Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Freveley.

Noch einmal soll mir Mamsell Düval an den Reihen. Ich habe schon ihr Hünerauge und ihre Eitelkeit der Lesewelt gerühmt.

        Sie wird mich zwar, wenn sie's erfährt,
Wohl einen Schwätzer schelten,
Allein das steck ich ein;
Im Grunde kann sie doch nicht aus mich böse seyn.
Wir kennen uns, und sie ist so gestimmt,
Daß sie nicht leicht was übel nimmt.
Wie oft hab ich von ihr was vorgebracht,
Worüber sie auf eigne Kosten mitgelacht.

Sie war vor wenig Jahren, in welcher Stadt, das soll kein Mensch von mir erfahren, bey einer Gräfinn engagirt, die junge Herrschaft zu erziehen, worunter auch ein zartes Herrlein war; ein lebhaft Kind, das mancher Fährlichkeit sich unterfieng und deshalb strenge Aufsicht forderte. Die gallische Erzieherinn versäumte nichts an ihrer Pflicht, und gängelte die ihr vertraute Jugend, durch Lehren, Beyspiel, Unterricht zu guter Zucht und früher Tugend. Der laute Beyfall ihrer hochgebohrnen Frau war ein erwünschter Sporn für ihre Eitelkeit, und reizte nur ihre Thätigkeit noch mehr, die Wahrheit zu gestehn, sie geitzte nach Pädagogen-Ruhm zu sehr.

Wenn unter Tändeley und Spiel der Gräfinn dann und wann ein feiner Zug gefiel, ein edles Sentiment und Anstand im Betragen, so pflegte sie zu Zeiten nach zu fragen, wo hat das Kind das her? dann lautete die Antwort ungefehr: Ey von wem anders als von mir hats die Conteß? So lehrt ichs ihr, und dadurch erndete sie manchen Lobspruch ein. Denn überhaupt ließ sich Mamsell gern Weyhrauch streun.

Bey schlechtem Wetter war die Gräfinn einst ganz desövrirt; sie ließ, um sich die Zeit zu kürzen, die Kinder nebst der Gouvernante rufen. Der kleine Leopold war auch dabey, trieb vielen Unfug in dem Zimmer. Er kletterte auf Tisch und Stühle, und raßte wie ein Poltergeist. Du Sausewind, sprach Frau Mama, das schickt sich nicht, in meiner Gegenwart mußt du fein sittsam dich geberden, wie deine Schwestern thun; gleich setz dich dort in jenes Eckchen, sey mäuschenstill, und reg dich nicht. Der Junker thats, und hörte die Gespräche vom Putz und von Pariser Moden an, doch gähnt' er oft vor Langerweile, sann auf ein lustig Intermezzo, sprang auf vom Stuhl und wälzte sich mit Wohlbehagen auf der Erde, auch überschlug er einmal übern Kopf sich, nach gemeiner Knabenart.

Herr Gott, was macht das Kind! rief die bestürzte Mutter; der Junker bricht den Hals. Düval das leidet sie? – Laß dir verbieten Leopold. Umsonst, trotz des Verbots macht ohne Müh der lose Schalk frisch weg vom Purzelbaum das Paroli. Wer lehrt dem Kinde solche Possen? fuhr die erzürnte Mutter fort, seys wer es sey, wüßt' ichs wers thät, den Augenblick sollt er mir aus dem Hause.

Und das mit Recht, versetzte drauf Mabonne, die sich zu exculpiren dachte: weiß nicht welch Meister Unbedacht, dem Junker das hat beygebracht, von mir hat ers doch wahrlich nicht gesehn, (die Gräfinn lächelte) es soll nicht mehr geschehn.

Allein geschehen war geschehen: das zarte Herrlein hatte eine Flechse sich verrenkt, noch eh der Adamsapfel reifte, trat unterm Kinn ein zweites Kinn hervor, ein episodscher Auswuchs, den man in den Papieren des braunen Mannes lieber duldet, als am Halse. Kein Mittel ließ man unversucht, der Junker mußte sich bequemen, die Feder Schwammtinktur zu nehmen, so wenig er Geschmack dran fand. Als ihm dies Mittel nun nicht helfen wollte, und die Geschwulst doch weichen sollte, bestrich man endlich sie sogar mit einer todten Manneshand; dem ungeachtet blieb sie wie sie war. Den Kropf behielt sein Lebelang der Graf und keichte dazu wie ein Schaaf.

        Ein klein Versehn, ein Kinderstreich
Hat oft aufs ganze Leben Folgen;
Drum lieben Kinder, hütet euch
Für Freveleyen wie für Dolchen,
Damit ihr, wenn ihr größer seyd,
Nicht euern Unverstand bereut.

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