Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Unbedacht.

Mamsell Düval bezahlte die Eitelkeit, ihren niedlichen Fuß in einen engen Schuh zu pressen, mit einem erklecklichen Hühnerauge an der großen Zehe, die sie, wenns anderes Wetter wurde, wie eine FurunkelEine Art schmerzhafter Geschwüre, in der Kunstsprache Furunculus, auf deutsch Bluteiß genannt. brannte. Sie war daher nicht wohl zu Fuße, und hütete zum Verdruß ihrer kleinen Eleve, stets das Zimmer.

An einem schönen Sommertage, zur Zeit der Lindenblüthe, entwischte Fräulein Adelheid der strengen Gouvernante, die eben Mittagsruh hielt, promenirte einsam in der schattenreichen Esplanade vor dem Schlosse auf und ab, um balsamische Gerüche einzuathmen. Da kamen zwey geputzte Herren ihr entgegen, dem Anschein nach von gutem Adel, wenigstens hatten beyde kein bürgerliches Air. Der eine trug ein rothes Kleid mit einer goldnen Epaulette, und einen Degen an der Seite; der andre einen runden Hut, und hatte sich in einen saubern Frack geknüpft. Beyde grüßten sie gar höflich, und Fräulein Adelheid erwiederte den Gruß mit einem stummen Kompliment.

Bey Gott, ein wahrer Engel! sprach der Rothrock, laß sehen, ob das Püppchen reden kann: So ganz allein mein schönes Fräulein? –

»Ja, wie Sie sehn«

Wie lebt Papa? – Wohl auf? Und auch die Frau Mama? – Sie haben jezt vielleicht Besuch?

»O nein, sie sind verreißt.«

Wohin?

»Ins Bad.«

Seit wann?

»Seit vierzehn Tagen.«

Das trift sich doch fatal, wir kamen ihnen aufzuwarten.

»O, sprechen Sie nur ein, Matante ist zu Haus und auch die Gouvernante.«

Sonst niemand?

»Nein, Bediente, Läufer, Kutscher, sind alle mit ins Bad verreißt. Es ist bey uns so einsam, wie im Kloster.«

Sie wohnen hier in einem Paradiese, die Environs sind allerliebst. Ein herrlich Schloß! Vermuthlich auch ein schöner Garten?

»Papa hat ihn erst angelegt; er kostet aber einen schönen Thaler.«

So ist Papa wohl reich?

»Das meyn ich! Reicher als ein Graf.

Er hat vor kurzem noch vom Onkel ein Ritterguth geerbt, auch Silberwerk, ein ganz Servis, Flambeaus, Terrinen, Plattménagen, viel Dutzend Teller, Löffel, Messer, und ein Besteck von purem Golde.«

Auch sonder Zweifel baares Geld?

»Ja wohl! Es steht ein Kasten ganz von Eisen, so schwer, daß ihn kein Drescher heben kann, in dem Gemach, wo Tante schläft. Sie hat dazu den Schlüssel, der alle sieben Schlösser schließ. Oft rasselt sie den halben Tag mit Gelde, wenn sie die harten Thaler zählt und sortirt.«

Ey, was Sie sagen!

»Ach das ist nichts! Sie sollten die Juwelen sehen. In dem verborgnen Fach der Schreibkomode verwahrt Papa all den geerbten Schmuck für mich. Ich hab schon eine goldne Uhr, Brasseletts von ächten Steinen; doch, wenn ich groß bin, läßt er mir ein Halsband von Brilljanten fassen, auch Ohrgehänge, Zitternadeln, an jedem Finger einen Demantring.«

Vortreflich, schönes Kind. da werden Sie ja glänzen, wie der Morgenstern, wenn Sie sich dort am Fenster zeigen. – Das ist doch Ihr Gemach?

»Nein, jenes, wo das Fenster offen steht. In diesem wohnt Matante.«

Wo schläft sie?

»Gleich daneben.«

Und wer bewacht das Haus?

»Der große Hund im Hofe, und die lieben Engel.«

Ja, die sind auch die beste Wache, und lassen kein Gespenste spuken.

»O! die Gespenster thun uns nichts zu leide, wir beten unsern Abendseegen und schlafen flugs und fröhlich ein. – Da kömmt die Amme mich zu suchen. Hier bin ich Hanne, sieh, die Nixe hat mich doch nicht in den Teich gezogen, ob ich gleich ohne dich am Ufer promeniren gieng. – Nu? Wollen Sie mit zu Matante gehn?«

Für diesmal nicht, doch kommen wir, unangemeldet, mit nächstem ganz gewiß.

Die Herren hielten beyde Wort, sie kamen mit all ihrem Hofgesinde, in später Mitternacht vors Haus, und weil die Thür verschlossen war, so stiegen sie durchs Fenster ein, um niemand aus dem Schlaf zu stöhren.

»Zu Hülfe! zu Hülfe! Diebe! Diebe!«

Mord Element! kein lautes Wort Madam! Den Schlüssel her zu diesem Kasten, und dort zum Schreibschrank, ohne Zuck und Muck!

»Ich hab ihn nicht. Der Hausherr hat ihn mitgenommen, und der ist fern von hier im Bade.«

Vermaledeyter Trug! – den Schlüssel! – nur heraus damit!

»Mein Gott, ich gäb ihn gern, wenn ich ihn hätte!«

Nimrod, schneid ihr die Gurgel ab!

Erbarmen! Ach! Um Gotteswillen Gnade. hier ist er, unterm Kissen in dem Bette.

        Drauf giengen Silberwerk, Juwelen und Geschmeide,
Der Truhe köstlich Eingeweide,
Das wohl sortirte alte Geld,
Mit großer Eil in alle Welt.
Weg war der Schatz! die gute Tante lag,
Sechs bange kummervolle Stunden,
Im ausgeleerten Bettgemach,
Halbtodt, bis an den hellen Tag,
War fest geknebelt und gebunden.
Was hatte sie in all die Noth gebracht?
Und volle Kasten leer gemacht?
Was anders, als der kleinen Thörinn Unbedacht?
Drum liebes Kind, merk dir aus dem Geschichtchen
Die gute Lektion fürs Haus:
Sey keine Schwätzerinn, wie Nichtchen,
Und plaudre nicht gleich alles aus.

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