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Neuntes Kapitel. In höchster Not

Am Eingange der im Westen von Fort Phil. Kearny gelegenen großen Schlucht hatte man unter den Bäumen schon merklich aufgeräumt. Aber je weiter man zwischen die Berge eindrang, desto dichter standen besonders die Pechtannen.

Etwa hundert Soldaten waren hier beschäftigt, Holz zu fällen. Laut klang das Geräusch der Axtschläge von den schroffen Felswänden zurück, die an beiden Seiten des breiten Bergeinschnittes riesenhoch zum Himmel emporstrebten. Mehrere Offiziere beaufsichtigten die Leute. Sie gaben ihre Anordnungen und griffen auch wohl selbst mit zu, wo gerade eine Hand fehlte.

Nicht weit von den Arbeitenden waren ihre Gewehre in Pyramiden zusammengestellt.

»Ich wette fünf gegen eins, daß die Sioux-Indianer sich in ihre Dörfer und damit in ihre Reservation zurückgezogen haben,« sagte einer der Burschen, indem er seine Axt sinken ließ und sich auf den Stiel stützte. »Seit vierzehn Tagen hat man nichts mehr von ihnen gesehen und gehört. Sie haben, wie es scheint, die Lust am Kriege verloren, nachdem Hunderte von ihnen in die ewigen Jagdgründe befördert worden sind.«

»Ich glaube es auch,« meinte ein anderer und stellte gleichfalls die Arbeit ein. Der Herbst naht, da wird es für die Indianer Zeit, an den Umzug in die Winterquartiere zu denken. Ihr sollt es erleben, in diesen Tagen kommt die Nachricht, daß Sitting Bull, der erste Häuptling der Sioux, nach Washington abgereist ist, um mit der Regierung ein neues Abkommen zu treffen. Diese bewilligt dem hungrigen Volke eine wildreichere Gegend, und der Friede ist für einige Jahre wieder gesichert.«

»Wenn es so weit wäre, würden wir heute nicht mit Patronen überladen fortgeschickt worden sein.« sprach ein dritter. »Früher gingen wir mit einem Offizier hierher, heute sind es drei, die uns begleiteten. Die Post langte auch vor wenigen Tagen noch mit fünfzig Mann Bedeckung an.«

»Jef hat recht!« unterstützte ein vierter Soldat lebhaft den Sprecher, als die beiden andern spöttisch über dessen besorgte Miene lächelten. »Hätte Hauptmann Reinfels nicht ebenfalls seine Bedenken, würde er sich nicht so lange besonnen haben, bevor er uns heute morgen ziehen ließ. Baumstämme liegen überall in großen Haufen vor den Häusern der Befestigung. Daran fehlte es also nicht, um den Bau fortzusetzen.«

»Ich glaube –«

»Daß es besser sein wird, ihr nehmt eure Arbeit wieder auf und spart die Unterhaltung, bis ihr heute abend in euren Kasernen sitzt, Leute,« sagte nähertretend ein Offizier.

Die Soldaten schwangen von neuem die Aexte.

Hauptmann Reinfels war allerdings nicht ohne Sorge. Er stand in eifrigem Gespräch vor der Tür des Hospitals neben dem Trapper Jim, mit dem er gern seine Ansichten über die Indianerunruhen auszutauschen pflegte.

»Ihr kennt das Volk doch zur Genüge, besser als ich,« sagte er. »Was haltet Ihr von dieser augenblicklichen Stille?«

»Gar nichts!« entgegnete Jim kurz. Er war doch stolz auf das Vertrauen, das der Kommandant ihm schenkte und fuhr wichtig fort: »Vor drei bis vier Wochen noch streiften die Indianer in einzelnen Horden im Lande umher. Ueberall, wo sie sich sehen ließen, wurde ihnen von den Kugeln der Soldaten heimgeleuchtet. Weshalb? Es fehlte ihnen an Stärke. Meiner Meinung nach sammeln sie ihr ganzes Heer streitbarer Männer und brechen dann aufs neue wieder aus.«

»Glaubt Ihr das wirklich?« Reinfels schaute sinnend vor sich hin.

»Gewiß! Dürfte ich mir eine Bemerkung erlauben, Herr Hauptmann?« fragte der Trapper. Er rückte seinen Hut nach der linken Seite und kratzte sich hinter dem rechten Ohr. »Ich hätte an Eurer Stelle die hundert Mann Militär heute nicht fortgeschickt.«

Der Kommandant blickte rasch auf. »Meint Ihr denn, die Indianer wagten sich bis zu unserem Fort heran?« lachte er.

»Unmöglich ist das nicht,« versetzte Jim bedächtig. »Wir haben mehr als ein Beispiel davon.«

»Torheit, guter Freund! Daran denke ich keinen Augenblick. In früheren Jahren ist das vielleicht geschehen. Dann allerdings sähe es mit unserer Mannschaft zur Verteidigung etwas schwach aus. Doch die Arapahoes werden bald hier sein,« fügte der Hauptmann hinzu. Es klang beinahe, als wolle er sich mit diesem Gedanken beruhigen.

Der Trapper stieß einen, leisen Pfiff durch die Zähne. »Auf die rechnet nicht so früh. Old Tex, der zu ihnen gesandt wurde, hat sich ohne Zweifel beeilt. Davon bin ich überzeugt. Aber die Indianer essen und schlafen für ihr Leben gern, selbst wenn sie sich auf dem Kriegspfade befinden. Das aber kostet viel Zeit. Rücken die Arapahoes hier in acht Tagen ein, so haben sie sieh ungewöhnlich gesputet.«

Wieder schaute der Kommandant eine Weile nachdenklich vor sich hin, dann wandte er sich, um zu gehen, kam aber noch einmal zurück. »Bald hätte ich vergessen, mich nach Euerm Bruder zu erkundigen,« sprach er mit sichtlicher Teilnahme. »Wie geht es ihm heute?«

Jim wiegte bedenklich das Haupt. »Eine volle Woche ist es nun schon dasselbe Lied. Seitdem plötzlich die Verschlimmerung bei ihm eintrat, will es nicht wieder mit ihm besser werden. Die Lunge muß bei dem Stich doch arg gelitten haben. Ich fürchte, er stellt keine Fallen mehr.«

»Wir wollen die Hoffnung und den Mut nicht verlieren, lieber Freund!« versetzte Hauptmann Reinfels tröstend, indem er dem Trapper wohlmeinend auf die Schulter klopfte, dann schritt er langsam nach der Kommandantur.

Jim betrat das Hospital und stieg die Treppe nach dem ersten Stock hinauf.

Hier lag Charley in einem der Zimmer, durch dessen geöffnete Fenster man auf den weiten, von der Sonne beschienenen Platz der Befestigung sah.

Der Kranke war kaum wiederzuerkennen. Auf den weißen Kissen ruhte der Kopf mit dem bleichen, mageren Gesicht. Tief lagen die geschlossenen Augen in ihren Höhlen. Rasch ging der Atem, und die fleischlosen Hände zupften von Zeit zu Zeit krampfhaft an der Decke, während die blutleeren Lippen leise, unverständliche Worte flüsterten.

In einer Ecke des Gemaches waren die Fallen und Fanggeräte der beiden Trapper auf einen Haufen gelegt. Dort lehnten auch die Büchsen an der Wand.

Neben Charleys Lager stand ein zweites eisernes Bett. Darauf saß ein Soldat, der hier Wärterdienste versah.

Auf Jims fragenden Blick zuckte der Bursche die Achseln und sagte: »Euer Bruder redet nach wie vor irre.« Dann ließ er die beiden allein.

Der Trapper setzte sich an die Seite des Kranken und betrachtete traurig dessen eingefallenen Züge.

Jetzt glitt ein Lächeln über Charleys Gesicht. »Wie der Junge sich in alles zu schicken weiß!« sprach er leise. »Er erlernt das Fallenstellen vielleicht noch einmal so gut wie ich. Das will schon etwas sagen. Aber seitdem ich die neue Methode erfunden habe, kommt mir keiner im ganzen Lande mehr nach.«

Des Bruders Stirn zog sich in finstere Falten. »Stets beschäftigt ihn der Knabe.« murmelte er unwillig vor sich hin.

»By Jingo! Das ist ein fetter Biber, Bob!« begann der Fiebernde nach einer Weile von neuem. »Bist ein guter Junge. Ich habe dich gern, als wärst du mein eigener Sohn. Jim meint, du seiest ein Verräter. Nicht wahr, Bob, er irrt sich? Du lachst? Frage ihn nur selbst. Ist es nicht so, Jim?«

»Ja!« sagte dieser laut und kurz.

Erschrocken öffnete Charley die Augen und schaute ängstlich suchend umher. Dann blieb sein Blick an dem Bruder haften. »War Bob nicht hier?« fragte er etwas lauter als vorher.

»Weshalb rufst du stets nach dem Knaben?« erwiderte Jim abwehrend. »Du weißt es doch, er lief fort von uns.«

Charley seufzte. »Ja, richtig! Jetzt erinnere ich mich. Er hat es uns selbst erzählt. Sein Vater schlug ihn und wollte ihn zum Schreiber machen. Jetzt irrt er allein in den Bergen umher.«

»An Gesellschaft wird es ihm nicht fehlen,« sprach Jim spottend leise für sich.

Das scharfe Ohr des Kranken vernahm jedoch die Worte. »Glaubst du das?« fragte er hastig »Wer beschützt ihn, wenn ich es nicht tue? Die Indianer sind ein rohes Volk. Dort hat er es noch schlechter als bei seinem Vater. Weißt du es noch, als sie einst unseren Vater tot in das Haus trugen und die Mutter sich über die Leiche warf ohne ein Wort der Klage? Wir versuchten nach unserer Art die Mutter zu trösten. Als wir die Bewegungslose aufrichten wollten, war sie gleichfalls tot. Weißt du es noch? Es sind schon viele Jahre her. Wir waren damals so alt wie Bob.«

Charley schwieg, doch die unruhig umherirrenden Augen bewiesen, daß seine Gedanken stark beschäftigt waren.

Jim ergriff seine Hand. »Laß die Vergangenheit, Bruder!« sagte er besorgt. »Denke an nichts und schlafe! Das allein vermag deine Gesundheit wieder herzustellen.«

»Wenn ich schlafe, glaube ich zu wachen, und wenn ich wache, ist es mir, als schliefe ich,« klang es leise zurück. »Doch ich will mich trösten. Er kommt wieder. Ich weiß es. Immer ist er bei mir. Sanft legt er seine Hand auf meine Wunde, dann verfliegt der Schmerz. Das Bärenfell liegt doch noch vor meinem Lager? Er hat seine Freude daran und hängt es sich lächelnd über die Schultern. Er ist so stolz darauf, der gute Junge. Wie seine großen, blauen Augen leuchten! Aber auch Tränen sehe ich oft darin, gerade so wie damals, als wir von Cheyenne zurückkamen. Das lustige Leben hat dort ein Ende. Er verbot uns den Whisky. Sind wir nicht reich, Jim? Für das Geld kaufen wir uns ein Haus mitten in einer Biberstadt. Wir erbauen es dicht am Wasser, damit wir sein Rauschen hören. Gibt es wohl eine schönere Musik, Bob? Das Lispeln und Plätschern des Baches singt uns in den Schlaf. Es ist schon spät, mein Junge. Siehst du den Mond über uns und die vielen Steine? Ob dort auch wohl Biber gefangen werden? Gute Nacht, Bob, gute Nacht!« »Gute Nacht!« sagte Jim ärgerlich.

Der Kranke öffnete abermals hastig die Augen. »Gute Nacht, Jim! Ich dachte, du wärest nicht mehr hier,« flüsterte er, dann wandte er den Kopf nach der anderen Seite, und gleich darauf drangen aus dem halboffenen Munde regelmäßige, aber kurze, schwere Atemzüge.

Jim erhob sich und trat an das Fenster. In seinem Gesichte lag der Zorn, den er stets empfand, wenn der Bruder seine große Zuneigung zu Bob verriet. »Der Knabe hat mir Charleys Herz gestohlen,« murmelte er. »Der Junge verdient es nicht, daß sich der Bruder seinetwegen sorgt. Wer weiß, wo er sieh jetzt herumtreibt! Weshalb kann ich nicht den unzweifelhaften Beweis liefern, daß er uns treulos verließ? Dann gehörte Charley vielleicht von neuem mir allein.«

Das Erscheinen des Soldaten, der die Krankendienste versah, unterbrach das Selbstgespräch. Er meldete, daß der Hauptmann den Trapper zu sprechen wünsche.

Sofort begab sich Jim in das Kommandanturgebäude. Man verwies ihn in ein Gemach zu ebener Erde. Dort fand er zu seinem größten Erstaunen bei dem Kommandanten Andrew Brown den Fuchs.

Einen Augenblick zeigte sich in den Mienen des Halbindianers eine unangenehme Ueberraschung, als er den Trapper so plötzlich vor sich sah, doch rasch hatte er seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen. Er ging lächelnd auf Jim zu und streckte ihm seine Rechte entgegen, indem er schmeichelnd sagte: »Welche Freude ist es mir, Euch hier zu treffen! Seid mir gegrüßt, mein Freund!«

Jim maß den Fuchs mit einem verächtlichen Blick. »Euer Freund bin ich niemals gewesen, auch gelüstet mich nicht nach dieser Ehre,« versetzte er schroff, ohne die dargereichte Hand zu würdigen. »Ich stehe zu Euern Diensten, Herr Hauptmann,« wandte er sich mit einem leichten Neigen des Kopfes an den Kommandanten.

»Andrew Brown kehrt von seinem Ritt durch das Land zurück. Er erzählt mir soeben, daß alles ruhig sei,« begann Reinfels. »Die Indianer hat er überall in ihren Lagern belauscht. Er meint, sie seien mutlos geworden und würden den Krieg aufgeben.«

»Berichtete er ebenfalls, wie oft er seine Brüder gegen die Soldaten führte?« fragte der Trapper spöttisch.

»Wenn ich der Regierung bezahlte Dienste leiste, werde ich doch nicht mit den Männern jenes Volkes ziehen?« rief der Indianer mit einem Tone, als sei er beleidigt.

»Das trifft nicht mit dem überein, was Ihr mir und meinem Bruder noch vor kaum zwei Monaten am Goose Creek sagtet,« erwiderte Jim gelassen. »Außerdem« – er ging in eine Ecke des Zimmers und nahm dort einen grauen Hut mit drei Federn von einem Tisch – »betrachtet Euch dieses hier ein wenig! Das ist wohl der beste Beweis für Eure Lüge.«

Andrew Brown wurde sichtlich verlegen. »Das ist allerdings mein Hut. Ich muß ihn verloren haben,« stotterte er, gezwungen lächelnd.

»Ja, aber leider bei einem Angriff auf die Soldaten,« entgegnete der Trapper und warf den Hut in die Ecke zurück.

»Andrew Brown will noch eine Reise unternehmen, um sich genauer zu unterrichten,« sagte der Kommandant mit einem mißtrauischen Blick auf den Indianscout. »Ich bat Euch zu mir, da ich gern Eure Ansicht erfahren möchte.«

»Hört auf meinen Rat, Herr Hauptmann!« unterbrach ihn Jim dringend. »Dieser Mann ist der größte Halunke, den die Erde je getragen hat. Brachte er nichts Wichtigeres, so seid dessen sicher, daß ihn eine ganz andere Ursache hertrieb, bei der er seinen Vorteil finden will! Wer weiß, ob ihn nicht die Männer seines Volkes, wie er mit Stolz zu sagen pflegt, auf Kundschaft aussandten? Darf ich Euch raten, so sperrt den Menschen ein, bis Ihr genau wißt, daß der Krieg beendet ist!«

Der Halbindianer bemühte sich, seine Mienen zu beherrschen. Nur die funkelnden Augen verrieten die Unruhe in seinem Innern. Lächelnd erwiderte er: »Ich sehe, der Trapper gehört nicht zu meinen Freunden, sonst würde er nicht diesen falschen Verdacht auf mich wälzen.«

»Weshalb nanntet Ihr mich vorhin denn Freund, wenn Euch bekannt ist, daß ich es nicht bin?« rief Jim zornig und fuhr bittend fort: »Höret auf mich, Herr Hauptmann! Ihr seht es, der Mann lügt, sobald er nur den Mund öffnet. Laßt ihn nicht wieder zur Befestigung hinaus! Er bringt Euch nur Unheil. Höret auf meinen Rat!«

»Ich bin ein freier Mann und kann gehen, wohin ich will,« sagte Andrew Brown rasch. Ihm schien es jetzt doch unheimlich zu werden, denn auch die Augen des Kommandanten schauten ihn durchaus nicht mehr freundlich an. »Wenn ich der Regierung meine Dienste leiste, verlange ich, daß man mir Vertrauen schenkt,« fügte er hinzu, indem er sich hastig zur Türe wandte.

Schnell befand sich der Trapper hinter ihm. Er packte den Halbindianer im Nacken und zog ihn zurück. »Herr Hauptmann, höret auf meinen Rat!« wiederholte er beinahe flehend. »Wenn Ihr mir nachher beweist, daß ich diesen Menschen falsch beschuldigt habe, laßt mich erschießen!«

Andrew Brown versuchte es, sich zu befreien, aber des Trappers Fäuste klammerten sich nur fester an ihn.

Einen kurzen Augenblick zögerte der Kommandant noch, dann öffnete er das Fenster und rief einigen Soldaten zu, bei ihm einzutreten. Gleich darauf erschienen diese in der Tür.

»Bringt den Halbindianer hinter Schloß und Riegel!« befahl der Hauptmann kurz.

Die Soldaten ergriffen Andrew Brown, der sich jetzt ohne Widerstand in ihre Hände gab, und führten ihn hinweg.

Jim seufzte erleichtert auf. »Gott sei Dank! Nun könnt Ihr Euch abends um vieles ruhiger niederlegen, Hauptmann Reinfels!« sagte er und folgte rasch den Männern mit ihrem Gefangenen.

»In das Pulverhaus mit ihm!« rief der Trapper ihnen zu. »Laßt den Gauner bis dahin nur nicht entwischen! Ich glaube, er hat nicht übel Lust dazu. Ich gehe zum Sergeanten Peters und hole die Schlüssel für den neuen Bau des Fuchses.« Er eilte nach einer der langen, an der Südseite der Befestigung gelegenen Kasernen, während sich die Männer quer über den Platz nach dem vereinzelt stehenden Gebäude wandten.

Ein kaum merkliches Zittern durchflog den Körper des Verhafteten, als er vernahm, wo er untergebracht werden sollte. Nachdem er Jim einen haßerfüllten Blick nachgesandt hatte, sprach er freundlich zu den Soldaten: »Ist es nicht schandbar, daß man mich verhaftet? Ihr kennt mich und wißt, welche großen Dienste ich der Regierung leistete. Mein Leben setzte ich für sie oft und gern auf das Spiel. Das lohnt man mir schlecht. Die Indianer sind nicht meine Feinde. Sie werden mich rächen, ebenfalls an euch, wenn ihr auch nur den Befehlen anderer gehorcht. Noch ist der Krieg nicht zu Ende. Euch droht Verderben, doch will ich euch schützen, wenn ihr mich frei laßt.«

»Gebt Euch keine Mühe, alter Freund!« meinte einer der Soldaten, welcher den Halbindianer an Schulter und Arm gefaßt hatte. »Eher sterbe ich, als daß meine Hände dich fahren lassen.« Er schüttelte den Gefangenen, wahrscheinlich um ihn zu überzeugen, wie fest er gehalten wurde.

»Ihr seid uns schon lange ein Dorn im Auge gewesen,« sagte einer der andern. »Ueber den Weg getraut hat Euch keiner von uns. Mit Eurer Verhaftung wird es daher wohl seine Richtigkeit haben. Kommt Ihr mit dem Leben davon dankt Euerm Schöpfer! Wäre ich Hauptmann Reinfels, so stellte ich Euch einem Dutzend Büchsenläufen gegenüber und kommandierte: Feuer!«

Andrew Brown wollte etwas erwidern, doch er schwieg, da er Jim in schnellem Lauf über den Platz daherkommen sah.

Der Trapper trug eine Kanne Wasser und einen Laib Brot. Gleichzeitig mit den Soldaten langte er vor dem Munitionshause an, dessen eisenbeschlagene Doppeltüren er öffnete.

Man brachte den Gefangenen in ein kleines, leeres Gemach, das durch ein winziges, vergittertes Fenster nur spärlich erhellt wurde.

Bevor die Männer ihn freigaben, untersuchte Jim seine Kleider. Ein großes Messer holte er unter dem Hemde des Halbindianers hervor. »Das wollen wir doch lieber in Gewahrsam nehmen, damit Ihr Euch nicht in Eurer Verzweiflung die Kehle abschneidet,« spottete er. »Euer Feuerzeug dürft Ihr behalten, doch gebe ich Euch den guten Rat, es lieber nicht zu benutzen, Ihr könntet sonst mit dem hier lagernden Pulver eine unfreiwillige Luftreise machen. Damit Ihr Euch den Magen nicht verderbt, habe ich Eure Speise, wie Ihr seht, fürsorglich nicht zu fett eingerichtet. Und nun gehabt Euch wohl, Fuchs im Käfig!« Jim verließ mit den Männern das Gemach, dessen Tür er genau so sorgfältig verschloß, wie die doppelten Türen des Gebäudes.

Die Soldaten gingen lächelnd nach den Kasernen.

Jetzt kam Jim der Gedanke, daß Andrew Brown ihm doch die beste Auskunft über Bobs Verbleib geben konnte. Ohne Zögern wandte er sich noch einmal zurück und trat wieder in das Pulverhaus.

Der Halbindianer hatte sich in einer Ecke des Raumes auf eine an der Wand befestigte Holzpritsche niedergelassen. Unruhig schweifte sein Blick umher. »Fuchs im Käfig!« rief er höhnisch. »So nanntest du mich, Bleichgesicht. Ich will dir zeigen, daß ich den Namen mit Recht trage. Die Baumstämme der Wände meines Käfigs sind mir zu hart, aber durch die Erde grabe ich mich hindurch.« Hastig faßte er unter sein Hemd. Enttäuscht fuhr er mit der Hand zurück. Er hatte vergessen, daß man ihm das Messer abgenommen hatte. Voll Verzweiflung raufte er sich die langen Haare und stampfte mit den Füßen. Dabei stieß er einen Fluch nach dem andern durch die Zähne. Jetzt vernahm er abermals das Knarren der schweren Türen. Als er den Trapper weder bei sich eintreten sah, stützte er den Kopf in die Hand und schaute zu Boden.

»Ihr werdet erstaunt sein, daß ich hier noch einmal erscheine, nachdem ich Euch kaum verließ,« begann Jim. »Ich möchte von Euch erfahren, wo der Knabe geblieben ist, den Ihr bei uns gesehen habt, als Ihr uns am Goose Creek einen Besuch abstattetet.«

»Was kümmert der mich?« entgegnete Andrew Brown und zuckte verächtlich die Achseln.

»Ich will nur wissen, ob der Knabe freiwillig mit Euch zog, oder ob Ihr ihn zwangt, Euch zu folgen,« sagte der Trapper barsch, und rasch sprach er weiter: »Ihr bemerktet wohl, daß ich beim Kommandanten etwas gelte. Ich rate Euch daher, antwortet auf meine Frage und vergrößert meinen Zorn nicht, den ich gegen Euch empfinde!«

Der Halbindianer mochte einsehen, daß es besser sei, den Mann nicht noch mehr zu reizen. Etwas freundlicher versetzte er: »Ich zwinge keine Knaben. Folgte er uns, wird er es wohl freiwillig getan haben.«

»Also ist es doch wahr!« sprach Jim triumphierend vor sich hin. »Wo befindet er sich jetzt?«

»Ich weiß es nicht. Seit etwa zwei Wochen sah ich ihn nicht.« Und schmeichelnd fuhr Andrew Brown fort: »Wie bat ich ihn, zu euch zurückzukehren, konnte ich mir doch denken, daß ihr seinetwegen in Sorge sein würdet! Ihr wollt es nicht glauben, aber stets hegte ich die besten Gesinnungen gegen euch.«

Plötzlich warf sich der Fuchs vor dem Trapper auf die Knie. »Noch einmal will ich Euch beweisen, daß ich Euch zu schützen vermag. Es ist nicht wahr, daß Ruhe im Lande herrsche, Die Männer meines Volkes sammeln sich zu einem großen Heere. Laßt mich frei, und auch Ihr sollt es sein! Meine Brüder werden Euch kein Haar krümmen, wenn ich ihnen entgegeneile und sage, was Ihr für mich tatet. Laßt mich entfliehen!« Flehend streckte er seine beiden Hände empor. »Mit jeder Minute rückt das Verderben näher an Euch heran. Nur wenn ich frei bin, vermag ich es zu verhindern.«

»Bemüht Euch nicht, mit Euren Versprechungen meinen Sinn zu ändern!« unterbrach ihn Jim. Von neuem loderte der Zorn in ihm auf. »Und wenn Ihr gewillt wäret, das ganze Land zu schützen, ich ließe Euch nicht fort. Als vor zehn Jahren die Männer Eures Volkes unsere Hütte niederbrannten mit unserer mühsam erworbenen Habe, trugt Ihr die Schuld. Als wir, mein Bruder und ich, vor acht Jahren flüchteten und die mordende Bande Eurer Brüder unseren sicheren Versteck dennoch aufspürte, dientet Ihr als Führer. Euern künftigen Vorteil behieltet Ihr im Auge, deshalb tötete man uns nicht und ließ uns ziehen, doch abermals ohne Waffen und Fallen, nachdem man uns wochenlang gequält und gemartert hatte. Von Euern Diebereien will ich gar nicht reden. Nein, nein! Was ich vermag, geschieht, um einen Halunken wie Euch für alle Zeit unschädlich zu machen. Davon seid überzeugt!« Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür.

Unheimlich funkelten die Augen Andrew Browns. Ein zischender Laut drang durch die fest aufeinander gebissenen Zähne. Er schnellte von der Erde empor, und sprang wie ein Tiger mit einem Satz hinter dem Trapper her.

Doch Jim hatte sich, vorgesehen. Seine beiden Fäuste packten die Kehle des Halbindianers, und mit der ganzen Wucht seiner muskulösen Arme schleuderte er den Wütenden zurück, daß er krachend gegen die Wand schlug.

Andrew Brown fühlte seine Ohnmacht gegen die Stärke dieses Mannes, Keuchend rief er: »Warum vermochte ich dich nicht ebenfalls zu erstechen wie deinen Bruder! Die Blauröcke kamen mir zu unerwartet dazwischen. Doch er hat wenigstens das kalte Eisen meiner Waffe in seinem Leibe gefühlt. Möge er daran zugrunde gehen!«

Der Trapper erbleichte. »Fluchwürdiger Mörder!« stotterte er, und mit bebenden Händen tastete er nach dem Messer in seinem Gürtel, das er vorhin dem Halbindianer abgenommen hatte.

Da fiel in der Ferne ein Schuß, dem sofort mehrere folgten.

Andrew Brown stieß ein gellendes Lachen aus. »Sie wollen nicht länger auf die Skalpe warten, die ich ihnen versprach. Sie kommen, die Männer meines Volkes! Jetzt, Fort Phil. Kearny, hast du am längsten gestanden!« Mit der ganzen ihm zu Gebote stehenden Kraft sprang er noch einmal auf Jim los. Diesem entglitt das Messer. Doch rasch packte er den Halbindianer von neuem. Wieder taumelte dieser zurück. Hastig raffte der Fuchs sich auf, um sich abermals auf seinen Feind zu stürzen, aber schon war der Trapper aus dem Gemach. Hart fiel die Tür in das Schloß.

Jim hörte dahinter noch ein Geheul wie von einem wilden Tiere, dann eilte er vor das Gebäude.

Nachdem Jim mit fiebernder Hast die Türen des Pulverhauses verschlossen hatte, lief er, so schnell ihn seine Beine tragen wollten, nach dem Hospital zu seinem Bruder.

An der Südseite der Befestigung krachte Schuß auf Schuß, beinahe übertönt von einem brüllenden Getobe. Auf dem Platze rannten die Soldaten nach den Kasernen. Von dort kamen andere und sammelten sich, durch die lauten Kommandoworte der Offiziere angetrieben, in Kolonnen, die dann unverzüglich im Laufschritt abrückten. Trompetensignale erklangen überall Aus den Häusern im Norden flüchteten schreiend und jammernd Frauen und Mädchen nach der Kommandantur. Von daher sprengte auf seinem Pferde soeben Hauptmann Reinfels in rasendem Galopp.

Jetzt erschallten ebenfalls Schüsse von der Schlucht herüber. Die Indianer griffen also gleichzeitig dort an.

Die starken Blockhütten der südlichen Außenposten, die den Soldaten anfangs einige Deckung boten, mußten bald verlassen werden. Mit zehnfacher Uebermacht drangen die Indianer vor. Rasch ging es zurück nach der Befestigung. Das Militär verteilte sich in die Kasernen. Zwischen den aufeinandergelegten Stämmen wurde an den Wänden die Verbindung aus Lehm entfernt, und durch die Spalten schoß man auf den näher heranstürmenden Feind, der jetzt jubelnd die aus den Hütten der Außenposten aufwirbelnden Flammen begrüßte.

Selbst die Offiziere bedienten sich eifrig der Büchsen. Hauptmann Reinfels stand neben seinem Pferde, durch einen Haufen Baumstämme gedeckt, die man für den weiteren Ausbau der Häuser herbeigeschafft hatte. Er war einer der eifrigsten Schützen.

Im Nordosten ertönte ebenfalls wüstes Geschrei. Aus den Dächern mehrerer Wohngebäude quoll Rauch, und bald darauf schlugen auch schon die Flammen hervor.

Jetzt begann auch das Dach der ersten Kaserne zu brennen. Die Soldaten mußten ihren schützenden Stand aufgeben.

Das Feuer fand in den aus Pechtannen erbauten Behausungen reichliche Nahrung. Immer weiter kroch es von Dach zu Dach, von einem leichten Ostwinde getrieben, Mehr und mehr wurde das Militär von ihm zurückgetrieben, wenn auch die Soldaten jede Stellung so lange wie nur möglich hielten. Jeden Fuß Erde mußten die Indianer mit Mühe und vielen Verlusten erkämpfen.

Charley schlief fest, als der Bruder bei ihm eintrat. Vor dem geöffneten Fenster, durch das die Schüsse und das tobende Lärmen hereinschallten, stand der Krankenwärter und rang verzweifelnd die Hände.

»Nehmt Eure Waffen und lauft zu Euern Kameraden! Dort ist jeder Mann von großem Wert,« rief der Trapper und schob den Soldaten zur Tür hinaus. Dann holte er aus der Ecke des Zimmers seine Büchse und stellte die Kiste mit Patronen vor sich auf das Fensterbrett. Voll gespannter Erwartung schaute er auf das Getümmel in der Ferne.

Ueberall sah man jetzt die Indianer an der östlichen Seite der Befestigung hervorstürmen. Nur wenige von ihnen waren beritten. Neun Wohnhäuser, zwei Kasernen und mehrere Ställe brannten bereits. Um die Pferde vor den Flammen zu retten, hatte man sie freigelassen. Scheu jagten die Tiere auf dem weiten Platze umher.

Ein großer Haufe des Feindes drängte sich um das Munitionshaus. Jims scharfe Augen bemerkten, wie man mit Aexten die Tür einzuschlagen bemüht war.

»Weshalb tötete ich den Fuchs nicht?« sprach er grimmig vor sich hin. »Seine Brüder werden ihn befreien, und dann –«

Eine mächtige Feuersäule, begleitet von einer gewaltigen, weißen Rauchwolke schlug hoch zum Himmel empor. In demselben Augenblicke erfolgte ein donnerähnlicher Krach, der das Hospital in seinen Grundfesten erschüttern machte. Das Pulverhaus war in die Luft geflogen.

Das Gesicht des Trappers wurde erdfahl. Eisig kalt rann es ihm durch alle Glieder. Die Büchse in seinen Händen erbebte. »Gott sei dem armen Sünder gnädig!« stammelte er.

Wenige Sekunden herrschte eine unheimliche Stille. Dann begannen die Schüsse und das kriegerische Geheul der Indianer von neuem.

Weiter immer weiter drang der Feind vor. Auch die dritte, letzte Kaserne mit den Ställen hatte Feuer gefangen. Beinahe alle Wohnhäuser brannten. Schon sammelten sich die Soldaten vor dem Hospital und der Kommandantur. Dort lagen ebenfalls große Haufen Baumstämme. Sie dienten als Schutzwehr gegen die feindlichen Kugeln.

Der ganze Platz war zeitweilig in dichten Rauch gehüllt. Als er sich zerteilte, waren die Indianer keine zweihundert Schritte entfernt.

Nun begann Jim zu schießen. Mit rasender Eile warf er die Patronen in den Lauf. Er sah, wie eine Gestalt nach der anderen von seinen Kugeln zu Boden gestreckt wurde.

Da krachte neben ihm ein Schuß. Der Trapper blickte sich um. Entsetzt ließ er seine Waffe sinken. Sein Bruder Charley stand in dem langen weißen Krankenhemde an seiner Seite mit der rauchenden Büchse in der Faust. Ein Lächeln verklärte seine bleichen, mageren Züge. »Bis aufs Blut wollen wir uns verteidigen. Jede unserer Kugeln bringt den sicheren Tod,« stieß er keuchend hervor. »Warum ist mein Bob nicht hier? Das Laden wird mir schwer. Er könnte es für mich besorgen.«

»Fluch dem Knaben!« rief Jim zornig. »Suche ihn dort unten! Jetzt weiß ich es, daß er zu den Feinden übertrat. Ihm verdankst du deine Wunde. Andrew Brown – Ach! Weshalb rede ich noch? Sieh hin! Wir sind verloren und mit uns die ganze Befestigung. Dort naht ein neuer Haufe. Alle sind sie zu Pferde.«

Der Wind hatte den Rauch fortgetrieben. Der weite Platz, auf dem im Osten zwischen die brennenden Gebäude hindurch mit wildem Geheul etwa zweihundert Indianer sprengten, bot freie Sicht. Allen weit voraus jagte ein Reiter. Man sah, wie er seine Büchse hoch über seinem Kopf in der Luft schwang.

Keine hundert Schritte vor dem Hospital stand jetzt der Feind dicht gedrängt. Schon verließen einige Soldaten die sie deckenden Baumstämme und flüchteten sich in die Gebäude.

»Tapfer, Leute, weicht nicht!« hörte man die Stimme des Hauptmanns Reinfels, immer von neuem seine Mannschaft zur Ausdauer anfeuernd. Da erscholl auf einmal ganz nahe hinter den Indianern ein wildes Geheul.

Jim starrte hinab, als traue er seinen Augen nicht. Charley lehnte erschöpft an des Bruders Schulter und zeigte heftig zitternd mit seiner mageren Hand nach unten, während ihm die Tränen über die eingefallenen Wangen rollten. Zu sprechen vermochte er nicht.

Wüst drängte plötzlich der Feind durcheinander. Viele warfen die Waffen von sich und flohen nach Norden und Süden.

»Juha!« ertönte es immer wilder in den Reihen der heranstürmenden Krieger. Sie wurden von einem Knaben geführt, um dessen blonden Lockenkopf ein rotes Tuch geschlungen war.

Es war Bob und hinter ihm die Rettung bringende Schar der Arapahoes.

»Die Hilfe naht, vorwärts, Leute!« schrie Reinfels und jagte mitten zwischen die feindlichen Indianer. Doch gleich darauf wankte sein Pferd. Es stürzte und begrub das eine Bein des Kommandanten unter sich. Ein großer, hagerer Indianer sprang mit dem Messer in der Faust hinzu und stieß es dem Hauptmann, der sich vergeblich unter dem um sich schlagenden Gaul hervorzuarbeiten bemühte, in die Seite. Bevor aber der Indianer einen zweiten Stoß nach der Brust des Liegenden auszuführen vermochte, brach er röchelnd zusammen.

Der Knabe hatte erkannt, in welcher Gefahr der Kommandant schwebte. Behend war er aus dem Sattel gesprungen, und hatte mit dem Kolben seiner Büchse den Schädel des Feindes zerschmettert.

Abermals hob er die Waffe zum Schlage. Seine Augen blitzten kampfesmutig. So stellte sich Bob schützend vor dem Hauptmann auf. Das Tuch war ihm vom Kopfe gefallen, und wieder woben die Strahlen der Sonne einen goldigen Schein um die Locken. Wie vor einem Wunder wichen die angreifenden Indianer zurück. Nun wandten sich auch die letzten zur Flucht.

Aber nur wenige vermochten zu entrinnen. Die Arapahoes fielen wie die Raubtiere über sie her. Es begann ein Schlachten und Morden, daß sich selbst die Soldaten schaudernd abwenden mußten.

Bob war bei dem Hauptmann niedergekniet. Mehrere Männer zogen den mittlerweile verendeten Gaul von ihm hinweg.

Reinfels öffnete die Augen. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er den ängstlich über sich gebeugten Knaben bemerkte. »Also du bist dennoch ehrlich und brav geblieben. Wie mich das freut!« sprach er schwach.

Einige Soldaten hoben den Kommandanten vom Boden auf, um ihn nach dem Hospital zu tragen. Er reichte Bob die Hand und fuhr leise fort: »Rette auch unsere Kameraden in der Schlucht, wie du uns gerettet hast! Beeile dich! Auf Wiedersehen!«

Rasch trat der Knabe zu seinem Pferde, das treu bei ihm ausgehalten hatte, und schwang sich in den Sattel.

»Soldaten, euer verwundeter Hauptmann sendet uns nach der Schlucht«, rief er laut. Seine Stimme klang wie die eines Mannes. »Arapahoes, folgt mir! Noch einmal führe ich euch zum Siege.« Wieder jagte er allen voran zwischen dem Kommandanturgebäude und dem Hospital hindurch zur Befestigung hinaus.

Bald waren der mächtige Einschnitt und die Soldaten in ihrer bedrängten Lage erreicht. Sie hatten sich besser zu verteidigen vermocht als ihre Kameraden. Durch die Felsen gedeckt, trieben sie den immer von neuem heranstürmenden Feind durch ihre wohlgezielten Schüsse jedesmal zurück. Jetzt aber begann die Munition auszugehen. Da kam die Hilfe zu rechter Zeit.

Als die feindlichen Indianer sich plötzlich im Rücken angegriffen sahen, suchten auch sie ihr Heil in der Flucht. Hier aber entrann keiner. Blutige Skalpe schmückten die Gürtel der Arapahoes, als es zwischen den Felswänden endlich still wurde.

Man kehrte langsam nach der Befestigung zurück.

Nur der Knabe spornte seinen Gaul auch jetzt zur Eile an. Mit sehnsüchtigem Verlangen trieb es ihn zu den Trappern. Sollte er sie beide lebend wiederfinden?

Als Bob vor dem Hospital erschien, empfing ihn ein donnerndes Hurrageschrei der dort versammelten Soldaten und Offiziere. Sie hoben ihn vom Pferde, schüttelten ihm die Hände, umarmten und küßten ihn. »Hipphipp hurra für Bob den Fallensteller!« klang es aus den vielen Kehlen immer begeisterter.

Vergeblich wehrte der Knabe die Huldigungen ab. »Laßt mich zu meinen Freunden! Wo finde ich sie?« bat er flehend. Gern wies man ihm den Weg.

Laut pochenden Herzens stand Bob vor dem Zimmer der Brüder. So nahe seinem Ziel, wagte er jetzt kaum einzutreten. Leise öffnete er die Tür und schritt schwankend in das Gemach.

Jim lehnte am Fenster und hatte beide Hände vor das Gesicht gelegt.

Charley ruhte auf seinem Lager. Aus den weit geöffneten Augen, die dem Knaben mit fieberhaftem Glanz entgegenleuchteten, rann eine Träne nach der anderen.

»Charley, Jim, endlich, endlich sehe ich Euch wieder!« rang es sich jubelnd aus der Brust Bobs. Er stürzte vor dem Lager auf die Knie und umschlang schluchzend mit beiden Armen seinen liebsten Freund.

Geräuschlos schlich Jim aus dem Zimmer.

Charley hob langsam die Hand. Er legte sie auf das lockige Haupt seines Schützlings und stammelte kaum vernehmbar mit zuckenden Lippen: »Gott segne und behüte dich auch ferner, mein Bob, wie er dir bis heute mit seinem gütigen Schutz gnädig zur Seite stand!« Dann drang ein schwerer Seufzer aus der wunden Brust des Trappers. Müde schlossen sich seine tränenüberfluteten Augen.

Von unten herauf erschallte noch einmal ein brausendes Hurra für Bob den Fallensteller!


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