Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Einundsiebenzigste Erzählung

Eine Frau gewahrt, da sie in ihren letzten Zügen liegt, wie ihr Mann sich an der Magd verlustiert, und wird darob wieder gesund.

»Zu Amboise lebte ein Sattler der Königin von Navarra, der hieß Borrihaudier. Sein Wesen ließ sich schon aus seiner Gesichtsfarbe schließen, maßen er mehr einem Diener des Bacchus denn einem Priester der Diana glich. Er war mit einer wohlhabenden Frau verheiratet, die gar einsichtsvoll haushaltete und ihre Kinder vernünftig erzog. Und damit war er auch wohl zufrieden.

Eines Tages sagte man ihm, sein Weib sei lebensgefährlich krank. Darob war er tief besorgt und eilte so schnell er konnte nach Hause, um ihr beizustehen. Aber als er hinkam, war sie schon so darnieder, daß sie mehr eines Beichtigers denn eines Arztes bedurfte. Sein Schmerz darüber war unbeschreiblich. Um ihn wiederzugeben, müßte man seine teigige Stimme besitzen oder besser noch sein Gesicht und sein Gehabe nachahmen können.

Nachdem er nun alles für sie getan hatte, was nötig war, bat die Frau um das Kruzifix. Das wurde herbeigebracht. Aber bei diesem Anblick warf sich der Biedere ganz verzweifelt auf eine Lagerstatt und rief mit seiner fettigen Stimme: ›Wehe! Mein Gott! Ich verliere mein armes Weib! Was werde ich Unseliger nun anfangen?!‹ und ähnlicher Klagen noch mehr. Als schließlich alle davongegangen waren bis auf eine junge Magd, die recht gut bei Fleische war, rief er diese leise herbei und sagte:

›Meine Liebe, ich sterbe, mir geht es schlimmer als wäre ich schon tot, da ich deine Herrin also verscheiden sehe. Ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll. Darum empfehle ich mich in deine Hände: nimm dich bitte meines Hauses und meiner Kinder an. Hier sind die Schlüssel, halte den Haushalt wohl in Ordnung, denn ich werde nichts mehr dafür tun können.‹

Das arme Mägdelein tröstete ihn voll Mitleids und bat ihn, nicht zu verzweifeln und ihr nicht noch den Herrn zu rauben, da sie schon ihre Herrin verlöre. Aber er erwiderte: ›Das geht nicht, meine Liebe, denn ich sterbe schon; sieh, wie mein Gesicht bereits kalt ist – leg' deine Backen an die meinen.‹

Bei diesen Worte faßte er sie an die Brust. Sie wollte sich sträuben, aber er meinte, sie brauche keine Angst zu haben; es sei nötig, daß sie sich näher kennen lernten. Und damit umfaßte er sie und warf sie auf ein Bett. Die Frau aber, die seit zwei Tagen kein Wort mehr gesprochen hatte und nur noch das Kruzifix und Weihwasser neben sich hatte, begann mit ihrer schwachen Stimme aus Leibeskräften zu schreien:

›Halt, halt, halt – ich bin noch nicht tot!‹ Und sie bedrohte die beiden mit der Faust und rief: ›Ihr Bösewichte, ich bin noch nicht tot.‹

Alsbald erhoben sich die zwei, da sie ihre Stimme hörten. Aber die Frau war so wütend, daß darob der Schleim sich löste, der ihre Stimme belegt hatte, so daß sie nun alle Schimpfworte ausstieß, die sie nur finden konnte. Und von Stund' an begann sie zu gesunden, und oft nachdem warf sie noch ihrem Mann seine Lieblosigkeit vor.

Daran könnt ihr die Heuchelei der Männer erkennen, meine Damen. Für so wenig Trost vergessen sie all ihr Leid über ihre Frauen.«

»Was wißt Ihr denn davon?« fragte Hircan. »Vielleicht hatte jener gehört, daß dieses just das beste Heilmittel für sein Weib war. Da er es mit guter Behandlung nicht retten konnte, versuchte er es eben mit dem Gegenteil, und damit hatte er auch einen sehr schönen Erfolg. Nur wundere ich mich, daß Ihr, die Ihr doch selbst eine Frau seid, so deutlich preisgebt, daß Euer Geschlecht nicht mit Milde, sondern nur durch Zorn zu bessern ist.«

»Weiß Gott, vor Wut käme ich nicht nur aus dem Bette, sondern gar aus dem Grabe heraus!« rief Longarine. – »Und was für ein Unrecht beging jener,« fragte Saffredant, »als er sich tröstete, da er sein Weib doch für tot hielt? Man weiß doch, daß das Eheband den Tod nicht überdauert und mit des Lebens Ende sich löst.« – »Ja, das Gelübde ist freilich gelöst,« meinte Oisille, »aber die Liebe sollte aus einem edlen Herzen nicht weichen. Das freilich heißt überschnell alle Trauer vergessen, wenn man noch nicht einmal abwarten kann, daß die Frau ihren letzten Atemzug tut.«

»Mir scheint am merkwürdigsten, daß er beim Anblick des Todes und des Kruzifixes nicht die Lust verlor, Gott zu kränken,« erklärte Nomerfide. – »Ein netter Grund,« lachte Simontault. »Ihr findet also keine Torheit merkwürdig, wenn sie nur fern der Kirche und des Gottesackers stattfindet?« – »Verspottet mich, so viel Ihr wollt,« rief jene. »Der Gedanke an den Tod kühlt selbst das jugendheißeste Herz.« – »Ich wäre Eurer Ansicht, wenn ich nicht von einer Fürstin just das Gegenteil gehört hätte,« meinte Dagoucin. – »So hat diese Euch sicherlich eine Geschichte erzählt,« sagte Parlamente, »und darum trete ich Euch meinen Platz ab.« Alsbald hub Dagoucin folgendermaßen an:


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