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Die Nützlichkeit eines Perlenkolliers

Zwar ist es Ende März, aber der Winter hält hartnäckig stand, unter einem Regenhimmel, der die Waffen nicht niederlegen will.

»Ich möchte gerne für zwei Wochen nach dem Süden fahren«, kündigt Regine an.

»Hast du Geld?«

»Nein, aber ich werde eine Perle verkaufen.«

»Ach ja, eine Perle ...«

Wir kennen das. Wenn Regine Geld braucht, macht sie eine Perle aus ihrem Halsband flüssig.

Ursprünglich bestand das Kollier aus Beryllen. Der Gatte der jungen Frau hatte es aus Madagaskar heimgebracht und es ihr freigebig bei der Verlobung überreicht.

»Zwei Tatsachen danke ich meiner Ehe«, pflegte Regine zu sagen. »Daß ich mich ohne Krach frei machen konnte und daß ich die Sensationen des verwöhnten Luxustierchens kennenlernte.«

Nach der Scheidung hat Regine die Steine behalten, doch hat sie ihr Heim verloren, das Maß ihrer Lebensführung; und so hat sie uns eines Tages mitgeteilt, sie wünsche die Beryllen gegen Perlen zu vertauschen.

»Die sind weniger auffallend, leichter zu tragen. Aquamarine könnte ich nie anlegen. Stellt euch doch vor, daß ich, mit Aquamarinen um den Hals, in meinem Muff einen kleinen Rundkäse und ein Pfund Mandarinen heimtragen sollte! Kein Mensch könnte glauben, daß die Steine echt wären. An der Echtheit des kleinen Käschens könnten keinerlei Zweifel bestehen, wohl aber solche, sehr triftige, an der der Beryllen ...«

So hat sie also die Steine gegen Perlen umgetauscht – die sie aber ebensowenig getragen hat.

»Versteht doch,« sagt sie, »ein Kleid, und sei es noch so einfach, muß ›erste Klasse‹ sein, um eine Perlenkette zu vertragen. Sonst ist es immer das gleiche: man läuft Gefahr, Zweifel zu erwecken.«

Eines Tages, als sie gegen Ende des Monats sehr knapp war, hat sie eine Perle abgenommen und verkauft. Und, einmal auf den Geschmack gekommen, wiederholte sie das von da ab, sooft sich der Wunsch danach geltend machte.

»Die Kette ist ein wenig lang, versteht ihr? Sie wirkt protzig. Ich höre bestimmt auf, sobald ich sie auf die richtige Länge gebracht habe.«

Einige Monate später:

»Trägst du deine Kette nicht mehr, Regine ?«

»Pah ... die ist ... die ist ein bißchen kurz. Denkt nur, sie geht mir nicht mehr ganz um den Hals ...«

Diesmal nun hat sie erklärt:

»Es bleibt dabei, ich verhökere eine Perle und sause ab.« »Dann also, Regine: wie wäre es, wenn wir diese Reise nach dem Süden ein wenig bereden wollten?«

Uns allen scheint es, als handelte es sich um uns selbst. Wir entwerfen üppige Reisepläne, denen unsere Freundin laut widerspricht:

»Genug, genug ... Wenn ich euch folgte, dann müßte ich die ganze Kette verkaufen.«

»Wenn du schon einmal dabei bist, Regine ...«

Wir sind aufgeregt über diese Reise wie Kinder.

»Du mußt nach dem Golf Juan«, erklärt Maguy gebieterisch.

»Ah, die roten Felsen von Agay an der Küste des blauen Meeres!«

Gilberte, die sich durch Geldfragen nicht hemmen läßt, entwirft mit lyrischem Schwung Bilder der Pfefferbäume von Garavan und des Cap Martin mit seinem Veilchenteppich.

»In diesen Tagen, meine Liebe, schneit es in Mentone Mandelblüten!«

»Ihr tötet mich«, stöhnt Regine. »Bei den heutigen Preisen kann ich nicht weiter als bis Toulon fahren.«

»Sagen wir Saint-Raphael.«

»Die Mitte zwischen beiden«, schließt Laure. Dann fragt sie:

»Willst du dich unterhalten oder willst du ausruhen, Liebe?«

Regine verzieht unentschlossen den Mund:

»Weiß nicht ... Kann mich alleine nicht sehr zerstreuen; andrerseits besteht die Gefahr, daß ich in einem Winkel, und sei er noch so entzückend, in Trübsinn verfalle.«

Reine mengt sich ein: »Es bleibt dir immer der Ausweg zurückzukommen.«

Gilberte, das Arbeitsroß, schlägt heldenmütig vor:

»Nimm doch die Übersetzung aus dem Russischen mit, die du zu überarbeiten hast. Du kannst sie dort unten fertigmachen.«

Über die Karte des Fahrplans gebeugt, fangen wir wieder an:

»Also, wozu hast du dich entschlossen?«

Eine von uns meint: »Saint-Tropez ist ein entzückender Ort.«

»Man kommt nur im Auto hin oder zurück.«

»Keine überflüssigen Spesen!« sagt eine Stimme.

»Sainte-Maxime, gegenüber, auf der andern Seite des Golfs ...«

»Sainte-Maxime, zum ersten-, zweiten-, drittenmal!« sagte Regine. »Auf diese Weise werde ich Madame Clere besuchen können, die den Winter in Saint-Raphael verbringt.«

Die Karte ist genommen, der Platz bestellt: zweiter Klasse, trotz Maguy, die eine verschwenderische Vorliebe für Schlafwagen hat. Ach ja, wer von uns hätte die nicht ?

Regine wird also in acht Tagen reisen.

Sie hat eines Nachmittags, als Laure gerade keine Berichterstattung hatte, diese durch die großen Geschäfte geschleift, unter dem Vorwand, sie zerstreuen zu wollen.

»Ich brauche ein helles Kleid. Ich habe zwar ein weißes, aber das ist vom vorigen Jahr. Wie wäre es mit einem kleinen Kostüm in Seidentrikot?«

Und gerade trägt eines der Auslagenfenster des Louvre in großen Buchstaben die verlockende Aufschrift:

Für die Riviera.

Vor einem Meer mit grausam blauen Pappendeckelwogen tragen Wachsdamen mit abgerundeten Gebärden mildfarbige Kostüme zur Schau. Die Silhouette eines Palmenbaumes, aus Zinkblech geschnitten, in einem Winkel; im andern die Goldäpfel der Hesperiden an einem Orangestrauch, der schauerlich den Eindruck von Unterernährung erweckt. Die bevorzugten Farben des Jahres, das zarte Blau mit einer leisen Andeutung von Mauve – das sogenannte Lavendelblau – und das ›Bois de rose‹.

»Mein Gott,« sagte Regine, deren Bewunderung unvermittelt in Niedergeschlagenheit übergeht, »sieh doch, Laure! Sechshundert Franken der Rock mit der Matrosenbluse! Einfach unmöglich!«

»Gehen wir in die Abteilung? Wir werden schon was finden.«

»Der reine Schund«, sagte Regine übellaunig, während sie die Wollwaren abtastet. »Was willst du, das wirkt armselig! Lieber gar nichts als das greuliche Zeug.«

»Suchen wir weiter ...« Und Laure zieht noch einige häßliche Fähnchen aus dem Stoß.

»Fräulein,« fragt Regine, »haben Sie gar kein Mittelding zwischen dem hier und den Seidentrikots in der Auslage?«

»Nein, meine Dame. Die große Auswahl kommt erst im Juni, zur Reisezeit.«

»Dies hier sagt dir nichts, Regine?«

»Meine Liebe,« gibt die junge Frau mit Würde zurück, »möchtest du mich denn wie eine Gemüsefrau angezogen sehen?«

Als sie wieder bei dem der Riviera geweihten Auslagefenster vorbeikommen, bleibt Regine nochmals stehen. »Laure, dieses Rosenholzfarbene müßte mir entzückend stehen.«

»Es wäre Irrsinn, Liebste.«

»Ich bin ganz deiner Meinung.«

Und sie geht in das Geschäft zurück, um das Kostüm für sechshundert Franken zu bestellen.

Sobald der Kauf abgeschlossen ist, bemerkt sie:

»Ich überlege gerade, daß keiner meiner Hüte zu dem entzückenden Kleid passen wird.«

»Also, Regine?«

»Also, Liebste,« schließt Regine freudig, »sehe ich mich in der süßen und peinlichen Zwangslage, einen Deckel zu meinem Seidentrikot auszusuchen. Was meinst du zu einem kleinen weichen Filz, in der gleichen Farbe ?«

»Regine, Liebste, das alles ist sehr unüberlegt.«

»Wer nie etwas Unüberlegtes tut, muß das Leben recht langweilig finden«, stellt Regine nicht ohne Erhabenheit fest.


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