Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XXV.
Sie schwört bei iedem Schwur,
Den noch ein Mund gesprochen; –
Sie schwört bei allem dem,
Was ie ein Mann – gebrochen.

Alles bisherige war vorgefallen, ohne daß ein Kundschafter, sichtbarer oder unsichtbarer, dabei sich eingeschlichen hätte. Erst nach und nach, aus mancherlei Bruchstücken, muste ich mich im Verfolg davon unterrichten. – Doch da ich mit der Besizzerin des Hauses, wo Sir George eingemiethet hatte, bekant war, und da ich grade am Morgen nach Miß Jennys Ankunft dort etwas zu verrichten hatte, erzählte mir diese etwas schwazhafte Frau: daß sie iezt zwar alle ihre Zimmer um einen sehr guten Zins angebracht, dabei aber auch die Besorgniß habe: das Frauenzimmer, das ihr dieselben abgenommen, möge nicht viel besser, als eine Maitresse seyn. Denn Sir George Hesley habe die Lädi, für welche er das ganze obre Stockwerk besprochen, selbst gebracht; und habe auch für Bediente gesorgt, die eben so wenig wüßten: wen sie aufwarteten. Da überdies die Dame sehr iung und eine der schönsten Personen sei, die sie iemals gesehen, so wären eben diese Jugend und diese Reize unter der Aufsicht eines so muntern und so modischen Freundes, eine ziemlich verdächtige Waare.

Bekant mit Sir Georgens Karakter und mit dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, kont' ich selbst dieser guten Frau nicht sehr Unrecht geben; doch rieth ich ihr, niemanden vor genauerer Untersuchung von dieser Vermuthung etwas zu sagen, um sich nicht eine einträgliche Miethe zu verderben, und obendrein ihr Haus in unnöthigen Mißkredit zu bringen. Sie versprach mir, sich zu mäßigen, und ich verließ sie, dem Scheine nach, um nach Hause zu gehn, in der That aber, um die so gerühmte Schönheit näher zu betrachten, und ihre Schuld oder Unschuld zu ergründen. Sobald ich daher einen abgelegenen einsamen Winkel erreichte, legt' ich auch meinen wunderthätigen Gürtel an, und kehrte, von ihm geschüzt, in eben die Wohnung, die ich verlassen, zurück. Indem ich kaum zwei Minuten vor der Saalthür, bis sie aufgehen würde, gewartet hatte, kam Sir George die Stiegen herauf. Die Thüren eröfneten sich, ich folgte ihm, und gleich der erste Blick auf Miß Jenny überzeugte mich, daß die Wirthin von ihrer Schönheit nicht zu übertrieben gesprochen hatte. Sie ging mit einer zärtlichen, aber sittsamen Miene, mit einer sich gleichsam selbst zurückhaltenden Eilfertigkeit ihrem Geliebten entgegen, der sie voll Feuer umarmte und mit des Entzückens innigstem Tone ausrief:

Nun meine theuerste Jenny, steh' ich im Begrif, allen Zweifeln, die Sie noch gegen meine Liebe und meine Redlichkeit hegen, ein Ende zu machen.

Miß Jenny. (lächelnd) Ein Vorwurf, den ich warlich nicht verdiene! Würd' ich hier seyn, wenn ich auf diese beiden Stücke nicht ein so großes Zutrauen sezte? Ein Zutrauen, das mir vielleicht einigen Anspruch auf einen Mann ertheilt, der sonst in ieder Rücksicht mich so weit übertrift.

Sir George Sie übertreffen? O das können Könige nicht! Verständen sich Monarchen auf den wahren Werth der Dinge, sie würden um diese Hand werben; würden geehrt dadurch werden, und nicht Sie zu ehren glauben! Aber, meine Theure, darf ich nun auch wohl noch auf einen Beweis Ihrer Achtung rechnen?

Miß Jenny. Auf welchen? Ich würde mich glücklich schäzzen, wenn ich Sie durch irgend etwas noch stärker davon überzeugen könte.

Sir George. Sind Sie es zufrieden, daß unsre Heirath auf einige Zeit ein Geheimnis bleibt?

Miß Jenny. Versprach ich Ihnen dies nicht bereits?

Sir George. Allerdings! Doch nur so obenhin. – Nun, theuere Jenny, ist zwar das leiseste, das flüchtigste ihrer Worte mir heiliger, als eines Engels Wort. Aber verzeihen Sie, wenn ich diesem Herzen, eben weil es so himlisch rein und so weich geschaffen ist, in einem einzigen Punkte nicht ganz vertraue. Sie haben Schwestern, die Sie lieben; auch ich hege alles mögliche Zutrauen zu ihnen; aber ich wünschte doch nicht mein Geheimnis in so vieler Händen. Haben Sie, theuerste Miß, so viel Liebe für mich, so viel heldenmüthige Selbstverläugnung, daß Sie auch dann, wenn diese Ihnen Vorwürfe machen, und den Verdacht einer Schwäche von Ihnen hegen solten – daß Sie auch dann lieber diese Vorwürfe ertragen, als dasienige, was ich so gern noch eine Zeitlang verschwiegen hätte, Ihnen entdecken würden?

Miß Jenny. Die Probe ist ein wenig hart; aber, wie ich hoffe, soll sie nicht immer dauern?

Sir George. Nein, mein Engel, gewiß nicht! Ihre Unschuld soll offenbar werden; soll, der Sonne gleich, nach einer kurzen Verdunkelung, desto heller scheinen. Kann ich also darauf fußen, daß bis dahin der Name Mann und Frau ein Geheimnis, und nur unter und selbst verbleibe?

Miß Jenny. Ja, das soll er.

Sir George. Und Sie schwören es mir?

Miß Jenny. Bei allem, was heilig ist!

Sir George. Haben Sie auch den ganzen Umfang des Schwurs überlegt? An die Stelle Ihrer Schwestern können auch andre treten. Soll dann keine eingebildete Aufforderung von meiner Seite, keine ungerechte Verachtung, keine unverdiente Begegnung von andern Ihnen die Erklärung, daß Sie meine Gattin sind, eher, als ich es selbst erkläre, entreißen?

Miß Jenny. Keine Gewalt auf Erden! Ich rufe den Himmel zum Zeugen meines Schwurs, und seinen Unseegen zum Rächer an, wenn ich dies breche.

Sir George. Reizendste, Edelmüthigste deines Geschlechts, iezt erkenn' ich, daß mir das so seltne, so unsägliche Glück zum Theil ward, um meiner selbst willen geliebt zu werden. – Um aber Ihre Güte nicht zu misbrauchen, um nie in Ihrer Seele den Verdacht aufkommen zu lassen, als sucht' ich nur einer Untreue, einer Wankelmuth von mir leichtes Spiel zu verschaffen, so erklär' ich hiemit: daß, wenn ich ie einen niedrigen Gebrauch davon machen, ie zum Schein oder im Ernst um eine andre Hand mich bewerben könte, Sie dann ihres Eides quitt seyn sollen, daß Sie dann vortreten, sich meine Gemalin nennen, und mich mit Schande brandmarken dürfen.

Miß Jenny. Sei Gott vor, daß es ie dazu komme!

Sir George Auch ist hier keine Gefahr dazu. Schon hab' ich größre Anerbietungen ausgeschlagen, als mir ie wieder gemacht werden können. Ja, schönste Miß, ich will es Ihnen iezt freigestehen: Nie hat vielleicht ein Mann in der Welt einen größern Abscheu gegen Ehe, als ich, gehegt. Nie hat der bloße Name eines Ehemanns einem Ohre verhaßter geklungen. Auch würde, außer Ihnen, keine Ihres Geschlechts, mich damit auszusöhnen vermögen. Ihren Reizen, Ihrer Sanftheit, ihrer zwanglosen Bescheidenheit war es vorbehalten, meine ganze Seele umzuschmelzen. Durch sie werde ich almälig eben so stolz auf die Fesseln Himens werden, als ich bisher mich deren schämte.

Miß Jenny. Wenigstens soll all' mein Dichten und Trachten dahin abzwecken, sie Ihnen angenehm zu machen.

Sir George. Das weiß ich im Voraus schon. – Doch, meine Liebe, der Kutscher, der uns zur Kirche fahren soll, wartet bereits. Kommen Sie mit mir zu ienem feierlichen Schauplaz, wo dieienigen, die ihn in solcher Absicht betreten, ihr künftiges Glück oder Elend gründen.

Mit diesen Worten nahm er sie bei der Hand, und führte sie die Treppe hinab zum Wagen. Da ich dicht hinter ihm ging, hörte ich, daß er dem Kutscher nach Clerkenwell zu fahren befahl; und konte leicht erachten, daß er diese entlegne Kirche wähle, um von keinem seiner Bekanten gesehen zu werden. Damit ich mich überzeuge, ob es auch volkommen redlich dabei hergehe, folgt' ich ihm nach, und kam, wiewohl zu Fuße, noch Zeit genug, um mit anzusehn, wie Sir George Hesley seiner so hochgehaltnen Freiheit entsagte. Der Pfarrer des Kirchspiels verrichtete die Trauung, und der Küster vertrat, durch Uebergebung der Braut, die Stelle ihres Vaters. Als alles vorüber war, verlangte Sir Georg, daß die Handlung ins Kirchenbuch eingetragen, und Mistreß Jenny ein Certifikat darüber ausgefertigt werde. Beides geschah ohne Anstand.

Jezt verließ ich das neuverbundne Paar, um bei mir selbst die unerwarteten Begebenheiten, und die anscheinenden Widersprüche zu ordnen, deren Beobachter ich gewesen war. Daß Sir George so mancher höhern Aussicht eines zwar liebenswürdigen, aber armen Mädchens halber entsage; daß er eben diesem, durch seine Hand beglückten Mädchen, wieder bei weiten den grösten Theil des Glücks durch eine solche Einschränkung raube, und daß er gleichwohl selbst bei dieser heimlichen Trauung so redlich verfahre; Alles dies, und wozu es eigentlich führen solle, begrif ich nicht, und muste es am Ende nur der Zeit überlassen, dieses Geheimnis aufzulösen. Immer behielt ich indessen ein wachsames Auge auf Sir Georgens Betragen, und sah, daß es gegen das andre Geschlecht – unverändert das vorige bleibe. Er sezte an zehn Toiletten und zwanzig Abendgesellschaften seine Besuche fort. Ich fand ihn nie in einem strafbaren Umgange; aber er bemühte sich unablässig die Ruhe so manches Mädchen-Herzens zu stöhren. Nur die tiefe Eingezogenheit, in welcher die eigentliche Besizzerin seiner Hand und seiner Liebe sich befand, konte sie noch vor mancher peinlichen Unruhe schüzzen. Daß aber selbst in dieser Eingezogenheit ihr Zustand nicht lange beneidenswürdig blieb, davon ward ich leider nur zu unwidersprechlich überführt.


 << zurück weiter >>