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3. Ein Westmannsstreich

Es traf sich günstig, daß unser Weg uns ausgerechnet nach Trinidad führte. Zwar hätte ich unter keinen Umständen Amerika verlassen, ohne diese Stadt berührt zu haben, aber höchstwahrscheinlich hätte ich mein Vorhaben erst viel später, vielleicht erst kurz vor der Heimreise ausführen können. Ursprünglich war es ja meine Absicht gewesen, von Kansas City gradeswegs südwestlich nach dem Nugget Tsil zu gehn. Der Bogen hinüber nach Trinidad in Colorado verlängerte unsern Weg um das Doppelte. Aber es durfte mir darauf nicht ankommen, da es galt, die Teufelskanzel zu finden und die Gegner der Apatschen dort aufzuspüren, um hinter ihre heimtückischen Pläne zu kommen. Glücklicherweise war unsre Zeit nicht knapp bemessen, so daß wir uns solche Abstecher leisten konnten, ohne befürchten zu müssen, wir könnten zu spät am Mount Winnetou eintreffen.

Ich sage, es traf sich günstig. Und damit hatte es folgende Bewandtnis:

In diesem Trinidad wohnten nämlich zwei alte, gute Bekannte von mir, einst sehr brauchbare Präriejäger, jetzt aber Besitzer eines sogenannten Hotels, und zwar desselben, das die beiden Brüder Enters als Treffpunkt bestimmt hatten, des ›Hotels zum Wilden Westen‹, Sie hatten, als sie sich ›zur Ruhe setzten‹, über ein auch nach amerikanischen Begriffen nicht unbedeutendes Vermögen verfügt. Aber es war ihnen so gegangen wie dem ›Hans im Glück‹ des deutschen Märchens. Zu sehr an Tätigkeit gewöhnt, hatten sie es vorgezogen, anstatt ruhig die Zinsen ihres Vermögens zu verzehren, ihr Geld in verschiedne Unternehmungen zu stecken. Und da sie zeitlebens besser mit Biberfellen und Büffelhäuten, mit Bowiekneif und Büchse umzugehn gewußt hatten als mit der Rechentafel, so war ihr Geld immer weniger geworden, bis sie schließlich als Besitzer eines sogenannten Hotels landeten.

Das war die letzte Nachricht gewesen, die ich von den beiden erhalten hatte. Und die Namen der zwei, mit denen ich so manchen Ritt unternommen und so manchen gemeinsamen Strauß ausgefochten hatte? Sie waren in den Savannen und in den Felsenbergen bekannt, ja berühmt unter dem Namen ... doch ob sie so oder anders heißen, das bleibt sich gleich, wenn nur der Leser ihre Namen am rechten Ort erfährt.

Die Fahrt war endlos lang und bot uns nichts, was hier erwähnt zu werden verdiente. In bester Verfassung kamen wir in Trinidad an und ließen uns mit unsern zwei Koffern nach dem ›Hotel zum Wilden Westen‹ bringen.

Ich hatte Klara darauf aufmerksam gemacht, daß wir von dem Augenblick an, da wir in Trinidad den Eisenbahnwagen, verlassen würden, für längere Zeit auf einen nicht unbeträchtlichen Teil aller Bequemlichkeit verzichten müßten. Es stellte sich heraus, daß ich sehr recht gehabt hatte. Trinidad sah zwar keineswegs mehr so aus wie damals, als ich es zum erstenmal so grad zwischen Prärie und Gebirge liegen sah, aber zu wünschen gab es doch noch sehr vieles.

Das ›Hotel zum Wilden Westen‹ verdiente nicht, Hotel genannt zu werden. Ein deutscher Dorfgasthof pflegt einladender auf Gäste zu wirken. Ein hungrig aussehender Kellner wies uns zwei nebeneinander liegende Stuben an, die zwar klein und ärmlich ausgestattet, aber sauber waren. Diese sogenannten Zimmer hatten, wie man besonders hervorhob, den großen Vorzug, daß ihre beiden Fenster hinaus nach dem ›Garten‹ gingen. Als wir nach diesem Garten Ausschau hielten, erblickten wir ein von halb verfallnen Mauern eingefaßtes Viereck, auf dem sich folgende Gegenstände bemerkbar machten: zwei alte Tische mit je drei noch ältern Stühlen; ein fast blätterloser Baum, der sich die größte Mühe gab, entweder eine Linde oder eine Pappel zu sein; vier Sträucher, die mir völlig unbekannt waren, zumal sie ihre eignen Namen wahrscheinlich selber nicht wußten; zuletzt einige Dutzend Grashalme, denen man wohl schon seit Jahren vergeblich zugemutet hatte, irgendeine Art von Rasen zu bilden.

An dem einen Tisch saßen zwei Männer scheinbar gelangweilt beisammen. Der eine war klein und dick, der andre lang und dünn. Der Kleine hatte ein Bierglas in der Hand; aber er trank nicht, denn es war leer. Der Lange hatte eine Zigarre in der Hand; aber er rauchte nicht, denn sie brannte nicht mehr. Beide sahen nicht sehr glücklich aus und machten den Eindruck, als ob sie einander feind seien. Aber das schien nur so; wer sie näher kannte, der wußte, daß sie stets ein Herz und eine Seele waren, wenn sie sich auch oft genug scherzhafterweise in den Haaren lagen.

»Du«, sagte meine Frau und faßte mich am Arm. »Da sind sie ja. Genau so, wie ich sie mir vorgestellt habe; nur scheinen sie alt geworden zu sein.«

»Ja, sie sind alt geworden, alt und grau. Sehn aber noch ziemlich kräftig aus. Paß mal auf! Ich bringe sie in Trab, aber wie! Nur laß dich nicht blicken!«

Ich näherte mich dem Fenster noch mehr, doch so, daß ich im Schutz der Wand verblieb, steckte den Zeigefinger in den Mund und ahmte das gellende Kriegsgeschrei der Sioux nach. Die Wirkung war verblüffend. Beide schnellten augenblicklich von ihren Stühlen auf, und der Kleine, Dicke rief:

»Hallo, hallo, die Sioux kommen, die Sioux!«

Beide schauten sich nach allen Seiten um, und weil sie keinen Menschen entdeckten, sahen sie sich gegenseitig an.

»Die Sioux?« fragte der Lange, Dünne. »Möchte doch wissen, woher die kommen sollten, mitten in der Stadt! Und so viele Tagreisen von der Gegend entfernt, wo es noch welche gibt!«

»Ob Sioux oder nicht, das bleibt sich gleich, aber es war einer.«

»Unsinn!«

»Oho! Ich mache keinen Unsinn. Ich weiß sogar, daß es ein Sioux-Ogellallah war.«

»Laß dich nicht auslachen, Dick! Wenn so ein –«

Er sprach nicht weiter, denn ich ließ das Geheul zum zweitenmal ertönen.

»Na horch! Wenn das kein wirklicher Ogellallah war, so soll man mir am Marterpfahl die Haut in Riemen vom Leib schneiden!« trumpfte der Dicke auf.

»So sag mir doch, wo er steckt!«

»Weiß ich es? Das Geheul kam, wie es scheint, von oben, hoch über uns.«

»Ja, von unten, tief unter uns, kann es nicht gut kommen, das ist sehr richtig! Es ist ein Schabernack, weiter nichts!«

»Ob Schabernack oder nicht, das bleibt sich gleich. Aber wenn es kein Kriegsruf ist, so ist es ein Zeichen.«

Ich wiederholte den Schrei noch einmal.

»Hörst du, Pitt Holbers, altes Coon? Das ist kein alberner Scherz. Der Mann ist entweder wirklich ein Sioux-Ogellallah oder ein alter Westläufer unsres Schlags, der uns hier sitzen sah und uns sagen will, daß –«

Er wurde unterbrochen, denn von der Hintertür des Hauses her ertönte eine Frauenstimme:

»Schnell herein! Ich weiß nicht, was ich kochen soll.«

»Kochen? Man will nicht bloß trinken?« fragte Dick Hammerdull erstaunt.

»Nein! Auch essen! Und außerdem noch wohnen!«

»So ist ein Fremder da?«

»Sogar zwei!«

» Good-lack! Endlich wieder einmal! Wo sind sie denn?«

»In Nummer drei und vier! Ein Ehepaar!«

Da fiel Dick schnell ein: »Nummer drei und vier? Die liegen nach hinten. Die Fenster stehn offen. Jetzt weiß ich, wo geheult worden ist.«

» Nonsense!« widersprach der Lange. »Seit wann hört man denn Ehepaare heulen?«

»Ob heulen oder nicht, das bleibt sich gleich. Aber hier hat natürlich nicht die Frau geheult, sondern der Mann. Er ist ein Kamerad von uns. Dabei muß es bleiben, oder man soll mich teeren, federn, lynchen und –«

»So kommt doch nur endlich herein!« wurde er von der weiblichen Stimme unterbrochen. »Die Fremden wollen essen, und ich habe doch kein Fleisch und auch kein Geld.«

Wortlos verschwanden die beiden unten im Haus. Das Herzle aber sagte lachend:

»Du, da sind wir in eine glänzende Wirtschaft geraten. Deine beiden Freunde sind aber keine üblen Kerle. Sie beginnen schon jetzt, mir zu gefallen, und ich –«

Da klopfte es laut an die Tür.

»Herein!« rief sie, sich selber unterbrechend.

Und wer trat herein? Natürlich Dick Hammerdull und Pitt Holbers, die schon vor Jahren unter dem Namen ›die verkehrten Toasts‹ an allen Lagerfeuern der Savanne und des Felsengebirges von sich sprechen gemacht hatten.

Die Zeit war nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. Zwar war ihre Haltung noch so ungebeugt wie damals, als wir in Begleitung Winnetous und Old Surehands dem ›General‹ nachjagten Ges. Werke, Bd. 15 ›Old Surehand‹ II. Doch in das dicke und volle Gesicht Hammerdulls hatten sich unzählige Fältchen geschlichen, und der lange Pitt schien noch schmächtiger und hagerer geworden zu sein. Aber noch lugte aus dem Auge Dicks der frühere Schalk, und das ›alte Coon‹ sah mit Blicken in die Welt, als ob es die Siebzig gar nicht fühle, die es bereits überschritten hatte.

»Verzeihung!« entschuldigte sich Dick. »Wir hörten da unten den Kriegsschrei der Sioux-Ogellallah und wollten – und da dachten – und da schien es mir – und – und – Mr. Shatterhand, Mr. Shatterhand – halloo, welcome, welcome!«

Er hatte seine Rede fließend begonnen, dann aber, als er mich erblickte, gestockt und wieder gestockt, bis er mich erkannte und jubelnd auf mich losstürzte. Er breitete die Arme aus, als wollte er mich an seine Brust drücken, besann sich aber, daß dies doch nicht angängig sei, und faßte nur meine Hände. Die aber drückte er in einem fort und erging sich dabei in allen möglichen Ausrufen der aufrichtigsten Freude, die kein Ende genommen hätten, wenn ihn nicht eine Hand entschieden auf die Seite geschoben hätte.

Stop, Dick, ich bin auch noch da! Heigh-day, Mr. Shatterhand, ist das eine Freude und ein Gaudium, Euch in diesem old country wiederzusehn! Meiner Mutter Sohn möchte weinen vor Freude, wenn sich das für so einen alten Knaben schickte.«

Damit war seinen Gefühlen Genüge getan, und er trat zurück, nachdem er mir beide Hände herzlich geschüttelt hatte. Pitt Holbers war ein schweigsamer Mensch, fast hätte man ihn einen Sonderling nennen können, und ich wußte daher, daß seine Empfindung so echt war, als ob er mir die längste Rede gehalten hätte. Klara traten vor Rührung die Tränen in die Augen, und auch ich mußte mich zusammennehmen, ruhig zu scheinen.

»Ob es sich schickt oder nicht, das bleibt sich gleich«, meldete sich Dick wieder zum Wort, »wenn es nur aufrichtig gemeint ist. Nicht wahr, Ihr habt das Kriegsgeschrei ausgestoßen, Mr. Shatterhand?«

»Ja, ich war es«, gab ich zu.

»Wußte es. Das konnte nur so einer sein wie Ihr.«

»Ja, nur ich«, lachte ich. »Nicht aber hier meine Frau, wie Ihr so scharfsinnig zu Euerm Freund sagtet.«

»Eure Frau? 's death – Tod und Teufel – bitte tausendmal um Entschuldigung«, verbesserte sich der Kleine, indem er sich auf den Mund schlug, »da habe ich ganz vergessen, meinen Kratzfuß zu machen. Es ist doch in jeder Prärie und in jeder Savanne gute Sitte, daß man zuerst die Frau und dann den Mann begrüßt. Verzeihung! Ich hole das hiermit nach. Pitt Holbers, altes Coon, zeig, daß du zuweilen ein Gentleman sein kannst, wenn du willst.«

Er versuchte, eine sehr untertänige und vornehme Verbeugung zu machen, und auch Pitt zog mit seinen unendlichen Beinen einen Kratzfuß. Dann wollte Dick sofort meine Schicksale erfahren und mir ebenso die seinen und die seines unzertrennlichen Freundes erzählen. Darauf ging ich indes nicht ein, denn man muß zu solchen Dingen die nötige Zeit und auch die richtige Stimmung haben. Ich lud sie ein, mit uns zu speisen, und bat sie, unten zu sagen, daß wir in etwa einer Stunde im Garten zu essen wünschten.

»Bis dahin«, schloß ich, »werde ich mit meiner Frau einen Spaziergang unternehmen, damit sie die Stadt kennenlernt, wo zwei meiner alten Kameraden dieses schöne Hotel besitzen.«

»Hm«, brummte Dick, »ob wir die Besitzer sind oder nicht, das bleibt sich gleich. Jedenfalls werden wir es nicht mehr lang sein. Glaubst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Wenn du meinst, daß wir auf dem Hund sind, so hast du allerdings recht, lieber Dick.«

Diese unverblümte Antwort schien Dick freilich nicht erwartet zu haben. Er warf einen unsichern Blick auf meine Frau und knurrte dann:

»Auf dem Hund sind wir deswegen noch lange nicht, das laß dir gesagt sein! Dick Hammerdull und auf dem Hund! Lächerlich! Einfach eine ganz unmögliche Vorstellung! Bei dir freilich ist es etwas andres. Wenn ich dich verlassen hätte, so möchte ich wissen, was aus dir geworden wäre.«

»Hör auf, Dicker, und spreiz dich nicht wie ein Truthahn! Wenn ich so dumm gewesen bin und meine Hälfte verschlampt habe, so bist du mit der deinigen um keinen Deut klüger umgegangen.«

»Ob klüger oder nicht, das bleibt sich gleich, wenn du dir nur nicht einbildest, gescheiter zu sein als ich. Das bitte ich mir aus!«

»Und ich bitte mir aus«, unterbrach ich den Streit der beiden, »daß keiner verrät, wer ich bin und daß –«

»Schade! Jammerschade!« fiel Dick ein. »Und ich wollte überall erzählen, daß Old Shatterhand bei uns –«

»Das laßt Euch ja nicht einfallen! Ich habe meine guten Gründe, mich nicht zu erkennen zu geben. Ihr mögt meinetwegen sagen, daß ich ein alter Westmann bin, aber sonst nichts. Ich heiße jetzt Burton, und ihr beide seid viel berühmtere Westmänner gewesen als ich. Verstanden?«

»Ob Westmänner oder nicht, das bleibt sich gleich. Aber wenn Ihr nicht Old Shatterhand sein wollt, so halte ich am besten überhaupt den Schnabel. Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Wenn du denkst, es steht dir gut an, daß du den Schnabel hältst, so habe ich nichts dagegen, lieber Dick«, erwiderte der Lange liebenswürdig.

» 's death! Mit dem Schnabelhalten meinte ich doch nicht mich allein, sondern uns beide.«

»Mit welchem Recht? Wer erlaubt dir, ein Gesicht, das gar nicht dir gehört, mit einem Schnabel zu zieren? Ich nicht.«

So waren sie. Und so waren sie immer gewesen. Sie konnten keinen Augenblick ohne einander sein und ließen doch keine Gelegenheit vorüber, sich gegenseitig auf mehr oder weniger harmlose Weise zu necken und zu ärgern. –

Meine Frau und ich unternahmen den beabsichtigten Rundgang durch die Stadt, von dem wir pünktlich zur angegebnen Zeit zurückkehrten. Wir gingen zunächst auf unsre Zimmer. Von dort aus sahen wir, daß neue Gäste gekommen waren, etwa ein halbes Dutzend junger Menschen, die auch im ›Garten‹ essen wollten. Es war aber zunächst nur für uns gedeckt. Den Burschen dagegen hatte man lediglich eine Art von Tafel mit Stühlen herausgestellt. Da saßen sie nun vor einer Flasche Brandy und vollführten einen Heidenlärm, weil das einzige weiße Tuch, worüber das Hotel verfügte, über unsern Tisch gebreitet war. Auch verlangten sie das für uns eben fertiggewordne Essen. Sie hatten Dick Hammerdull und Pitt Holbers genötigt, sich zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu trinken, und die beiden waren so klug gewesen, sich ihnen nicht zu widersetzen. Nun schrien sie alle auf die beiden ein, in der offenkundigen Absicht, sie zu foppen. Die Wirte aber zeigten sich dabei so ruhig und unberührt, wie es ihnen als alten Waldläufern gebührte. Der von den Burschen, der das größte Wort führte, hieß, wie wir später erfuhren, Howe. Eben als wir in unsre Räume, deren Fenster noch offenstanden, getreten waren, hörten wir ihn sagen:

»Wer ist denn eigentlich dieser Mr. Burton, der das alles vor uns voraushaben soll?«

Hammerdull warf einen Blick nach unsern Fenstern. Er sah mich stehn. Ein pfiffiges Lächeln glitt über seine Züge.

»Er ist Musikant.«

»Musikant? Was soll das heißen?«

»Er bläst die Ziehharmonika, und seine Frau spielt die Gitarre dazu.«

»Bläst – bläst die Ziehharmonika! Warum bläst da seine Frau nicht auch die Gitarre?«

Ein johlendes Gelächter belohnte diesen billigen Witz.

»Warum redet er so dumm?« zürnte meine Frau.

»Laß ihn!« bat ich. »Er hat seine Absicht. Ich vermute, es entspinnt sich da unten eine jener Szenen, woran der Westmann immer seine Freude hat, nämlich die Zurechtweisung von Menschen, die ihn für albern oder sonstwie minderwertig halten.«

»Sind diese Menschen etwa Rowdies?«

»Ich glaube nicht, aber sie gebärden sich so. Deshalb nützt ihnen eine gute Lehre noch viel mehr, als wenn sie wirklich welche wären. Ich denke – ah, diese Pferde! Die scheinen ihnen zu gehören.«

»Taugen die Tiere etwas?«

Ich zögerte, zu antworten, weil meine Aufmerksamkeit jetzt ausschließlich auf die Pferde gerichtet war, denen diese Frage galt. An der hinteren Gartenmauer öffnete sich eben eine Tür nach einem von Gebäuden freien Ödland, das vorhin bei unsrer Ankunft vollständig leer gewesen war; jetzt aber gab es dort einige Peone Diener, Pferdeknechte, die beschäftigt waren, ein Zelt zu errichten. In ihrer Nähe bewegten sich zwei Gruppen von Pferden, die meine Blicke sogleich lebhaft fesselten. Die eine Gruppe bestand aus neun Pferden und vier Maultieren. Die Pferde waren das, was man guten Schlag nennt, nicht mehr; die Maultiere stammten jedenfalls aus Mexiko und gehörten jener vorzüglichen Züchtung an, die man dort mit dem Wort Nobiliario Adelig bezeichnet. Ihr Preis betrug selbst unter Brüdern wenigstens tausend Mark jedes Stück. Die andre Gruppe zählte nur drei Pferde, aber was für welche! Es waren Fliegenschimmel, doch nicht etwa schwarz und weiß, sondern schwarz und rotbraun gefleckt, eine ganz einzige, höchst vornehme Farbe, die nur durch lange, mühevolle Zucht zu erreichen ist. Körperbau, Haltung und Gebaren der Tiere erinnerten mich an die berühmten Rapphengste meines Winnetou, zugleich aber auch an jene ausdauernden Takota-Traber, die es jetzt nicht mehr gibt. Sie wurden von einigen nördlichen Indianerstämmen gezüchtet und erreichten durch ihre ununterbrochne Stetigkeit mehr als selbst der beste Renner.

So viel erkannte ich jetzt, einstweilen, denn um Gewisses behaupten zu können, mußte man sie in der Nähe betrachten. Wer daß diese drei Fliegenschimmel besten Bluts waren, ergab sich auch schon daraus, daß sie sich abgesondert hielten und zärtlich miteinander waren. Sie leckten und liebkosten sich gegenseitig; sie jagten einander hin und her und schmiegten sich dann wieder so eng zusammen, daß man sie für Geschwister oder doch für nahgeborene Gespielen halten mußte, die noch nie voneinander getrennt worden waren.

In der Nähe des Zelts lag ein Haufen von Decken und andern Reise- und Lagergegenständen, sowie zahlreiche Sättel; wohl mehr als zwanzig Stück. Es waren auch einige Damensättel darunter. Wozu? Gehörten zu den sechs überlauten, jungen Männern vielleicht auch einige Frauen, die man jetzt noch nicht sah? Und zählte die Gesellschaft soviel Personen, wie Sättel vorhanden waren, also reichlich zwanzig? Bis jetzt sah man nur die Sechs und die drei Peone. Jedenfalls hatte ich mich vorhin nicht geirrt, als ich annahm, daß diese Leute keine Rowdies seien; aber so ziemlich aus dem Häuschen waren sie jedenfalls, und wahre Bildung besaßen sie nicht; das bewiesen sie durch die Art und Weise, wie sie die beiden Wirte und hierauf auch uns selber zu behandeln wagten. Sie konnten auch noch etwas Schlimmeres als Rowdies sein! Ich nahm meine beiden Revolver aus dem Koffer, lud sie und steckte sie zu mir.

»Du willst schießen?« fragte meine Frau.

»Ich muß mich auf alles vorbereiten.«

Klara wurde merklich unruhig. Jetzt zeigte es sich, daß es vielleicht doch ein Wagnis gewesen war, sie den Gefahren einer solchen Reise auszusetzen.

»Wollen wir nicht lieber oben essen?« meinte sie.

»Sollen wir uns feig verkriechen?« hielt ich dagegen.

»Nein!« sagte sie entschlossen. »Komm!«

Wir gingen hinab und setzten uns kurzerhand an unsern Tisch. An der Tafel neben uns wurde es still. Man betrachtete uns; man schätzte uns ab. Dick Hammerdull und Pitt Holbers standen drüben von ihren Plätzen auf und kamen herüber zu uns, weil wir sie ja eingeladen hatten, mit uns zu essen. Da steckten die Burschen die Köpfe zusammen, und aus der Art und Weise, wie sie miteinander sprachen, war zu ersehn, daß es sich um irgendeinen Streich handelte, der uns betraf.

»Sie sind Künstler«, sagte Dick, indem er sich bei uns niedersetzte und unauffällig zu jenen hinüberdeutete.

»Welcher Art?« fragte ich.

»Maler und Bildhauer. Sie wollen nach dem Süden, zu den Apatschen, sagen sie.«

»Ah! Was wollen sie dort?«

»Weiß es nicht. Sie sagten mir nichts. Schließe es nur aus ihren Worten. Scheinen eingeladen zu sein und wollen schon morgen früh wieder fort. Schätze, sie haben tausend Teufel im Leib. Keiner von ihnen ist dreißig Jahre alt. Grüne Jungens! Tun aber, als ob sie die Gescheitheit gleich mit Löffeln gegessen hätten. Habt Ihr gehört, was wir sprachen?«

»Ja.«

»War es in Euerm Sinn?«

»Bin's zufrieden. Was diese Leute von mir denken, ist gleichgültig.«

»Ob gleichgültig oder nicht, das bleibt sich gleich, aber sie ärgern sich über euch. Ahne irgendeine Teufelei.«

»Mögen sie kommen!«

Kaum hatte ich das gesagt, so gingen die Worte in Erfüllung. Howe stand auf und kam langsam zu uns herüber.

»Es geht los!« warnte Dick.

»Ist mir nur lieb«, antwortete ich. »Laßt mich nur machen und redet mir nicht drein!«

Inzwischen hatte Howe uns erreicht und machte mir eine spöttische Verbeugung.

»Mr. Burton, wenn ich mich nicht irre?«

»Ja«, nickte ich.

»Ihr blast die Harmonika? Und Eure Frau spielt auf der Gitarre?«

»Gewiß. Wünscht Ihr vielleicht, sie zu hören?«

»Jetzt noch nicht, vielleicht aber später. Jetzt brauchen wir erst das.«

Er zog uns das weiße Tuch vom Tisch, trug es fort und breitete es drüben auf die Tafel.

»Das ist niederträchtig!« zürnte der Dicke.

»Nur ruhig bleiben!« sagte ich. »Wir lassen sie zunächst gewähren.«

Ich hätte die Unverschämtheiten dieser Burschen ganz einfach mit einer Ohrfeige beantworten können. Ich konnte ihnen sagen, ich sei Old Shatterhand. Aber das wollte ich nicht. Meine Absicht war es, sie empfindlicher zu treffen.

Da erschien unser Kellner, um uns zu bedienen. Er legte vorerst die Teller und Bestecke auf. Kaum hatte er den Rücken gewendet, so kam Howe, nahm uns diese Sachen weg und trug sie hinüber. Hierauf brachte der Kellner die Suppe. Er sah, was hier geschah, blieb aber still und stellte die Schüssel zu uns auf den Tisch. Sofort wurde sie hinübergeholt und geleert. Dann brachte man sie uns wieder herüber. So ging es auch mit den übrigen Speisen, sogar noch mit den Früchten. Die vollen Teller, Schüsseln und Schalen wurden uns genommen, und geleert brachte man sie uns wieder.

»Das sind keine Nigger!« sagte Dick. »Das sind auch keine Indsmen! Sondern das sind Weiße! Was sagt Ihr dazu, Sir?«

»Werdet's bald hören«, antwortete ich.

»Ich bestelle sofort andres Essen für uns!«

»Nein, jetzt noch nicht. Erst muß diese Posse hier zu Ende gespielt sein. Wann werden diese Gentlemen ihr Essen bekommen?«

»Das kann wohl noch sehr lange dauern. Meine alte, gute Köchin nimmt sich gewaltig Zeit. Bevor die eine junge Henne gerupft hat, vergeht eine kleine Ewigkeit, denn sie holt jedes Federchen einzeln heraus. Die Bande hat sich nämlich Hühnersuppe bestellt; es gab aber nur noch eine alte, sechsjährige Henne. Bis die zugerichtet ist, können, wenn ich mich nicht ganz und gar verrechne, fünf bis sechs Stunden vergehn. Nun fragt Euch selber, wann diese ›Gentlemen‹ ihr Essen bekommen!«

»Vortrefflich! Was meinst du, Herzle, ob wir den Herren ein bißchen Tafelmusik dazu liefern?«

Sie sah mich unsicher forschend an.

»Du hast vorhin ein wenig Angst gezeigt vor den Instrumenten, die ich spielen will«, lächelte ich.

Diese Äußerung ging ihr offenbar gegen die Ehre. Sie nahm sich zusammen.

»Ach so, die Revolver!« Das klang wirklich geringschätzig. »Meinetwegen!«

»Du sollst ja nicht selber mittun«, wehrte ich vorsichtshalber noch ab. »Das sind Dinge, die Männer am besten selber erledigen. Paß auf, der Tanz beginnt!«

Howe kam jetzt wieder zu uns herüber und stellte sich mit gespreizten Beinen vor uns hin.

»Ich komme mit einer Bitte. Wir sind Maler. Wir wünschen Mrs. und Mr. Burton zu zeichnen, auch Mr. Hammerdull und Mr. Holbers mit. Werdet Ihr uns das erlauben?«

»Gern. Ich mache nur eine einzige Bedingung.«

»Welche?«

»Daß wir so bleiben können, wie wir jetzt sitzen.«

» Well! Wollten euch zwar lieber in andrer Stellung haben, geben uns jedoch auch hiermit zufrieden. Aber sitzt so, daß ihr euch so wenig wie möglich bewegt, sonst wird nichts Künstlerisches fertig! Es kann beginnen!«

Sie zogen Papier und Bleistifte aus den Taschen und begannen zu zeichnen. Da sahen wir jemand von weit draußen her nach dem Ödplatz kommen. Er war indianisch gekleidet und trug auf dem Rücken eine in Leder gebundene Last, die nicht leicht zu sein schien. Er ging gebückt und langsamen Schritts. Offenbar war er außerordentlich ermüdet. Bei den Pferden blieb er stehn und betrachtete sie. Dann ging er weiter. Als er so nahe gekommen war, daß sein Gesicht uns deutlich wurde, sahen wir, daß er vielleicht zwei- oder dreiundzwanzig Jahre zählte. Seine Züge waren angenehm. Er trug sein Haar, ganz wie einst Winnetou, in einem Schopf gebunden und ließ es dann weit über den Rücken herunterhängen. Er schien die Örtlichkeit zu kennen, denn er kam grad auf die Tür zu, die von draußen herein in den ›Garten‹ führte.

» Egad, er ists!« sagte Hammerdull. »Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Wenn du denkst, daß es der junge Indianer von damals ist, so gebe ich dir recht.«

»Aha, Ihr kennt ihn?« fragte ich.

»Es ist der Junge Adler. Er kam vor nun vier Jahren vom Gebirge herab, zu Fuß, genau wie heut. Er blieb zwei Tage bei uns, um sich auszuruhen. Außer dem Anzug, den er trug, hatte er noch einen neuen, bessern mit. Den gab er uns, als er ging, in Aufbewahrung. Er sagte, wenn er nicht sterbe, werde er in einigen Jahren wiederkommen, um ihn abzuholen. Er hatte kein Geld bei sich, sondern Nuggets; etwa für drei- bis vierhundert Dollar. – O weh, sieht er matt und angegriffen aus!«

»Er hat Hunger!« fügte ich hinzu. »Man merkt es ihm an.«

»Ja«, nickte Klara, »er ist ganz erschöpft! Er soll mit uns essen! Ich sage es ihm. Holt schnell noch einen Stuhl heraus, Mr. Hammerdull!«

Der Dicke eilte fort, um diesen Wunsch zu erfüllen. Meine Frau stand auf, ging zur Tür, auf die der junge Indsman zugeschritten kam, öffnete sie, führte ihn nach unserm Tisch und bat ihn, unser Gast zu sein. Und da brachte Dick auch schon den Stuhl. So ermüdet der Indianer war, er blieb noch stehn und richtete seine großen, dunklen Augen auf das Gesicht derjenigen, die sich seiner in so rührender Weise annahm.

»Ganz wie man mir Nscho-tschi geschildert hat, die stets Erbarmen war!« sagte er; dann sank er auf den Sitz und schloß die Augen.

Er war so ermattet, daß er nicht daran gedacht hatte, die Last, die er trug, erst abzulegen. Wir nahmen sie ihm vom Rücken, indem wir die Riemen lösten. Es war ein langer, schwerer, in festes Leder gebundner Pack, dessen Gewicht wohl zwischen dreißig und vierzig Kilo betrug. Das mußte Eisen sein. Wir legten diese Last neben dem Stuhl zur Erde nieder. Hammerdull ging zur Tafel der jungen Leute hinüber und erbat sich rasch ein Glas Brandy.

»Für wen?« fragte Howe.

»Für den ermatteten Indianer dort!«

»Der Brandy ist nicht für Rote, sondern für Weiße. Schert Euch!«

Wütend über diese Gemütsroheit, kehrte der alte Westmann an unsern Tisch zurück. Ich beruhigte ihn.

»Ärgert Euch nicht! Sie werden es uns bezahlen. Lauft in die Küche und holt einen Teller Suppe, mögt Ihr sie hernehmen, woher Ihr wollt! Das ist besser als all Euer Brandy!«

Eilfertig lief Dick ins Haus. Der Indianer hatte meine Worte gehört. Er hielt zwar die Augen noch geschlossen, aber er sagte leise:

»Nicht Brandy! Niemals Brandy!«

Er hatte den Namen Nscho-tschi genannt, der Schwester meines Winnetou. War er vielleicht ein Apatsche?

Hammerdull brachte die Suppe.

»Von der alten Henne«, sagte er. »Ist aber trotzdem gut.«

Er setzte sie vor den Indsman hin; der aber rührte sich nicht, obgleich ihm der Hunger deutlich anzumerken war. Erst auf die wiederholte freundliche Aufforderung meiner Frau griff er zum Löffel, den er mit einem Anstand und einer Bedächtigkeit handhabte, die auf große Selbstbeherrschung und aus einen jahrelangen Verkehr in guter Gesellschaft schließen ließ. Der junge Mann begann meine Teilnahme in hohem Grad zu erregen.

Während sich der Indianer mit der Suppe beschäftigte, waren die Zeichnungen fertig geworden und wurden uns vorgelegt. Sie waren schlecht, nicht einmal Zerrbilder, sondern ganz minderwertige Schmierereien. Man hatte angenommen, daß wir uns darüber ärgern und dadurch zu irgendeiner Albernheit verleiten lassen würden; wir aber taten im Gegenteil, als ob wir uns über das, was uns in Zorn bringen sollte, freuten.

»Prächtig!« sagte ich. »Wirklich prächtig! Wieviel kostet so ein Bild?«

»Bild, Bild!« lachte Howe. »Ein Bild nennt er so etwas! Wir schenken Euch die ›Kunstwerke‹ großzügig!«

»Alle sechs?« fragte ich.

»Meinetwegen alle sechs!«

»Danke!«

Ich legte die Blätter zusammen, steckte sie ein und fuhr dann fort:

»Aber ich bin ein anständiger Mensch. Ich lasse mir nichts schenken, ohne mich erkenntlich zu zeigen. Kann mich vielleicht einer von euch zu Pferd zeichnen? Es soll mir auf vier, fünf Dollar nicht ankommen.«

»Fünf Dollar? The devil! Ich hole sogleich ein Pferd!« rief einer von ihnen.

Er ging fort, und die andern folgten ihm, um eins der schlechtesten auszusuchen.

»Habt Ihr irgendeine Absicht dabei?« fragte mich Hammerdull.

»Natürlich! Jetzt kommt die Strafe. Lauft schnell und holt zwei, drei gute Zeugen, am liebsten Polizisten! Die mögen hinauf in unsre Zimmer gehn, wo sie alles, was geschieht und gesprochen wird, sehn und hören können.«

» Well, well! Wird besorgt, sofort!«

Er eilte weg, und gleich darauf brachte man das Pferd. Howe verlangte die fünf Dollar im voraus. Ich bezahlte sie. Dann durfte ich aufsteigen. Ich tat, als ob ich noch niemals auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hätte, und setzte dreimal scheinbar vergeblich an. Beim viertenmal war dann der Schwung, den ich mir gab, zu stark, so daß ich nicht nur hinaufkam, sondern drüben gleich wieder hinunterfuhr. Das gab ein dröhnendes Lachen. Schließlich hob man mich hinauf und schob mir die Zügel in die Hand. Dann begann das Zeichnen von neuem.

»Es wird großartig, wirklich großartig!« rief einer der ›Künstler‹. »Mr. Burton sitzt stolz zu Pferd wie ein Held und Rittersmann, der jedes Turnier gewinnt!«

Mir war das alles zuwider, aber ich spielte mit.

»Ist das wahr?« fragte ich scheinbar hocherfreut.

»Gewiß, gewiß! Man sieht, daß keiner von uns es Euch im Reiten gleichzutun vermag!«

»Wirklich?«

»Bestimmt!«

»So sagt, was kostet so ein Pferd?«

»Wollt Ihr eins kaufen?«

»Vielleicht mehrere! Wenn Ihr meint, daß ich ein so vorzüglicher Reiter bin, wäre ich doch dumm, wenn ich mit der teuern Bahn weiterführe! Das Reiten ist doch wohl billiger! Oder nicht?«

»Natürlich viel billiger! Wir haben einige Tiere übrig. Vielleicht verkaufen wir Euch eins davon.«

Sie blinzelten einander heimlich zu.

»Nur eins?« fragte ich. »Ich brauche fünf oder sechs.«

»Oho! Für wen?«

»Für mich und Mrs. Burton –«

»Die die Gitarre spielt?« fiel Howe spottend ein.

»Ja. Und es kommen noch einige gute Bekannte dazu.«

»Die auch Musikanten sind?«

»Wenn es euch Vergnügen macht, ja. Am liebsten würde ich drei Pferde und drei Maultiere nehmen und die nötigen Sättel dazu. Was kostet das?«

Sie waren zunächst verblüfft. Sie sahen mich an, sie sahen einander an; dann fragte Howe prüfend:

»Drei Pferde und drei Maultiere? Welche denn?«

Ich deutete auf die Maultiere.

»Von den Pferden«, sagte ich dabei, »möchte ich die nehmen, die sich jetzt gelegt haben, die mit den langen Ohren.«

Da verlor sich der Ernst auf ihren Gesichtern sofort wieder. Unbeirrt zeigte ich nun auf die drei Fliegenschimmel.

»Und die Maultiere dort gefallen mir ebenso. Ich zahle jeden Preis!«

Das Lachen erscholl von neuem.

»Die Maultiere dort! Und die Pferde da! Das ist köstlich, unübertrefflich!«

So riefen sechs Stimmen durcheinander, und als die Heiterkeit etwas nachgelassen hatte, fragte Howe:

»Ihr zahlt jeden Preis? So? Wieviel Geld habt Ihr denn eigentlich bei Euch, Sir?«

»Volle zweihundertfünfzig Dollar!« brüstete ich mich. »Das ist doch gewiß bedeutend mehr, als Eure ganze Reiterei kostet!«

Jetzt wurde das Gelächter schmetternd. Sie steckten die Köpfe zusammen, um einen Plan auszuhecken, der auf alle Fälle für mich nur vorteilhaft war. Sie dachten nicht mehr an mein Bild zu Pferd, sondern wahrscheinlich nur noch daran, meine zweihundertfünfzig Dollar in die Hände zu bekommen.

»Steigt wieder ab!« forderte Howe mich auf. »Ihr gefallt uns außerordentlich, Mr. Burton! Ihr sollt die Pferde und die Maultiere haben und auch die Sättel dazu. Ihr könnt das alles sogar umsonst haben, wenn Ihr wollt.«

»Umsonst? Wieso?« fragte ich.

»Wir möchten Euch reiten sehn! Auf den Pferden und auch auf den Maultieren! Wir satteln sie Euch jetzt, alle sechs. Ihr steigt da draußen auf und reitet im Galopp hierherein, aber nicht etwa durch die Tür, sondern über die Mauer!«

»Also im Sprung?« fragte ich. »Über einen Meter hoch?«

»Ja. Getraut Ihr Euch das?«

»Warum nicht? Ihr habt ja selber versichert, daß ich ein sehr guter Reiter sei. Man kann doch nicht herunterfallen, wenn man die Füße in den Steigbügeln hat und die Zügel in den Händen.«

»Nein, gewiß nicht!« lachte er, und die andern wieherten mit. »Also jedes Pferd und jedes Maultier, das Ihr im Galopp glatt über die Mauer hereinbringt, ohne daß Ihr abgeworfen werdet, ist Euer!«

»Darf ich dabei den Hut absetzen und den Rock ausziehn?«

Da brüllten seine Genossen vor Vergnügen; er aber beherrschte sich.

»Ihr dürft ausziehn oder meinetwegen auch anziehn, was Euch beliebt. Selbst wenn Ihr Euch dabei als Hanswurst oder als dummer August kleiden wolltet, hätten wir nichts dagegen. Nun aber kommt der Hauptpunkt: Ihr habt die zweihundertfünfzig Dollar sofort zu erlegen. Gelingen Euch die sechs Sprünge, so bekommt Ihr sie zurück und die Pferde und Maultiere dazu. Mißraten sie Euch aber, so bekommt Ihr nichts, und auch das Geld ist unser. Ihr seht doch wohl ein, daß das nicht anders geht?«

»Natürlich! Ihr setzt Eure Pferde aufs Spiel, und so muß ich ganz selbstverständlich auch etwas wagen. Mein Geld ist zwar mehr wert als alle Eure Pferde, aber ich will der Noble sein!«

Wieder lachten sie alle.

»Ganz recht,« sagte Howe. »Und da wir Euch die Tiere augenblicklich stellen, so seid Ihr verpflichtet, auch Euer Geld unverzüglich zu erlegen.«

»Ja, sofort, sobald der Vertrag gemacht worden ist.«

»Vertrag?« fragte er.

»Gewiß! Ich habe gehört, daß die Pferdehändler die pfiffigsten Menschen sind, die es gibt, und daß man sich bei ihnen in jeder Weise vorsehn und sicherstellen muß.«

»Aber wir sind doch keine Pferdehändler, sondern Künstler!«

»Trotzdem! Es ist ein Pferdehandel, ganz gleich, wer oder was wir sind!«

» Well! Bin einverstanden. Papier her!«

»Und ich sage an!«

Dabei stieg ich vom Pferd, und zwar absichtlich so schwerfällig und unbeholfen wie nur möglich. Howe setzte sich. Ich sagte ihm den Wortlaut vor, und er schrieb ihn nach, ohne eine Silbe daran zu ändern. Er war ja vollständig überzeugt, alles mögliche unterschreiben zu können, ohne üble Folgen davon zu haben, weil es für ihn feststand, daß ich gleich beim ersten Versuch, meine Künste zu zeigen, aus dem Sattel fliegen würde. Ich sprach mit erhobner Stimme, denn ein Blick nach unsern Fenstern hinauf zeigte mir dort die gewünschten Zeugen, die jedes Wort hören und verstehn sollten. Ich fügte hinzu, daß ich mein Geld einem Unparteiischen zu übergeben hätte, daß er und kein andrer die Pferde und Maultiere satteln müsse, und daß dieser Unparteiische Mr. Holbers sei. Howe zeigte sich ebenso wie seine Kameraden seiner Sache so gewiß, daß er ohne Bedenken auch auf diese Bedingungen einging. Dann wurde von ihnen allen unterschrieben, zuletzt auch von mir. Ich gab dem alten Westmann den Vertrag, und er steckte ihn ein. Damit glaubten die Gegner, das Spiel gewonnen zu haben. Ich aber war grad der gegenteiligen Meinung. Ich händigte Pitt Holbers die vereinbarte Summe aus. Meine Frau lächelte, weil sie ahnte, was kommen sollte. Sie nickte mir heimlich zu. Der bei ihr am Tisch sitzende Indsman hatte sich inzwischen so weit erholt, daß er dem Vorgang mit Aufmerksamkeit folgte. Sein Auge hing mit prüfendem Blick an mir, und dieser Blick verriet, daß er das Kommende ahnte.

»Und nun hinaus zum Satteln!« gebot Howe.

Er stürmte mit seinen Kameraden zur Tür hinaus, Pitt Holbers hinter ihnen her. Ich folgte ihnen bedächtig und langsam und beobachtete sie dabei. Sie teilten den Peonen mit, was sich jetzt ereignen sollte. Peone – das sei hier kurz erwähnt – sind Pferdeknechte. Gewöhnlich wählt man Mexikaner niedersten Standes dazu; diese hier aber waren entschieden Yankees, und zwar erfahrene Kunden, auch nicht mehr jung, sondern gewiß schon über die Vierzig hinaus. Als sie jetzt mit den ›Künstlern‹ sprachen, standen sie nicht wie ihre Dienstboten, sondern schon mehr wie ihre Herren vor ihnen. Das fiel mir auf. Doch schienen sie mit dem schlechten Witz, dessen Opfer ich werden sollte, einverstanden zu sein, denn sie stimmten schließlich in das Gelächter der andern ein. Als Howe sich mit zweien von ihnen entfernte, um zu den Fliegenschimmeln zu gehn, rief ihnen der dritte in heiterm Ton nach:

»Schade, daß Sebulon und Hariman nicht dabei sind! Würden sich krank lachen! Wenigstens Sebulon!«

Man kann sich denken, wie diese beiden Namen auf mich wirkten! Also die zwei Enters! Denn daß nur diese beiden gemeint sein konnten, stand für mich fest. Auch die Reihenfolge, in der die Namen genannt wurden, stimmte: Sebulon voran. Er paßte zu diesen Menschen viel besser als Hariman, sein Bruder, und würde sich über den beabsichtigten Streich gewiß auch mehr freuen als sein Bruder. Aber ich hatte jetzt keine Zeit, diesen Gedanken weiter auszuspinnen, denn ich war bei dem Sattelzeug angekommen und mußte auswählen, was mir gefiel. Ob ich es dann auch wirklich brauchte, war in diesem Augenblick Nebensache; doch hegte ich schon jetzt gewisse Absichten, die sich zwar einstweilen nur auf Vermutungen stützten, später aber als richtig erwiesen. Meine Wahl fiel auf einen Frauensattel und die fünf besten Reitsättel. Von den Reitsätteln mußte ich, falls ich recht vermutete, später ein Stück gegen einen Packsattel umtauschen.

Der Leser, der dieser Komödie bisher willig gefolgt ist, vermutlich immer mit dem Gedanken, sie sei doch eines Old Shatterhand nicht würdig, soll trotzdem nicht enttäuscht werden. Der Mensch muß in allem, was er tut, an das Ziel denken, an das große Ziel. Und so handelte auch ich in diesem Fall. Ich ließ die Dinge nicht etwa gehen, wie sie gehn wollten, sondern ich war bestrebt, die unverschämten Burschen, die ich zudem für verkappte Verbrecher irgendwelcher Art hielt, in einer sorgsam vorbereiteten Falle zu fangen, dazu gehörte es, daß ich ihnen gegenüber beinah die Rolle eines Trottels spielte. Aber was macht das? Wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.

Bitterer schon war es, daß ich meine Frau bis zu gewissem Grad mit in dieses Spiel hineinziehen mußte. Doch auch das war unvermeidlich.

Vor mir stand der Gedanke, lockend, leuchtend, verführerisch nach ein paar dürren Jahren daheim am Schreibtisch: Old Shatterhand wird noch einmal – vielleicht zum letztenmal – nicht seine Schmetterfaust erheben, dafür aber um so nachdrücklicher Kraft und List zusammenraffen, um dem Gelichter des Wilden Westens zu zeigen, daß die Art der unverfälschten Männer noch nicht ausgestorben ist.

Diese Burschen waren ja so blind, daß sie nicht die einfachsten Dinge sahen. Darum konnte es mir nicht schwer werden, sie zu übertölpeln. Ich hatte mir aus einem Haufen von zwanzig Sätteln grad die fünf besten ausgesucht. Das mußte ihnen doch auffallen. Aber sie merkten nichts. Sie hielten mich offenbar noch immer für den alten Narren, den sie nach Belieben am Nasenseil herumführen konnten.

Nun, sie sollten sich in mir gründlich getäuscht sehn. Ich schaute ihrem frechen Treiben mit unzerstörbarem Gleichmut zu. Ich ließ es mir sogar gefallen, daß mir der eine Peon seine großen mexikanischen Sporen brachte, um sie mir an die Stiefel zu schnallen.

Holbers sattelte zunächst die drei Maultiere, sodann die Fliegenschimmel. Diese ließen es sich gefallen, duldeten aber dann nicht, daß sich ihnen jemand von der Seite her näherte. Ich mußte erfahren, ob dies nur die linke, also die Aufsteigseite, betraf oder auch die rechte. Ich tat also, als ob ich auch von dieser her nahe an sie herantreten wolle, doch wendeten sie sich dabei stets so, daß sie mich vor sich behielten. Auch von hinten ließen sie niemand heran. Sie schlugen da ganz lebensgefährlich mit den Hufen aus, und zwar alle drei. Nun wußte ich genug. Mit diesen drei Hengsten war es viel leichter, über die Mauer zu kommen, als mit den Maultieren, bei denen es sich erst zeigen mußte, ob sie Schule besaßen oder sich nur zum Lasttragen eigneten.

»Fangt an, Mr. Burton!« forderte mich Howe auf. »Es wird Zeit! Laßt uns nur erst noch nach dem Garten zurück, damit wir Euch sehn und bewundern können, wenn Ihr angesaust kommt!«

Man sah mir zu, wie ich aufstieg, und eilte dann lachend dem ›Garten‹ zu. Die Peone aber blieben im Freien, Holbers auch. Er wich ihnen nicht von der Seite und sagte mir durch ein heimliches Nicken, daß ich mich hier auf ihn verlassen könne. Er war noch der umsichtige, alles überlegende Mann wie früher.

Nun setzte ich das Maultier in Bewegung. Es sah ganz so aus, als ob es aus eignem Willen vorwärts ginge, erst langsam, dann etwas schneller. Es lief gradaus, nach links, nach rechts, scheinbar nach Belieben. Es drehte sich um, machte einen Bogen, wendete wieder, trottete weiter und versuchte sogar einen Trab. Ich rutschte hin und her. Ich schuckerte. Ich verlor zuweilen die Zügel, und ich fuhr hier und da aus den Bügeln. Das sah alles urgemütlich aus und war doch in Wirklichkeit eine scharfe Prüfung, die ich mit dem Maultier unternahm. Es geschah kein Schritt ohne meinen Willen, und ich bemerkte sehr bald, woran ich war. Das prächtige Geschöpf besaß die beste mexikanische Schulung. Als ich es ganz leise zum Sprung zusammennahm, gehorchte es so genau und so schnell, daß ich kaum Zeit fand, diese Aufforderung durch Gegendruck zu widerrufen. So näherten wir uns allmählich der Gartenmauer, bis wir nur noch vier oder fünf Schritte von ihr entfernt waren. Drüben gab es ein höhnisches Gelächter. Man war überzeugt, daß das Maultier mit mir nur spazierengegangen sei.

»Nun, herüber, Mr. Burton! Herüber!« rief Howe mir zu.

»Also bleibt es bei unsrer Abmachung?« fragte ich.

»Natürlich!«

»So nehmt es mir dann aber auch nicht übel!«

»Fällt uns nicht ein! Also kommt!«

» Salto! Alto! Elevado!«

Während ich diese drei beim Sprung gebräuchlichen Worte rief, schnellten wir hoch empor, über die Mauer hinüber und standen dann so unbeweglich und ruhig da drüben, als ob wir uns nicht von der Stelle bewegt hätten. Mein erster Blick war auf den Indsman gerichtet. Seine Augen leuchteten.

»Donnerwetter!« fluchte Howe.

Seine Kameraden ergingen sich in ähnlichen Ausrufen.

Ich glitt wortlos aus dem Sattel, führte das Maultier aus dem ›Garten‹ in den anschließenden Hof und band es dort an.

»Warum schafft Ihr das Vieh da hinaus?« wurde ich gefragt.

Ich antwortete nicht, nickte meiner Frau fröhlich zu und ging, das nächste Maultier zu holen. Es tat den Sprung ebenso wie das erste.

»Da habt ihr's!« schrie Howe. »Der Kerl kann reiten! Er hat gelogen!«

Ich ließ diese Beleidigung ungerügt und schaffte das Maultier ebenso in den Hof wie das vorige. Dann wandte ich mich an Klara:

»Bitte, hol mir mein Gepäck herunter und lege es da hinter die Sträucher!«

Als ich dann an die Stelle kam, wo die Peone warteten, sagte der eine zu mir:

»Sir, es scheint, Ihr wollt Euch einen Spaß mit uns machen?«

»Wenn das der Fall wäre, so hätte ich nur umgekehrt dieselbe Absicht wie ihr!«

»Nehmt Euch in acht, daß nicht etwa Ernst daraus wird!«

»Bei mir wird jeder Spaß zum Ernst, wenn es nämlich um ernsthafte Dinge geht.«

Da trat er hart an mich heran.

»Ich warne Euch!«

» Pshaw!« machte ich wegwerfend.

Ich hielt es nun nicht mehr für nötig, mich zu verstellen. Hurtig schwang ich mich auf das dritte Maultier, das Holbers am Zügel hielt.

»Wie wird es mit den Pferden?« fragte er mich leise.

»Ganz ebenso«, antwortete ich.

»Aber sie lassen doch niemand an sich heran!«

»Habt keine Sorge! Ich komme nicht nur heran, sondern auch hinauf!«

Nach diesen Worten flog ich über den Platz und über die Mauer hinüber. Als ich den Mulo Maultier zu den andern brachte, stand der Hof schon voller Menschen. Die Sache war bekannt geworden, und die Leute kamen herbei, dem spannenden Schauspiel beizuwohnen. Auch die benachbarten Höfe und Gärten füllten sich mehr und mehr mit Zuschauern.

Mein Koffer war da. Klara hatte ihn heruntergeholt. Sie sagte mir, daß neben Dick Hammerdull vier Zeugen an unsern Fenstern ständen, drei Polizisten und ein Herr, den man ihr als Corregidor bezeichnet habe.

»Das heißt soviel wie Bürgermeister. Die Leute mexikanischer Abstammung pflegen sich dieses spanischen Ausdrucks zu bedienen«, erklärte ich ihr.

Für weitere Erörterungen war hier keine Zeit. Ich trat hinter das Gebüsch und entnahm dem Koffer rasch meinen indianischen Beratungsrock aus weißem Leder, dessen Nähte mit Skalplocken verziert sind. Dann holte ich den Häuptlingsschmuck mit dem glänzenden Gefieder des Kriegsadlers hervor und setzte ihn auf.

Der junge Indianer stand so, daß er gerade noch sehn konnte, was ich tat. Er war sichtlich betroffen, sagte aber nichts.

Zu der Art von Schmuck, um die es sich hier handelt, durften nur die zwei äußersten Schwungfedern des Kriegsadlers genommen werden. Der meinige reicht hinten vom Kopf bis auf die Erde herab und ist von sorgfältigster, indianischer Arbeit. Als ich hinter den Büschen hervortrat, begannen zwei oder drei von den Burschen wieder zu lachen. Da aber fuhr Howe sie zornig an:

»Schweigt! Seht ihr denn nicht, was es nun geben wird? Er kennt das Geheimnis der drei Hengste. Da gibt es nichts zu lachen! Aber ich hoffe, er bricht trotzdem noch den Hals.«

Gelassen ging ich zwischen ihnen hindurch, hinaus zu den Pferden. Da standen die Peone. Keiner von ihnen sagte ein Wort; aber wenn Blicke die Wirkung von Büchsenkugeln besäßen, so wäre ich unter den ihren sofort zusammengebrochen. Die Fliegenschimmel hielten sich noch eng beisammen. Ich schritt langsam auf sie zu. Sie betrachteten mich, ohne sich zu bewegen. Ihre rötlichen Nüstern blähten sich. Ihre kleinen Ohren begannen zu spielen. In ihre langen, prächtigen Schwänze kam Bewegung.

Jetzt wußte ich, was es geschlagen hatte. Das Tier horcht und späht eben doch mit andern Sinnesorganen hinaus in die Welt als der Mensch. Während einen Menschen mein indianischer Anzug samt dem langen Federschmuck der Häuptlinge über meine Rasse zu täuschen vermocht hätte, war der Instinkt der Tiere unbestechlich. Sie verließen sich auf den Geruch. Und sowenig ein Hund etwa sein eigenes Spiegelbild anbellt als einen fremden Rassegenossen, sowenig nahmen diese edlen Pferde des Westens einen Weißen in indianischem Aufputz für eine Rothaut.

Ich mußte also ein anderes Mittel finden, sie zu täuschen, das heißt, sie meinem Willen gefügig zu machen; denn daß hier mit Gewalt nichts auszurichten war, wußte ich aus Erfahrung. Ich erinnere meine Leser nur an mein Erlebnis im Tal der Hasen, wovon ich in ›Old Surehand‹ II erzählt habe. Auch dort handelte es sich um ein indianisches Rassepferd, das ich bändigen wollte, und selbst Old Wabble, der king of the cowboys, der erstklassige Pferdekenner, traute mir nicht zu, daß ich die schwierige Aufgabe lösen könnte. Daß ich sie dennoch löste, hatte ich einzig dem Trick zu verdanken, daß ich das Tier mit Hilfe des Geruchs täuschte.

Und nun zurück zum Augenblick!

Ich hatte das vorliegende Abenteuer gewiß nicht vorauszuschauen vermocht, als ich mit meiner Frau in Radebeul zur Wild-Westfahrt 1908 rüstete. Aber ich war als alter Globetrotter immer auf alles gefaßt. Und so hatte ich auch rechtzeitig Ausschau gehalten nach jenem indianischen Würzkraut, das drüben in den Staaten an allen Pfaden wächst wie bei uns der Wegebreit. Schon an den Niagarafällen hatte ich das Kraut gefunden und einige Hände voll davon in meine Tasche gesteckt.

Jetzt griff ich nach dem Wundermittel und rieb mir damit Hände und Gesicht ein. Ein feiner Kräuterduft verbreitete sich. Es roch ›indianisch‹. Und sofort änderte sich das Verhalten der Pferde.

Zwei von ihnen ließen mich heran; das dritte aber schnaubte. Es hatte eine kleine, hellweiße Stelle grad über der Nase, kaum so groß wie ein Pfennig, ein tiefklares und gesundes Auge, ein charaktervolles, trocknes Köpfchen, eine seidenglänzende Haut und einen so tadellosen Bau, daß ich schon jetzt, da es mir noch gar nicht gehörte, beschloß, es für mich selber zu nehmen. Nun schwang ich mich auf eines der beiden andern Tiere. Es ließ sich das ohne jeden Widerstand gefallen, trug mich zweimal im Galopp rund im Kreis herum und flog dann mit mir über die Mauer, als ob sie nur eine niedrige Stufe sei. Lauter Beifall erscholl in den Höfen. Die sechs ›Künstler‹ aber waren still. Ich brachte das Pferd bei den Maultieren unter und ging dann hinaus, um das zweite zu holen. Auch das gelang. Als ich dann zum letztenmal hinaus zu den Peonen kam, trat der von ihnen, der mich schon einmal angesprochen hatte, auf mich zu.

»Sir, Ihr gebt doch wohl zu, daß Ihr darauf ausgegangen seid –«

»– euch eine Lehre zu erteilen«, unterbrach ich ihn. »Ja, das wollte ich allerdings.«

»Nun gut! Es ist geschehn. Dabei muß es nun aber sein Bewenden haben! Wir machen nicht mehr mit!«

»Ich auch nicht! Ist überhaupt gar nicht nötig! Wir werden ja gleich fertig sein!«

Ein kräftiger Ansatz, ein Sprung, und ich saß oben. Nun aber schnell in die Bügel und an die Zügel! Da ging der Schimmel auch schon mit allen Vieren in die Luft. Der Peon war gezwungen, auf die Seite zu springen, um nicht von den Hufen getroffen zu werden.

»Hund!« brüllte er mich an. »Das sollst du mir büßen!« Und zu seinen Kameraden gewandt, fügte er hinzu: »Kommt schnell hinein in den Hof! Die Abmachung darf nichts gelten! Er muß sie alle wieder herausgeben, alle!«

Er rannte mit ihnen fort. Da ich nun einmal aus dem Pferd saß, konnten sie mich nicht mehr daran hindern, nun auch noch den letzten Sprung auszuführen. Es galt also für sie nur noch, mich um den wohlverdienten Ertrag meiner Mühe zu bringen. Darum beeilten sie sich, mir womöglich vorauszukommen. Denn sie waren überzeugt, daß dieses letzte Pferd mir nicht so willig gehorchen würde wie die beiden vorherigen. Aber da irrten sie sich. Die Witterung wirkte nach. Es unternahm keinen Versuch, mich abzuwerfen.

Ich hütete mich, es durch die Sporen zu reizen, sondern gab vielmehr gute Worte. Weil ich der Ansicht war, daß es einer Dakotakreuzung entstamme, versuchte ich es erst in dieser Sprache, und zwar mit den bei den Dakotastämmen gebräuchlichen Anfeuerungsworten für Pferde.

»Schuktanka tehike, waschteh! Amani-wo, tokiye-wo – sei gut, sei gut, liebes Pferd! Lauf, lauf; geh weiter!«

Diese Aufforderung war ohne allen Erfolg. Ich setzte den Versuch also im Apatsche fort.

»Intschu, arkugo! Tatischah, nakate elkhantasch – sei lieb; sei gut! Lauf, lauf!«

Es spitzte die Ohren und wehte mit dem Schwanz. Es kannte also diese Worte, aber sie waren noch nicht die richtigen. Deshalb versuchte ich es nun mit dem Komantsche.

»Miaro, namachzo – geh weiter, schnell –«

Ich hielt mitten in diesem Zuruf inne und beobachtete den Hengst. Er stieß einen tiefen Ton der Freude aus und begann sofort, mit allen Hufen zu spielen. Und da kam mir ein Gedanke, der eigentlich weit hergeholt erschien, sich aber später als wohlbegründete Berechnung erwies. Es fiel mir der edle, dunkle Rotschimmel ein, den mein Freund Apanatschka, damals noch Häuptling der Naiini-Komantschen, mit großer Vorliebe geritten hatte. Ich habe dieses Pferd in ›Old Surehand‹ Band I erwähnt und beschrieben. Und ich wußte, daß sowohl Apanatschka als auch Old Surehand sich große Mühe gegeben hatten, diesen schönen Komantschenschlag mit Winnetous Lieblingen und mit besten Dakotatrabern zu vereinen, um Pferde zu ziehn, in denen die Vorzüge dieser drei Rassen zusammenflossen. Dieses Vorhaben war gelungen. Sie besaßen nun beide mehrere große Züchtereien, deren bedeutendste drüben am Bijou Creek lag, der ein Nebenfluß des südlichen Platte ist. Dort hatte sich Old Surehand zu den Wirtschaftsgebäuden ein Wohnhaus bauen lassen, worin er einige Monate des Jahres zuzubringen pflegte. Dieser freundliche und obendrein einträgliche Landsitz war gemeint, als er mir in seiner Mitteilung schrieb: »Betrachte mein Haus als das deinige, auch wenn wir nicht daheim sind!« Sollten die drei Fliegenschimmel von dorther kommen? Vielleicht auch die Maultiere? Sollten die sechs sogenannten Künstler samt ihren Peonen Pferdediebe sein? Unmöglich war das keineswegs. Trinidad ist seines Pferdehandels wegen weithin bekannt und für derartiges Gesindel ein ebenso bequemer wie gesuchter Ort, die geraubte Ware an den Mann zu bringen.

Das alles fuhr mir jetzt blitzschnell durch den Kopf, ohne daß ich Zeit hatte, den Gedanken festzuhalten. Der Rappschimmel begann, wie bereits gesagt, mit allen Hufen zu tänzeln und zu spielen. Ich nahm ihn fest zusammen und legte ihn dann in Galopp. In federndem Sprung ging es über die Mauer.

»Gewonnen, gewonnen! Die Pferde sind sein, sind sein!« ertönte ein vielstimmiger Ruf.

Holbers war schleunigst hinter mir hergerannt. Ich übergab ihm das Pferd, um es zu den andern in den Hof zu schaffen.

»Halt! Hierbleiben!« rief Howe ihm befehlend zu. »Der Hengst gehört uns und die andern alle auch! Sie müssen wieder herein, hierher, zu uns!«

Er griff nach den Zügeln. Da trat ich zu ihm heran.

»Hand ab vom Gaul! Ich zähle bis drei: Eins – zwei – drei –!«

Er ließ nicht los. Darum stieß ich ihm bei ›drei‹ die Faust in die Seite, daß er mitten unter seine Kameraden hineinflog und dann zur Erde stürzte.

Er wollte sich aufraffen, um mir diesen Stoß zu vergelten, konnte sich aber nur langsam wieder erheben; und bevor dies geschah, hatte sich schon ein andrer seiner Sache angenommen; es war der Peon, von dem ich ein ›Hund‹ genannt worden war. Er kam mit geballten Fäusten auf mich zu und schrie:

»Was, du schlägst? – Das soll dir schlecht –«

Er kam nicht weiter. Er wurde von Dick Hammerdull unterbrochen, der soeben in den ›Garten‹ trat, gefolgt von einigen kräftigen, muskelstarken Männern, die er sich schnell zusammengewinkt hatte, um im entscheidenden Augenblick mit ihnen dazwischenzutreten.

»Still! Haltet den Schnabel!« überschrie er den Peon. »Hier kommt das Essen! Die Suppe! Macht Eure Sache aus, wenn gegessen worden ist! In meinem Hotel ist es nicht erlaubt, sofort mit allen Fäusten dreinzuschlagen! Sondern hier heißt es, erst die Henne und dann das Geschäft!«

Dick Hammerdull war pfiffig. Um den Peon zu beruhigen, warf er die Schuld zunächst auf mich, winkte mir dabei aber mit den Augen die Bitte zu, mir das ›sofort mit allen Fäusten dreinschlagen‹ nicht etwa zu Herzen zu nehmen. Während die andern hinter ihm die Teller und Bestecke brachten, trug er die Schüssel mit der Hühnersuppe. So dachte ich, und so dachten alle beim Anblick der verdeckten Schüssel. Bis Hammerdull mich bat, den Deckel abzuheben, in das dampfende Gefäß hineinlangte und eine saftig gebratene Wildkeule zutage förderte. Triumphierend zeigte er den vielen Menschen ringsum den leckeren Braten, den er wer weiß wie in letzter Minute aufgetrieben hatte.

»Die Henne hat sich in ein Stück Wild verwandelt«, rief er laut und blinzelte mir dabei so bedeutsam zu, daß ich ihn sogleich verstand. Diese Mahlzeit sollte für uns sein, weil wir vorher zu kurz gekommen waren. Er aber tat, als meinte er die Rowdies. »Zu Tisch alle, für die hier gedeckt wird!«

» Well!« rief der Peon. »Es sei! Erst das Essen und dann die Pferde! Setzt euch! Dieser Mr. Burton kann warten, bis wir fertig sind!«

»Nein! Er soll nicht warten!« entgegnete Howe, der nach seinem Stuhl hinkte, um sich zu setzen. »Er soll uns Musik machen! Tafelmusik!«

»Ja, das soll er!« stimmte der Peon ihm bei, indem er mir gebieterisch winkte. »Her mit der Ziehharmonika! Und her mit der Gitarre!«

»Sogleich!« antwortete ich.

Rasch zog ich die zwei Revolver aus den beiden Außentaschen des vorhin abgelegten Rocks, drehte mich um und ging auf die Tafel zu.

»Hier die Ziehharmonika! Und hier die Gitarre!« drohte ich. »Das Spiel beginnt! Wer von euch nach der Waffe greift, bekommt auf der Stelle eine Kugel! War unser Essen vorhin für euch, so ist das eure nun für uns! Bitte, Mr. Hammerdull, greift zu! Hinüber zu uns mit dem Tafeltuch! Hinüber mit Besteck und Geschirr! Und hinüber mit der ganzen Mahlzeit!«

Einige Augenblicke lang herrschte rundum tiefes Schweigen. Die Drohung wirkte. Keiner der ›Künstler‹ und Peone wagte, sich zu rühren. Und nun brach rundum ein jubelnder Beifall los.

Hammerdull und Holbers beeilten sich, meine Weisung auszuführen, und niemand hinderte sie. Da entstand ein Gedränge draußen im Hof. Es wollte jemand von dort heraus in den ›Garten‹.

»Der Corregidor kommt!« hörte ich sagen. »Der Corregidor!«

Also der Herr Bürgermeister selber, und hinter ihm die drei Polizisten – unsre Zeugen. Aber sie kamen nicht nur als Zeugen, sondern noch aus einem andern, viel gefährlicheren Grund. Der Corregidor wandte sich zunächst an mich.

»Steckt die Revolver ein, Mr. Burton! Die haben ihren Dienst getan und sind nun, da ich mich der Angelegenheit annehme, nicht mehr nötig. Die Pferde und Maultiere sind Euer. Kein Mensch kann sie Euch nehmen. Und auch Euer Geld gehört Euch wieder!«

»Oho!« rief der rauflustige Peon, der unsre Waffen nicht mehr auf sich gerichtet sah. »Dazu gehören wir wohl auch!«

»Allerdings gehört Ihr auch dazu. Grad Ihr! Es verlangt mich sehr, Euern Namen zu erfahren. Aber den richtigen bitte ich mir aus!«

»Meinen Namen?« fragte der Peon. »Warum? Falsche Namen führe ich überhaupt nicht.«

»Ich kenne wenigstens zehn bis elf, die Ihr bisher brauchtet, um Euch zu verstecken. Euer wirklicher Name ist Wycliffe. Unter dem letzten falschen Namen wurdet Ihr wegen Raub und Pferdediebstahl unten in Springfield verurteilt, seid aber ausgerissen!«

»Das ist eine Lüge! Ich bin ein ehrlicher Mann und habe niemals einen andern Menschen auch nur um den Wert eines Cents gebracht!«

»Wirklich? – Wollt Ihr jemand sehn, der das Gegenteil beweist?«

»Bringt ihn mir!«

»Da ist er!«

Der Beamte tat bei diesen Worten einen Schritt zur Seite, so daß der bisher hinter ihm stehende Polizist zu sehn war. Dieser nickte dem Peon spöttisch zu.

»Ihr kennt mich wohl, Mr. Wycliffe? Ich war es, der Euch in Springfield verhaftete, und wiederhole das nun heut mit großem Vergnügen. Bin inzwischen hier in Trinidad angestellt worden.«

Kaum hatte der Peon diesen Polizisten gesehn und seine Worte gehört, so prallte er zurück.

»Dieser Schurke ist hier, dieser Schurke! Hol euch alle der Teufel! Kommt, kommt!«

Indem er diese Aufforderung an seine Kameraden richtete, tat er einen Sprung, der ihn aus unsrer Nähe brachte, und rannte spornstreichs davon, aus dem Garten auf das Ödland hinaus gradeswegs auf die Stelle zu, wo die Pferde standen.

»Ihm nach! Er will fliehn!« befahl der Corregidor, indem er gleich in eigner Person hinter ihm herrannte. Aber der Peon floh nicht allein. Seine sämtlichen Genossen waren aufgesprungen und folgten seinem Beispiel mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, die bekundete, daß sie in Beziehung auf derartige Vorkommnisse bedeutende Übung besaßen. Auch ich bin gewohnt, rasch zu handeln. Ich griff also so schnell wie möglich zu, aber es gelang mir nur, den letzten von ihnen noch zu erwischen und festzuhalten. Er wollte sich zwar losreißen, doch Hammerdull nahm ihn mir aus den Händen, warf ihn zu Boden und kniete ihm so fest auf die Brust, daß er sich nicht mehr rühren konnte.

Unterdessen liefen die andern, was die Beine hergeben wollten, die Verfolger auf den Fersen. Die Flüchtlinge erreichten ihre Pferde, schwangen sich auf und jagten davon, indem sie das vierte Maultier und auch das Pferd ihres von uns überwältigten Kameraden mitnahmen.

»Schurken!« rief dieser zornig aus, als er das sah. »Was wird nun aus mir?«

»Das kommt auf Euch an«, antwortete ich.

»Wieso?« fragte er.

»Wartet!«

Meine Aufmerksamkeit wurde nämlich durch den fast drolligen Auftritt, der sich jetzt da draußen entwickelte, angezogen. Es hatten sich alle Anwesenden an der Verfolgung beteiligt, ausgenommen lediglich Hammerdull und Holbers mit ihren Leuten, der Indianer, meine Frau und ich. Auch die Nachbarn mit ihren Zaun- oder vielmehr Mauergästen waren herübergesprungen und den Flüchtlingen nachgerannt. Es fiel ihnen jetzt, da diese davonritten, nicht etwa ein, stehnzubleiben oder gar umzukehren, sondern wir hörten den Corregidor rufen:

»Rasch zu den Korrals! Und dann hinter ihnen her!«

Korrals sind umzäunte, freie Plätze, worin man die Pferde unterbringt. Solche Plätze gab es für die Bewohner von Trinidad mehrere. Ihnen eilte man jetzt zu, um sich schleunigst beritten zu machen und dann den Spuren der so schnell Verschwundnen zu folgen. Nun waren wir allein, und ich wandte mich an den Gefangnen, der von Hammerdull noch immer festgehalten wurde.

»Steht auf! Und hört, was ich Euch sage!«

Da ließ Dick ihn halb los, so daß er sich erheben konnte.

»Wenn Ihr mir meine Fragen aufrichtig und wahr beantwortet, geben wir Euch frei.«

»So daß ich fort kann, wohin ich will?« fragte er schnell.

»Ja.«

Er sah mich prüfend an.

»Ihr seht nicht wie ein Lügner aus. Also sagt, was Ihr wissen wollt!«

»Von wem sind die drei Schwarzschimmelhengste?«

»Von der Farm eines gewissen Old Surehand.«

»Und die Maultiere?«

»Ebenfalls von dorther.«

»Gestohlen?«

»Nein, eigentlich nicht. Es war nur Betrug, ein kleiner, allerliebster Betrug. Wycliffe hatte erfahren, daß die besten Pferde und Maultiere Old Surehands für einen Deutschen bereitgestellt waren, der mit seiner Frau erwartet wurde. Auch sollten einige junge Maler und Bildhauer kommen, um ausgerüstet zu werden –«

»Ausgerüstet? Wozu?« unterbrach ich ihn.

»Um ins Apatschenland zu einer großen Schaustellung zu reiten. Der junge Surehand hatte sie dazu eingeladen, war aber, ebenso wie sein Vater, längst vorangereist. Da stellten wir uns ein. Wir vollführten eine Art Fastnachtsspiel. Der Verwalter glaubte uns und gab alles her, was wir verlangten.«

»Ah! Ich begreife. Ihr seid gar keine Künstler? Es langte nur bei einigen dazu, mich schlecht zu zeichnen?«

»So ist es!« lachte er. »Fragt weiter!«

»Ich bin fertig. Wenn ich weiter in Eure Geheimnisse eindränge, dürfte es mir wohl schwer werden, mein Wort zu halten. Ich mag also weiter nichts wissen.«

»Und ich darf fort?«

»Ja.«

»Ich danke! Ihr seid ein Ehrenmann, Sir. Aber ich bin ohne Pferd.«

»Da kann ich Euch nicht helfen.«

»Könnt Ihr mir nicht wenigstens eins der Maultiere geben?«

»Gestohlenes Gut? – Nein!«

»Aber, da Ihr nun wißt, daß die Tiere eigentlich gar nicht unser sind, dürft auch Ihr sie nicht behalten!«

»Will ich auch nicht. Ich kenne Old und auch Young Surehand. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß sie wiederbekommen, worum sie durch Euch gebracht worden sind, wenigstens so viel, wie ich retten konnte. Auch das Zelt behalte ich.«

» Well! Mir gleich! Aber ohne Pferd kann ich nicht fort. Ihr werdet heut erfahren, daß hier irgendwo und irgendwem eins abhanden gekommen ist. Wird das Euer Gewissen nicht beschweren?«

»Nicht im geringsten. Denn ich belaste mich nicht mit andrer Leute Angelegenheiten. Also geht!«

»Gut! Fertig! Lebt wohl!«

Er wandte sich zum Gehn. Da aber trat Dick Hammerdull ihm nochmals in den Weg.

»Wenn Ihr unbedingt ein fremdes Gewissen zu Rate ziehn wollt, so stelle ich Euch das meinige zur Verfügung. Ich werde sofort dafür sorgen, daß heut und hier kein Pferd abhanden kommt. In zehn Minuten wird die ganze Stadt es wissen, daß Ihr drauf und dran seid, Pferde zu stehlen. Fort mit Euch!«

Schon wollte der Mensch dieser Weisung Folge leisten, da nahm Hammerdull ihn noch einmal beim Arm.

»Noch auf ein Wort! Diese beiden Gentlemen, die Euch laufen lassen wollen, haben die Hauptsache vergessen. Ihr habt doch Geld?«

»So viel, wie ich brauche, ja.«

»Wo?«

»Hier in der Tasche.«

Er zog einen wohlgefüllten Beutel heraus, um ihn uns prahlerisch zu zeigen. »Warum fragt ihr nach meinem Geld?«

»Der Zeche wegen!« antwortete der Kleine, indem er ihm ins Gesicht lachte. »Ich heiße nämlich Dick Hammerdull und lasse mich von solchen Kerls, wie Ihr seid, nicht an der Nase herumführen. Ihr werdet die Zeche zahlen, für Euch und Eure Genossen!«

»Für mich, meinetwegen! Aber nicht für die andern; fällt mir nicht ein!«

»Das wird Euch gar wohl einfallen! Her mit dem Beutel!«

Er riß ihn dem Mann aus der Hand und gab ihn mir.

»Habt Ihr die Güte, zu bezahlen, Sir! Ich halte den Halunken einstweilen fest.«

Wie gesagt, so getan. Hammerdull machte die Rechnung; ich bezahlte sie und gab dem Mann dann den Beutel mit dem übrigen Geld zurück. Hierauf verschwand er, fluchend und wetternd, aber doch so schnell wie möglich.


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