Margarete von Navarra
Das Heptameron
Margarete von Navarra

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Siebenundfünfzigste Erzählung

Lächerliche Geschichte von einem englischen Lord, der mit einem Damenhandschuh auf dem Wams prunkte.

»König Ludwig der Elfte entsandte einst den Herrn von Montmorenci als Geschäftsträger nach Engelland. Der ward dort herrlich empfangen und gefeiert, und ob ihrer Zuneigung zu ihm beratschlagten der König und andere Fürsten daselbst mit jenem ihre Angelegenheiten. Einst nun saß er bei einem Gelage, das der König ihm zu Ehren veranstaltete, neben einem Lord edelster Abkunft, der auf seinem Wams einen kleinen Handschuh, gleich dem von einer Frau, mit goldenen Hefteln befestigt hatte. Die Fingernähte waren mit vielen Diamanten, Rubinen, Smaragden und Perlen geziert, und daher hatte das Stück einen großen Geldwert.

Der Herr Montmorenci beschaute ihn so oft, dass der Lord ihm seine Frage vom Gesicht ablas. Und da er seine Geschichte sehr zu erzählen liebte, um sich damit selbst gehörig herauszustreichen, hub er also an:

›Ihr verwundert Euch sichtlich über den Schmuck, den ich diesem Handschuh angedeihen ließ. So will ich Euch gern den Grund sagen, denn Ihr scheint mir wohlanständig zu sein und werdet die Leidenschaft der Liebe genugsam kennen, um mich – wo nicht zu loben – so doch ob meiner Gefühle zu entschuldigen.

So wisset: ich habe mein Lebelang eine Dame geliebt, liebe sie noch heute und werde sie noch nach meinem Tode lieben. Maßen aber mein Herz kühner war als mein Mund, so schwieg ich sieben Jahre lang und ließ mir nichts anmerken aus Angst, ich würde alle Möglichkeit verlieren, sie weiter so oft zu sehen und besuchen wie bisher, sobald sie etwas wahrnähme. Als ich nun eines Tages auf einer Wiese bei ihr stand und sie anschaute, da begann mein Herz so gewaltig zu pochen, daß ich erbleichte und alle Fassung verlor. Des ward sie inne und fragte mich, was mir fehle. Ich erwiderte, mich quäle ein unerträglicher Schmerz im Herzen. Und da sie wohl vermeinte, ich rede von einer anderen Krankheit denn von Liebe, so zeigte sie Mitleid mit mir. Deshalb bat ich sie, ihre Hand auf mein Herz zu legen und zu fühlen, wie es poche. Also tat sie: doch als sie ihre behandschuhte Rechte darauf legte, zuckte und sprang das Herz so sehr, daß sie es auch fühlte, und da ich das wahrnahm, preßte ich ihre Hand an mich und rief: ›Ach, edle Frau, empfanget das Herz, das meinen Leib sprengen möchte, um in Eure Hand zu springen! Von Euch erhoffe ich Gnade, Leben und Erbarmen. Die Qual zwingt mich, Euch jetzt meine langverhehlte Liebe zu gestehen. Denn sie ist übermachtig geworden.‹

Als sie meine Worte vernahm, ward sie betreten und wollte ihre Hand zurückziehen. Die aber hielt ich fest, also daß der Handschuh sich löste und an der Stelle verblieb, wo ihre grausame Hand geruht hatte. Und da ich fürder nie wieder eine größere Vertraulichkeit von ihr genoß, so habe ich den Handschuh auf meinem Herzen befestigt als das herrlichste Pflaster, das ich finden konnte, und zudem schmückte ich ihn mit den schönsten Ringen, die ich besaß, obgleich den größten Wert der Handschuh selbst besitzt, den ich nicht für ganz Engelland dahingäbe.‹

Der Herr von Montmorenci hätte die Hand dem Handschuh vorgezogen. Doch lobte er solch ehrenhafte Gesinnung in gesetzten Worten und erklärte, der Lord sei der uneigennützigste Liebhaber, den er je gesehen habe; und da er schon über so Weniges entzückt sei, wäre er ob seiner gewaltigen Liebe am Ende gar vor Glück gestorben, wenn er mehr erlangt hätte. Und der Lord gab ihm recht, ohne zu merken, daß jener sich über ihn lustig machte.

Wären alle Männer so tugendsam, dann könnten sich ihnen wohl alle Frauen anvertrauen, maßen es sie nur einen Handschuh kostet.«

»Herrn von Montmorenci kannt' ich wohl,« sprach Guebron. »Er hätte nicht ewig in solcher Bangigkeit leben mögen und sonst sicherlich auch nicht so viel Erfolg in Liebesdingen gehabt. Denn ein altes Lied sagt:

›Auf einen furchtsamen Verliebten hört ihr kein Lob.‹«

»Bedenkt doch«, spottete Saffredant, »daß die arme Dame gar flugs ihre Hand zurückzog, als sie sein Herz so wild pochen fühlte. Sicher vermeinte sie, er würde sterben, und man sagt, Frauen hassen die Berührung von Toten.« – »Wenn Ihr die Spittel so oft besuchtet wie die Schenken,« rief Emarsuitte, »so würdet Ihr dergleichen nicht behaupten. Dort könntet Ihr sehen, wie Frauen auch solche Leichen besorgen und begraben, denen sich selbst kühne Männer zu nahen fürchten.« – »Das ist wahr,« höhnte Simontault, »denn wer so recht Buße tun will, der wählt das Gegenteil von dem, woran er sich früher ergetzt hat« – »Da sieht man wieder, wie alles Gute, das Frauen tun, von den Männern entstellt und falsch gedeutet wird!« rief Oisille. Aber Simontault entgegnete: »Jedenfalls glaube ich, daß mehr Männer von Frauen betrogen werden, als Frauen von Männern. Denn ob ihrer geringen Liebe glauben sie unseren wahren Worten nicht, wir aber glauben in unserer starken Liebe an ihre Lügen.« – »Mir scheint, Ihr habt einen Dummkopf klagen hören, den eine Törin enttäuschte,« meinte Parlamente. »Was Ihr da sagt, ist so wenig überzeugend, daß Ihr es schon mit Beispielen erhärten müßt. Wißt Ihr eines, so sollt Ihr von mir das Wort haben; denn sonst brauchen wir Euch keinen Glauben zu schenken. Und solltet Ihr Schlechtes über uns sagen, so werdet Ihr uns doch nicht wehe tun, denn wir wissen, was wir davon zu halten haben.«

»Gut, wenn ich an der Reihe bin, will ich eine solche Geschichte berichten,« sprach Simontault.


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