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i) Zum Willen zur Macht.

1. Aus dem Herbst 1885.

 

101.

Der Wille zur Macht.

Versuch einer neuen Auslegung alles Geschehens.

(Vorrede über die drohende »Sinnlosigkeit«. Problem des Pessimismus.)

Logik – Physik – Moral – Kunst – Politik.

Für wen diese Auslegung wichtig ist. Neue »Philosophen«. Es mag hier und dort einen Solchen geben, der in ähnlicher Weise seine Unabhängigkeit liebt, – aber wir drängen uns nicht zu einander, wir »sehnen« uns nicht nach einander.

 

102.

Unter dem nicht ungefährlichen Titel »Der Wille zur Macht« soll hiermit eine neue Philosophie, oder, deutlicher geredet, der Versuch einer neuen Auslegung alles Geschehens zu Worte kommen: billigerweise nur vorläufig und versucherisch, nur vorbereitend und vorfragend, nur »vorspielend« zu einem Ernste, zu dem es eingeweihter und auserlesener Ohren bedarf, wie es sich übrigens bei Allem, was ein Philosoph öffentlich sagt, von selber versteht, – mindestens verstehen sollte. (Aber heute, dank dem oberflächlichen und anmaßlichen Geiste eines Zeitalters, welches an die »Gleichheit aller Rechte« glaubt, ist es dahin gekommen, daß man durchaus nicht mehr an geistige Sonderrechte und an die Unmittheilbarkeit der letzten Einsichten glaubt.) Denn jeder Philosoph soll insoweit die Tugend des Erziehers haben, daß er, bevor er zu überzeugen unternimmt, erst verstehen muß zu überreden. Ja der Verführer hat vor allem Beweisen zu untergraben und zu erschüttern, vor allem Befehlen und Vorangehn erst zu versuchen, inwieweit er versteht, auch zu verführen.

2. Aus dem Frühjahr 1887.

 

103.

Zur Vorrede. Auf Fort Gonzaga, außerhalb von Messina. Zustand tiefster Besinnung. Alles gethan, um mich fern zu stellen: weder durch Liebe, noch durch Haß mehr gebunden. Wie an einer alten Festung. Spuren von Kriegen: auch von Erdbeben. Vergessen.

3. Aus dem Herbst 1888.

 

104.

Dies Buch wendet sich an Wenige, – an die freigewordenen Menschen, denen nichts mehr verboten ist: wir haben Schritt für Schritt das Recht auf alles Verbotene zurückgewonnen.

Den Beweis der erreichten Macht und Selbstgewißheit damit geben, daß man sich »zu fürchten verlernt hat«; das Vertrauen zu seinen Instinkten eintauschen dürfen gegen das Mißtrauen und den Verdacht; daß man sich liebt und ehrt in seinem Sinn, – in seinem Unsinn noch; ein wenig Hanswurst, ein wenig Gott; kein Düsterling, leine Eule: keine Blindschleiche ...

 

105.

»Der Wille zur Macht.«

Ein Buch zum Denken, nichts weiter: es gehört Denen, welchen Denken Vergnügen macht, nichts weiter ...

Daß es deutsch geschrieben ist, ist zum Mindesten unzeitgemäß: ich wünschte es französisch geschrieben zu haben, damit es nicht als Bestärkung irgend welcher reichsdeutschen Aspirationen erscheint.

Die Deutschen von heute sind keine Denker mehr: ihnen macht etwas Anderes Vergnügen und Eindruck.

Der Wille zur Macht als Prinzip wäre ihnen schon verständlich.

Unter Deutschen wird heute gerade am wenigsten gedacht. Aber wer weiß! Schon in zwei Geschlechtern wird man das Opfer der nationalen Machtvergeudung, die Verdummung, nicht mehr nöthig haben.

(Ehedem wünschte ich meinen Zarathustra nicht deutsch geschrieben zu haben.)


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