Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Siebenundzwanzigste Erzählung

Wie ein dummer Schreiber ob der Frechheit, mit der er lüstern dem Weibe seines Gefährten nachstellte, jämmerlich beschämt wird.

»Zu Amboise wohnte der Kammerdiener einer Fürstin, ein ehrenwerter Mann, der gern Bekannte zu Gaste sah, und zumal seine Gefährten. So bekam er auch einmal den Besuch eines der Schreiber seiner Herrin, eines häßlichen Kerls mit einem Kannibalengesicht, der zehn oder zwölf Tage bei ihm wohnen blieb. Obgleich der nun gleich einem Bruder und Freund behandelt wurde, vergaß er aller Ehrbarkeit, maßen er wohl solche nie besessen hatte; er stellte nämlich dem Weibe seines Wirtes, das keineswegs etwa liebestoll und begehrlich war, in schamloser und ungeziemlicher Weise nach. Als nun jene seiner Lüsternheit inne ward, entschloß sie sich, durch Verstellung seine Niedertracht zu entschleiern, statt sie durch nachdrückliche Ablehnung wohl verhüllt zu belassen. So tat sie, als wäre sie seinem Vorhaben geneigt. Und er kümmerte sich weder um ihr Alter (sie war an die Fünfzig), noch um ihren Mangel an Reizen, noch gar um den Ruf ihrer Wohlanständigkeit und Liebe zu ihrem Mann, und da er sie jetzt gewonnen glaubte, ließ er schon gar nicht mehr locker.

Eines Tages nun war ihr Mann im Hause beschäftigt und sie mit dem Schreiber allein in einer Stube. Da erklärte sie ihm mit gutgespieltem Bedauern, leider wüßte sie keinen sicheren Ort, um ungestört, so wie er es wolle, mit ihm zu kosen; und flugs riet er ihr, in das Dachgeschoß zu gehen. Alsbald erhob sie sich, doch hieß sie ihn voranzugehen. Er grinste zuckersüß, gleichwie ein brünstiger Affe, und klomm eifrig die Stiege hinauf. Als er aber oben ihrer harrte und die Glut seines Begehrens – nicht etwa hell flammte wie Wachholderzweige, sondern trübe schwelte gleich einer schmutzigen Kohle, da vernahm er statt ihres Schrittes die Worte: ›Wartet ein weniges, Herr Schreiber, ich will erst meinen Mann fragen, ob es ihm recht ist, wenn ich mit Euch kose.‹

Stellt euch bitte sein Gesicht vor, als er heulend herbeilief – maßen er doch lachend schon so häßlich war – und sie bei Gott beschwor, doch ja nichts zu sagen und gar die Freundschaft zu seinem Gefährten zu zerstören. Sie aber entgegnete: ›Sicherlich liebt Ihr ihn so herzlich, daß Ihr nur Dinge wünscht, die auch ihm Freude machen. Deshalb will ich es ihm erzählen.‹ Und das tat sie trotz allen Jammerns und Bittens. Da floh er also beschämt von dannen, wie der Ehemann ob der List seines Weibes erfreut war. Ja, die Tugend seiner Frau beglückte ihn so, daß er der Lasterhaftigkeit seines Gefährten gar nicht weiter gedachte und ihn für genügend bestraft hielt mit der Schande, die nun über ihn selbst gekommen war.

So mag man sich als anständiger Mensch wohl hüten, Gäste bei sich aufzunehmen, deren Gewissen und Begriffsvermögen von Gott, Ehre und wahrer Liebe nichts wissen.«

»War Eure Erzählung auch kurz,« meinte Oisille, »so pries sie doch in selten anmutiger Weise die Ehrbarkeit der Frau« – »Bei Gott« rief Simontault, »dazu gehört wahrlich keine große Ehrbarkeit, einen so häßlichen Kerl abzulehnen. Wäre jener Schreiber jung und schön gewesen, dann hätte sie viel mehr ihre Sittsamkeit erweisen können. Da könnte ich Euch aber, wenn ich an der Reihe wäre, eine nicht minder vergnügliche Geschichte erzählen.« – »Wenn's weiter nichts ist,« entgegnete Emarsuitte, »so gebe ich Euch gern das Wort.« Und jener hub alsbald folgendermaßen an:

»Wer am Hofe oder in großen Städten lebt, hält sich meist für besonders klug. Doch gibt es allenthalben Menschen, die gar schlau und listig sind. Und wenn nun jene, die sich stolz für die klügeren halten, den kürzeren ziehen, ist der Spott um so größer, wie ich euch durch jene kürzlich vorgefallene Geschichte erweisen will.«


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