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2. Wie der Großvater ein Bräutigam ward.

Noch an demselben Abend, es war im Monat August, saß Fritz von Budmar mit Charlottchen und der gescheiten Frau von Lindeman in der Gartenlaube, und theilte den beiden Damen die Gesinnungen des Bruders mit.

Fritz hatte sich nicht getäuscht, Charlottchen war augenblicklich bereit ihre Ansprüche aufzugeben. Sie versicherte, sie habe das kommen sehen, sie erzählte von allerhand Ahnungen und seltsamen Zeichen, und tröstete selbst die Mutter, die ihre Klagen und Seufzer nicht ganz zurückhalten konnte. Auf diese Klagen war Fritz vorbereitet, er versicherte, die beiden Damen würden immer als zu ihrer Familie gehörig betrachtet werden, die Hochachtung des Bruders für Frau von Lindeman sei unbeschreiblich, und derselbe hoffe, die Zeit würde die Vorgänge der letzten Wochen verwischen, und er dürfe als guter Nachbar wieder in der Gartenlaube vorsprechen und in einem vernünftigen Gespräche mit den Damen sein Vergnügen finden. Es sollte sich von selbst verstehen, daß der Nachbar für den kleinen Haushalt der Damen zu sorgen habe, ja nach dem Tode der Mutter wollten beide Brüder für Charlottchen als für eine Schwester sorgen.

Charlottchen vergoß sanfte Thränen der Rührung bei diesen Worten, und Frau von Lindeman versicherte: Ja der Karl, er ist wunderlich und seltsam, aber er ist ein braver und edler Mann, wie Schade, daß er nicht glücklich sein will!

Die Menschen sind so verschieden, entgegnete Fritz.

Nur in dem einen sind sie gleich, sie suchen alle ihr Glück, sagte Frau von Lindeman wieder und: Lieber Herr von Budmar, fügte sie aufrichtig hinzu, ich wünsche von Herzen, daß Sie es finden mögen.

Fritz drückte ihr die Hand und entfernte sich. Charlottchen sah ihm mit feuchten Augen nach.

O du arme junge Seele, dachte sein teilnehmendes Herz, ich kann dir freilich nicht helfen, aber du hättest ein besseres Schicksal verdient, als einsam und sehnend durch das Leben zu ziehen; zwanzig Jahre erst zurückgelegt, fünfzig vielleicht hast du noch vor dir. Fünfzig schöne Frühlinge und Sommer mit goldenem Mondenschein und Nachtigallensang, fünfzig lange Winter, die lang in der Einsamkeit und schnell im traulichen Kreise vergehen. Vergehen, ja vergehen, und wenn das Leben vorüber, was folgt dann? – Von Charlottchen und von ihrem jungen Herzen kam er mit seinen Gedanken auf sein eigenes Leben. Vier und zwanzig Jahre liegen hinter dir, fünfzig Jahre auch vielleicht noch vor dir, was wird dir das lange Leben bringen? Wird es heißen: wenn es köstlich gewesen, ist es Mühe und Arbeit gewesen? Die Hoffnungen sind dann vielleicht verblühet, die Thatkraft verschwunden, der Reiz des Lebens abgestumpft, ja was folgt dann? Ueber diese Frage hinaus konnte der Frager nicht kommen. – Er war ein vortrefflicher junger Mann, ein edler Mann, doch ist das alles nicht genug, es kann eine Zeit lang wohl befriedigen, es kann Umgebungen beglücken, aber das Glück und den Hausfrieden im eigenen Herzen bringt es nicht. Die Welt ist schön, die Welt ist wunderschön, – ging er in seinen Betrachtungen weiter, – was willst du, Herz, nur mit dieser Sehnsucht, mit diesem Drängen und Streben und Unruhen? Ja du Herz bist eben thöricht, fragst nicht nach Gründen und Verstand, jetzt treibt es dich mit Ungestüm in eine Prüfungs- und Leidensschule hinein, in ein Feld von zarten Rücksichten, du stellst dir Freud und Leid gleich hold und süß vor, du zwingst selbst den Geist dir unterthänig zu sein und thöricht zu denken und zu träumen, ja der ganze Mann muß auf seiner Hut sein, damit er nicht durch solch ein Herz zum Thoren wird und Hoheit und Kraft und Würde aus den Augen verliert.

Während dieser Gedanken war der junge Mann an der Stadtmauer entlang nach dem entgegengesetzten Ende gelangt, wo ein prächtiger Eichenwald an das Städtchen grenzt. Unter den ersten hohen Eichen lag die Oberförsterei, ein altes befreundetes Haus der Budmarschen Familie. Der Oberförster Braumann war ein Kriegskamerad des verstorbenen Herrn von Budmar, er hatte eine Frau und eine achtzehnjährige Nichte, war ein rechtschaffener Mann, der gern Moral predigte, aber weder eine feine zarte Seele, noch ein guter Christ. Daß seine Frau beides war, wußte er nicht zu schätzen, er lobte sie aber: Sie ist eine vortreffliche Frau, pflegte er zu sagen, versteht Disziplin und weiß wer der Herr im Hause ist. An das Lob seiner Frau knüpfte er gern die Klagen über seine Nichte. Es ist ein Blitzmädchen, sagte er, sie hält nie an der Stange, ist voller Kapriolen, und muß einen jeden braven Mann kreuzunglücklich machen. Daß sie einen Mann kriegen wird, dies Blitz-Mariechen, daran zweifle ich gar nicht, setzte er seufzend hinzu, denn sie kann es einem anthun. – Wenn ihm über solche Strafrede die Pfeife ausgegangen war, und sein Pflegetöchterchen geschäftig den brennenden Fidibus holte, um das angestiftete Unheil wieder gut zu machen, dabei aber höchst respectwidrig zu lächeln wagte, dann wußte er nicht, ob er sich ärgern oder sich freuen sollte, und hätte die gute freundliche Tante nicht als Vermittlerin dazwischen gestanden, wäre es wohl ein Kampf ohne Ende gewesen; denn Marie, dem Onkel an Geist überlegen und äußerst selbständig, fand keinen Hebel in ihrer Seele, der sie zum Nachgeben und Fügen in ein tyrannisches und wunderliches Regiment bewegen sollte.

Als der junge Herr von Budmar sein Ziel erreichte, war es dämmrig geworden, der Abendstern tauchte golden am blauen Himmel auf, und es war überaus schön und friedlich in der Welt. Er trat durch die Gatterthür in die Oberförsterei, die Hunde schlugen nicht an bei seinem Kommen, sie kamen ihm wedelnd entgegen, begrüßten ihn und liefen dann nach dem Hause zurück. Vor der Hausthür stand die schlanke Marie mit der weißen Stirn und den großen hellen Augen, sie trug ein schlichtes weißes Kleid mit sehr kurzer Taille und langem Rocke, und auf den lichtbraunen Locken ein rothes Fanchon-Tüchelchen. Sie hatte den Kommenden jedenfalls bemerkt, aber sie that, als habe sie es nicht, und ging mit den Hunden spielend nach der andern Seite des Hauses hin.

Da stand nun der junge Mann mit thörichtem Herzklopfen. Er fand sich sehr getäuscht, denn bei seinen Betrachtungen vorhin waren ihm nebenher gar wunderbare Bilder durch die Seele gegangen. Er hatte sich vorgestellt, er sähe sich beim Eintreten in die Oberförsterei mit freudigen Blicken und holdem Lächeln empfangen, darauf fand er sich neben dem Oberförster, dem alten Freunde, er theilte ihm die Auflösung von des Bruders Verlobung mit, und ebenso des Bruders dringenden Wunsch, ihn selbst, den jüngeren Bruder, bald verheirathet zu sehen, auch von dem zu hoffenden doppelten Werth des Gutes ließ er einfließen, ein Wort hätte ja das andere geben können, und schließlich wäre eine vorläufige Anfrage um Mariechens Hand ganz natürlich gewesen. Wie seltsam geht es nicht zuweilen in der Welt her, es war ja möglich, er wurde heute noch ein glücklicher Bräutigam.

Nach solchen Bildern war dieser Empfang, obwohl er dessen Grund zu kennen glaubte, eine bittere Täuschung. Als er gestern auf der Oberförsterei war, hatte das übermüthige Mädchen mit vieler Kunst und mit vielem Vergnügen den alten Magister Loci dargestellt, wie er mit dem Onkel von der Jagd kommt, dann mit ihm eine wilde Ente verzehrt. Es war das sehr spaßhaft und unterhaltend anzusehen und anzuhören, aber dem liebenden Herzen unseres edlen jungen Mannes war nicht wohl dabei, er konnte diesen Spaß nicht schön finden, und ließ die Geliebte zwar in ganz leidlich angenehmen Worten, aber doch deutlich seine Meinung merken. Sie sah ihn mit ihren hellen Augen groß an, erröthete, schwieg, und schwieg so lange als er dort war. Sie hatte sich die Sache zu Herzen genommen, das war klar, aber in einer anderen Art als er hoffte. – Als sie jetzt so schnöde seinen Blicken entschwand, begann sein Herz zu demonstriren: Du hast ihr gestern Weh gethan, sie ist einmal ein fröhliches Gemüth und hat es nicht böse gemeint, sie war bei dem Schauspiel wirklich äußerst kindlich und gutherzig, und es muß bitter sein von jemand getadelt zu werden, den man lieb hat, und gar mit Unrecht getadelt zu werden. Nun eile ihr nach, so schnell du kannst, und bitte sie um Verzeihung. – Aber der Mann war auf seiner Hut. Halt ein du thörichtes Herz! sagte er zürnend; wo bliebe da meine Hoheit und Würde, nein, ich habe Recht und sie hat Unrecht, und wenn sie meine Liebe durch solchen Tadel nicht hindurch fühlen kann, dann klingen und stimmen unsere Herzen nicht zusammen, und Freud und Leid der Herzen wird nicht hold und süß sein.

Mit trauerndem Herzen aber festen Schritten trat er in das Haus und in die offene Stube. Die Frau Oberförsterin saß allein und feiernd in der dämmrigen Stube am Fenster.

Ich störe wohl? fragte Herr von Budmar.

Durchaus nicht, lieber Fritz, entgegnete die freundliche Frau, und nöthigte ihn, ihr gegenüber Platz zu nehmen.

Sie haben gelesen, fuhr er fort. Eine offene Bibel lag neben ihr.

Sie nickte nur, beide schwiegen. – Nach einer Pause begann sie: Auch Ihnen gehört dieser Reichthum. Sie legte bei diesen Worten ihre seine weiße Hand auf das große Bibelbuch.

Ja, auch mir, entgegnete er seufzend, und doch –

Sie sind noch kein Hilfsbedürftiger, fuhr sie lächelnd fort, Sie sind jung und stolz und kühn, und erwarten viel von sich und von der Welt.

Ja, jung und stolz, sagte er mit etwas wehmüthigem Ton, ein rechter König nach dem Schein, aber man darf nicht immer in sein Königreich hinein schauen, da ist es oft eine Armseligkeit und ein Schwanken und eine Mutlosigkeit, man weiß nicht, ob man darüber weinen oder lachen soll.

Es giebt nichts Schöneres, als wenn ein kluger und begabter und großer Mann in Demuth seine Knie beugt vor Einem, der noch größer und erhabener über ihm ist, sagte die Oberförsterin wieder.

Es wäre wohl gut, wenn unsere Hoffnung und unsere Sehnsucht ein besseres Ziel hätte, als diese arme Erde, entgegnete der junge Mann.

Bemühen Sie Sich nicht daran zu zweifeln, lieber Fritz, fuhr die Oberförsterin fort, kommen Sie mit Kindes Sinn und Kindes Recht, und bleiben Sie nicht außen stehen wie ein armer fremder Bettler.

Marie trat jetzt ein und unterbrach die Unterhaltung. Komm her, Mariechen, ich habe lieben Besuch, sagte die Tante.

So –? sagte Mariechen und kam langsam nähen

Wir haben uns schon gesehen, entgegnete Fritz sehr ruhig.

Die Tante war aufgestanden um Licht zu holen, Marie ging verlegen in das andere Fenster, an den ernsten Mienen des Freundes hatte sie gesehen, wie die Sachen standen. Sie hatte einmal versuchen wollen, ob sie nicht die Königin eines unterthänigen Dieners spielen könne, und da saß nun der König, und ihre Liebe und Verehrung zu ihm war mit seiner Größe gestiegen. Dieser Liebe zu Gefallen wollte sie jetzt gern demüthig sein und wußte es nur gar nicht anzufangen.

Fritz trat zu ihr und fragte: Wollten Sie mich vorhin nicht sehen?

Die Wahrheit zu umgehen kam ihr nicht in den Sinn; das Nein aber wollte nicht über ihre Lippen.

Morgen reise ich ab, und dann werde ich Sie in langer Zeit nicht mehr stören, sprach er weiter, und obwohl er es versuchte ruhig und kühl zu reden, so konnte er doch den eigenen Schmerz im Tone der Stimme nicht verhehlen.

Sie schwieg immer noch, aber sie mußte sich wohl zum Reden entschließen, er griff schon nach der Mütze, vielleicht noch eine Minute, und er hatte das Zimmer verlassen. Verzeihen Sie mir erst, begann sie stockend.

Ein Freudenstrahl ging durch sein Herz und leuchtete aus seinen Augen. Ich werde nie wieder spotten, fügte sie etwas muthiger hinzu.

Er reichte ihr die Hand und lächelte. Er hätte nun auch allerhand sagen können, vielleicht: daß er es besser lernen wolle mit ihr umzugehen; aber es war nichts nöthig, sie verstanden sich wohl und es war alles gut.

Des Onkels laute Stimme störte sie, er kehrte eben von einer Geschäftsreise zurück, und seine Frau, Licht bringend, trat mit ihm in das Zimmer. Nun ja, da ist der Fritz, sagte der Oberförster und begann mit dem jungen Freunde die Unterhaltung, wie er es seit Jahren gewohnt war, in ganz vertraulicher Weise. Er sollte sich zu ihm auf das Kanapee setzen, und während dem die Frauenzimmer das Abendessen besorgten, mit ihm eine Pfeife rauchen.

Nun Marie, die Pfeifen her! rief der Onkel im gewöhnlichen Commandoton. Das Mädchen reichte eine Pfeife dem Onkel, und eine dem Gast, darauf wollte sie der Tante in die Küche folgen.

Fidibus! rief der Onkel ärgerlich. Marie kehrte schnell zurück, in glücklicher Zerstreuung hatte sie den gewohnten Dienst vergessen, sie steckte den Fidibus am Lichte an und, blieb gebückt damit vor dem Onkel stehen, bis die Pfeife brannte. Der Onkel machte jetzt ein befehlendes Zeichen nach den Gaste hin, sie weigerte sich gar nicht dem Freunde zu dienen, aber er war eine zu zarte Seele, er konnte unmöglich einen solchen Commandodienst von ihr annehmen, er sprang auf, groß und hoch stand er vor ihr, nahm ihr mit einer Verbeugung das Papier aus der Hand und bediente sich selbst. – Der Onkel brummte und schüttelte den Kopf und Marie eilte aus dem Zimmer.

Jetzt saßen beide Männer allein neben einander, und Fritz bedachte mit Herzklopfen, daß die Sache wirklich so weit war, als er Angesichts des Abendsterns geträumt, und ein Wort das andere geben könne. Er erzählte genau des Bruders Herzenskämpfe und Entschlüsse und Wünsche. Der Oberförster zankte tüchtig über den Sonderling und war dagegen sehr einverstanden mit den Heiraths-Absichten des jüngeren Bruders. Ein Wort gab nun wirklich das andere, und die Anfrage um Mariechens Hand ward gemacht ohne große Schwierigkeit.

Der Onkel war sehr erstaunt, ja er wollte dem jungen Freunde vorreden, das Mädchen passe nicht für ihn, er sei zu nachgebend; aber der junge Freund war gescheit genug, er ließ den alten Herrn erst reden, machte dann seine Entgegnungen, und der Schluß der Unterredung war des Onkels Versicherung: das Mädchen gäbe er doch niemanden lieber als ihm. – Als der glückliche Bewerber, um die Sache so weit als möglich zu bringen, erwähnte, Mariechen müßte doch gefragt werden, – fuhr der alte Herr wieder ärgerlich auf: in seinem Hause solle die verderbliche Mode, daß ein Mädchen gefragt würde, nicht aufkommen; so jemand gefragt werde, so habe er auch das Recht zu antworten, Marie aber solle auf der Stelle wissen, was zu ihrem Glück beschlossen sei.

Tante und Nichte wurden gerufen, der alte Herr begann seine Rede, die aber nicht recht fließen wollte, ja als er das Mädchen vor sich sah, ward es ihm bedenklich, ob sie sich ihr Glück von ihm anbefehlen lassen würde. Er athmete tief auf und es fiel ihm ein Stein von der Brust, als der Fritz dem Mädchen freundlich die Hand gab, und sie ihn so bescheiden und glücklich ansah. Tante und Nichte wurden nach einigen gegenseitigen feierlichen Redensarten wieder entlassen und der arme Bräutigam mußte auf dem Kanapee sitzen bleiben, um eine Geschäftsfrage anzuhören, bei der die Frauenzimmer überflüssig waren. Endlich fiel dem alten Herrn die Pfeife aus der Hand, und er saß nach lieber Gewohnheit schlummernd neben dem ungeduldigen Gaste.

Dieser verließ jetzt schnell genug das Zimmer, der helle Mondenschein leuchtete ihm die Treppe hinauf über den großen Saal nach dem wohlbekannten Rückzugs-Stübchen der guten Tante. Die Thür war nur angelehnt, er hörte flüstern, noch einmal stand er nachdenklich vor der ersehnten Minute seines Glückes und vor den Pflichten und Würden seines neuen Amtes. Ja du willst rechtschaffen sein, dachte er bewegt, und willst sie sehr glücklich machen, willst sie auf Händen tragen und es nicht immer zu genau nehmen mit der Hoheit; es sind Frauen zarte Wesen, sie sind schwach, und unsere Kraft besteht darin, daß wir nicht auch schwach sind.

Er trat leise ein, Tante und Nichte knieten auf dem Tritt im Fenster und der Mondenschein lag lieblich auf den beiden Gestalten. Darf ich kommen? fragte er leise.

Er kniete neben sie, und die mütterliche Frau legte die Hände der jungen Leute in einander und sagte: Ja, so sollt Ihr Euren Brautstand anfangen, mit gefalteten Händen und den Blick da hinauf, der Herr führe Euch, Er sei Euer bestes Theil; wenn Euch das wunderbar klingt, glaubt es nur erst, Ihr werdet es dann erfahren.

O nein, es klang ihnen nicht wunderbar, Marie hatte trotz ihrer fröhlichen Natur und ihres scheinbar leichten Sinnes eine warme Liebe zum Herrn wohlverborgen in ihrem Herzen, und was war es denn, was den jungen Mann seit lange zu der stillen würdigen Frau in der Oberförsterei und zu ihrem Zögling hinzog? Ein Anknüpfungspunkt mit dem Frieden, der höher ist als alle Vernunft, war sicher in ihm, ein Faden, der schon außer der vergänglichen Welt seinen Halt hatte. Der Herr selbst wollte den Faden weiter spinnen und schaffte daran auch in dieser Stunde.

Die drei saßen noch lange beisammen. Der Herr zieht die Seinen durch Glück und Unglück zu sich, sagte die Tante; wir möchten uns alle wohl lieber durch Glück ziehen lassen, doch ist es noch eine Frage, ob uns das leichter ist. Wo der Herr mehr Last auflegt, giebt er auch mehr Kraft, ja es erschließt sich uns bei den oft äußeren drückenden und einförmigen Lebensverhältnissen eine Wunderwelt, die uns alles um uns vergessen läßt, die uns mit unbeschreiblichem Frieden erfüllt, die förmlich unsere menschlichen Gefühle umzaubern kann: der Aerger wird abgestumpft, der Kummer aufgelöst, die Einsamkeit zur Wonne. Wollte ich von mir reden, setzte sie zögernd hinzu, so könnte ich nur sagen, daß der Herr mich einzig zum Glück und zur Freude geführt.

O liebe Tante, Sie sprechen so, damit wir Sie nicht bedauern sollen, flüsterte Marie mit feuchten Augen und legte ihren Kopf an des Freundes Brust.

Du irrst Dich, entgegnete die Tante lächelnd, und ich wünschte, Du möchtest mich verstehen. Ich freue mich Deines Glücks, ja Dein Glück ist eben wieder ein Freudenbecher, den der Herr mir reicht, für andere ist das Herz zaghafter als für sich selbst, ich habe mich sehr gefürchtet Dich je unglücklich zu sehen.

Ihre Stimme wurde hier bewegt, und Marie ergriff die Hände der theuren Frau und küßte sie mit lautem Schluchzen.

Nicht so, sagte die Oberförsterin mit schneller Fassung, ich will Euer Herz nicht weich machen, Ihr seid glücklich und ich bin glücklich, und Ihr müßt es jetzt dulden, daß ich Euch Verse vorlese, recht zu Eurem Vergnügen und passend auf Euren Stand.

Die Tante griff nach einem alten Liederbuche und begann zu lesen. Dem Bräutigam war das sehr lieb, sie saßen Hand in Hand, den Worten lauschend, die in der Seele wiederklangen.

Ein getreues Herze wissen
Hat des höchsten Schatzes Preis.
Der ist selig zu begrüßen.
Der ein treues Herze weiß.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiß ein treues Herze.

Läuft das Glücke gleich zu Zeiten
Anders als man will und meint:
Ein getreues Herz hilft streiten
Wider alles was ist feind.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiß ein treues Herze.

Sein Vergnügen steht alleine
In des andern Redlichkeit,
Hält des andern Noth für seine.
Weicht nicht, auch bei böser Zeit.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiß ein treues Herze.

Nichts ist süßers, als zwei Treue,
Wenn sie eines worden sein:
Dies ists deß ich mich erfreue,
Und sie giebt ihr Ja auch drein.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze,
Denn ich weiß ein treues Heize.

Gefällt Euch das? fragte die Tante freundlich. – Das Brautpaar nickte sehr einverstanden. – Ja es ist ein schönes Lied, fuhr die Tante fort, aber ein noch schöneres will ich Euch am Hochzeitstag vorlesen, und so ist es gut für heute.

Fritz war durch das Gatterthor getreten, er sah noch einmal zurück auf das Gehöft, das so hell und friedlich im Mondenscheine lag, der tiefblaue Himmel breitete sich weit darüber hin, und am Himmel schimmerten unzählige Sterne. Warum war denn sein Herz so selig? Ja du lieber Verstand, das kann ich dir nicht erklären, das ist eben ein Wunder, und du bist ein zu armseliger Wicht um Wunder zu begreifen.


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