Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Zweiundfünfzigste Erzählung

Welch edles Frühstück ein Apothekerlehrling einem Advokaten und einem Edelmann einbrockte.

»Zu Alençon lebte in der Zeit des letzten Herzogs Karl (des ersten Gemahls der Königin von Navarra) ein Advokat Anton Bacheré, ein lustiger Kumpan und Freund reichlicher Frühstücke. Als der eines Tages vor der Tür saß, sah er einen Edelmann, einen Herrn de la Tirelière, vorbeikommen, der ob der Kälte zu Fuß heimging und in einen dicken Fuchspelz eingehüllt war. Als dieser des Advokaten ansichtig wurde, bedachte er, daß jener dieselben Freuden liebte wie er selbst, und eröffnete ihm, er habe seine Geschäfte erledigt und sehne sich nach einem ordentlichen Frühstück.

Der Advokat meinte, ein Frühstück sei leicht zu finden, doch müsse man nun jemanden ausfindig machen, der die Kosten trüge. Darum nahm er den andern beim Arm und sprach: ›Auf, Gevatter, suchen wir uns einen Dummen!‹

Just ging hinter ihnen ein Apothekerlehrling, der mit dem Advokaten stets im Hader lag. Maßen er aber findig und schlau war, so bedachte er sich nun flugs zu rächen. Er sah auf der Straße ein großes Stück gefrorenen Kot liegen, wickelte es in sauberes Papier, so daß es einem Stück Zuckerbrot glich, überholte dann schnell die beiden und ließ sein Paket gleichsam versehentlich aus dem Ärmel fallen. Freudestrahlend hob es der Advokat auf und sagte zu dem Herrn de la Tirelière: ›Dieser kluge Bursch wird heute die Zeche bezahlen. Nun laßt uns schnell machen, auf daß er uns nicht auf die Sprünge kommt.‹

Flugs trat er in eine Schenke und hieß die Wirtin: ›Steckt ein gehöriges Feuer an und bringt Brot, Wein und ein gut Stück Fleisch – wir können zahlen.‹ Die Wirtin führte seine Bestellungen pünktlich aus. Derweile sich aber jene am Essen und Trinken ergetzten, begann das Zuckerbrot, das der Advokat in den Brustlatz gesteckt hatte, zu tauen, also daß sich bald ein Gestank erhob, der beiden unerklärlich war. Alsbald schrie er die Wirtin an: ›Bei Euch herrscht ein Gestank, wie ich noch nirgends erlebt habe. Ich glaube, Ihr laßt Eure Kinder ihre Notdurft verrichten, wo sie sich just befinden!‹ Auch der Herr de la Tirelière, der von diesem Duft eine reichliche Menge abbekam, schimpfte, daß die Wände wackelten.

Die Wirtin aber geriet in Wut, da man sie solcher Unreinlichkeit bezichtigte, und rief außer sich: ›Beim heiligen Peter. Mein Haus ist anständig und sauber, und den Gestank habt also Ihr mitgebracht!‹

Spuckend erhoben sich nun die beiden vom Tisch und setzten sich vor's Feuer, um sich zu wärmen. Dabei zog der Advokat sein Schneuztuch aus dem Brustlatz, das von dem Sirup des Zuckerbrotes ganz durchtränkt war. Das brachte er darob zutage, und nun könnt ihr euch den Spott der Wirtin denken und die Scham des Advokaten vorstellen, der sich von einem simplen Apothekergehilfen übertölpelt sah, obgleich er selbst doch Zeit seines Lebens zu betrügen gewohnt war.

Die Wirtin aber hatte kein Mitleid mit ihnen. Sie ließ sich alles bezahlen und meinte noch, sie müßten sich schier doppelt ergetzt haben, da doch Mund und Nase so wohl versorgt worden seien. Tief beschämt und mit leichtem Beutel zogen beide von dannen. Alsbald aber kam der Apothekergehilfe angelaufen und fragte sie, ob sie kein Zuckerbrot, wohl in Papier eingewickelt, gesehen hätten. Zwar suchten sie an ihm vorbeizukommen, aber jener rief dem Advokaten zu: ›Ihr habt mein Zuckerbrot, gebt es mir bitte wieder. Solchen Diebstahl braucht sich ein armer Teufel wie ich nicht gefallen zu lassen.‹

Auf sein Geschrei sammelte sich bald ein Haufen Menschen um sie, die dem Streit zuhörten und so alles erfuhren; also daß der Apothekergehilfe sich ebenso ob seines Verlustes freuen konnte, wie die andern zwei ob ihres Diebstahles beschämt wurden. Doch beruhigten sie sich mit der Hoffnung, ihm das ein andermal heimzuzahlen.

Zwar war diese Geschichte nicht übermäßig reinlich; doch wolltet Ihr die Wahrheit hören und so zeigte ich euch, daß niemand betrübt ist, wenn ein Betrüger hereinfällt. Hätte der Edelmann nicht auf anderer Leute Kosten essen wollen, so hätte er auch diesen Gestank nicht zu erleben brauchen.«

»Man sagt oft, daß Worte nicht stinken,« meinte Hircan. »Mir scheint aber, derjenige, der sie ausgesprochen hat, bekommt leicht die Nase davon voll. Immerhin wüßte ich gern, welche Worte so gemein sind, daß sie Herz und Seele einer sittsamen Frau anwidern.« – »Das sind die sogenannten unanständigen,« rief Saffredant. »Doch sollten mir nun die Damen sagen, weshalb sie trotzdem darüber lachen, wenn man sie vor ihnen ausspricht. Was einem widerstrebt, darüber lacht man doch nicht!« – »Wir lachen auch nur darüber,« erklärte Parlamente, »wenn jemandem wider Willen ein Wort entwischt, das er nicht sagen wollte, wie es selbst den klügsten und besten Rednern begegnen kann. Häßliche Zoten aber verabscheut die Frau und flieht vor einer Gesellschaft, die sich darin ergeht.« – »Wirklich,« bestätigte Guebron, »ich sah Frauen, die sich bei solchen Worten bekreuzigten. Aber nachher ließen sie es sich gern wiederholen. Wollt Ihr solche Heuchelei loben?« – »Die Tugend ist besser als Heuchelei,« lächelte Longarine. »Wo sie aber fehlt, da bedarf man der Heuchelei, gleichwie wir Absätze tragen, um unsere Gestalt größer erscheinen zu lassen.« – Hircan sagte: »Es kann nur entehren, wenn man sich mit falschen Federn schmückt.« – »Ganz recht,« rief Emarsuitte. »Und gleichermaßen gibt es manche Frau, die einen kleinen Fehler verbergen wollte und darob einen größeren beging.« – »Ich glaube, ich weiß, wen Ihr meint,« unterbrach sie Hircan, »aber bitte, nennt wenigstens nicht ihren Namen.« – »So gebe ich Euch das Wort,« sprach Guebron, »und hernach sagt Ihr uns die Namen – wir aber schwören Euch, sie nie auszuplaudern.«

»Gut, das verspreche ich,« erklärte Emarsuitte, »denn es gibt nichts in dieser Geschichte, das sich nicht in allem Anstand sagen ließe.«


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