Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Uebermuth.

       

Vor eines grossen Mannes Thür,
Ich kenn ihn wohl, es ist ein wackrer Kavalier,
Versammelten sich eines Tags die Knaben,
Die, wenn sie keine Schule haben,
Und der Präceptor sie nicht bakulirt,
Gleich Mäßiggang und Langweil zu Uebermuth verführt.

Hört an, sprach einer aus dem Haufen, hier ist ein freyer Platz, laßt uns Soldaten spielen; wir machen von Papier uns eine Fahne, und Junker Wilhelm leiht uns seine Trommel, das giebt euch eine Fürstenlust. Sind unsrer nicht genug zur Wachparade, so werben wir Rekruten an. Ich habe Geld zu Obst, und auch Kredit beym Becker, wir geben jedem Jungen eine Semmel und eine saftge Birn zum Handgeld, so werden wir wohl Zulauf haben.

        Der Vorschlag fand Gehör,
Die junge Mannschaft trat frolockend ins Gewehr,
Marschirte auf mit gleichem Schritt und Tritt,
Und schulterte und präsentirte
Und schwenkte sich und manövrirte
So gut, ich sag es ungelogen,
Wie unsre Landmiliz.
Sie ließen auch die Trommel hören,
Und machten groß Getöße,
Doch legte sich kein Nachbar drein,
Es wurde niemand drüber böse;
Man ließ sie trommeln, jauchzen, schreyn,
Um ihre Kinderfreude nicht zu stöhren.
Der Herr vom Hause sah in Ruh
Dem Spiel zum Zeitvertreibe zu,
Er mußte selbst der Possen lachen,
Und ließ die Knaben, was sie wollten, machen.
Doch bald ward Ernst aus diesen Kindereyn,
Die Herrn Spartaner theilten sich in zwo Partheyn,
Und rauften sich nun öffentlich,
Sie baxten, schlugen, balgten sich,
Und trieben frey am hellen Mittag vor den Leuten
Die größten Ungezogenheiten.
Da wurd der Ehrenmann des Wesens müde,
Und rief zum Fenster raus:
Ihr Kinder haltet Friede,
Wo nicht, so geht nach Haus;
Was soll der Lärm und Unfug hier
Das leid ich nicht vor meiner Thür,
Lernt eure Lektion dafür.
Die Uebermüthler achteten das wenig,
Und hattens ihren Spott.
Sobald sie ihn nicht mehr am Fenster sahn,
Gieng gleich der Lärm von neuem an,
Sie fielen ohne Schaam und Scheu sogar
Dem Junker Wilhelm, ihrem Spielgenossen,
Als wenn er ihres Gleichen wär, ins Haar,
Und zaußten ihn ganz unverdrossen.
Das ward dem Herrn durch seine Leute hinterbracht,
Die all zusahen dieser Knabenschlacht.
Allein er ist kein Freund von allzugroßer Strenge;
Schafft meinen Vetter nur, sprach er, aus dem Gedränge,
Und sagt den Buben, daß sie ruhig seyn,
Ich wehrt es ihnen nicht, vor meiner Thür zu spielen,
Nur ohne Lärm in friedlichem Verein.
Hört' ich sie wieder zanken oder schreyn,
Hätt' ich befohlen alle, die spektakeln,
Alsbald vorm Hause wegzubakeln.

Die Botschaft dünkte der unbändigen Schaar gar ungerecht; die Rädelsführer wollten nicht pariren, und fiengen an zu räsonniren: Was kümmert sich an einem fremden Ort, um unsern Zwist ein edler Lord, hat er hier zu gebieten?

    Er sitzt doch nicht im Rath,
Ist auch nicht Bürgermeister in der Stadt,
In seines Eigenthums vier Pfählen
Mag er auf seine Leute schmählen,
Dort kann er herrschen und befehlen.
Doch ausserhalb der Thür
Sind wir so gut wie er
Und er nichts mehr als wir.
Braucht er Gewalt das Spiel zu stöhren,
So stehen wir für einen Mann,
Und wollen uns wohl wehren.

Die Ausgelassenheit der ungeschlachten Rotte nahm immer zu, daß es Mylord nicht länger dulden konnte; er schickte Läufer und Heyducken unter sie. Potz Element, wie fegten die die freche Gassenbrut zusammen, auf ihres Herrn Gebot.

Nun war, wie's Sprichwort sagt, Holland in Noth; der bärtge Kutscher Hannibal, ließ tönen seiner Peitsche Knall, da fielen sie bey Haufen, da lief wer konnte laufen, und alle Nachbarn blieben stehn, zur Lust die Jagd mit anzusehn, und klatschten in die Hände; so nahm das Spiel ein Ende.

    Was merkst du dir zur Lektion,
So frug Papa, aus diesem Mährchen?
Es war, antwortete der kleine Sohn,
Dünkt mich, ein fein Histörchen,
Daraus die goldne Lehre fließt,
Daß Uebermuth durch Ribbenstöße büßt.

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