Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Unfolgsamkeit.

             

In der schönen Jahreszeit
Pflegte, von der Vorstadt weit,
Auf des Onkels Garten draußen,
Gerne die Mama zu haußen.
Mienchen, Möpschen und die Magd,
Emsig, treu, doch wohl betagt,
Gaben ihr stets das Geleite.
Der Gewinn vom Seidenbau
Lohnte dort der wackern Frau
Ihre Müh, durch reiche Beute.

Eines Tags in aller Früh, kam Lebrecht, Oheim Gebhards Diener: »Mein Herr ist todkrank, kommen Sie, Madam! ihm etwas einzugeben, er nimmts von keiner andern Hand, und gleichwohl stehts mit seinem Leben so mißlich, daß er sich vielleicht noch heute zu den Vätern schleicht.«

Die bestürzte Nichte warf sich flugs in die modische Chemise, und verbarg den halbfrisirten Kopf unter n riesenhaften Deckel für den Zwerg vom Topf. Im Weggehen küßte sie die liebe Kleine: Lieb Mienchen, sprach sie, du bist ein verständiges Kind, merk auf, was ich dir sage. Hier dieser Schlüssel schließt die Speisekammer, gieb ihn der Marie, wenn sie kömmt, sie blattet eben Maulbeerlaub. Lauf nicht hinunter in den Garten, damit dich keine Biene sticht, und dir die Sonne nicht die Haut versengt. Versuchs auch nicht, den Schlüssel zu probiren: der Kamm daran ist wandelbar. Gehab dich wohl, weiß nicht, wie bald ich wiederkomme.

»Mamachen sey'n Sie ausser Sorgen, was Sie befehlen, will ich thun; ich weiß schon zu gehorchen. Aus diesem Zimmer weich ich keinen Schritt, den Schlüssel soll die gute Alte haben. – Was sollt er mir? Die Neugier plagt mich eben nicht, und hier ist ja mein Frühstück schon.

Verlassen saß das liebe Kind,
Die Mutter ging davon mit Eile.
Wenn nun die Kinder müßig sind,
Fällt ihnen leicht, vor Langerweile,
Wie kanns bey Kindern anders seyn?
Bald die, bald jene Thorheit ein.

Wenn ich in den Garten ging,
Dachte Mienchen,
Wer erführs? Es sticht nicht gleich
Mich ein Bienchen;
Doch ich will gehorsam seyn
Meiner Mutter,
Hätt' ich zu der Semmel nur
Etwas Butter.
In der Vorrathskammer steht
Auf der Schüssel
Uebrig satt, ich hab zum Glück,
Hier den Schlüssel.
Möpschen Azor, wirst mich doch
Nicht verrathen,
Dafür soll ein andermal
Dir mein Braten.

Gedacht, gethan! Die Näscherinn trat ihre Wallfahrt in die Vorratskammer an, und der kleine Scheker, mit dem Schellenhalsbande, gab ihr freudig das Geleite. Sie schloß die Thür bedachtsam auf, und stöhrte aller Orten um, kein Butterteller war zu finden, nichts überall von Näscherey. Das Hündlein mit der Mohrenschnauze kroch jeden Winkel aus, fing gurrig an zu bellen. Da gackerte ein scheues Hühnchen, flog auf, zertrümmerte ein Fläschchen und zwey Gläser. Husch wars zur Thür hinaus, das Möpschen hinterdrein, und Mienchen nach – Die Jagd ging durch den ganzen Garten, zuletzt krochs durch den Zaun, – weg wars!

Darauf sumßte eine wilde Biene dem Kinde um den Kopf, aus Unbedacht und Furcht schlug es nach ihr und floh. Zur Rache ließ das zornige Insekt der Fliehenden den Stachel fühlen, daß eine große Beule, wie ein Taubeney, ihr unterm Auge schwoll.

      Ungehorsam straft sich selbst,
Armes Mienchen,
Bringt dich um dein Mittagsmahl
Ums gebratne Hühnchen;
Bringt dich um ein Gläschen Wein
Aus dem Karavinchen,
Und bey Wasser, Salz und Brod,
Sticht dich noch ein Bienchen!

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