmen – was dem Pferde galt – dann wandte er sich mit blödem Lachen an seinen Schwager: »Wo in drei Teifels Namen nimmst denn Du dan Hafer her, zum verkefen, jetzt im Frühjuhre?«

»Mir hon gelt allens zusommde gekroatzt uf'n Schittboden, 's is'n immer nuch ane Handvell ibrig fir de Pferde. Ich dachte ock und ich meente, weil er jetzt on Preis hat, dacht'ch, De verkefst'n, ehbs daß er wieder billig wird, dar Hafer.«

»Ich kennte grode a Zentner a zahne gebrauchen,« meinte der Gastwirt, »wenn er nich zu huch käme.«

»Der Marktpreis stieht ja im Blattel.«

»An Marktpreis mecht 'ch nu grode ne zahlen, wenn'ch 'n vun Dir nahme, den Hafer. Du wirst duch an nahen Verwandten ne iberteuern wullen, Traugott.« – Kaschelernst verstand es, ungemein treuherzig dreinzublicken, wenn er wollte.

»Vun wegen der Verwandtschaft!« . . . rief der Büttnerbauer erregt. »Sechsdeholb Prozent von an nahen Verwandten furdern, wenn ersch's Geld nötig hat, das kannst Du! – Gih mer aus 'n Wege, ich will furt!«

Kaschelernst ließ den Kopf des Pferdes nicht los, trotz des drohend erhobenen Peitschenstils. »Ich will der wos sagen, Traugott!« meinte er, »ich ha' mersch iberlegt seit neilich, wegen der Hypothek von Karl Leberechten. Ich will dersch Geld mit finf Prozent burgen. Ich will's machen, ock weil Du's bist, Traugott! Du brauchst's am Ende netig. Ich ha' mersch iberlegt; ich will Dersch gahn, mit finf Prozent.«

Der Bauer blickte seinen Schwager mißtrauisch an. Was hatte denn den auf einmal so umgestimmt? Neulich hatte er noch sechs und ein halb Prozent verlangt, und keinen Pfennig darunter, wenn er die Hypothek, die dem Büttnerbauer von seinem Bruder Karl Leberecht gekündigt worden war, übernehmen solle. Daß Kaschelernst ihm nichts zu Liebe thun werde, wußte der Bauer nur zu genau. Andererseits lockte das Anerbieten. Fünf Prozent für die Hypothek. – Es war immer noch Geld genug! Vielleicht bekam man's doch noch um ein halb Prozent billiger in der Stadt. Überhaupt war es vielleicht besser, sich mit Kaschel nicht weiter einzulassen; er besaß ja sowieso weiter oben noch eine Hypothek auf dem Bauerngute eingetragen, und leider hatte er ja auch überdies Forderungen.

»No, wie is!« mahnte Kaschelernst den Überlegenden. »Sein mir eenig? Finf Prozent!«

»Mir worsch aben racht, wenn'ch 's Geld glei kriegen kennte.«

»'s Geld is da! Ich ha's huben liegen. Da kannst's glei mitnahmen, Traugott, uf de Post, wenn De Karl Leberechten auszahlen willst. Also, wie is, sein mer eenig?

Der Bauer simulierte noch eine ganze Weile. Er mißtraute der Sache. Irgendwo war da eine Hinterthür, die er noch nicht sah. Wenn Kaschelernst die Miene des Biedermanns aufsetzte, da konnte man sicher sein, daß er einen begaunern wollte. »Du soist, Du hätt'st's Geld da liegen; soist Du?«

»Tausend Thaler und drüber! se liegen bei mer im feuersicheren Schranke. Willst se sahn, Traugott?«

»Also finf Prozent! Kannst De 's ne drunger macha?«

»Ne, drunger gar ne! Und ees wollt'ch der glei noch sagen, Traugott, bei der Gelegenheit: für meine eegne Hypothek, die'ch von Deiner Schwester geerbt ha', dos wullt'ch der glei noch sagen: da mecht'ch von Michaelis an och finf Prozent han, viere dos is mer zu wing, verstiehst De!«

»Du bist wühl verrikt!«

»Finf Prozent für beide Hypotheken! Hernachen sollst Du's Geld han. Anderscher wird keen Geschäft ne, Traugott!«

Jetzt riß dem Büttnerbauer die Geduld.

Er hob die Peitsche und schlug auf das Pferd. Der Gastwirt, erkennend, daß es diesmal Ernst sei, hatte gerade noch Zeit, bei Seite zu springen. Der Rappe bockte erst ein paar mal, ob der unerwarteten Schläge, dann zog er an. Kirschrot im Gesicht wandte sich der Bauer nach seinem Schwager um und drohte unter wilden Schimpfreden. Dabei ging das Geschirr in Bogenlinien von einer Seite der Straße auf die andere, und drohte in den Graben zu stürzen, weil der Bauer in seiner Wut abwechselnd an der Hotte- und an der Hüsteleine riß.

Der Kretschamwirt stand mitten auf der Straße und sah dem davoneilenden Gefährte nach, sich die Seiten vor Lachen haltend. Er sprang vor Vergnügen von einem Bein auf das andre, kicherte und schnappte nach Luft. Sein Sohn Richard, ein sechzehnjähriger Schlacks, hatte die Verhandlungen zwischen Vater und Onkel vom Gaststubenfenster aus neugierig verfolgt. Jetzt, da er den Büttnerbauer erregt abfahren sah, kam er heraus zum Vater, um zu erfahren, was eigentlich vorgegangen sei. Kaschelernst, dem die Augen übergingen, konnte seinem Sohn vor Lachen kaum etwas erzählen.

Der Büttnerbauer machte seinem Ärger noch eine geraume Weile durch Flüche Luft. Am meisten ärgerte er sich über sich selbst, daß er sich abermals hatte verführen lassen, mit seinem Schwager Kaschel zu sprechen. Als ob jemals ein Mensch mit diesem »Würgebund« etwas zu thun gehabt hätte, ohne von ihm über's Ohr gehauen worden zu sein. Der war ja so ein »gerissener Hund,« mit seinem blöden Lachen. Als ob er nicht bis drei zählen könne, so konnte dieser Lump sich anstellen, und gerade damit fing er die meisten Gimpel.

Als Kaschelernst ins Dorf gekommen war, vor Jahren, hatte er nicht einen roten Heller sein eigen genannt, und jetzt war er der anerkannt reichste Mann in Halbenau. Der Kretscham, zu welchem ein nicht unbedeutendes Feldgrundstück gehörte, war sein eigen. Er hatte einen Tanzsaal mit großen Fenstern eingebaut, zwei Kegelbahnen und einen Schießstand angelegt. Außer dem Schnaps- und Bierausschank betrieb er den Kleinkram, gelegentlich auch Fleischerei und Getreidehandel. Alles gedieh ihm. Auch Landverkäufe vermittelte er. Man munkelte allerhand, daß er seine Hand im Spiele gehabt, bei Güterzerschlagungen, wie sie in der letzten Zeit nicht selten in und um Halbenau stattgefunden hatten. Mit den Händlern, Mäklern und Agenten der Stadt stand er in regem Verkehr; kaum eine Woche verging, wo nicht einer von dieser Zunft im Kretscham von Halbenau abgestiegen wäre.

Und zu denken, daß dieser Mensch alles das nur dadurch erreicht hatte, daß er eine Tochter aus dem Büttnerschen Gute geheiratet! –

Der alte Bauer gab sich trüben Gedanken hin, nachdem der erste Ärger verflogen war. Wie war das alles nur so über ihn und seine Familie gekommen! – Es war doch keine Gerechtigkeit in der Welt! Der Pastor mochte von der Kanzel herab sagen, was er wollte: die schlechten Menschen fänden schon hier auf Erden ihre Strafe, und die guten ihren Lohn; für ihn und die Seinen stimmte das nicht. Da war es eher umgekehrt. – Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt!

* * *

Das Büttnersche Gut war eine der ältesten spannfähigen Stellen im Orte. Es war, wie die Kirchenbuchnachrichten auswiesen, stets mit Leuten dieses Namens besetzt gewesen. Lange vor dem großen Kriege schon hatten die Büttners dem Dorfe mehrere Schulzen geschenkt. Und unter den alten Grabsteinen auf dem Kirchhofe war mancher, der diesen Namen aufwies.

Während des dreißigjährigen Krieges, wo Halbenau und Umgegend mehrfach arg mitgenommen wurden, war mit dem »großen Sterben« auch die Büttnersche Familie bis auf vier Augen ausgestorben. Seitdem gab es nur noch diesen einen Zweig in Halbenau. Nicht, daß es der Familie an Nachwuchs gefehlt hätte! aber, entweder heirateten die jüngeren Söhne nicht, oder wenn sie eigene Familien begründet hatten, blieben sie doch mit Frau und Kind auf dem Hofe ihrer Väter, halfen bei der Bestellung und arbeiteten die Frondienste für den Grundherrn ab. Die Kinder mußten, wie üblich, der Gutsherrschaft zum Zwangsgesindedienst angeboten werden. Man befand sich ja nicht auf eigenem Grund und Boden; der Gutsherr hatte die Obrigkeit und besaß Verfügungsrecht über Land und Leib seiner Unterthanen. Aber, die besondere Stellung der Büttnerschen Familie, ihre Tüchtigkeit und Nützlichkeit, war auch von Seiten der Gutsherrschaft respektiert worden. Niemals war einer aus diesem Gute, wie es in der Zeit der Erbunterthänigkeit den Bauern nicht selten zu geschehen pflegte, in eine geringere Stelle versetzt worden. Man leistete durch Spanndienste und Handdienste der Herrschaft ab, was man ihr schuldig war. Großen Wohlstand hatte man dabei nicht sammeln können; dazu war auch die Kopfzahl der Familie meist zu stark gewesen und der Boden zu ärmlich. Aber, man hatte nichts eingebüßt an Land und Kraft in den Zeiten der Hörigkeit, die nur zu viele Bauern herabgedrückt hat zur Unselbständigkeit und Stumpfheit des abhängigen Subjekts. Und der Hausverband, die Zusammengehörigkeit der Familie war gewahrt worden.

Unter dem Großvater des jetzigen Besitzers trat die Bauernbefreiung in Kraft. Die Erbunterthänigkeit wurde aufgehoben, alle Fronden abgelöst. Bei der Regulierung verlor das Bauerngut ein volles Dritteil seiner Fläche an die Herrschaft.

In dem Vater des jetzigen Büttnerbauern erreichte die Familie einen gewissen Gipfelpunkt. Er war ein rühriger Mann, und es gelang ihm, sich durch Fleiß und Umsicht, begünstigt durch gute Jahre, zu einiger Wohlhabenheit emporzuarbeiten. Durch einen günstigen Kauf verstand er es sogar, den Umfang des Gutes wieder zu vergrößern. Vor allem aber legte er das erworbene Geld in praktischen und bleibenden Verbesserungen des Grund und Bodens an.

Es war kein kleines Stück für den Mann, sich dem Vordringen des benachbarten Rittergutes gegenüber, das sich durch Ankauf von kleineren und größeren Parzellen im Laufe der Jahre zu einer Herrschaft von stattlichem Umfange erweitert hatte, als selbständiger Bauer, zu erhalten. Unter diesem Besitzer war die Familie, dem Zuge der Zeit folgend, in alle Windrichtungen auseinandergeflogen. Nur der älteste Sohn, Traugott, war, als zukünftiger Erbe, auf dem väterlichen Hofe geblieben. Als der alte Mann ziemlich plötzlich durch Schlagfluß starb, fand sich kein Testament vor. Als echtem Bauern, war ihm alles Schreibwesen von Grund der Seele verhaßt gewesen. Gegen Gerichte und Advokaten hatte er ein tiefeingefleischtes Mißtrauen gehegt. Zudem war der Alte einer von denen, die sich nicht gern daran erinnern ließen, daß sie dieser Welt einmal Valet sagen müssen. Auch schien jede Erbbestimmung unnötig, weil als selbstverständlich angenommen wurde, daß, wie seit Menschengedenken, auch diesmal wieder, der Älteste das Gut erben werde, und daß sich die übrigen Geschwister murrlos darein finden würden.

Das kam nun doch etwas anders, als der Verstorbene angenommen hatte.

Es waren fünf Kinder vorhanden und die Witwe des Dahingeschiedenen. Traugott, der Älteste, war durch den Tod des Vaters Familienoberhaupt und Bauer geworden. Der zweite Sohn hatte vor Jahren das Dorf mit der Stadt vertauscht. Ein dritter war auf der Wanderschaft nach Österreich gekommen und dort sitzen geblieben. Außer diesen drei Söhnen waren zwei Töchter da. Die eine war mit dem Kretschamwirt von Halbenau verehelicht, die andere hatte einen Mühlknappen geheiratet, mit dem sie später von Halbenau fortgezogen war.

Im Erbe befand sich nur das Bauerngut mit Gebäuden, Vorräten und Inventar. Das bare Geld war zu Ausstattungen der Töchter und zu Meliorationen verwendet worden.

Der älteste Sohn erklärte sich bereit, das Erbe anzutreten, und die übrigen Erben mit einer geringfügigen Auszahlung abzufinden, wie es der oftmals ausgesprochene Wunsch des Verstorbenen gewesen war. Aber der Alte hatte da mit einer Gesinnung gerechnet, die wohl in seiner Jugend noch die Familie beherrscht hatte: der Gemeinsinn, der aber dem neuen Geschlechte abhanden gekommen war. Zu Gunsten der Einheitlichkeit des Familienbesitzes wollte keiner der Erben ein Opfer bringen.

Es wurde Taxe verlangt zum Zwecke der Erbregulierung. Als diese nach Ansicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrig ausfiel, focht man die Erbschaftstaxe an, und forderte Versteigerung des Gutes.

Der älteste Sohn, der sein ganzes Leben auf dereinstige Übernahme des väterlichen Gutes zugeschnitten hatte, wollte den Besitz um keinen Preis fahren lassen. Er erstand schließlich das Gut zu einem von seinen Geschwistern künstlich in die Höhe geschraubten Preise.

Natürlich war er außer Stande, die Erben auszuzahlen. Ihre Erbteile wurden auf das Gut eingetragen; Traugott mußte froh sein, daß man ihm das Geld zu vier Prozent stehen ließ. So saß denn der neue Büttnerbauer auf dem väterlichen Grundstücke, das mit einem Schlage aus einem unbelasteten in ein über und über verschuldetes verwandelt worden war.

Es kamen Kriege, an denen Traugott Büttner teilnahm. Die schlechten und die guten Zeiten wechselten wie Regen und Sonnenschein. Aber, die guten Jahre kamen dem Braven nicht recht zu statten, da er nicht kapitalkräftig genug war, um den allgemeinen Aufschwung und die Gunst der Verhältnisse auszubeuten. Die schlechten Jahre dagegen drückten auf ihn, wie ein Panzerkleid auf einem schwachen und wunden Leib.

Der Büttnerbauer war freilich nicht der Mann, der sich leicht werfen ließ.

Sein Gut war ausgedehnt, die äußersten Feldmarken lagen in beträchtlicher Entfernung von dem am untersten Ende eines schmalen Landstreifens gelegenen Hofe. Der Boden war leicht und die Ackerkrume von geringer Mächtigkeit. Dazu waren die Witterungsverhältnisse nicht einmal günstige; denn nach Norden und Osten lag das Land offen da, vom Süden und Westen her aber wirkten Höhenzüge ein, Kälte und Feuchtigkeit befördernd, und die warme Jahreszeit abkürzend. Der Acker trug daher nur spärlich zu, der Emsigkeit und der rastlosen Anstrengung des Bauern zum Trotze. Die Zinsen verschlangen die Ernten. Die Schulden mehrten sich langsam aber sicher. An Meliorationen konnte man nicht mehr denken. Wenn der Bauer auch hie und da einen Anfang machte, stärker zu düngen, Abzugsgräben baute, an den Gebäuden besserte und flickte, oder auch neues Gerät anschaffte, so warfen ihn unvorhergesehne Unglücksfälle: Hagelschlag, Viehseuchen, Erkrankungen, Tod und sonstiges Elend, immer wieder zurück und verdarben ihm seine Arbeit.

Es war der Verzweiflungskampf eines zähen Schwimmers in den Wellen, der sich mit aller Anstrengung gerade nur über Wasser zu erhalten vermag.

In diesem Kampfe war der Büttnerbauer ein Sechziger geworden.



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