Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Fünfundsechzigste Erzählung

Wie eine einfältige Alte ihre brennende Kerze auf die Stirn eines Soldaten heftet, der auf einem Grabmal der Sankt-Johannes-Kirche schlief, und was daraus entstand.

»In jener Kirche gab es eine sehr dunkle Kapelle, und darin ein gar lebenswahres steinernes Grabmal zum Gedächtnis an hochgestellte Persönlichkeiten. Um das Grabmal hatte man ruhende Gestalten gewaffneter Männer hingelagert dargestellt. Als nun eines Tages ein Soldat in jener Kirche umherging, ward er ob der brennenden Tagesglut schläfrig. Und da er jene dunkle, kühle Kapelle gewahrte, beschloß er, auf dem Grabmal gleich den andern Kriegern zu schlafen, und legte sich zwischen ihnen nieder.

Da traf es sich, daß just eine gute, fromme Alte ankam, als er im tiefsten Schlaf lag. Nachdem diese ihre Gebete gesagt hatte, wollte sie die brennende Kerze, so sie hielt, am Grabmal befestigen, und da ihr jener Soldat am nächsten lag, wandte sie sich zu ihm und preßte das Wachs an seine Stirn. Dort wollte es aber nicht haften, und da die Gute vermeinte, das läge an der Kälte des Steines, erhitzte sie die Stirne mit der Flamme.

Dies vermeintliche Bildnis war jedoch nicht unempfindlich und hub an zu schreien. Darob ward die Alte von jähem Schrecken ergriffen und brüllte: ›Ein Wunder! Ein Wunder!‹ Also daß die Leute in der Kirche in Aufregung gerieten. Die einen liefen zur Glocke und begannen sie zu läuten, die andern kamen, um das Wunder zu bestaunen. Alsbald führte sie die Alte zu dem Bildnis, das sich belebt hatte. Aber etliche begannen zu lachen, und nur mehrere Priester waren unzufrieden. Denn sie hatten vermeint, dies Grabmal würde nun gar wertvoll werden und manchen schönen Batzen einbringen.

So sehet, meine Damen, welchen Heiligen ihr eure Kerzen weiht.«

»Das ist just etwas Rechtes« spottete Hircan, »die Frauen müssen eben alles schlecht machen, was es auch sei. Bedenkt einmal, was die arme Alte Gott für ein schönes Geschenk mit ihrer kleinen Kerze zu machen vermeinte.« – »Gott sieht nicht auf den Wert der Gabe,« entgegnete Oisille, »sondern auf das Herz, das jene darbringt.« – »Ich kann mir aber nicht denken, daß Gott sich an solcher Dummheit ergötzen kann,« meinte Saffredant. Oisille antwortete: »Die, so am wenigsten davon zu reden wissen, haben oft das meiste Gefühl für die Liebe und den Willen Gottes. Darum soll man nur sich selbst richten.« – »Das ist noch nicht so schlimm,« lachte Emarsuitte, »wenn man einen schlafenden Landsknecht erschreckt. Manch einfache Frau hat hohe Fürsten in gewaltige Furcht gejagt, ohne sie gerade an der Stirn in Brand zu setzen.« – »Sicherlich wißt Ihr hierüber eine Geschichte,« sagte Dagoucín. »So nehmt meinen Platz ein und erzählt sie bitte.«

»Die Geschichte ist nicht lang,« hub jene an. »Doch wenn ich den Fall berichte, wie er sich zutrug, so werdet ihr sicher darob keine Tränen vergießen.«


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