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29. Kapitel.

Unterdessen war der Graf ruhelos in seinem Zimmer auf- und abgeschritten. Er wollte es sich nicht gestehen, daß eine gefährliche, ja unwiderstehliche Zauberin ihre Banden bereits um ihn geschlungen habe. Er glaubte, oder vielmehr er redete es sich ein, unter einem vorübergehenden Eindruck zu stehen, dennoch erwartete er die Rückkehr seines Dieners mit beinahe fieberhafter Ungeduld.

Als Stunden vergingen und die Mitternacht nahte, wollte er fast zornig werden, aber er kannte seinen treuen Alimpo zu gut, um zu wissen, daß dieser ihn nicht unnötigerweise warten lasse, und darum war auch die Sorge des Dieners, seinen Herrn unmutig zu finden, überflüssig gewesen.

»Du bist sehr lange fort«, das war alles, was der Graf bemerkte. – »Ich konnte nicht eher, Exzellenz«, entschuldigte sich Alimpo. – »Willst du damit sagen, daß du warten mußtest?« – »Ja, und zwar über zwei Stunden.« – »Dann erst kam sie?« – »Ja. Als ich ihr das Geschenk überreichte, wollte sie es zuerst nicht annehmen, ohne zu wissen, wer der Geber ist, ich habe mich aber nicht verraten, und sie gab sich schließlich zufrieden und bot mir eine Börse mit Gold, die ich aber nicht annahm.« – »Das ist recht, ich werde dich entschädigen.« – »Sie reichte mir aber ihre Hand. Und als ich diese Güte lobte, sagte sie, ich solle meinem Herrn sagen, daß sie gewohnt sei, gütig und dankbar zu sein.«

Bei diesen Worten zogen sich die Brauen des Grafen finster zusammen.

»Weiter sagte sie nichts?« – »Sie läßt Sie bitten, den Schleier des Geheimnisses bald fallen zu lassen, und wird am nächsten Ballettabend den Schmuck anlegen, damit Exzellenz sehen sollen, ob sie ihn zu tragen verstehe.« – »Gut, ich werde das Ballett besuchen. Sonst sagte sie nichts?« – »Nein.«

Der wackere Alimpo hielt es nicht für nötig, die Fragen und Antworten aufzuzählen, die er mit ihr gewechselt hatte. Doch der Graf erkundigte sich weiter:

»Wo hast du auf sie gewartet?« – »In einem kleinen Zimmer, in das mich ein Dienstmädchen brachte, denn ich wollte in dem eigentlichen Vorzimmer nicht bleiben, weil mich dort Señor Henrico Cortejo gesehen hätte.«

Der Graf war während dieses Gesprächs auf und nieder geschritten, jetzt hielt er plötzlich an.

»Cortejo?« fragte er. »Wieso?« – »Er war dort.« – »Ah! Bereits als du kamst?« – »Nein. Er kam mit ihr zusammen.« – »So ist er gar wohl jetzt noch dort?« – »Allerdings.«

Der Graf legte seine Faust schwer auf den Tisch und blickte finster vor sich hin.

»Er ist sehr oft dort«, bemerkte Alimpo weiter. »Das Dienstmädchen sagte es, die ich ausgehorcht habe.« – »Was sagte sie denn sonst noch?«

Es mußte mit dem Herzen des Grafen eigentümlich stehen, da er bereits nach der Plauderei eines Dienstboten forschte. Das merkte Alimpo recht gut. Er antwortete:

»Sie sagte, daß auch der Herzog von Olsunna sehr oft kommt, ebenso noch mehrere, deren Namen ich nicht weiß.«

Der Tisch krachte jetzt unter dem Druck, den die Faust des Grafen auf ihn ausübte, und als er nicht weiter fragte, machte Alimpo die Bemerkung:

»Schön ist sie, schön wie ein Engel, aber hundert Teufel hat sie im Leib, Exzellenz!«

Da fuhr des Grafen Kopf rasch empor, und sein Auge blitzte zornig auf.

»Wer sagt das?« fragte er streng. – »Ich habe es gesehen, und meine Elvira sagte es auch!« – »Deine Elvira? Ah, wer ist das?« fragte der Graf verwundert.

Alimpo stockte verlegen. Er hatte in diesem Augenblick ein Wort zum allerersten Mal gesprochen, das ihn nachher, ganz ohne seine Absicht, durch das ganze Leben begleitete und von seiner Elvira getreulich erwidert wurde. Er antwortete:

»Meine Elvira? Exzellenz, das ist Nachbars Elvirita aus Rodriganda.« – »Ich kenne sie nicht. Aber sie kennt die Tänzerin?« – »Ja, sehr gut! Sie ist ja das Dienstmädchen, die sie bedient und mir das Stübchen angewiesen hat.«

Des Grafen Gesicht wurde milder und milder, endlich lächelte er freundlich und sagte:

»Und die nennst du deine Elvira?« – »Ja«, antwortete Alimpo stockend. – »Ah, so ist sie deine Geliebte?« – »Ja, seit heute sogar meine Braut, wenn Exzellenz uns gnädige Erlaubnis erteilen. Wir haben uns versprochen.« – »So hast du gewußt, wo die Tänzerin wohnt?« – »Nein.« – »Aber du hast dein Mädchen doch besucht.« – »Auch das nicht. Wir beide haben uns nicht gesehen, seit ich die Schule verlassen habe.« – »Das wäre ja wunderbar! Ihr habt euch erst heute wiedergesehen, und zum ersten Mal, und euch auch gleich verlobt?« – »Ja. Ich habe es gar nicht geglaubt, daß es möglich ist, Exzellenz, daß man einem Mädchen gleich so gut ist, daß man weiß, diese muß deine Frau werden und sonst keine.« – »So war es bei dir?« – »Gerade so, bei mir und bei meiner Elvira auch.«

Der Graf blickte sinnend vor sich hin. Es bewegte sich kein Zug seines Gesichts, aber sein Herz ging mit wichtigen Gedanken schwer. Dachte er vielleicht, daß es ihm heute ganz ebenso gegangen sei wie Alimpo? Endlich holte er tief Atem und fragte:

»Kannst du dich auf diese Elvira verlassen?« – »Ganz gewiß, Exzellenz.« – »Gut, so suche morgen früh zu erfahren, wann Henrico Cortejo fortgegangen ist.« – »Darf ich denn morgen früh schon hingehen?« – »Ja, aber in Zivil, damit man dich nicht kennt. Hier hast du meine Börse. Du kaufst das seltenste und teuerste Bukett und bringst es der Tänzerin, sagst jedoch abermals nicht, von wem es ist. Wirst du dabei mit deiner Elvira zusammenkommen können?« – »Ich hoffe es.« – »So ist es gut. Wenn ich mit dir zufrieden bin und deine Elvira ein gutes Mädchen ist, werde ich für euch sorgen. Jetzt gute Nacht.«

Alimpo steckte die volle Börse mit einer tiefen Verbeugung des Dankes ein und ging. Er konnte in dieser Nacht vor Seligkeit nicht schlafen, während der Graf auch nicht schlief, allerdings nicht aus ganz demselben Grund. Auch er trug zwar eine Art von Seligkeit in der Brust, aber daneben auch eine Hölle, nur daß er sich dies nicht eingestehen wollte.

Am Vormittag, als kaum die schickliche Stunde zum Besuch angebrochen war, machte Alimpo sich mit einem Bukett auf. Er hatte Zivilkleider angezogen.

Als er das Haus erreichte, stand Elvira unter der Tür. Sie kam ihm heute am Tag so sauber und schmuck vor, daß er sie am liebsten gleich hier hätte umarmen mögen.

»Guten Morgen, meine Elvira!« grüßte er sie. – »Ah, guten Morgen, mein Alimpo«, antwortete sie ganz erstaunt. »Was tust du hier?« – »Ich muß zur Tänzerin, um ihr ein Bukett zu bringen.« – »Ist's wahr? Das muß ich sehen. Komm.«

Elvira führte ihren Schatz hinauf in das Stübchen, wo er das Bukett enthüllte.

»Oh, wie herrlich!« rief sie. – »Das habe ich selbst ausgelesen«, sagte er stolz. – »Du? Da muß ich deinen Geschmack loben.« – »Ja, meine Elvira, der ist von jeher fein gewesen«, versetzte er anzüglich. – »Wieso?« fragte sie verschämt. – »Nun, an der Liebsten erkennt man den Geschmack am sichersten.« – »Und du denkst wirklich, daß der deinige fein ist?« – »Ganz gewiß, besonders, wenn ich einen Kuß bekommen.« – »Den sollst du haben, du appetitlicher Mensch. Hier! Aber, hatte ich gestern nicht recht?« – »Womit?« fragte er, nachdem er sich den Kuß genommen hatte. – »Mit deinem Grafen, daß er in die Tänzerin verliebt ist?«

Da machte der gute Alimpo ein ernstes Gesicht und sagte beinahe traurig:

»Höre, meine Elvira, das ist eine schlimme Sache, die mir gar nicht recht ist, denn er ist nicht verliebt, sondern er liebt wirklich.« – »Wo liegt der Unterschied?« – »Das Verlieben liegt in den Sinnen, die Liebe aber im Herzen.« – »Und dies ist bei ihm der Fall?« – »Ja. Ich glaube, er könnte sterben, wenn er Unglück hat in der Liebe. Und ich bleibe dabei, sie hat den Teufel im Leib.« – »Sie ist nicht gut!« stimmte auch Elvira bei. »Aber er wird sie ja nicht heiraten.« – »Nicht – und was denn?« – »Er wird sie besuchen, mit ihr speisen und spazierenfahren wie die anderen, weiter nichts.« – »Nein, das wird er nicht tun, denn er ist nicht wie die anderen. Wenn er ein Weib liebt, so wird es seine Frau.« – »Ah, so dauert er mich.« – »Mich auch. Aber wir können nichts tun, wir müssen es gehen lassen. Übrigens habe ich mit dem Grafen von dir gesprochen.« – »Du bist nicht klug.« – »Nicht? So hast du einen schlechteren Geschmack als ich«, lachte er. »Ich habe ihm gesagt, daß ich dir gut bin und daß ich dich heiraten werde.« – »Und weiter?« – »Und er hat gesagt, daß er für uns sorgen will, wenn du ihm gefällst.« – »Oh, so brauchen wir ja gar keine Sorge zu tragen!« rief sie glücklich. – »Ja. Nun aber sage mir, wie lange der Sachwalter hiergeblieben ist.« – »Nur kurze Zeit. Bis zwei Uhr. Ich war noch wach, als er ging, denn ich dachte an dich, und da hörte ich, daß sie keinen sehr freundlichen Abschied nahmen.« – »So haben sie sich vielleicht entzweit?« – »Nein, so schlimm war es nicht. Übrigens mußte ich heute zum Herzog von Olsunna gehen, um ihm zu sagen, daß Señorita heute Migräne habe und also nicht zu sprechen sei.«

Alimpo lachte in sich hinein.

»Weißt du, wer schuld ist an dieser Migräne?« – »Nun?« – »Der Graf. Der hat mit seinem Schmuck Eindruck gemacht. Sie wittert einen reichen, vornehmen Anbeter und will sich keine Blöße geben. Ist sie wirklich krank?« – »Nicht im geringsten.« – »So kann ich zu ihr?« – »Ja. Ich werde dich sogleich anmelden. – Kommst du heute abend?« – »Das versteht sich, aber jetzt kann ich nicht länger plaudern.«

Elvira führte Alimpo in das Vorzimmer, in dem sie gestern sich getroffen hatten, und öffnete ihm bald darauf eine zweite Tür. Dort lag die Tänzerin auf einer Ottomane und blickte ihm erwartungsvoll entgegen.

»Ah, Sie sind es«, sagte sie, als sie ihn erkannte. »Was bringen Sie?« – »Diesen Morgengruß, Señorita.« – »Von demselben Unbekannten? Will er mir auch heute seinen Namen nicht nennen und sich mir nicht zeigen?« – »Er wird das nächste Ballett besuchen.« – »So sagen Sie ihm, daß mein Herz ihn zu finden wissen wird, die Stimme des Herzens ist untrüglich.«

Die Tänzerin erkannte sehr wohl, daß sie einem großen Sieg entgegengehe, und entließ den Diener mit einem huldvollen Nicken ihres schönen Kopfes.

Alimpo berichtete dem Grafen den Erfolg seiner Sendung, und dieser schien mit demselben zufrieden zu sein. Dann ging der Diener wieder eines Tages mit einem Bukett zu der Ballerina und des Abends zu Elvira, und was er nun erfuhr, schien durchaus des Grafen Wohlgefallen zu erregen. Die Tänzerin ging nämlich nicht mehr aus, sie empfing Cortejo nur noch einmal des Nachmittags auf wenige Minuten und den Herzog von Olsunna gar nicht.


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