Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Aus dem Tagebuch eines Verliebten

I

Ich liebe Dich den langen Tag, ich liebe Dich die viel zu kurze Nacht.

Wenn ich Dich nicht in meinen Armen halte, so glaube ich, daß Du mir entfliehest.

Ich will Dich allzeit haben, hörst Du! Ich will nicht, daß Du einem andern teuer sein sollst. Ich hasse es, daß Du mit einem andern sprichst. Du sollst keinem nahe sein.

Denn Du bist mein, und ich habe ein Recht auf Dich; Du gehörst meiner Seele und meinem Körper. Ich will Deine Seele und Deinen Körper haben. Ich will Dich in Ewigkeit.

II

Den Kopf gesenkt, die Hände über der Brust gekreuzt, stehst Du frierend vor dem Spiegel.

Dein blondes Haar ist aus dem daunengüldenen Nacken in die Höhe gestrichen. Lichtschimmer über Deinem schlanken jungen Leib.

Nicht dem toten Marmor gleichst Du, auch nicht dem farblos kranken Alabaster. Nein, lebenden Blumenkelchen, weißen, mit zartrosa Adern.

III

Du quälst mich mehr, als Du beabsichtigst, selbst wenn Du mir Böses antun willst. Du bist ein ewiges Wechseln, und ich will eine ewige Ruhe. Du geißelst meine Nerven mit Deiner Unruhe. Und Deine Stimme, die wechselt wie ein Regenschauer, foltert mein Gehirn.

Weshalb kannst Du nicht sprechen wie die Quelle, gleichmäßig und sanftmütig? Ich fürchte mich vor jedem Wort, das Du sprichst; niemals fühle ich mich sicher.

Du bist wie die Schwalbe, die aus und ein fliegt, nie aber Ruhe in ihrem Nest findet.

IV

Deshalb liebe ich es, wenn Du müde in meinen Armen zusammensinkst und mich mit halbgeschlossenen Augen anschaust, die um Ruhe flehen.

Deshalb liebe ich es, wenn Dein Haupt sich an meine Brust schmiegt und Du tief und ruhig atmest und einschlummerst, friedlich wie ein Kind.

Deine Wangen färben sich rot im Schlaf, Dein Mund öffnet sich leise, und Deine Hand hält meinen Rock umklammert wie eine Kinderhand die Decke der Wiege.

Da beuge ich mich herab und küsse den warmen, frischen Mund und ich wünsche, daß Du nicht erwachen mögest, daß wir beide einschlafen möchten.

V

Niemals habe ich Dich heißer geliebt, als wenn Du krank warst; wenn Du so still dalagst und glücklich warst, meine Hand in der Deinen zu halten; wenn Du ruhig wurdest, während meine Hand sanft über Deine Stirne strich; wenn Du lächeltest, trotz Deiner Leiden.

Wenn Du einen flüchtigen Augenblick das Auge aufschlugst, um es über meinem Bilde wieder zu schließen.

VI

Ich glaube, daß Du mich liebst, sonst würdest Du mich nicht sehen. Ich glaube auch, daß Du lügst, denn alle Frauen lügen. Ertappte ich Dich aber auf einer Lüge, so würde ich meiner Wege gehen.

Deswegen lege ich Deinem Fuße Fallen und entferne sie wieder.

VII

Wenn Du sagtest: »Heute sollst Du sterben,« – ich würde fröhlich sein und den Tod aus Deiner Hand hinnehmen.

Nur eines wollte ich, daß Du meine Hand hieltest, während der Schlag meines Herzens still stünde; Du solltest meine Hand halten, und wenn Du sähest, daß der Blick erlöschen wollte, solltest Du den Todesseufzer in einem Kuß ersticken.

Gib mir den Tod, aber gehe nicht von mir, daß ich leben und Dich mit einem andern sehen muß! Zu wissen, daß Du Deinen Leib den Liebkosungen eines andern hingibst, den Liebesklang Deiner Stimme einem andern schenktest!

Meine Qual würde meine Seele feige und elend machen. Ich würde keinen andern Gedanken haben, als Dich wonneberauscht in den Armen eines Fremden!

VIII

Ich kam, um Dir Lebewohl zu sagen; ich wollte versuchen, mich frei zu machen. Da standest Du strahlend da wie ein Lenztag und lächeltest mir zu. Und wärmer denn je ruhte Dein Blick auf mir, und Deine Stimme war hell wie Sonnenschein.

Und Deine Worte waren gerade die Worte, die ich liebe; es wollte mir scheinen, als seiest Du mehr mein denn je zuvor.

Ich kam, um Dir Lebewohl zu sagen; ich wollte frei sein. Ich bin gebunden, bis Du mich frei gibst, und wenn Du mich frei gibst, bin ich doch noch der Deine.

IX

Du warst bei mir gewesen. Ich half Dir in den Wagen, und Du beugtest den Kopf zum Fenster hinaus und lächeltest mir zu, während Du mir die Hand reichtest; und Du sagtest: »Bist Du glücklich über mich?«

– – Du wußtest, daß ich nicht glücklich war, aber Du wußtest nicht, daß meine Seele ein einziger schwerer, grauer Kummer über Dich war.

Ich entschlummere damit am Abend, es lastet auf mir in meinen Träumen, so daß ich mit dem Druck erwache und keine Lust zum Aufstehen habe und am liebsten ganz still liegen bliebe, ohne zu denken.

Denn ich sehe Dich immer, wie ich Dich an jenem Abend sah: wie Du von mir fortfuhrst und mich, indem Du mich verließest, frugst, ob ich glücklich sei; wie Du mich zwingst, glücklich über Dich zu sein, während Du von mir gehst, fort zu alledem, was nicht mein ist, was mir gerade zuwider ist.

Du bist mein tiefer Kummer.

Mein Leben gehört Dir, und ich lebe oder denke nichts, was ich nicht in Dir und mit Dir lebe oder denke. Du bist das einzige in meinem Leben.

Aber Dein Leben ist wie der Blumensame, den der Wind nimmt und weit umher zerstreut.

Ich sitze allein und teile in meiner Phantasie alles, was mein ist, mit Dir, während Du weit von mir weilst, von tausenderlei fremden Dingen erfüllt. Ich sollte Dein Leben haben, wie Du das meine hast, und ich habe nur Deine hastigen Küsse und die Gedanken, die übrigbleiben. Jedesmal, wenn Du zu mir kommst, kommst Du erfüllt von all dem andern, und jedesmal, wenn Du von mir gehst, gehst Du, um Dich wieder davon erfüllen zu lassen.

Du willst sowohl das, wie auch mich.

Ich will nur Dich allein. Und wenn Du, wie an jenem Abend, von mir gehst und fragst, ob ich glücklich bin, da würde ich glücklich sein, wenn irgend etwas auf uns herabstürzte und uns beide tötete.

Dies ist der schwere Kummer, der sich auf mich herabgesenkt hat. Ich sehe das Lächeln, das von dannen fährt und verschwindet, während ich allein bin.

X

Gedenkest Du jener Sommernacht, als wir zwischen den tannenbewachsenen Hügeln dahinfuhren? Die Luft war so weich und lind, erfüllt von dem süßen Duft der Tannensäfte.

Du ruhtest in meinem Arm, und wir schauten auf zu dem tiefen, dunklen Sternenhimmel. Der Kutscher saß steif auf seinem Bock, und die Pferde trabten ruhig, mit einförmigem Hufschlag.

Da war kein anderer Laut. Rings um uns her der unendliche Raum und die feierlichen Tannenhügel. Unser Wagen war der einzige sich bewegende Punkt in dieser ruhenden Größe.

Da schmiegtest Du Dich eng an mich und flüstertest, die Arme fest um meinen Hals geschlungen:

»Wir müssen treu zusammenhalten. Siehe, wie wir fast nichts sind. Hand in Hand muß man miteinander wandern, um sich nicht zu verlieren und allein zu bleiben.«

Nun bist Du fort. Und ich bin allein.


 << zurück weiter >>