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Toyotomi-Zeit Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts.

Christentum

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Nr. 71.
Schloß zu Nagoya, 1610.

Mitten in die Fürstenkämpfe fiel ein Ereignis, dessen Folgen die japanische Literatur wenig beachtet, sogar möglichst unterdrückt hat, das aber auf die Entwicklung vieler japanischer Techniken, Sitten und Ideen einen starken Einfluß ausgeübt hat. Das war das Eindringen christlich-europäischer Kultur durch den Verkehr mit portugiesischen Kaufleuten und Kriegern, und vor allem mit den Jesuiten.

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Tafel III.
Zu Seite 42.
1. und 2. Bunte Stoffmuster für No-Spiele, Ende 16. Jahrhundert.
3. Stickerei für Kleid, Ende 17. Jahrhundert.

1549 begann Franz Xavier sein frommes Missionswerk, und schon 1582 sollen 600 000 Japaner als Christen bekehrt gewesen sein, darunter alle Stände vom hohen Adel bis zum armen Mann aus dem Volke. Unter Hideyoshi war die Hälfte der Armee auf dem Feldzuge nach Korea (1598) christlich. Diese Erfolge einer Religion für die Armen und Unglücklichen sind bei einem Volke, dessen elende Regierung seit über 100 Jahren nur Unruhe und Not gebracht hatte, sehr verständlich. Für die Ritter aber waren die Missionare mit Freuden empfangene Lehrer, da sie das Gießen und den Gebrauch von Kanonen und Gewehren sowie den Bau von steinernen Mauern und befestigten Schlössern zeigten.

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Nr. 72.
Titelblatt zu Heike Monogatari und Äsops Fabeln mit importierten Schrifttypen, gedruckt im Amakusa-Kolleg der Jesuiten.
1592.

Bauten, Festungen

Schon seit dem 12. Jahrhundert wurden militärische Befestigungen von Erdwällen, Palisaden und Gräben, auch vereinzelt von Wachtürmen errichtet, die gegen Pfeile und Lanzen genügend Schutz boten.

Verbesserte Waffen verlangen auch verbesserte Schutzwehr.

Als die Portugiesen die ersten Schießwaffen einführten, war der hölzerne Palisadenschutz völlig unzureichend, und Festungen aus Stein nach europäischem Muster wurden errichtet. Bereits 40 Jahre nach der ersten Landung der Europäer wurde von Hideyoshi ein mächtiges Schloß zu Osaka erbaut, das vorbildlich für alle späteren Schloßbauten blieb (Abbild. Nr. 71). Die Erdwälle waren mit gewaltigen Granitblöcken belegt, die ohne Mörtelverbindung durch ihr Eigengewicht aneinander paßten, und nur die Eckstücke wurden mit Eisen befestigt.

Hölzerne Brücken überspannten die breiten Festungsgräben, während die Nebenbrücken ganz leicht gebaut wurden, um bei Feindesnahen sofort zerstört werden zu können. Die Hauptbrücke wurde im Laufe von Jahrzehnten zu einem so raffinierten Kunstwerke der Technik gestaltet, daß das Herausziehen eines einzigen Pflockes genügte, um die ganze Brücke zum Zusammenstürzen zu bringen.

Buchdruck

In Arita wurde von Jesuiten eine Malschule errichtet, aber die so anders gestaltete Auffassung der Perspektive und die Öltechnik konnten den japanischen Stil nicht verdrängen. Dagegen hat die Gründung einer Druckerei in Amakusa die Grundlage für die Entwicklung des Buchdruckes und wahrscheinlich auch des Holzschnittes gelegt. Aus Europa wurden Metallbuchstaben eingeführt, um die japanischen Texte in portugiesischer Aussprache zu drucken (Abbild. Nr. 72). Damals wurden die ersten Holzschnittillustrationen wenigstens auf den Titelblättern der Bücher ausgeführt. Nur ganz vereinzelte Exemplare einiger Werke aus der Jesuitendruckerei sind zufällig in europäischen Bibliotheken erhalten, und wir können annehmen, daß die meisten Bücher mit der Ausrottung der Christen zugleich vernichtet worden sind. Aus Mangel an Material können wir den Einfluß besonders auf die Entwicklung des Holzschnittes nur andeuten und nicht im einzelnen beweisen. Jedenfalls dürfte es kein Zufall sein, daß erst im Anfange des 17. Jahrhunderts die Holzschnittkunst in Japan begann, während in China schon Jahrhunderte früher Buchillustrationen bekannt waren.

Lacke

Im kriegerischen 16. Jahrhundert fand kein Fortschritt in der Lacktechnik statt. Als Hideyoshi (1590) den Bau des prunkvollen Schlosses in Osaka begann, strömten die Lackkünstler aus den verschiedensten Provinzen zusammen, und die Decken, Friese, Altäre und Reliquienbehälter wurden aufs kunstvollste verziert. Wenn auch das Schloß, noch kaum vollendet, durch Feuer zerstört wurde, so blieb dieser prunkvolle Stil der Palastausschmückung doch maßgebend für die Folgezeit.

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Nr. 73.
Türen in Goldlackmalerei mit graviertem Metallbeschlag am Grabmonument des Hideyoshi, um 1600.

Die Ausmalung der Tempel im Mittelalter [(S. 16)] nach dem Vorbilde der alten Stoffmuster war etwas schwerfällig und steif. Damals begannen selbständig schaffende Künstler die Muster den einzelnen Flächen anzupassen [(Abbild. Nr. 73 bis 74)]. Besonders auffallend ist die starke Betonung der Linienführung. An Stelle der malerischen Behandlung der Lackfläche ist die lineare getreten; an Stelle des abgeschlossenen Bildes die Dekoration der Fläche [(Abbild. Nr. 75)]. In dieser Beziehung bilden die Arbeiten aus der Toyotomi-Zeit den Übergangsstil zu den großen Lackkünstlern der letzten Jahrhunderte.

Stoffe

Den gleichen Stil finden wir auch bei den Stoffen bevorzugt [(Tafel III, 1 und 2)]. Die Motive entsprechen den No-Gewändern der Ashikaga-Zeit. Die mehrfarbigen Ahornblätter zwischen stilisierten Wellen und Wolken sind Symbole des Herbstes, und die in verschiedenen Größen und Farben auf quadrierter Fläche zerstreuten Räder sind buddhistische Symbole. Die Ausführung aber zeigt die Betonung der Linienführung und eine Anpassung an den Stoff in einer geschmackvollen freien Dekoration.

Diesen Mustern ist etwas Ernstes und Einfaches eigen. Sie zeigen eine großzügige Durchführung des Grundmotives. Erst in der späteren Zeit ist ein kleinliches Nebeneinander und eine gedankenlose Überladung entstanden.

Schwertzieraten

Einen ähnlichen Stil finden wir bei der Ausschmückung der Waffen. Verbesserte Techniken im Guß der Bronze und im Schmieden des Eisens wurden erlernt, so daß die Metalle zu Wachs in den Händen der Künstler wurden. Ohne Rücksicht auf das spröde Material konnte jeder bildnerische Schmuck übertragen werden.

Die Stichblätter am Schwert, die bisher aus einfach geschmiedeten Eisenplatten oder Lederscheiben bestanden, wurden nach dem Vorbilde der portugiesischen Degenglocken in Eisendurchbruch ausgeführt [(Abbild. Nr. 76)]. Ein gewisser Stil wird noch heute »Namban« genannt (c, d) und bedeutet in diesem Sinne »spanisch«.

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Nr. 74. Lackmalerei am Altarschrank am Grabmonument des Hideyoshi, um 1600.

Die von den Jesuiten erlernten zeichnerischen Kenntnisse beeinflußten den Stil jener Stichblätter, die mit in Japan vorher unbekannten geometrischen Mustern (a) in positiver Silhouette ausgesägt wurden. Ebenfalls eigenartig und wahrscheinlich durch europäischen Einfluß entstanden sind die Verzierungen mit importierten Messing- und Eisendrähten (b). Es ist fraglich, ob die technischen Kenntnisse und der Geschmack zur Herstellung derartig verzierter Stichblätter vor der Landung der Europäer vorhanden gewesen waren.

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Nr. 75.
Sattel und Steigbügel in schwarzem Lack mit reliefartiger Goldlackmalerei, eingefaßt mit echtem Gold;
vermerkt: »Lackmalerei auf Bestellung von Hideyoshi
nach Entwurf von Kano Yeitoku 1577 hergestellt«.

Neben den Eisenarbeiten blieben auch die Bronzeziselierungen der Goto-Meister mit Gold- und Silbereinlagen in Mode. Immer vielseitiger wurden die Motive. Die Portugiesen hatten die Japaner mit der alten deutschen Methode, Kupfer zu reinigen, bekannt gemacht, so daß durch Beiprodukte eine Blei-Kupfer-Bronze hergestellt wurde, die eine bessere Schärfe des Abgusses, eine sauberere, eigenartig glänzende Oberfläche, eine größere Härte des Metalls und eine größere Flüssigkeit beim Schmelzen ermöglichte. Daneben erlernte man, anstatt der bisher in ausgestochenen Gruben eingelegten Metallstückchen, dünne Goldplättchen in verschiedenster Färbung aufzulöten. Dieser Fortschritt erleichterte wesentlich, den malerischen Wirkungen der Originale in den feinsten Linien und Nuancen zu folgen. Auf die kleine Fläche des Stichblattes wurden ganze Bilder möglichst pinselgetreu kopiert. Auf dem tiefschwarzen Grunde der gekörnten Goldbronze – Shakudo – (Abbild. Nr. 70) wurden neben Gold und rotem Kupfer auch weißliche Silberbronze verwendet.

Waffen

War bisher der glatte Eisenpanzer mit Stoff oder Leder in altertümlichen Mustern bezogen worden, so entstand jetzt ein völlig neuer Stil in der Ausschmückung der Rüstung. Die seit Jahrhunderten berühmte Miochin-Familie und alle anderen Plattner hatten eine bewunderungswürdige Fertigkeit in der Herstellung von dünnen und doch widerstandsfähigen Eisenplatten erreicht. Aber sobald eine Ausschmückung der kriegsmäßigen glatten Eisenflächen begann, wurden Stoffe und an den Rändern Bronzebeschläge aufgelegt.

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Nr. 76.
Stichblätter aus Eisen in geometrischen Mustern (a),
aufgelegten Metalldrähten (b),
in spanischem (Namban-)Muster (c u. d).

Ähnlich wie die Seto-Teebüchsen keine andere Verzierung als die glatte Haut der Glasur in raffiniertester Vielseitigkeit aufweisen, so war es auch bei den Rüstungen. Die glatte Eisenfläche wurde nur durch die Schönheit des Materials, durch Hämmern, Ätzen, Glätten und viele andere Handgriffe veredelt, aber nicht durch Muster bereichert.

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Nr. 77.
Rüstung aus Eisen, wahrscheinlich Geschenk von Hideyoshi um 1597.
Seit Anfang 17. Jahrhunderts in der Armeria zu Madrid.

In der altjapanischen Kunst war niemals der nackte Körper dargestellt worden; um so mehr muß es auffallen, daß bei einer Rüstung, die am Ende des 16. Jahrhunderts bereits in europäischen Besitz kam (Abbild. Nr. 77), der Brustpanzer in naturalistischer Weise als nackter Körper modelliert ist, dem sich der Helm in Gestalt eines Kopfes anschließt, um die Wirkung eines Riesen zu erzielen.

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Nr. 78.
Brustpanzer aus Eisen. 16. Jahrhundert.

In einem Buche aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts über das Theater finden sich nackte Menschen abgebildet, um die Haltung des Körpers bei der Bewegung auf der Bühne zu zeigen. Derartige Bilder sind weder früher noch später aufzufinden und kamen erst im 19. Jahrhundert, als wieder ein europäischer Einfluß vorhanden war, in Mode. Ich glaube daher, daß diese realistische Auffassung in der kurzen Zeit des Verkehrs mit den Europäern durch letztere beeinflußt worden ist. Auch die Gesichtsmaske [(Abbild. Nr. 77)] zeigt eine Beobachtung der Natur, die sonst nicht üblich war.

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Nr. 79.
Heereszug des Generals Ashikaga Takaiiji um die Mitte 14. Jahrhundert.

Daneben wurden andere Muster, nach Bildern der Kano-Schule, der Fläche angepaßt (Abbild. Nr. 78). Dargestellt wurden vorwiegend die symbolischen Tiere, wie Drachen, Schildkröten oder der Feuergott Fudo. Die Panzerstücke aus der Kriegszeit des 17. Jahrhunderts sind einteilig, geradlinig, schwer in der Form – zweckentsprechend.

Der Heereszug eines Feldherrn (Abbild. Nr. 79) gab ein malerisches Bild. Große Fahnen und Abzeichen auf langen Stangen zeigten weithin die Bedeutung des einherziehenden Ritters, der zu Pferde, gefolgt von Bogenschützen mit großen Schilden auf dem Rücken und von Soldaten mit langen Lanzen, den Zug anführte. Trotzdem für den Fernkampf einige Schützen mit Gewehren der Schlachtordnung eingereiht wurden, blieben die langstieligen Lanzen mit kurzer Spitze und vor allem die Bogen die wesentlichen Waffen in dem Bruderkampfe der Großen des Reiches. Kanonen wurden nur zum Angriff auf Festungen verwendet.

Töpferei

Wie wir gesehen hatten, waren wiederholt, so im 13. und Anfang des 16. Jahrhunderts Ansätze zur Entwicklung der Glasur und Porzellantöpferei geschaffen, aber eine Weiterentwicklung hatte nicht stattgefunden.

Hideyoshi sammelte für die von ihm besonders gepflegte Teezeremonie altertümliche Gefäße, die man damals in Japan noch nicht herzustellen verstand. Der Verkehr mit den Europäern hatte Japan in den Welthandel mit den Philippinen, mit Indien, Siam und China hineingezogen, und die Folge war, daß alte chinesische Töpfereien, die in den anderen Ländern nur eine geringe Beachtung fanden, nach Japan exportiert und dort mit Gold aufgewogen wurden. Den Fürsten und tapferen Kriegern wurden Teebecher und Teebüchsen als Belohnung verehrt, und um den Wert durch Import von außerhalb nicht zu verringern, schuf Hideyoshi ein Monopol, indem er bei Todesstrafe die Einfuhr derartiger Töpfereien verbot.

Bei einer solchen übertriebenen Wertschätzung war es nur natürlich, daß das Bedürfnis entstand, auch in Japan selbst die Herstellung zu erlernen. Infolgedessen brachte Hideyoshi von seinem Feldzuge aus Korea zahlreiche Töpferfamilien mit, die er an verschiedenen Orten ansiedelte. Damit legte er die Grundlage zu der noch heute in Japan blühenden Töpferindustrie.

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Nr. 80.
Yomei-Tor des Iyeyas-Tempels, Nikko.
Erste Hälfte 17. Jahrhundert.

So sehen wir am Ende des 16. Jahrhunderts von dem General des Kaisers, dem Emporkömmling Hideyoshi, die Fürsten besiegt und das Reich in den Welthandel eingezogen, wie tausend Jahre vorher. Europäischer und koreanisch-chinesischer Einfluß verändern Sitten und Techniken. Das militärische Handwerk bekommt durch Einführung der Schießwaffen neue Anregungen, und für das Kunstgewerbe werden die Grundlagen für die Entwicklung in der neuen Zeit geschaffen. Holzschnitt und Töpferei sowie die Eisen- und Bronzetechnik erreichen in dieser Zeit jene technische Vollkommenheit, die den Weltruhm des japanischen Kunstgewerbes in den nächsten Jahrhunderten begründete.

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Nr. 81.
Holzschnitzerei, Tempel von Iyemitsu, Nikko.
Erste Hälfte 17. Jahrhundert.


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