Koloman Mikszáth
Der wundertätige Regenschirm
Koloman Mikszáth

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die kleine Veronika wird an ihren Bestimmungsort geführt.

Jedoch Sztolarik tröstete ihn vergebens. Es ist gar leicht zu predigen, irdische Güter lenken den Menschen von den himmlischen ab, deshalb schmecken diese irdischen Güter doch gar gut.

Wenn jemandem sein Lieblingskind stirbt, findet sich immer ein großer Philosoph in der Familie, welcher das vor Schmerz zuckende Herz heilen will: wer weiß, was aus dem Kinde geworden wäre, vielleicht hätte es am Galgen enden können, vielleicht ist es besser, daß es jetzt und auf diese Art verschieden ist; doch diese Philosophie hat noch nie eine einzige Thräne getrocknet. Das ist eine gar leichte Ware dem Schmerze gegenüber.

Auch Sztolarik schwatzte buntes Zeug in Fülle, doch Georgs Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, daß er jetzt nie mehr eine Domäne, einen englischen Park und alles andere, was damit verbunden ist, sein eigen nennen würde; die ganze Welt erschien ihm neu und traurig.

Und doch war sie nur die alte. Alles nahm seinen frühern Lauf, als ob Frau Adametz den alten Regenschirmstock gar nicht verbrannt hätte. Die musizierende Uhr im Wohnzimmer der Pfarre gelangte zur römischen Zwei, worauf sie ein Lied spielte, die Mägde den Tisch deckten, Frau Adametz die Suppe hereinbrachte, der hochwürdige Herr seine Gäste aufsuchte, in das Speisezimmer führte und sie rechts und links von Madame Kriszbay niedersetzen ließ, als er plötzlich bemerkte: »Wo mag denn Veronika sein?«

»Eben dasselbe wollte auch ich fragen,« sagte Madame. »War sie denn nicht bei den Herren?«

»Ich dachte,« sprach der Geistliche, »sie sei bei Ihnen.«

»Es sind zwei Stunden her, daß ich sie nicht gesehen habe.«

»Wir auch nicht.«

»Ich auch nicht.«

»Vielleicht ist sie in der Küche?«

Madame Kriszbay erhob sich mit ärgerlichem Gesichte von ihrem Präsidentensitze, um Veronika hereinzubringen, kam jedoch alsbald achselzuckend zurück.

»Auch in der Küche hat man sie nicht gesehen.«

»Nun, das ist eine nette Überraschung,« brauste der Pfarrer auf und lief selbst hinaus, die Dienerschaft aufzuscheuchen, sie solle sofort das Fräulein in irgend einer Laube des Gartens aufsuchen, wo sie offenbar versteckt einen Roman lese.

Draußen klagte Frau Adametz, das Essen verderbe durch das Stehen.

»So richten Sie an,« befahl der Pfarrer, »wer nicht da ist, bekommt kein Mittagessen. Einen so großen Herrn, wie den Präsidenten, kann man schließlich nicht warten lassen, besonders, da er nach Hause fahren will.«

Die Speisen wurden daher nacheinander aufgetragen, nach der Suppe der Hirsenbrei mit Gänsefleisch, das gefüllte Kraut mit den Schweineschnauzen und Ohren (nicht einmal der König kann was Köstlicheres essen), das Spanferkel, den Pfannkuchen; doch Veronika blieb verschollen. Inzwischen kam die Hanka und meldete, daß man sie nirgends finden könnte.

Georg saß unempfindlich da wie ein Klotz, nur sein Gesicht war bleich, wie das eines Toten.

»Ei, vielleicht ist sie bei den Bienen eingeschlafen,« sagte der Pfarrer, »oder vielleicht (er zögerte einen Moment, ob er fortfahren solle) oder ist vielleicht etwas zwischen euch vorgefallen?«

Er blickte Georg forschend an.

»Zwischen uns? Nein, nichts,« sprach Georg fröstelnd.

»Dann laufe in das neue Haus hinüber, Hanka, und schaue bei den Bienen nach. Und wir, meine Herren, trinken weiter und lassen uns nicht stören. Sie ist ja noch ein Kind, das von seinen Launen hin- und hergetrieben wird. Vielleicht ist sie einem Schmetterlinge nachgelaufen. Belieben von diesem Roten zu versuchen, Herr Präsident?«

Er vertröstete nicht so sehr seine Gäste als vielmehr sich selbst, er saß auf Nadeln, Besorgnis preßte ihm das Herz zusammen, er plauderte zerstreut. Der Präsident erkundigte sich, ob die vorzeitige Hitze heuer irgend einen Einfluß auf die hiesige Ernte ausgeübt hätte und welchen?

»Ja, ungefähr zwei,« antwortete der Pfarrer.

»Haben Sie noch mehr Geschwister, Hochwürden?«

»Ich weiß es nicht.«

Die verkehrten Antworten wiesen auf sein gedrücktes Gemüt, und daß er nur aus gezwungener Artigkeit neben ihnen sitzen blieb. Endlich erbarmte sich der Präsident seiner und sprach beim schwarzen Kaffee: »Es wäre besser, wenn Euer Hochwürden selbst nach dem Fräulein schauen wollten. Dann bitte auch meinem Kutscher zu befehlen, er solle einspannen, denn Neusohl ist viel Katzensprünge weit von hier.«

Der Pfarrer ergriff hastig die Gelegenheit, Madame Kriszbay bat gleichfalls um Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen, denn das Geschehene war so sonderbar, daß auch sie anfing, unruhig zu werden.

Die zwei Männer blieben allein. Eine peinliche Stille folgte. Nur die Wanduhr tickte gespensterhaft.

Georg schaute mit weitgeöffneten Augen, starr, bewegungslos auf den aufgedunsenen Kanarienvogel im Käfig. Auch der war jetzt so traurig.

»Laß auch du anspannen,« brach endlich der Präsident die Stille. »Fahren wir zusammen!«

Georg ließ eine Art Stöhnen vernehmen, es war nicht gut zu verstehen, doch da er auch den Kopf dazu schüttelte, war es deutlich, daß er nicht die Absicht habe, anspannen zu lassen.

»Und doch mußt du unbedingt kommen. Unsere Rolle hier ist ausgespielt.«

»Ich sage, es ist unmöglich.«

»Weshalb?«

»Sehen Sie denn nicht, daß Veronika fort ist?«

»Was kümmerst du dich darum? Ist doch auch der Regenschirmstock fort!«

Georg schlug ärgerlich mit seinem Ellbogen gegen die Gläser. »Was liegt mir an dem Regenschirmstocke!«

»Wie? Also du willst das Mädchen? So hast du vor dem Mittagessen nicht mit mir gesprochen.«

Georg zuckte die Achseln.

»Das war damals. Damals wußte ich es noch nicht.«

»Und nun weißt du es schon?«

»Nun weiß ich es schon,« antwortete er kurz.

»Ach, ach!« bemerkte der Herr Präsident scharf, »wann kann Amor dieses seltsame Feuer entzündet haben, denn das Verschwinden des Mädchens deutet auf kein allzu großes Interesse für dich.«

»Eben deshalb fühle ich in diesem Augenblicke jede Bitterkeit der Hölle. Ach, mein Vormund, glauben Sie mir, daß der Untergang des Vermögens mir beinahe kleinlich erscheint.«

Der Kummer des Jünglings, der mit so aufrichtigem Ton zum Ausbruch kam, ergriff den Präsidenten tief.

»Das ist etwas anderes. Tausend Sapperment, warum hast du das nicht gleich gesagt? Wenn die Sache so steht, dann bleibe ich auch da. Komm, suchen wir auch nach der Kleinen und schauen wir ihr in die Augen, was sie wünscht.«

Als sie hinauskamen, war schon große Aufregung im Hofe, doch am meisten wehklagte Frau Adametz, indem sie ihre Hände rang.

»Ich wußte, wußte, daß dies das Ende sein würde. Auch die Fee im Märchen darf man mit keinem Finger berühren, sonst zerfließt sie wie Nebel. O, unser süßes, kleines Fräulein! Sie war die Braut Jesu, und man verlobte sie einem sterblichen Mann, so hat sie Jesus zu sich berufen.«

Sztolarik sprang auf sie zu und erfaßte ihre Hand.

»Was sagen Sie? Haben Sie etwas gehört?«

»Jetzt erzählt, bitte ergebenst, die Frau des Kuhhirten Gundros, daß sie das Fräulein am Vormittag gesehen hat, wie sie mit verweinten Augen auf den Wiesen geradeaus der Bjela Voda zuschritt ... Ach mein Gott, es ist ganz deutlich.«

Ein Haufen Weiber und Kinder, welche sich auf die Kunde von dem Ereignis eingefunden hatten, trieben sich vor der Küchenthür herum. Eine von ihnen hatte Veronika auch bei den Gärten gesehen, doch noch vor Frau Gundros.

»War sie traurig?« fragte Georg.

»Sie weinte.«

»Weh mir!« stöhnte er verzweifelt.

»Wir werden sie aufsuchen,« sprach der Präsident ermutigend.

»Wo?«

»Im Hotter, denn nun ist es sicher, daß sie dort ist, wir werden gleich erfahren, wo.«

»Ach, wenn das so leicht wäre!« seufzte Georg auf. »Nur die Märchen besitzen einen Spiegel dafür ...«

»Gleich bringe ich den ganzen Hotter her!«

Georg schüttelte ungläubig den Kopf, vielleicht ist Herr Sztolarik gar verrückt geworden, daß er den ganzen Hotter voll Krümmungen samt seinen Thälern, Wäldern, seinem Forst herbringen will, um darin nach Veronika zu suchen. Und Herr Sztolarik zerbrach sich wahrhaftig über etwas Ähnlichem den Kopf. Veronika muß um jeden Preis herbeigeschafft werden, das Weitere werden wir dann von ihr erfahren.

»Wo ist der Herr Pfarrer?« fragte er die Gaffenden.

»Er ist zur Flachsschwemme gegangen, um nachzusehen, ob das Fräulein nicht hineingefallen ist.«

»Und wo ist der Glöckner?«

»Hier bin ich.«

»Steige sofort in den Turm hinauf und läute die große Glocke!«

»Es ist ja kein Feuer!«

»Gleichviel, ich befehle es. Kennst du mich?«

Wie sollte er ihn nicht kennen? Bevor Herr Sztolarik königlicher Notar geworden, war er in diesem Bezirke Stuhlrichter, und schon dazumal wuchsen viel Haselnußstöcke in Glogowa; Paul Krapka lief daher wie toll, und nach kurzer Weile ertönte die Glocke mit warnendem, dumpfem Klange, bim, bam, bam ...

Es war Windstille. Der alarmierende Klang schwebte rein und voll immer weiter nach allen Richtungen, und die Wiesen, Thäler, Berge, Tiefen, Wälder und Schilfe begannen aus Norden, Süden, Westen und Osten die Menschen auszuschütten, welche alle dem Dorfe zurannten. Es war beinahe zum Verwundern, woher plötzlich die vielen Menschen kamen. Nur wer beim jüngsten Gericht das Trompeten des Erzengels Gabriel erleben wird, kann etwas Ähnliches zu sehen bekommen.

Sztolarik sah vom Kirchenhügel mit Zufriedenheit die Menge keuchend herbeikommen.

»Nun, siehst du, jetzt müßten wir uns nur in die Mitte des Dorfes stellen, und die aus allen Winkeln des Hotters Herbeikommenden würden uns Nachricht über Veronika bringen. Doch auch das ist überflüssig. Denn Veronika selbst wird gleich zum Vorschein kommen. Hallo, Glöckner, schau' zum Fenster hinaus, ob du nicht irgendwo das Fräulein siehst!«

»Jawohl, ich sehe sie, dort läuft sie neben dem Kukuruzfeld des Srankó.«

»Sie lebt!« rief Georg wie elektrisiert aus, doch plötzlich schmetterte ihn die Folgerung nieder: »Sie lebt, es fehlt ihr nichts, folglich ist sie vor mir davongelaufen.«

Er begann zu ermessen, ob es nicht besser wäre, wenn sie nicht lebte. Dann könnte er glauben, sie hätte ihn geliebt, und könnte sie beweinen, weil sie ihn geliebt hatte.

Der Präsident schrie den Glöckner an, der noch immer an dem Glockenstrang riß.

»Laß es schon gut sein, du Esel. Zeige mit deiner Hand, in welcher Richtung sich das Kukuruzfeld des Srankó befindet.«

Der Glöckner zeigte nach den Wiesen.

»Geh' ihr nun entgegen, Georg, und locke mit Güte aus ihr heraus, was geschehen ist.«

Und Georg ging auch schon den Garten des Pfarrers entlang, bog auf das Kleefeld des Joseph Magát ab, sein Herz pochte auf, von dort war Veronika in ihrem grünen Kleide mit den Volants schon zu sehen, nicht einmal einen Hut hatte sie auf dem Kopfe, nur ein kleines rotes Tuch lose umgeworfen: nun eilte er zwischen den Weiden des Georg Szlávik weiter und erschien plötzlich vor ihr auf der Wiese des Gongoly.

Das junge Mädchen schrie auf und begann am ganzen Körper zu zittern, sobald sie ihn erblickte.

»Wo ist das Feuer?« fragte sie dumpf.

»Erschrecken Sie nicht, Veronika. Es brennt nirgends. Mein Vormund ließ die Glocken läuten, um Sie nach Hause zu locken. Weshalb sind Sie davongegangen?«

Das Gesicht des Mädchens war von Blässe überzogen, sie biß sich in ihre schönen, roten Lippen.

»Das weiß ich allein,« sprach sie leise, mit ersterbender Stimme. »Verlassen Sie mich, bitte ... verlassen Sie mich.«

Sie wandte sich um, als ob sie wieder in den Wald zurückgehen wollte.

»Veronika, um des Himmels willen ... peinigen Sie mich nicht. Was fehlt Ihnen? Was habe ich verbrochen?«

Das Mädchen blickte ihn kalt und stechend an.

»Verlassen Sie mich,« wiederholte sie. »Was wollen Sie von mir?«

Der Jüngling sprang auf sie zu und erfaßte ihre Hand, Veronika wollte ihm dieselbe um jeden Preis entreißen, und so zogen sie sich hin und her. Doch er ließ sie nicht eher los, als bis er ihr mit aller Gewalt den einen Verlobungsring an den Finger gesteckt hatte.

»Das wollte ich,« sprach er mit stehendem Blick.

»Das wollten Sie?« lachte das Mädchen bitter auf. »Und das will ich, schauen Sie her!«

Und damit riß sie den Ring vom Finger und warf ihn weit in die Wiese hinein, unter tausend sich wiegende, bebende Gräser.

Der arme Georg griff sich mit beiden Händen an die Schläfen.

»Ach was haben Sie mir gethan? Was haben Sie gethan?«

»So spielen Sie doch keine Komödie vor mir, Herr Wibra. Stecken Sie den Ring nicht an meinen armen Finger, sondern auf den Regenschirm ... denn Sie wollen den Regenschirm heiraten und nicht mich. Verstehen Sie nun endlich?«

Georg wurde plötzlich die ganze Verwicklung klar.

»O, du mein Gott, Sie haben uns behorcht.«

»Ja, ich weiß alles,« sprach sie leicht errötend. »Sie würden vergebens leugnen.«

»Ach mein Gott, ich will nichts leugnen. Hören Sie mich an, bitte, hören Sie mich an.«

Sie gingen miteinander über die Wiese, Georg sprach, das junge Mädchen hörte zu, während Milliarden Käfer und Grillen in der Wildnis des Grases lebhaft summten und schwirrten, indem sie ihren wundersamen Weg kreuz und quer zurücklegten. Georg sprach, er erzählte sein ganzes Leben, die Geschichte seines Vaters, die Wahrscheinlichkeit des Vermächtnisses, wie sie darauf kamen, wo Gregorics es verborgen haben könnte, wie er die Spur von Faden zu Faden bis nach Bábaszék verfolgte, kurz, er erzählte alles.

Das junge Mädchen hörte ihn an zuerst als Anklägerin mit stummem bittern Vorwurf in den Augen, später nur als Richterin, um die Wahrheit herauszuschälen, dann begann sie die Entwicklung der Geschichte zu interessieren, sie erwärmte sich dafür: sie war weder Anklägerin, noch Richterin mehr, nur eine erstaunte Zuhörerin, die oft den Faden der Erzählung mit dem Ausrufe der Verwunderung unterbricht.

Ach, wie sich diese Geschichte ihr nähert, langsam, jedoch sicher, schon waren die Linien sichtbar, welche in ihr Lebensschicksal eingeflochten sind. Nur weiter, weiter!

Es kommt immer näher, es braust schon heran ... es hält bei dem Sohne des Münz. Münz bringt es ans Licht, daß sich der Regenschirm in Glogowa befindet. Dann beginnt bei dem Nachtmahl des Mravucsán die Försterin zu sprechen ... ach, die Frau Försterin hat es ausgeplaudert, was Sankt Petrus über den Kopf des verwaisten Kindes gebreitet hat.

Nur noch einige Worte, und Veronika wußte alles, erriet alles mit in Thränen schwimmenden Augen.

»Ach mein Gott, den Stock hat ja die Adametz verbrannt!«

»Gott soll sie segnen dafür, daß sie es gethan hat,« sprach Georg heiter, da er merkte, daß des jungen Mädchens Zorn schwand, »denn jetzt kann ich Ihnen wenigstens beweisen, daß ich Sie auch ohne den Regenschirm liebe.«

Veronika band sich das rote Tuch vom Kopfe, und wie sie es in der Hand schwang, schlug sie damit Georg plötzlich auf die Schulter und lächelte ihn unter Thränen an.

»So wollen Sie mich trotzdem noch immer heiraten?«

»Natürlich. Was sagen Sie dazu?«

»Nun daß ...« (Sie blieb stecken, eine seltsame Beklemmung schnürte ihr die Kehle zu.)

»Daß?«

»Daß Sie ein sehr leichtsinniger Mensch sind, und ...«

»Und?«

»Und daß ... wir zurücklaufen sollten, um meinen Ring zu suchen.«

Damit wandte sie sich um und lief übermütig wie ein kleines Füllen auf die Wiese des Gongoly zurück, so daß Georg ihr kaum nachkommen konnte.

Lange suchten sie den Ring, jedoch vergebens; bald kam ihnen auch der geistliche Herr nach. (»Hören Sie, Georg, sagen Sie meinem Bruder nichts über den Regenschirm.«)

(»Nein, mein Herz, ich werde nie darüber reden.«)

Seine Hochwürden schalt Veronika tüchtig aus.

»Nun, du schlimmes Kind, schickt sich das? Wo hast du dich herumgetrieben? Wie waren wir erschrocken! Nicht wahr, du bist einem Schmetterling nachgelaufen?«

»Ich bin vielmehr vor ihm davongelaufen, doch er hat mich eingefangen.«

»Der Schmetterling?«

»Dieser garstige, große Schmetterling.«

Seine Hochwürden verstand, so viel man ihm zu verstehen gab, und er fing an, den Ring zu suchen, doch den hätten sie bis zum jüngsten Gericht suchen können, wenn Herr Gongoly nicht davon Kunde erhalten hätte und mit seinem dicken Bauche, auf dem die Franse und die Lammklaue seines Tabaksäckchens hin- und herbaumelten, hingetrottelt wäre.

Veronika war schon in Verzweiflung wegen des Ringes.

»Nun, nun,« sagte der Nabob von Glogowa, seinen Kopf schüttelnd, auf dem sein langes graues Haar mit einem Kamme rückwärts hinaufgehalten war. »Grämen Sie sich nicht, kleines Fräulein, der Vetter Gongoly wird ihn schon finden. Der wird ihn wirklich finden, denn er hat die Mittel dazu. Das Messelesen versteht der eine und dies versteht der andere. Nach einer Viertelstunde lasse ich das Gras von den Mähern abmähen.«


Obwohl das Gras noch keine zwei Finger hoch war, da doch die Heuhäufeln erst vor zwei Wochen eingefahren worden, ließ Herr Gongoly doch die Mäher antreten, und unter einer Sense erklang und blinkte wahrhaftig der kleine Goldring, welcher den nächsten Tag schon an dem Finger Veronikas glänzte. Die Erinnerung an das wunderbare Ereignis von der Wiese des nobeln Gongoly hat bis heute fortgedauert; daß diese dreimal des Jahres abgemäht worden ist, damit prahlt jeder Glogowaer, wenn Fremde die Qualität des Hotters herabsetzen.

Was soll ich noch erzählen? Wahrlich vieles häuft sich noch vor meiner Feder auf, auch manches, was ein ewiges Geheimnis bleiben wird, zum Beispiel: von dem Vermögen des Paul Gregorics existiert heute noch nicht die geringste Spur. Ob die vermutete Bankanweisung in dem alten Regenschirmstocke enthalten war oder nicht, das weiß niemand, nicht einmal der kleine Matykó, der vermittelst der drei Späne sogar davon getrunken hat. Einen so teuern Trank wie Matykó trinken nicht einmal die Kaiser, wenn sich die Geschichte wirklich so verhalten hat.

Die Legende von dem Regenschirm des heiligen Peter zu Glogowa lebt noch bis auf den heutigen Tag in jener Gegend. Durch Sztolarik, der es gern allerwärts erzählte, wie der alte Jude Münz das Christentum mit einer heiligen Reliquie beschenkte, sickerte die nackte Wahrheit durch; doch der Glaube ist stärker als die Wahrheit, und er unterdrückte dieselbe nach und nach ganz und gar. Ich will sie gewiß nicht wieder hervorgraben. Auch für das Bisherige bitte ich um Vergebung; denn es liegt zweifellos etwas Mystisches in der Sache. Der heilige Regenschirm hat unermeßlich viel Segen und Glück auf jeden gebracht, selbst auf Georg, der durch ihn zu dem reizendsten Frauchen dieser Welt gelangt ist am dritten Sonntage, welcher den erzählten Begebenheiten folgte.

Nie hat Glogowa eine ähnliche Hochzeit gesehen. Veronika hatte die Laune, sämtliche Gäste, die bei Bürgermeister Mravucsáns Souper waren, einzuladen, damit all diejenigen, die bei ihrer ersten Bekanntschaft zugegen waren, auch bei ihrer Hochzeit anwesend sein sollten. Auch von Neusohl waren viele gekommen, darunter die Mutter des Bräutigams in schwarzem Ternokleide, der Gerichtspräsident, der Vicegespan und Gott weiß wer noch. Von Kopanyica waren die Urszinyis da, von Lehota die Verwalter-Fräuleins (mit harmonikaartig gefalteten rosenfarbenen Röcken), von Bábaszék Frau Münz (mit goldenen Ohrringen, so groß wie meine Faust). So viel Wagen und Kaleschen waren damals zugleich in Glogowa, daß man eine Woche gebraucht hätte, nur um das verschiedene Pferdegeschirr zu bewundern.

Nach der Vesper schob der Kirchendiener schnell die Bauern hinaus, doch Seine Hochwürden blieb noch in der Kirche, denn er wartete auf den Hochzeitszug.

Jesus Maria, wie viel vornehme Leute – und wie viel Tuch an ihnen! Sie schritten zu zweien, eine Frau, ein Mann, ein Fräulein, ein Jüngling. Voran kam die Braut mit grünem Kranze, in weißem Kleide. (Ach wie schön war sie – schade, daß einst auch sie alt wird.)

Doch auch der Bräutigam war nichts Geringeres, es war der Mühe wert, ihn anzusehen, er war in einem Anzuge ganz ähnlich demjenigen, in welchem der König gemalt ist. Sein goldner Säbel in der Sammetscheide rasselte nur so über die Steinfliesen der Kirche ... Es war ein erhebender Anblick!

Darum umstanden sie den Altar im Halbkreise, die vielen Frauen hatten alle Blumensträuße in der Hand, und überdies war ihr Haar mit teuern Wässern besprengt. Die Kirche duftete nach ihnen wie eine Apotheke. Es war auch ein wenig kühl. Die Verwalter-Fräuleins, die Zimperlichen, schauerten zusammen im Tüll, doch sonst ging alles sehr schön, wunderbar schön.

Der Bräutigam sprach das »Ja« herzhaft aus, daß es nur so schallte unter dem hohen Bogengewölbe, doch die Braut sprach es nur schüchtern und leise, wie wenn eine kleine Fliege summt. Die Arme war am Ende so gerührt, daß sie zu weinen anfing. Dann suchte sie ihr Taschentuch in dem herrlichen, weißen Kleide, doch das hatte ja gar keine Tasche, die gute Seele konnte es durchaus nicht finden. Endlich reichte ihr eine Dame das ihrige, die hinter ihrem Rücken stand und sich jeden Augenblick an ihren Mann wandte mit den Worten: »Wladin, knöpfe dir deinen Rock zu!«

Ende.


 << zurück