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XXXVIII.
Ein Geständnis – dreist genug, wenn gleich nicht erbaulich!

Kein Urtheil in der Welt kann unbilliger seyn, als dasienige, welches wir vom Karakter eines Menschen nach seiner zulezt begangenen That fällen. Ist diese That, sie sei nun gut oder böse, von irgend einiger Erheblichkeit, einiger Auszeichnung, so ist sie unter hundert malen gewiß neun und neunzigmal eine Frucht, die nicht iezt im Hui, sondern allmälig reifte. Nie ward ein Bösewicht, das was er ist, binnen wenigen Stunden. Nie gab es einen Tugendhelden von Kindesbeinen an. Die meisten Menschen durchwandeln in ihrem Leben eine Stuffenfolge; die meisten Menschen haben aber auch in ihrem Lebenslaufe gewisse Absäzze, wo sie von ihrem gewöhnlichen Karakter noch mehr, als der Neger vom Europäer und der Esquimaux vom Patagonier abweichen. Jeder Schlus, der alsdann von ihnen abgezogen wird, muß ein Trugschlus seyn, und wenn ihn Zeno von Elea, der sogenante Erfinder der Dialektik, selbst gemacht hätte.

Begeht zumahl eine Person, die wir sonst als mild und gut, als sanft und liebevoll kanten, eine grausende, schwarze That, dann können wir fast immer mit höchster Wahrscheinlichkeit des Gewinnens wetten: Zu dieser That kam die handelnde Person nicht durch sich selbst, sondern durch eine Kettenreihe von Veranlassungen, die sie hinführten, wohin sie – nie zu kommen gedachte; und nicht selten war im Anfange Tugend, was am Ende zum Laster sich umformte. Einer nur, derienige der alles sieht, vor dem die schwärzeste Nacht kein Dunkel, und das menschliche Herz keinen Winkel hat, kann über dergleichen Verkettungen ganz untrüglich urtheilen; doch ließ mich meine Gabe der Unsichtbarkeit auch zuweilen diese Verwandlung in ihrer Geburt mit anschauen, und ich sah dann mit mitleidigen Bedauren auf die Opfer des Zufalls oder fremder Vergehungen.

Eleonore Bendham verlohr zeitig ihren Vater, und fiel dadurch der Aufsicht eines Bruders anheim, der nichts verabsäumte, ihr sowohl, als ihrer Mutter, ienen schmerzlichen Verlust zu ersezzen. Von seiner frühsten Jugend an hatte Sir William Bendham eine so menschenfreundliche, edle, unverschlosne Seele gezeigt, daß man nicht leicht auch nur zwei Stunden lang mit ihm umgehn konte, ohne ihn lieb zu gewinnen. Wahrscheinlich haßte ihn auch auf der ganzen Welt kein einziger Mensch, als – sein iüngerer Bruder, ein nichtswürdiger, ausgelassener Wüstling, dem nichts zu niedrig, nichts zu schmuzzig war, um nur Geld zu neuer Schwelgerei aufzutreiben; der Potosis Gold-Minen hätte besizzen können, und doch nie genug gehabt haben würde. Schon unzäligemal hatte sich William seiner angenommen, doch da er sich stets mit dem niedrigsten Undank belohnt, und seine Gaben in einem bodenlosen Brunnen geschüttet sah, so zog er endlich, nicht ohne eine Mischung von Wehmuth, seine Hand von ihm ab. »Das Unglück, sprach er, ist noch der einzige Lehrmeister, durch welchen Georg gebessert werden kann. Finde ich davon auch nur die kleinste Spur, so will ich unaufgefordert ihm wieder alles darbieten, was ich vermag und habe.«

Von dieser Stunde an verwandte Sir William noch mehr Sorgfalt, als bisher, auf Leonoren. Nichts ward gespart, ihren Geist zu bilden; und iede Bemühung fruchtete. Wiz und Schärfe des Verstandes, Belesenheit und sanfter, gefälliger Ton im Gespräche vereinten sich mit körperlicher Anmuth und Schönheit. Die Krone aller dieser, an sich schon schäzbaren, Vorzüge war ein schuldloses, gefühlvolles Herz, das seinen eignen Werth nicht zu kennen schien, ieder mitleidigen Empfindung offen stand, und in der ganzen Welt kein größeres Vergnügen als Wohlthun kante. – Da Sir William, seiner ersten Liebe durch einen frühen Tod beraubt, das Andenken an solche, troz mancher Bemühungen der schönen Welt festhielt; sich schon oft erklärt hatte, daß er nie heirathen würde, und noch öfterer gegen gute Freunde versicherte: daß er Leonoren eine ansehnliche Aussteuer mitzugeben gedenke; so samleten sich, wie solche heran wuchs, der Anbeter und Werber desto mehrere um sie. Die Wahl unter ihnen ward ihr völlig freigestellt; viele waren in der That annehmbar genug; dennoch, was Mutter, Bruder und Freunde höchlich Wunder nahm, wählte sie – keinen. Höflich gegen alle, versicherte sie doch, für keinen Gegenneigung zu fühlen. Auch selbst beim Zureden ihrer Verwandten blieb sie auf der Ausrede: »Noch fühle sie sich alzuiung, als die Last eines Hauswesens zu übernehmen; und alzuglücklich bei ihrem Bruder, als seine stets heitre Gesellschaft mit der wahrscheinlich oft launigten eines Gemahls zu vertauschen.« – So trat sie ins zwanzigste Jahr und war noch unverehelicht.

Sir William hatte viel Jugendfreunde, die oft sein Haus besuchten. Einer der vertrautesten davon war Sir Heinrich Danbrow, ein iunger Mann, der in mancher Rücksicht nicht übersehn zu werden verdiente. Die Natur hatte ihm viel äußerliche Vorzüge ertheilt, und die Kunst sie ausgebildet; dennoch bediente er sich ihrer auf eine Art, die mehr Bescheidenheit als Anspruch verrieth. In seiner Kleidung war viel Geschmack ohne Pracht, in seinen Gesprächen viel Kentnis ohne Pralerei, in seiner Art sich zu tragen, viel Anstand ohne Stolz. Wenn andre redeten, hörte er aufmerksam zu; wenn man ihn aufforderte, seine Meinung zu sagen, sprach er kurz, aber durchdacht. Er schien eben nicht viel gelesen, wohl aber das Gelesene verstanden zu haben. Ueber politische Gegenstände sprach er am liebsten. In ihnen strebte er oft von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen. War iemand einer andern Meinung, so litt er es gelassen, ohne deshalb die seinige zurück zu nehmen. Er ritt, focht und tanzte unverbesserlich. Er war nicht misvergnügt, wenn man ihn desfalls lobte; aber er erinnerte stets, daß dies nur Nebendinge wären. In seinen Handlungen, Worten, Gebärden sogar, verlezte er nie die strengste Sittsamkeit. Nie machte er sich mit einer weiblichen Gunst, einem iugendlichen Leichtsinn, einem schwelgerischen Genusse groß; und war doch auch modisch genug, nie den Frömling zu spielen. Von keiner gesellschaftlichen Freude schlos er sich aus; doch pflegt' er die Einladung anderer dazu abzuwarten. In großer Gesellschaft bemerkte man ihn selten auf den ersten Blick; aber den zweiten und dritten hielt er oft fest. Immer herschte eine gewisse Achtsamkeit auf sich selbst in seinem ganzen Betragen; doch wußt' er den Zwang glücklich genug zu vermeiden. Oft schon hatt' ich ihn ziemlich aufmerksam studirt, nie etwas unbilliges wahrgenommen, und doch auch nie – ich wußte selbst nicht warum? – ihn recht lieb gewonnen.

Da er fast täglich zum Sir William kam, so kont' es nicht fehlen, er muste oft Miß Leonoren sehen und sprechen. Er erwies ihr dann stets dieienige Höflichkeit und Achtung, auf welche eine so reizende Person und die Schwester seines Freundes billig Anspruch machen konte; dennoch ertheilt' er ihr nie einen auffallenden Vorzug gegen andre ihres Geschlechts, und war nie zu ihren Anbetern gerechnet worden. Auch ging dies sehr natürlich zu. Denn er war zwar der Sohn eines reichen Vaters und dessen erklärter Liebling; aber er hatte noch einen ältern Bruder; konte höchstens auf ein gutes Legat, doch nie auf ein großes Vermögen sich Hofnung machen; und schien auch hier nach Grundsäzzen der Ehre und einer feinen Empfindung zu handeln. – Der Heuchler! Allerdings handelte er nach Grundsäzzen; nur nach ganz andern, als man ihm gutmüthig genug zuschrieb.

Als ich einst wohl sechs oder sieben Wochen lang Sir Williams Haus nicht betreten hatte, fand ich bei einem neuen Besuche Miß Leonoren, wenn auch nicht der Gestalt nach – wiewohl mir ebenfalls ihre Wange etwas blässer, ihr Auge etwas trüber schien, – doch in Rücksicht ihrer Laune, gewaltig gegen sonst verändert; sie lächelte äußerst selten, scherzte nie, und schien, selbst beim muntersten Gespräch der übrigen Gesellschaft, zuweilen nicht gegenwärtig zu seyn. Nach Anzeichen dieser Art pflegte ich sonst immer bei Mädchens auf eine heimliche Liebe zu rathen, und glaubte auch hier keinen Fehlschlus zu thun. Da ich aber aus wahrer Theilnahme an dem Schicksaal dieses braven Mädchens auch gern gewußt hätte: Wen und ob sie weislich gewählt habe? so nahm ich mir vor, sie dann einmal zu besuchen, wenn sie sich am einsamsten und sichersten glaube; in der Hofnung: ein kleiner halbgesprochner Monolog, oder sonst irgend eine Handlung werde mich bald einen hinreichenden Blick in ihr Herz thun lassen. Schon des andern Morgens macht' ich mich auf den Weg; und ein sonderbares Glück waltete hierbei; denn nur einen Tag später, und ich – erfuhr Zeitlebens nichts, oder wandelte wenigstens im Dunkeln.

Ich traf Miß Leonoren, als sie vor kurzen erst aufgestanden war. Etwas übernächtiges, etwas, wodurch ihr Schlaf beunruhigt worden, herschte in ihrem ganzen Wesen. Jene Traurigkeit, die sie in der Gesellschaft noch mühsam verdeckte, sprach iezt unverkenbar in ihren Mienen. Es schien ein großer Kampf in ihrer Brust verschlossen zu seyn. Doch sprach sie eine lange Weile nichts mit sich selbst; wenigstens nichts deutlich! – »Soll ich oder nicht! – Wenn er aber so bittet! – Wenn er doch noch einen Grund für sich hätte!« – Dies murmelte sie zwar mehre male für sich selbst; doch half dies sehr natürlich mir nicht weiter. Auf einmal sprang sie rasch empor. »Wohlan, rief sie, zum leztenmal; aber nie wieder!« Nachdem sie sorgsam um ia nicht durch einen raschen Besuch überfallen zu werden, ihr Zimmer verriegelt hatte, sezte sie sich hin, und schrieb folgendes Billet:

»Ja, Sir Heinrich, ich gewähre Ihnen auch diese Bitte. Sie werden mich in nächster Mitternachtstunde wieder an dem bewußten Ort im Garten finden. Noch einmal will ich Ihren Worten und Ihrer Bescheidenheit trauen; will Ihre Rechtfertigung hören, und dann – O Verräther, wie zuversichtlich rechnen Sie auf ein Herz, das Sie allerdings zu überlisten verstanden; das aber nun auch fest entschlossen ist, nicht mehr die Rolle der Leichtgläubigkeit auf einer Seite, und der Verstellung auf der andern zu spielen. Leben Sie wohl!«

Leonore.

N. S. Nein! auch halb unwillig kann ich nicht mit einem kalten Lebewohl endigen! Wenigstens ein Kuß in Gedanken – und nun kein Wort mehr.

Nicht leicht – seitdem Gürtel und Schreibtafel mich zum geheimsten, iedoch auch unschuldigsten Spion in ganz Europa machten – nicht leicht hatte irgend eine Schrift mich so in Verwundrung, wie diese, gesezt. Also auch die truglose Leonore vermag dann Mutter, Bruder und Freunde zu hintergehn, wann die Liebe sie in ein Verständnis lockt! Und dieses Verständnis selbst mit ihres Bruders Busenfreunde? Mit dem so kalt und weislich sich gebährdenden Sir Heinrich? Unter Umständen gehegt, die, wenn auch nicht die Tugend, doch ieden Anstand so merklich beleidigen! Um Mitternacht! Im Garten! – Was mag Er überdies sich zu rechtfertigen haben? – Dies und tausenderlei überlegte ich bei mir selbst; und den ganzen übrigen Tag hindurch konte ich den Abend, und an diesem wieder die Mitternachtsstunde kaum erwarten.

Welchen Garten Miß Leonore in ihrem Briefe meine, war nicht schwer zu errathen, da ich wuste, daß bei Sir Williams Wohnung sich einer befinde; auch das wußt' ich, daß aus solchem eine Thüre in ein kleines einsames Nebengäschen führe, und vermuthete, daß zu dieser Pforte der bestellte Liebhaber nicht ohne Schlüssel seyn werde. Hier stellte ich mich daher ein, als es nicht mehr fern von der zwölften Stunde war, und sah bald darauf richtig meinen Patron im Mantel verhüllt, unter welchem er ein kleines, sogenantes Diebslaternchen verbarg, ankommen. Mit seiner, ihm zur Natur gewordenen Vorsicht blickte er erst allenthalben um sich, und öfnete dann schnell die Thüre; auch im Garten selbst blieb er immer ohnweit derselben, bis er endlich ein leises Husten vernahm. Auf dieses Zeichen, (das freilich schon oft die Lockung wartender Liebe gewesen seyn mag) eilte er dreist einem Lusthaus in des Gartens Mitte zu, wo er Leonoren bereits antraf. – Ihre gegenseitige Bewilkommung war, wie – die gewöhnliche Bewilkommung heißer Liebe zu seyn pflegt. Doch wand sich Leonore bald aus seinen Armen los, und sagte mit einem Tone, der sich wenigstens strenge zu seyn bemühte:

»Nein! Heinrich, dieser Umarmung, dieser Liebkosung halber bin ich nicht hier. Ihre endliche, Ihre entscheidende Erklärung will ich hören. Oder wir bestreben uns dann wechselseitig, aller dieser Augenblicke, vor welchen ich selbst erröthe, aller dieser unvorsichtigen Schwäche wozu Sie mich verleiteten, zu vergessen.«

Sir Heinrich. Ich Ihrer vergessen! Vergessen dieser seeligsten Minuten meines Leben! – Dann vergesse der Himmel auch meiner, in dieser, in ieder künftigen – und selbst in meiner lezten Stunde! Leonore, schönste, liebste, beste Leonore, nennen Sie Schwäche, wozu auf beiden Seiten so viele, so mannichfache Stärke gehörte? O ich erkenne es mit Dank, daß Sie über so vielfältiges Vorurtheil sich hinwegsezten; daß Sie, troz so vieler Hindernisse, so vieler Gefahren, des Nachts, in den Stunden, wo Ihr Geschlecht sonst zagt und zittert, hieher kamen, um einen Mann, dessen ganze Seele für Sie glüht, zu trösten. Dies war nicht Schwäche, – Stärke des Geistes war es. Doch daß ich dann auch immer auf Ihren ersten Wink die Stimme der Tugend ehrte; voll der unaussprechlichsten Leidenschaft doch schnell wieder in iedem Begehren mir selbst Stillschweigen und Zwang auferlegte – Leonore, seyn Sie billig: erkennen Sie auch hierinnen die Kraft der ächten Liebe, und ihrer Blutsverwandtin, der Tugend!

Miß Leonore. Dies ist die nemliche Rede, wenn gleich mit andern Worten, die ich schon mehrmals hörte, die mich schon mehrmals täuschte! – Ja, Heinrich, ich liebe Sie; das gestand ich Ihnen so oft bereits, und gesteh es Ihnen iezt wieder. Doch wozu soll diese fruchtlose Liebe uns endlich führen? – Soll ich immer die Heuchlerin in aller Augen machen? Immer einen Bruder betrügen, der mehr als Vaters Stelle bei mir vertritt; gegen den ich mir iedes täuschende Wort, ieden verhehlten Gedanken zur Sünde rechne? Weil bisher das Glück uns beistand; weil noch niemand unsere Liebe, unsre nächtlichen Gespräche belauschte, soll ich ferner noch meinen guten Namen, die Achtung meiner Freunde, die Liebe meiner Blutsverwandten aufs Spiel sezzen? – Leben Sie wohl, Heinrich! Leben Sie wohl für immer!

Sir Heinr. Dies wär' Ihr Ernst? – Womit verscherzt' ich die Liebe, die Sie so oft mir zusicherten? Was kann ich thun, Sie wieder zu erhalten?

Miß Leon. Und ich ich soll Ihnen sagen, was Ihnen zu thun geziemt? – Warum, Geheimnisvoller, treten Sie nicht aus dem Dunkel hervor, worinn Sie sich verhüllen? – Warum scheuen Sie sich, die Neigung laut zu gestehen, die Sie in Geheim mir zuschwören? Daß Ihre Schüchternheit eine abschlägliche Antwort gefürchtet habe, mochte meinetwegen anfänglich für eine hinreichende Entschuldigung gelten. Doch iezt, da, ich so tief, – tiefer vielleicht, als der Anstand erlaubt hat, – in mein Herz Sie blicken ließ, was soll ich von dem Manne denken, der iezt noch sich öffentlich zu erklären zögert?

Sir Heinr. Und ist die schöne Leonore allein im Besiz über ihre Hand zu schalten?

Miß Leon. Und ist mein Bruder nicht Sir Heinrichs Busenfreund? Würde er etwa einzuwenden vermögen, wenn sein iugendlicher Gespiele von einer Seite, und die geliebte Schwester von der andern, in ihn mit sanfter Bitte drängen? Würd' er wohl – nein, Sir Heinrich! Ich vergesse, was die Würde und die Schaam meines Geschlechts mit sich bringen. Ich lasse mich eben da zu Gründen und zum Beweisführen hinab, wo ein ächt feuriger Liebhaber mich mit Flehn und Bitten um Erlaubnis bestürmen solte. Leben Sie wohl! Unsre Gespräche unter vier Augen haben ein Ende. (will gehn; er hält sie.)

Sir Heinr. Leonore, Sie zwingen mich zu reden, was ich so gern verschwiege. Sie misdeuten mich so ganz, und doch mit so manchem Schein des Rechts, daß ich unmöglich länger an mich zu halten vermag. Ich will mich ganz Ihnen aufschließen. Wohl ist möglich, daß Sie dann manchen neuen Fleck an mir wahrnehmen; aber wenigstens werden Sie nicht mehr über Mangel an Aufrichtigkeit sich beschweren können. – Tritt hervor, ungerechter Mann, sagen Sie, und wird öffentlich um mich! Ja, allerdings ehrt mich dieser Zuruf. Er würde ieden Fürsten Europens ehren. Keiner ist zu edel, keiner zu reich und groß, den ein ehliches Band mit Miß Leonoren nicht beglücken würde! Doch wohlverstanden: keiner zu reich, keiner zu groß! Zu arm und zu unwerth desselben sind manche – und einer von diesen lezten bin – ich.

Miß Leon. Heinrich, – diese stolze Demuth – diese spottende Bescheidenheit –

Sir Heinr. Bleibt Wahrheit, und nichts mehr! Leonore, ist es möglich, kann würklich Liebe zu mir, gegen Mängel, die freilich nicht meine Schuld, aber gleichwohl so offenbare Mängel sind, ihr Auge ganz verschließen? Ich bin ein iüngrer Sohn meines Vaters. Von ihm allein hängt es ab, ob ich künftig ein sehr mäßiges Vermögen, oder gar keines besizzen soll. Reiz' ich durch irgend einen Ungehorsam sein Misvergnügen, oder stirbt er ohne lezten Willen, so fehlt mir zum Bettler nichts, als der Stab, und die demüthig bittende Miene. Auch Sie, schönste Leonore, hängen ganz von der Wilkühr Ihrer Mutter, und Ihres Bruders ab. Man läßt Ihnen freie Wahl. Doch nur beim Verweigern ist dies volkommen wahr; beim Selbstwählen dürfte es leicht seine Schwürigkeiten haben. Ich weiß zum Beispiel ganz gewiß – (stockt absichtlich.)

Miß Leon. Und was wissen Sie? Reden – reden Sie!

Sir Heinr. Daß Ihr Bruder sehnlich wünscht, im Baronet Wendhall seinen künftigen Schwager zu erblicken.

Miß Leon. (bestürzt) Wendhall? – Nimmermehr! Dieser schon alternde –

Sir Heinr. (einfallend) Aber sonst – denn Wahrheit muß für uns, selbst in der Leidenschaft, Wahrheit bleiben! – sonst untadelhafte Mann: reich, in einem ehrenden Posten, gefällig und brav!

Miß Leon. Nein, nie nie kann mein William ein solches Opfer von mir fodern!

Sir Heinr. Auch wird er es wahrscheinlich nie! Wunsch und Forderung ist zweierlei; und eine einzige dieser Thränen, eine einzige dieser bittenden Mienen – wo wäre der Barbar? wo zumal der liebevolle Bruder, der ihr zu widerstehn vermöchte? Doch, daß William, wiewohl mein Freund, immer noch die Heirath seiner Schwester mit mir für eine Misheirath halten würde; daß er dann seinem Unwillen, oder gelinder zu sprechen, seiner Misbilligung gemäß, sein übriges Betragen einrichten dürfte, dies – dies besorg' ich allerdings. Dann würde schwer auf meiner Seele der bittre Vorwurf lasten: dieienige unglücklich gemacht zu haben, deren Glück mir theurer, als mein Leben, meine eigne Wohlfarth, ia selbst – was alles in sich fast, – theurer noch als der innigste Wunsch meiner Liebe seyn muß.

Miß Leon. Hab' ich Sie endlich entlarvt, unwürdiger Mann! Nur Reichthum, nur Ueberflus giebt also einen Anspruch auf Ihre Hand, auf ein öffentliches Geständnis Ihrer Liebe? Jene reinern Freuden ächter Zärtlichkeit, iener wonnevolle Himmel uneigennüzziger, wechselseitiger Triebe ist also nichts in Ihren Augen? Zu iener verächtlichen Klasse von Männern, die ihren Namen und ihre Hand nur zu verkaufen pflegen, gehört derienige, der so oft und heute noch mir die inbrünstigste Liebe zuschwur? – Heuchler, womit verdient' ich diesen Betrug? Und wozu solt' er Sie leiten? – Hinweg, daß ich gehe, und in der Einsamkeit Sie auf immer verabscheue!

Sir Heinr. (sie aufhaltend) Nicht selten ist der Fall, daß derienige Arzt, der eine bittre Arznei uns darreicht, statt des Dankes Schmähworte empfängt! Doch die Folgezeit vergütet alsdann das ihm geschehene Unrecht. – Ja, ia, schönste Leonore, ich kenne das Feuer ächter Liebe; noch mehr, ich fühl' es für Sie. Aber ich glaub' auch, in diesem Punkte meiner Erfahrung, meinem beobachtenden Blicke, den ich auf so manchen Bekanten schon richtete, trauen zu dürfen. Liebe trozt ieglichem Mangel; doch ehliche Verbindung fühlt ihn desto schmerzlicher. Der Mädchen, die in Gemächlichkeit und Ueberflus erzogen, beides für den Geliebten aufopferten, gab es schon viele; doch keine gab es noch, die nicht als Frau das dargebrachte Opfer bereute. Eben derienige, der einst ihr höchstes Entzücken ausmachte, ward erst ein Gegenstand ihres Kummers, dann des Ueberdrusses, und endlich wohl gar des Hasses.

Miß Leon. Vortreflich! Vortreflich! Unser Geschlecht also nur wär' es, dessen Unbestand Sie, mitleidiger Heinrich – –

Sir Heinr. O nein, das mänliche hat diesen Fehler nicht minder. Wenn die erste Blüte der Schönheit verwelkt, – wenn Mangel ihren Untergang beschleunigt, wenn darbende Kinder die gegenseitige Sorge mehren; – wenn man überlegt, was man war; sich vielleicht selbst mit dem täuscht, was man werden konte, und nicht ist; wenn iener feine weibliche Puz zur Nachläßigkeit und bloßen Bedürfnis übergeht; dann ist es leicht begreiflich, daß auch des Mannes erste Glut erkaltet. Und wenn sie sich erhält, wie schmerzlich, wie unerträglich muß es ihm fallen, eine Frau darben zu sehn, die er anbetet! Ja, beim Gedanken, der Mitschuldige Ihres Unglücks, schönste Leonore, zu seyn, wäre kein Laster so schwarz, kein Frevel so groß, durch den ich nicht der Armuth Troz zu bieten suchte.

Miß Leon. (bitter) Würklich! O freilich, eine Liebe wie die Ihrige –

Sir Heinr. Leonore, ich verdiene diesen Spott nicht! Wenn Sie wüsten, was ich aus Liebe zu Ihnen schon in den Wind schlug – wie gleichgültig ich schon eine Gelegenheit verschmähte, die Vermögen, schimmerndes Glück, eine üppige Freiheit, durch zwei oder drei mühsame Tage erkauft, kurz alles, was der Geiz sich wünscht, und der Eigennuz begehrt, mit Lächeln mir darbot! Wenn Sie wüßten – doch nein, ich schweige, und entferne mich.

Miß Leon. Bei Gott, das sollen Sie iezt nicht! – Sie mir etwas aufgeopfert? Elende Heuchelei! Unwahrheit, dessen würdig, der – aber sagen Sie heraus, frei heraus. Ich fodre Sie auf: ich brandmarke Sie mit dem Namen des Lügners, wenn Sie mir nicht beweisen, was Sie so eben von sich rühmten.

Sir Heinr. Und würden Sie mir geduldig zuhören; wenn meine Geschichte auch ein wenig umständlich würde?

Miß Leon. So umständlich, wie Sie wollen, nur wahr!

Sir Heinr. Auch dann, wenn weibliche Schaam, wenigstens iene von übertriebner Art, ein paar Kleinigkeiten des Erröthens würdig fände?

Miß Leon. (nach einer ganz kleinen Pause) Ein Umweg wahrscheinlich, um meiner Forderung zu entgehen! – Doch gewiß, hätt' ich noch mehr, als ich würklich that, erröthen sollen, als ich hier Sie zum Erstenmal sprach! Wohlan, ich bleibe dabei: reden Sie!

Sir Heinr. Ihre Hand drauf, daß Sie mich aushören.

Miß Leon. Mein Wort!

Sir Heinr. Sie kennen wahrscheinlich die ehmalige Lädi Warrings. Sie ward Witwe, als sie grade noch, wie man zu sagen pflegt, in ihren besten Jahren sich befand. Ihr erster Gemahl war schon alt. Dies, glaubte sie, sei Schuld, daß sie keine Erben habe. Die verläumderische große Welt wunderte sich demohngeachtet, weil es ihr nie an iüngern Liebhabern gemangelt haben solte. Nie war sie schön gewesen; doch eben so wenig konte man sie noch iezt für häßlich schelten. Verstand besaß sie hinlänglich, und Vermögen im Ueberflus. – Mein Vater, der sie schon unverheiratet gekant hatte, besaß auch iezt noch ihr Zutrauen in ziemlich hohen Grade; sie speiste oft in unserm Hause; ich erwies ihr alle Höflichkeit, die ihrem Stand und ihrem Geschlechte zukömt. Keine weitere Absicht fiel mir nur von weiten bei.

Miß Leon. (bitter) Was mich Wunder nimt! Ich gesteh' es!

Sir Heinr. (als hört er es nicht) Eines Abends ließ mein Vater mich auf sein Zimmer rufen. »Du weißt, sprach er, daß ich dich zärtlich liebe; daß ich dich gern, wenn es in meiner Wilkühr stände, zu meinem Erstgebornen erwählte, und auf dich mein ganzes Vermögen vererbte. Auch dann, da die Gesezze mir dies verbieten, hab' ich oft nachgedacht und nachgeforscht: Wie dieser Nachtheil dir vergütet werden könte? Ein günstiges Ohngefähr hat mehr gethan, als ich zu thun vermochte. Lädi Warrings entdekte mir heut, daß ein langer Witwenstand ihr lästig sei. Sie wünsche sich einen Gemahl, sagte sie, der iung, artig, wohlgebaut und dankbar gegen sie gesinnt sei, da sie sein ganzes Glück zu machen gedenke. Ich antwortete ihr lächelnd: daß ich ihr Morgen schon einen solchen Bräutigam zu senden gedenke. Sie verstand mich volkommen, und ich hoffe, auch du wirst mich verstehen; denn du warst es, auf den ich in diesem Augenblicke zielte.« – Meine Bestürzung bei diesem Schlus übersteigt alle Beschreibung. Schon glühte damals meine Seele für Sie, schönste Leonore. Noch hatt' ich mich zwar nicht Ihnen entdeckt. Noch glaubt' ich, daß auch kein Sterblicher nur ein Wort von meiner Neigung muthmaße; dennoch war ihr göttliches Bild mein Begleiter am Tage sowohl, als in mancher schlaflosen Nacht.

Miß Leon. Schauspieler! – Ich erlaß' Ihnen iede ähnliche Blume dieser Art.

Sir Heinr. (wie vorhin) Mit kindlicher Bescheidenheit, und doch auch zugleich mit mänlichen Ernst, widersprach ich daher ienem Vorschlag. Mein Vater blieb unbeweglich. Er stellte mir eine geraume Zeit die mannichfachen Vortheile, die aus dieser Verbindung entspringen konten, vor. Er bat mich, mein Glück nicht von mir zu stoßen. Er schilderte mir die Freiheit, in welcher ich nach einem kleinen Zwang, mich überall schadlos zu halten, befinden würde. Er ward ernster, als ich auf meiner Verweigrung beharrte; und schlos endlich mit der Versichrung: seine Liebe und seine Hand ganz von mir abzuziehn, wenn ich nicht, wie er es nante, klüger werden wolle. Diese lezte Drohung würkte allerdings auf mich. Aber ich hofte doch, auch ihn zu gewinnen, wenn ich vor der Hand nur Zeit gewinne. Ich bat daher um Frist zur Ueberlegung; ich erhielt sie, doch unter dem Bedingnis, daß ich mich morgen früh bei Lädi Warrings aufführen lasse. »Aus einer Laune, fügt er hinzu, woll' er nicht selbst, sondern ein andrer guter Freund von ihr und ihm, – den er mir nante – diese Mühwaltung übernehmen.« – Ich fand darinnen nichts bedenkliches; hofte vielmehr: die Lädi werde in Gegenwart eines Dritten mit einer bloßen unbedeutenden Höflichkeit zufrieden seyn, und war daher um so williger dazu. Auf diese Art schieden wir von einander. Die Nacht verging mir, der ich sie gröstentheils schlaflos zubrachte, langsam genug, und doch auch noch viel zu schnell; denn kaum war ich aufgestanden, so kam iener Freund mich abzuholen. Er scherzte, indem ich mich anzog, über den geringen Eifer, den er an mir, mein Glück zu machen, bemerke. Schaler, einsilbiger hab' ich vielleicht in meinem Leben nicht geantwortet. Wir gingen endlich. – »Milädi, hieß es, sei noch im Bette, doch wolle man uns melden.« Aus einer Bescheidenheit, die mehr eigennüzzig, als staatsklug war, erwiederte ich bereits: daß wir zu einer gelegenern Stunde wieder kommen wolten; als mein Begleiter, mit dem es schon abgekartet seyn mochte, mich rasch beim Arme ergrif, und ins Zimmer hinein zog. – Nichts von dem künstlichen Halbdunkel dieses Gemachs, von der Nettigkeit seiner Einrichtung, noch von dem Lager, worauf die Besizzerin desselben, dem Anscheine nach, noch ruhte! Aber indem mein treuloser Freund mich, wiewohl sanfter, bei der Hand zu halten fortfuhr, führte er mich nicht nur an das Bette der Dame, sondern auch im buchstäblichsten Verstande, in die Arme derselben. Denn, indem ich noch ein Paar Komplimente herzustammeln versuchte, hob er halbleis mit einer Hand die Decke des Bettes empor, und warf mit der andern mich selbst, der ich an einen solchen Streich mit keinem Gedanken dachte, drauf. – »Da ihr doch einmal bestimmt seid, rief er lachend, Mann und Frau zu werden; so wünsch' ich alles mögliche Glück dazu; und hoffe, daß ihr euch, auch ehe noch der Priester seine Schuldigkeit thut, die Zeit vertreiben werdet.« – Beim lezten Wort dieser schönen Rede, war er durch eine Seitenthüre verschwunden, und ließ mich in einer Verlegenheit ohne gleichem zurück.

Miß Leon. (wieder aufstehend) Genug, genug! Ich mag nichts weiter hören.

Sir Heinr. Ihr Versprechen, schöne Leonore! – Auch dürfte, was noch rückständig ist, bescheidner seyn, als Sie vermuthen. – Ich wolte wieder aufstehn; wolte unterm Vorwand der Bescheidenheit auf den unbesonnenen Streich meines Freundes schmälen, und die Dame selbst um Verzeihung bitten. Doch sie, nur noch durch eine feine leinene Decke von mir geschieden, umschlang mich hastig, drückte mich fest an ihren Busen, und rief: »Nein, lieber Heinrich, Sie dürfen mich nicht verlassen. Sie sind allerdings da, wo heftige Liebe sie erwartet, und heiße Zärtlichkeit auf Erwiederung hoft! Sind Sie denn so blöd' oder so kurzsichtig, nicht zu begreifen, daß mein Freund sich nie eine solche Freiheit herausgenommen haben würde, wär' ihn nicht schon meine Neigung zu Ihnen bekannt?« – Sah sich wohl iemals ein iunger Mann in einer Verlegenheit, wie die meinige war? Unendlich verliebt in das reizendste Mädchen von ganz Britannien, lag ich iezt in den Armen eines Weibes, für welche ich keinen Funken Neigung, wohl aber Abscheu fühlte! Lenorens Zauber-Schönheit mit diesen alternden Resten verglichen! Von ihr nur ein Wort, wie diese sie tausendfältig verlohr, und ich hätte Alciden geglichen! Aber hier – Nein, Tod und Leben kann in einem Sterbenden nie heftiger kämpfen, als iezt in mir Neigung und Widerwillen kämpften. – Zwar sucht' ich mich zu verstellen, so gut ich konte; vergalt ihre Küsse, ihre Umarmungen; heuchelte Entzücken über ihre Liebe, und verlebte so eine Stunde, die – im Fegfeuer selbst nicht schleichender verfließen kann! – Doch, da meine zärtliche Witwe sah, daß die Ehrerbietung, die ich annahm, durchaus nicht zur Kühnheit werden wolte; daß ich durchaus nicht mehr begehrte, als sie mir anbot, da glaubte sie endlich: mein ganzes Temperament sei aus Eis zusammengesezt; oder ich hegte – wie auch wahr war – eine Neigung für eine andre Person. Ihr vorheriger Wunsch, mich zu ehlichen, ging schnell in Kält' und Unwillen über! Indem sie mich aus ihren Armen loslies, und aufzustehen bat, klingelte sie ihrer Kammerfrau. »Wolte sie nicht, sprach sie höhnisch, eine Herzstärkung für diesen guten Sir Heinrich hohlen. Ich besorg', es droht ihm eine Ohnmacht!« – »Wie, wenn ich lieber dann einen Wundarzt zum Aderlassen hohlte!« erwiederte diese, Unverschämte; und ich – ich entfernte mich mit einer Verlegenheit, die noch weit größer, als iene beim Eintritt war. Als vollends mein Vater, noch an eben diesem Tage, von allem unterrichtet, mit Spott und Verweisen zugleich mich überhäufte; als er mir geradezu Schuld gab, daß die Neigung zu Ihnen, schönste Miß, diese seltsame Aufführung von mir verursacht habe –

Miß Leon. (ihn mit einiger Betretung unterbrechend) Die Neigung zu mir? Und woher wuste diese Ihr Vater? Woher kont' er sie zu einer Zeit wissen, wo sie mir selbst noch ein Geheimnis war?

Sir Heinr. Auch ich staunte nicht wenig! Doch ein Zettel von mir mit Ihrem Namen beschrieben, ein paar Zeilen, flüchtig hingeworfen, vom innigsten Gefühl mir abgedrungen, diese waren – der Himmel weiß wie! in seine Hände gekommen, und machte mir sogar das Leugnen unmöglich. Noch gelang es mir, ihn zu besänftigen; doch als mir kaum drei oder vier Wochen später Lädi Warrings ferneres Schicksal bekant ward; als ich an dem Betragen eines Andern sah, wie ich mein eigenes einzurichten vermocht hatte, da – ich gesteh' es! – ertrug ich die abermaligen Vorwürfe meines Vaters mit der heimlichen Ueberzeugung: sie wenigstens einigermaßen verdient zu haben. (er stockt absichtlich)

Miß Leon. Nun! das Schicksal der Lädi war – ?

Sir Heinr. Ganz, wie sie es verdiente! – Unwillig über meine Kälte, hatte sie nach Sir Harvillen ihr Nez ausgeworfen. Wahrscheinlich muste er gleiche Probe sich gefallen lassen; und ganz gewiß bestand er sie mit größrer Ehre. – Denn ehe noch acht Tage vergingen, waren sie Mann und Frau. Eine Woche später, und sie machte ihn durch eine förmliche, gerichtliche Schenkung zum unbeschränkten Herrn ihres ganzen Vermögens. Kaum war diese Urkunde gehörig unterzeichnet, so macht' er ihr eines Morgens eine tiefe Verbeugung, und bat sie, von nun an den Hinter-Flügel – seines Hauses zu beziehen, und nie ohne sein Vorwissen mehr auszufahren; oder auch, wenn ihr dies besser gefiele, ein eignes Quartier mit einer Rente von zweihundert Pfund iährlich, sich zu wählen. Vor allen Dingen aber ersuch' er sie, von Stund' an ihre Betten zu trennen, denn das bisherige Uebermaas habe ihn ganz der Ehre unwürdig gemacht, künftig noch den Schlafgenossen einer so feurigen Dame abzugeben. – Ihre Bestürzung, ihre Thränen, ihre Berufung auf alles das, was sie für ihn gethan habe, nichts rührte den schlauen und entschlosnen Glücksiäger. Bei einem Einkommen von mehr als viertausend Pfund Sterlings, genießt er nun eines sorgenfreien Looses, und selbst dieienigen, die heimlich in seinen Maasregeln etwas unedles finden, bezeugen ihn doch öffentlich, als einem Mann von Stand, Vermögen und Klugheit, ihre Achtung! – So, schönste Leonore, verlohr' ich, zwar nicht durch Ihre Schuld, doch warlich nur aus Liebe zu Ihnen, die sicherste Aussicht zum Glück, reizte den Zorn meines Vater, und würde denselben iezt durch eine öffentliche Bewerbung um Ihre Hand, – so neidenswerth auch dieser Besiz sonst wäre – gewiß noch stärker reizen! – (nach einer ganz kleinen Pause) Freilich, wenn Sie meinen Rath nicht verwürfen – –

Miß Leon. Er wird vortreflich seyn, das vermuth' ich.

Sir Heinr. Wenigstens weislich und liebevoll zugleich. Die Ehe galt von ieher für das Grab der Liebe. Nur freie Verbindungen dauern. Auch etwas Furcht und Scheu erhöht die Süßigkeit des Umgangs und des Genusses bis ins Unglaubliche! – Wenn Miß Leonore daher dem Sir Wendhall ihre Hand reichte, ihr Herz dem minder begüterten Heinrich Donbrow ließe; wenn man mit einiger Vorsicht der Liebe höchstes Glück –

Miß Leon. (voll edlen Unwillens aufspringend und sich losreißend) Und nun zum letztenmal, Sir Heinrich, sag' ich Ihnen: es ist genug! Mich sehen Sie hier nie wieder. Wer ie meine Hand empfangen soll, darüber kann ich iezt nicht, und vielleicht nie entscheiden; Doch daß ich einem Nichtswürdigen hiermit mein Herz auf ewig nehme, dessen bin ich gewiß, und frage nur dich, (mit bitterm Schmerz emporblickend) gütiger Himmel: womit verdient' ich die Schmach, ein so schändliches lastervolles Bestreben für reine Liebe zu halten!

(indem sie sich schnell entfernt.)


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