Johann Carl August Musäus
Moralische Kinderklapper
Johann Carl August Musäus

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Bös Exempel,
eine Geschichte in drey Kapiteln.

Eingang.

             

In Kassel trieb zum Thor hinein
Hans Daps den Esel Baldewein
Mit Steingut schwer belastet,
Sie hatten beyde, kümmerlich
Den langen Weg von Koblenz, sich
Beköstigt, viel gefastet.
Dem Treiber lags gar hart im Sinn,
Mit dem zu hoffenden Gewinn
Zu tilgen seine Schulden,
Auch einen alten Steuerrest,
Zu zahlen für sein Schwalbennest,
Mit dritthalb Kaisergulden.

Am Markte hielt er feil den Kram,
Da dauerts nicht gar lang, so kam
Schon ein erwünschter Käufer,
Es war ein müßger Halbsoldat,
Wie's dort viel Müßiggänger hat,
Ein Trommler oder Pfeifer.
»He! Landsmann, was gilt hier der Krug?«
Acht Kreutzer. »Vier sind auch genug.«
Hätt ich die Waar gestohlen,
So gäb ich sie um halben Preis,
Er ist ein Knicker, daß ers weiß,
Ich sags ihm unverhohlen.
»Die Waar ist dein, das Geld ist mein;
»Doch laß uns gute Freunde seyn,
»Den Esel eingeschlossen.
»Ich seh den wackern Reis'kompan
»Für deinen trauten Bruder an,
»Lieb ihn auch unverdrossen.
»Ihn zu umarmen lüstet mir,
»Erlaubst du das, für ein Maas Bier?
»Darf ich ihn auch was fragen?
»Und eine große Neuigkeit,
»Die ihn gewißlich hoch erfreut,
»Zugleich ins Ohr ihm sagen?«

Ey thut, was ihr nicht lassen könnt,
Für ein Maas Bier sey's euch vergönnt,
Versetzt Hanns Daps und lachte.
Freund Schabernack hielt ihn beym Wort,
Bezahlte baar, nach dem Akkord,
Trat flugs herzu und machte
Sein Hokus Pokus, was geschah?
Potz Stern! Eh' sichs ein Mensch versah
O Wunder! über Wunder!
Das träge Thier sprang deckenhoch,
Daß Sack und Pack herunterflog,
Hin war der ganze Plunder!
Zerbrochen lagen Napf und Topf.
Da stand Hanns Daps, der arme Tropf,
Und rang und wand die Hände,
Indeß skisirte meisterlich
Der böse Schalk vom Schauplatz sich
Floh und verschwand behende.


Fortgang.

Der arme Mann, er dauert mich! rief jung und alt, manch biedres Butterweib that ihre milde Hand auf, steuerte aus Mitleid ihm drey Heller, und so gewann er bald den ganzen Hut voll Geld. Ein ernster Bürger kam, beredete die That und sprach: sey's damit, wie ihm sey: ein Schurke hat dir diesen Streich gespielt, ich kenn ihn wohl, es ist der Pfeifer Sonnewald, ein schlimmer Gauch. – Dort wohnt sein Hauptmann, in dem großen Hause, geh und trag ihm den Handel vor. Der Bauer ließ sich das nicht zweymahl sagen, nahm seinen Esel Schüttelkopf, dems noch im Ohr erbärmlich zwickt' und zwackte, band mit dem Zaum ihn an die Hausthür fest, und ging hinauf.

Der Hauptmann, ein gar respektabler Offizier, berief flugs den Beklagten zum Verhör: »Kennst du den Mann und seinen Kameraden, da unten vor der Thür?«

Herr Hauptmann! ja.

»Hast du dem Esel was geheimnißvoll ins Ohr geraunt?«

Wer? Ich? kein Wort! Doch halt, jetzt fällt mirs bey, ein Wörtchen oder zwey.

»Sag an, was wars? Bey hundert Fuchteln gieb Bescheid!«

Es war doch wahrlich kein Verbrechen! Ich sagt ihm im Vertrauen, daß meiner Mutter Schwester heut oder morgen Hochzeit hält, darüber freute sich Grauschimmel so herzinnig, daß er, gleichwie ein Stutzbock, leckt' und sprang.

Der Hauptmann lacht' ob dieser Schnurre, daß er den Bauch hielt, und daß ihm die Augen thränten. Er ließ den Bauer Abtritt nehmen. – »Was hast du Sappermenter wieder für einen Streich ausgehen lassen? du tückscher Hund, gestehs nur frey!«

Pardon Ihr Gnaden, ach Pardon! Der Grobian schalt mich für einen Knicker aus, auf offnem Markt, als hätt ich Schandkauf ihm geboten. Das wurmte mich, ich dacht' auf Rache. Ich nahm ein Stücklein Feuerschwamm, und steckts dem Langohr in den Horcher, das kitzelte sein Trommelfell so mächtig, wie ein Bremsenstich.

Der Kapitän bestrafe gelind, und nur mit Worten, den insolenten Wicht; denn er war bey ihm wohlgelitten. Er hatte lang zu Wasser und zu Lande, auf seinem fernen Kreuzzug nach Amerika, als Schalksnarr ihm gedient, und ihn durch manche Posse gar herrlich amüsirt. Koblenzer, rief er, tritt herein! wie viel war deine Fracht wohl werth?

Zehn Gulden, Herr! glaubts ungeschworen, wars unter Brüdern werth mein Gut.

»Hier nimm!« Er zog die Börse, »nimm diesen blanken Sonnen-Louisdor und zieh in Frieden heim. Du aber, Schalk, so lieb dir deine Rippen sind, sag keinem Esel mehr ein Wort ins Ohr.«


Ausgang.

Horchsam saß Junker Wilhelm im Kloset, um seine Lektion zu lernen, und musterte dabey die bleyerne Armee, Freund Sonnewald war ebenfalls sein Matador, kürzt' ihm die Zeit mit Taschenspiel und Kartenkünsten. Der ausgeführte Streich belustigte den Junker königlich. Papa ging draussen in dem Zimmer auf und ab. Bey guter Laune wiederkäut er die Begebenheit, pfiff einen Marsch und sprach dazwischen: Der Kauz ha! ha! was er für Teufelszwirn im Kopfe hat! Ein ausgelernter Dieb! Er treibs auch noch so bunt, man kann ihn drum nicht strafen.

Das schrieb der Junker hinters Ohr. Gehts dem so ungenossen aus, schloß er nach seiner Kinderlogik, wie würde Papa lachen, wenn ich ein gleiches Stücklein praktizirte. Du loser Schelm, spräch er: was hast du angestellt? seht mir den kleinen pfiffgen Vogel! Gar bald versah er sich mit einem Stückchen Schwamm aus Papas Feuerzeuge. Einst spielt er auf der Gasse, da kam ein Fleischerhund, mit einem großen Knochen, der legte sich vors Haus, in guter Ruh ihn zu benagen. Still! dachte Wilhelm, du kömmst mir ja eben recht, Papa steht just am Fenster. Flugs lief er in die Küche, und steckte unbemerkt den Schwamm beym Feuer an, kam wieder, streichelte den Hund, hob ihm das Schlappohr auf, und warf den glühenden Funken keck hinein..

Der Hund, für Schmerzen wüthig, fiel den Knaben an, denn ein gereizter Hund ist nicht so dultsam, wie ein Esel, und biß ihm, ach! das Aermchen morsch entzwey.

    Du Kleiner, thu nicht alles nach,
Was du von andern siehst und hörest,
Daraus entsteht viel Ungemach,
Wenn du durch Schaden dich belehrest.
Ihr großen Leute, wahret euch,
Muthwill'ge Possen zu belachen:
Ein Kind pflegt einen dummen Streich,
Aus Unbedacht, leicht nachzumachen

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