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28. Kapitel.

Alimpo schritt auf ein hohes Haus zu, durch dessen Tor er trat, stieg eine hell erleuchtete Treppe hinan und gelangte an eine Tür, an der eine Karte mit dem Namen »Hanetta Valdez« befestigt war. Auf sein Klingeln wurde geöffnet, und das freundliche Gesicht einer Dienerin erschien.

»Was wünscht Ihr?« fragte sie. – »Ist Señorita Valdez schon daheim?« – »Nein.« – »So muß ich warten, denn ich habe einen Auftrag.« – »Noch so spät? Kann ich es nicht besorgen?« – »Nein. Ich habe etwas abzugeben.« – »Von wem?« – »Das ist Geheimnis. Darf ich eintreten, Señorita?« – »Eigentlich nicht. Aber wenn Ihr hübsch ruhig warten wollt, so mögt Ihr immerhin kommen.«

Die Dienerin öffnete nun die Tür vollends und ließ Alimpo in ein Vorzimmer treten, wo sie Gelegenheit hatte, ihn zu betrachten. Dem guten Alimpo war es unter dem Blick dieser hübschen Augen ganz so, wie es vorhin im Ballett seinem Herrn bei den zündenden Blicken der Tänzerin zumute gewesen war; er fühlte sein Herz klopfen, aber nicht ängstlich, sondern wohltuend und selig.

»Aber«, sagte sie im Ton der Überraschung. »Was ist denn das! Ich glaube, ich täusche mich. Heißt Ihr nicht Juan Alimpo, Señor?« – »Ja, der bin ich.« – »So seid Ihr wohl gar der kleine, gute Juan Alimpo aus Rodriganda?« – »Klein?« fragte er ein wenig unzufrieden. »Nun, so ganz klein bin ich doch wohl nicht. Ihr seid noch einen ganzen Fingerbreit kürzer als ich.« – »Das ist möglich«, lachte sie. »Aber, Señor, seht mich doch einmal genauer an. Erkennt Ihr mich denn nicht wieder?« – »Nein«, sagte er verlegen. »Habe ich Euch etwa einmal gekannt, Señorita?« – »Na, und ob.« – »Wer seid Ihr denn?«

Ihre hellen, schelmischen Augen lachten ganz glücklich, als sie erwiderte:

»Ich bin vier Jahre jünger als Ihr ...« – »Ah! Auch aus Rodriganda?« – »Ja. Kennt Ihr das kleine unartige Nachbarkind nicht mehr, das so oft auf Eurem Rücken geritten ist?« – »Verdammt! So seid Ihr am Ende gar ...«

Alimpo hielt mit offenem Mund inne. Nein, das unartige, kleine Nachbarkind, diese kleine, böse, abscheuliche Hummel, konnte doch unmöglich ein so hübsches, dralles Mädchen geworden sein!

»Nun, so redet doch nur weiter, Señor!« lachte sie, indem sie ihm zwischen den purpurnen Lippen hindurch zwei prachtvolle Reihen allerliebster, kleiner Zähnchen zeigte.

»Hm«, brummte er, halb froh und halb verlegen. »Ihr seid doch nicht etwa Nachbars Elvirita?« – »Freilich bin ich die, die Elvirita, wie Ihr mich immer nanntet, oder die Elvira, wie ich jetzt heiße.« – »Donnerwetter!« fluchte er bewundernd. »Ihr seid verdammt hübsch geworden!« – »Geht, Señor Alimpo!« sagte sie verschämt. – »Bei der heiligen Madonna, es ist wahr!« beteuerte er. – »Oh, auch Ihr seid anders geworden, und zwar noch ein bißchen hübscher!« lächelte sie. – »Nur ein bißchen? Donnerwetter, das ist nicht genug! Ich wollte, daß ich unendlich hübscher geworden wäre, damit ich Euch vielleicht ein bißchen gefiele.«

Es war auf einmal ein ungewöhnlicher Mut über den wackeren Alimpo gekommen. Er faßte das Mädchen bei der Hand und blickte ihm in die Augen.

»Geht, Señor«, sagte sie da erglühend. »Was kann Euch daran liegen, ob Ihr mir gefallt!« – »Oh, sehr, sehr viel, Elvira. Aber wollen wir nicht wieder ›du‹ zueinander sagen, wie früher?« – »Nein, denn Ihr seid ja jetzt ein so vornehmer Herr geworden.« – »Ich? Ah! Inwiefern?« – »Ihr tragt doch die Livree des Grafen de Rodriganda!«

Da blickte Alimpo an sich herab, schlug sich mit der Hand vor die Stirn und rief:

»O heilige Madonna, bin ich dumm!« – »Warum?« fragte Elvira, erstaunt über diese unerwartete Aufrichtigkeit. – »Ja. Und mein Herr, der Graf, ist noch dümmer!« – »Ah!« lachte jetzt das Mädchen auf. »Das sollte er hören!« – »Oh, er würde mir ganz gewiß recht geben. So dumm wie heute sind wir beide seit langer Zeit nicht gewesen.« – »Inwiefern denn, Alimpo?« – »Weil ich nicht wissen lassen soll, wer ich bin und von wem die Diamanten kommen, und trage doch diese Livree.« – »Diamanten?« rief das Mädchen erstaunt. – »Ja, für fünfzehntausend Silberduros.« – »O mein Gott, mir wird ganz – ganz dumm im Kopf!« rief Elvira, indem sie die Hände zusammenschlug. »Für wen sind sie denn?« – »Für die Ballerina.« – »Für meine Herrin? Und von wem kommen sie?« – »Das darf ich ja eben nicht sagen.« – »Und trägst doch seine Livree? Also vom Vizekönig?« – »Ich sage es nun gerade nicht!« meinte er trotzig. – »Das hast du auch nicht nötig«, lachte sie. »Das ist wohl ein Geschenk?« – »Freilich.« – »O du heilige Mutter Gottes! Ein Geschenk von Diamanten für fünfzehntausend Duros! Wofür denn?« – »Hm, für das Tanzen jedenfalls. Ich weiß es nicht.« – »Hat er sie denn tanzen sehen?« – »Heute. Dann rannte er zum Juwelier, kaufte die Steine und schickte mich her, um sie ihr persönlich zu überreichen. Aber ich soll nicht sagen, von wem sie sind.« – »Höre, Alimpo, er ist verliebt in sie!«

Der Diener machte ein ganz perplexes Gesicht.

»Ver-liebt! Du bist nicht gescheit!« – »Nicht? Oh, ich sage dir, daß wir Frauenzimmer in solchen Sachen sehr gescheit sind!« – »So?« fragte er, einigermaßen unruhig. »Warum denkst du, daß er verliebt ist?« – »Weil er ihr ein solches Geschenk gibt. Einen solchen Reichtum gibt man nur, wenn man ganz und gar verliebt ist.« – »Donnerwetter!« – »Ja!« sagte sie triumphierend. – »Ich dachte, ein Geschenk gäbe man nur, wenn man geradezu verrückt ist«, meinte Alimpo. – »Geh, du bist wenig höflich!« schmollte sie. – »O doch, gegen dich zum Beispiel vorzugsweise gern.« – »Also, wenn du nun zum Beispiel in mich verliebt wärest?« – »Hm, das wäre sehr leicht möglich«, schaltete er schnell ein. – »Würdest du mir Diamanten geben?« – »Ich habe ja keine!« – »Aber wenn du reich wärest?« – »Ah! Oh! Hm! Ja, ich würde dir vielleicht welche geben! Ganz gewiß!« – »Na siehst du, daß es nur auf die Liebe ankommt? Er ist verliebt in sie, das ist gewiß!« – »Alle Teufel! Was soll daraus werden?« – »Ja, das ist nun allerdings eine schlimme Sache! Kann ich die Brillanten einmal sehen?« – »Nein. Wenn die Ballerina käme!« – »Oh, die kommt noch lange nicht. – »Ah! So muß ich also diese lange Zeit hier warten?« meinte er. – »Freilich. Das ist dir wohl nicht lieb?«

Alimpo warf einen verräterischen Seitenblick auf Elvira und entgegnete:

»O doch, sehr lieb!« – »Nun, so siehst du also, daß wir Zeit haben, uns die Steine zu betrachten. Bitte, zeige sie mir!« – »Umsonst? Da zeige ich sie nicht her!« versetzte er entschieden. – »Ja, was willst du denn haben?« – »Hm«, schmunzelte er mutig, »einen Kuß wenigstens!« – »Geh, du Böser«, sagte sie errötend. – »Gut, so packe ich nie aus, und nun verlange ich sogar drei.« – »Das ist zu viel, ganz entschieden zu viel!« rief sie empört. – »Zu viel, für Diamanten im Wert von fünfzehntausend Duros?« – »Hm«, besann sie sich. Sein Argument schien Eindruck zu machen. »Gut«, erwiderte sie, »aber du bekommst die Küsse erst, wenn ich die Steine gesehen habe.« – »Nein, darauf gehe ich nicht ein. Ich will es jedoch gnädig machen; einen zuvor, einen beim Angucken und einen hinterher. Basta!« – »Gut! Hier hast du den ersten. Aber nun setze dich auch hier neben mich auf das Sofa. So etwas muß man sich in aller Ruhe und Bequemlichkeit betrachten können.«

Damit reichte sie ihm ihre frischen, roten Lippen hin, und er gab ihr einen langen, herzhaften Kuß auf dieselben. Dann nahmen sie nebeneinander Platz, und er öffnete das sorgfältig verschnürte Paket, entnahm demselben das Etui und ließ die Brillanten im Strahl des Lichtes funkeln.

»Ah!« rief sie, vor Entzücken so weg, daß sie den Kuß gar nicht bemerkte, den er ihr abermals gab. »Welch eine Pracht und Herrlichkeit! Diese Diamanten!« – »Fast so hell wie deine Augen!« fuhr er fort und gab ihr dabei den dritten Kuß. – »Diese Rubinen!« – »Gerade so schön wie deine Lippen!« Dabei gab er ihr den vierten Kuß. – »Hier auch Perlen!« rief sie entzückt. – »Schöner nicht als deine Zähne!« Nun erhielt sie den fünften Kuß, und jetzt erst merkte sie, daß er sich gar nicht mehr an ihren Kontrakt hielt. Sie schob ihn also fort und sagte: »Hier ein Saphir, und hier zwei Smaragde! Geh, du Böser, das haben wir nicht ausgemacht.« – »Allerdings nicht«, entschuldigte er sich. »Aber ich habe auch nicht gedacht, daß der Schmuck gar so schön ist. Ich bin viel zu billig gewesen. Ich verlange jetzt für jeden Stein einen Kuß!« – »Pack dich!«

Elvira wollte den Ungestümen abwehren, aber es gelang ihr nicht. Er drückte sie herzhaft an sich und küßte sie nach Herzenslust. Endlich erhielt sie ein wenig Atem und rief:

»Aber du störst mich ja! Wann soll ich da die Steine betrachten!« – »Ach was, Steine! Ein Kuß von dir ist mir lieber als alle Steine der Welt.« – »Ist das wahr?« fragte sie. – »Ja. Höre, Elvira, lege einmal den Schmuck weg und gib mir deine beiden Hände.« – »Warum?« – »Das wirst du gleich hören.«

Sie erglühte und erwiderte abwehrend:

»Aber so vergeht die Zeit, und ich habe mir den Schmuck nicht ansehen können.« – »Tue mir nur eine kurze Minute den Willen, dann sollst du ihn betrachten können, so lange es dir beliebt!« – »Nun gut. Hier hast du meine Hände!«

Das Mädchen legte nun den Schmuck neben sich auf das Sofa und reichte ihm die Hände. Er aber ergriff dieselben, blickte ihr treu in die Augen und fragte:

»Weißt du noch, Elvira, daß wir als Kinder immer gute Freunde waren und uns lieb hatten?« – »Ach ja!« – »Dann mußten wir auseinander, aber ich habe stets an dich gedacht.« – »Ich auch an dich.« – »Bist du mir noch so gut wie früher, Elvira? Ich bitte dich darum!« – »Nun, so will ich dir noch gut sein. Und du?« – »Oh, ich habe dich so lieb, daß – daß – daß ich dir gleich diese Steine schenken würde, wenn sie mir gehörten!«

Da lachte sie in glücklicher Lust hell auf und sagte: »Da wärest du ja sinnlos verrückt, Alimpo!« – »Nein, meine Elvira. Ich war sehr dumm, als ich das vorhin sagte.« – »Und nun willst du gescheiter sein?« – »Gewiß. Aber nur unter der Bedingung, daß du meine Braut, meine Frau werden willst.« – »Heilige Lauretta, bist du rasch, Alimpo!« – »Ja. In so wichtigen Dingen darf man keine Zeit versäumen. Antworte mir, Elvira.« – »Hm. Wirst du mir aber auch gehorchen?« – »Ja. Und du mir?« – »Gewiß!« – »So sind wir also einig?« – »Einig!« lachte sie glücklich. – »Hurra! So ist's recht! Nun ist's gut! Nun gibst du mir noch einen tüchtigen Kuß, und dann kannst du dir die Steine vollends betrachten.«

Der Kuß wurde gegeben und die Steine wieder vorgenommen, aber das Beschauen derselben ging doch nicht ohne die verschiedensten Zärtlichkeiten ab, und als Elvira ganz zufälligerweise nach der Uhr blickte, bemerkte sie zu ihrem Schreck, wie weit der Zeiger bereits vorgeschritten war.

»Mein Gott, eine Viertelstunde vor Mitternacht!« rief sie. – »Verdammt!« – »Packe schnell wieder ein! Meine Herrin kann jeden Augenblick kommen.« – »Wird sie meine Uniform, meine Livree kennen?« – »Wohl kaum.« – »Nun, das ist gut, denn sie soll nicht wissen, von wem das Geschenk ist. Oder wirst vielleicht du es ihr sagen? Ich bitte, es nicht zu tun.« – »Gut, so werde ich schweigen.« – »Auch wenn sie dich fragt?« – »Ja. Heute wird sie mich überhaupt gar nicht fragen, da sie jedenfalls nach dem Theater noch Besuch empfängt. – »Wer sind die Herrschaften, die vielleicht noch kommen?« fragte er. – »Der Herzog von Olsunna oder Señor Henrico Cortejo. – »Wenn nämlich Henrico Cortejo kommt, so darf ich nicht hier bleiben. Er kennt nicht nur meine Livree, sondern auch mich selbst und würde der Ballerina sogleich sagen können, von wem das Geschenk kommt. Weißt du keinen Ausweg?« – »Hm! Es steht drüben ein kleines, unbewohntes Zimmer; aber es ist finster.« – »Das schadet nichts.« – »Gut, so führe ich dich hinüber; wenn die Herrin kommt, hole ich dich!« – »Oder noch besser, bring sie hinüber. Er könnte mich doch sehen oder hören.« – »So gebe ich dir auch eine Lampe. Komm!«

Elvira brannte eine der vorrätigen Lampen an und geleitete Alimpo in ein kleines, einfach ausgestattetes Gemach, zu dem sie den Schlüssel bei sich trug.

»Wer ist der Besitzer dieses Raumes?« fragte er.

»Augenblicklich niemand. Es hat ein armer Maler hier gewohnt, der vor zwei Wochen ausgezogen ist. Ich habe den Schlüssel behalten, um immer abzustäuben.« – »Abzustäuben? Hm! – Oh! – Hm!« machte er mit einem sehr listigen Gesicht. – »Was hast du?« fragte sie. – »Einen Gedanken, einen sehr, sehr schönen, guten und auch einen außerordentlich praktischen Gedanken. Du wünschst doch, daß wir uns zuweilen wiedersehen, meine Elvira?« – »Ja, das wünsche ich allerdings.« – »Aber wo soll das geschehen?« – »Vielleicht in der Kirche?« – »Geht nicht, da können wir nicht miteinander sprechen.« – »Oder auf dem Markt, wenn ich einkaufen gehe.« – »Da beobachten uns die Leute, und die Zeit ist zu kurz.« – »Oder des Abends auf der Promenade?« – »Das ginge eher, aber ich weiß nie, wenn ich dem Herrn Grafen entbehrlich bin.« – »Ja, so weiß ich wirklich weiter keinen Ort.« – »Aber ich weiß einen, und eben dieses Stübchen ist es, das ich meine.« – »Ah! Wie sollte das wohl gemacht werden?« – »Ich kann nur des Abends kommen, da läßt du die Stube auf, daß ich sofort eintreten kann. Ist von innen verriegelt, so ist dies ein Zeichen, das ich drinnen stecke. Du darfst dann nur zuweilen nachsehen und ganz leise drei langsame Schläge mit dem Finger tun, so mache ich auf.« – »Aber wenn du entdeckt wirst?« – »Das wird nicht so leicht geschehen!« – »Nun gut, so wollen wir es einmal probieren. Ah, horch! Ich glaube, sie kommen! Ich muß hinüber.«

Man hörte in der Tat Schritte auf der Treppe; es waren eine männliche und eine weibliche Person deutlich zu unterscheiden.

»Das ist sie, und Cortejo ist bei ihr«, flüsterte Elvira. »Sie kommen aus dem Theater.«

Im nächsten Augenblick war Elvira aus dem Gemach verschwunden. Als sie das Vorzimmer betrat, war die Künstlerin mit ihrem Begleiter bereits in das andere Zimmer getreten, wohin Elvira ihr nachging, wie sie es zu tun gewöhnt war, um den Herrschaften beim Ablegen behilflich zu sein.

Die Tänzerin zeigte sich jetzt als eine mittelhohe, volle Gestalt von geradezu unbeschreiblicher Schönheit der Gesichtszüge; aber über dieses Gesicht zuckte es zuweilen wie über das eines unbekannten Dämons, der in ihrem Herzen wohnen mußte.

Als Elvira ihr einen Wink gegeben hatte, wies die Ballerina ihren Besucher nach dem Boudoir und sagte zu ihm:

»Treten Sie ein, Señor. Ich habe noch eine Kleinigkeit mit dem Mädchen. Was sollte der Wink?« fragte sie dann, als sie sich unbelauscht wußte. – »Es will Sie jemand sprechen, Señorita, und zwar ein fremder Diener.« – »Wer ist sein Herr?« – »Ich weiß es nicht.« – »Ah, ein Geheimnis! Ist er ein Saragossaner oder ein Fremder?« – »Der Sprache nach ist er ein Spanier; er hat mir aber nicht gesagt, was er mit der Señorita zu sprechen hat. Er wartet bereits seit zwei Stunden und behauptete, er habe etwas direkt an Señorita abzugeben und dürfe nicht eher fortgehen.« – »Ah, jedenfalls ein Geschenk! Wo ist er?« – »Drüben im kleinen Kabinett. Er läßt Señorita bitten, sich zu ihm zu bemühen, weil er von Señor Cortejo nicht gesehen oder gehört sein will.« – »Ah, so ist er von diesem gekannt! Nun, ich werde ihm den Willen tun. Warte!«

Die Ballerina ging hinüber in das kleine Zimmer. Alimpo saß erwartungsvoll auf seinem Stuhl, als sie eintrat.

»Wer sind Sie?« fragte sie ihn mit einer Stimme, die mild wie der Ton einer silbernen Glocke klang. – »Señorita, ich bitte, dies verschweigen zu dürfen«, bat er mit einer tiefen Verbeugung. – »Warum?« – »Es ist mein Auftrag so!« – »So sprechen Sie weiter!« – »Ich habe den Befehl, der Königin der Sonne diesen Tribut zu überreichen, und zwar mit der Bitte um Entschuldigung, da jede irdische Gabe für eine solche Herrscherin unbedeutend sein muß.«

Der wackere Alimpo hatte seine poetische Ader noch mehr angestrengt als es in der Weisung des Grafen gelegen hatte. Er gab ihr das Paket und wollte sich mit einer Verbeugung entfernen. Sie aber hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.

»Warten Sie!« gebot sie ihm, dann löste sie die Hüllen, die Alimpo sorgfältig wieder befestigt hatte, öffnete das Etui und rief: »Ah!«

Es war nur dieser eine Laut, den sie ausstieß, aber es lag eine ganze Welt von Glück, Überraschung und stolzer Genugtuung darin. Ihre Augen leuchteten; ihre Lippen öffneten sich, so daß die Zähne wie farblose Tautropfen zwischen ihnen erschienen; ihr Busen wogte, und als sie jetzt das Collier ergriff und den Arm hoch emporhob, um es im Schein des Lichtes brillieren zu lassen, da war durch die verschobene Mantille ein Reichtum von Schönheit zu erblicken, im Vergleich zu welcher der Wert dieses Colliers eine Bagatelle war

»Herrlich!« rief sie. »Und das soll mein sein?«

Ihre erregten Augen glühten wie Feuerbrände auf das Angesicht des Dieners.

»Ja, wenn Señorita es annehmen wollen«, antwortete er. – »Und ich darf nicht wissen, von wem es kommt?« – »Nein.«

Da warf die Tänzerin den Kopf stolz in den Nacken und sagte:

»Dies Geschenk ist kostbar, sehr kostbar, aber ich weise es dennoch zurück, wenn Sie mir nicht einige Fragen beantworten.« – »Ich darf nicht, Señorita!« – »Sie haben die Weisung, den Namen des Gebers zu verschweigen?« – »Hm!« sagte er langsam. »Es ist allerdings kein weiterer Zusatz gemacht worden.« – »So werde ich einige Fragen aussprechen, die Sie mir mit gutem Gewissen beantworten können.« – »Ich werde es tun, wenn ich kann.« – »Nun wohl. Ist Ihr Herr ein Spanier, von Adel und reich?« – »Alles dies. Er ist im übrigen Witwer, nicht mehr jung und hat zwei Söhne.« – »In welchem Alter stehen diese?« – »Ich bitte, diese Antwort zurückhalten zu dürfen, weil in ihr eine Andeutung liegt, die es Ihnen leicht macht, den Geber zu erraten.« – »Gut. Wohnt der Geber in Saragossa?« – »Für jetzt, ja.« – »Hat er mich öfters gesehen?« – »Nein, heute zum ersten Mal im Theater, und er ist sofort nach der Vorstellung zum Juwelier gegangen, um diesen Schmuck einzukaufen.« – »Auf welchem Platz war er im Theater?« – »Auch dies, bitte ich, verschweigen zu dürfen.«

Ihr Gesicht glänzte und glühte förmlich von Triumph und Genugtuung, und jetzt trat jener dämonische Zug, der schon vorhin auf ihrem Gesicht bemerkbar gewesen war, noch mehr hervor. In ihren Augen und um ihre Lippen lag nämlich eine Härte, die erraten ließ, daß dieses wunderherrliche Weib imstande sei, alles niederzutreten und zu vernichten, ohne Gnade und Barmherzigkeit, was sich der Befriedigung ihrer Leidenschaften und Begierden in den Weg stelle.

»Sie sind sehr verschwiegen«, sagte sie. »Verschwiegener als ich gewöhnt bin; aber ich will nicht weiter in Sie dringen. Hier ist ein Douceur – Trinkgeld –!«

Damit griff die Tänzerin in die Tasche der Mantille und streckte Alimpo eine wohlgespickte Börse entgegen. Er aber verbeugte sich dankend und erwiderte:

»Ich bitte um Entschuldigung, Señorita; aber ich würde meine Stellung sofort verlieren, wenn ich nur einen einzigen Maraved – alte spanische Goldmünze – annähme.«

»Ihr Herr sieht es ja nicht!« – »Ich tue nie etwas, was er nicht sehen darf!« – »So ist er besser und treuer bedient, als mancher andere! Nehmen Sie also anstatt des Geldes meine Hand als Dank.«

Sie streckte ihm den schönen, vollen, bloßen Arm mit dem kleinen, verführerischen Händchen entgegen. Alimpo wagte es, die Spitzen ihrer Finger mit einem Kuß zu berühren.

»Diese Güte, Señorita«, sagte er. »ist mir werter als alles Gold. Ich werde von ihr meinem Herrn berichten.« – »Ja, sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich gewöhnt bin, gütig und dankbar zu sein!« erwiderte sie zweideutig. »Ich nehme das Geschenk an, erwarte aber, daß er aus seinem geheimnisvollen Dunkel heraustritt. Beim nächsten Ballettabend werde ich den Schmuck anlegen, und ich ersuche Ihren Herrn, sich zu überzeugen, ob ich ihn zu tragen weiß.«

Mit diesen Worten rauschte sie hinaus.

Alimpo blieb zurück in der Hoffnung, Elvira noch einmal zu sehen. Er hatte sich auch nicht getäuscht, denn da sie drüben nicht weiter gebraucht wurde, trat sie bald ein.

»Nun?« fragte sie. – »Donnerwetter!« fluchte er. »Ein schönes Weib!« – »Schöner als ich?« erkundigte sie sich ein wenig spitz. – »Ja, viel, viel schöner!« entgegnete der aufrichtig. – »Du, du, Alimpo!« drohte sie. – »Ach was! Schön ist schön, aber gut ist gut, und beides ist zweierlei. Ich lobe mir meine Elvira.« – »Wirklich?« fragte sie lächelnd und den Arm um ihn legend. »Wird es aber auch so bleiben?« – »Sicher! Schöner als die Tänzerin kann zwar keine sein, aber dennoch möchte ich sie nicht zur Frau, denn sie kommt mir vor, als hätte sie die Hölle hinuntergeschluckt mit Millionen von Teufeln. Ist Cortejo wirklich bei ihr?« – »Ja. Er wartet im Boudoir auf sie.« – »So wollte ich, er wartete in alle Ewigkeit und auch noch etwas länger! Nun aber, gute Nacht, meine gute Elvira!« – »Du mußt fort?« – »Freilich! Mein Herr hat über zwei Stunden warten müssen; das ist er nicht gewöhnt.« – »So gehe! Aber morgen kommst du wieder?« – »Sicher. Gute Nacht!« – »Gute Nacht, mein Alimpo!«

Sie umarmten und küßten sich noch einige Male, endlich riß Alimpo sich los, um seinen Herrn aus der ihn verzehrenden Ungeduld zu reißen.

Die Ballerina aber war inzwischen zu Cortejo in ihr Boudoir eingetreten, hatte die Mantille abgeworfen und neben ihrem Gast Platz genommen. Sie wußte, daß der Sender dieses Schmuckes ihm bekannt sein müsse, aber sie konnte warten. Endlich, als er von der neuen Livree eines Genueser Edelmanns, die ihm sehr gefallen hatte, sprach, ergriff sie die Gelegenheit und bemerkte:

»Auch mir fiel heute während des Tages eine Livree auf, die ich im Theater noch nicht gesehen hatte. Der Besitzer muß kein Freund des Theaters oder wenigstens des Balletts sein.« – »Ich kenne alle hiesigen Livreen, vielleicht kann ich dich orientieren. Beschreibe sie mir.« – »Sie war einfach. Grau mit amarantfarbenen Aufschlägen und Kragen.« – »Ah, weiße Binde, amarantfarbene Gamaschen, die mit silbernen Knöpfen besetzt sind?« – »Ja.« – »Hast du die Knöpfe erkennen können?« – »Ja. Sie zeigten eine Grafenkrone und ein verschlungenes R und S.« – »Und diese Livree hast du noch nicht gesehen?« fragte er erstaunt. – »Nein.« – »Aber meine Liebe, das ist ja die unsrige!« – »Die eurige?« rief sie im höchsten Grad überrascht.

Sie wußte nun sofort, wer der Geber war, denn sie hatte von Cortejo bereits gehört, daß Graf Manfredo in Saragossa weile.

»Es wird einer der Diener im Theater gewesen sein«, sagte er. »Der Graf kommt sicherlich nicht in das Ballett, denn seine Anschauungen sind zu streng.«

Sie wußte es allerdings besser. Sie wußte, daß sie diesen strengen Mann bezaubert hatte und daß es vielleicht nur auf sie ankam, ihn festzuhalten und seine Reichtümer zu teilen. Darum erkundigte sie sich:

»Du sprachst einst davon, daß er Söhne habe?« – »Ja, zwei, sie sind jetzt in Madrid.« – »Er ist ein Witwer?« – »Ja. Er führte ein sehr glückliches Leben mit seiner Frau und ließ sich nach ihrem Tod, um seinem Schmerz zu entgehen, nach Indien versetzen.« – »Hat er dort prosperiert?« – »Als Vizekönig?« lachte er. »Reichtümer, ungeheure Reichtümer hat er sich erworben.« – »Die er nun hier im Mutterland verzehren wird?« – »Jedenfalls.« – »Vielleicht verbindet er sich zum zweiten Mal?« – »Ah, du hättest vielleicht Lust, Gräfin Rodriganda zu sein?« lachte er. »So versuche doch, ihn zu erobern!« – »Hältst du dies für etwas so Unmögliches?« – »Beinahe, mein Kind, denn dieser Mann ist für Frauen vollständig unzugänglich.«


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